Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einbeziehung der bestätigten und der bereits rechtskräftig gewordenen Teile wie folgt lautet:
„Einstweilige Verfügung:
Die beklagte Partei ist schuldig, es ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) MicardisPlus-Präparate (Wirkstoffe Telmisartan und HCTZ) mit Hilfe eines Vergleichs mit anderen Blutdrucksenkungsmitteln, und zwar insbesondere mit dem Blutdrucksenkungsmittel Co-Diovan fortissimum (Wirkstoffe 160 mg Valsartan und 25 mg HCTZ), zu bewerben, wenn dem Vergleich eine mit der Fachinformation nicht vereinbare Dosis von MicardisPlus-Präparaten, und zwar insbesondere die Dosis 80 mg Telmisartan und 25 mg HCTZ, zugrunde liegt, und/oder
b) eine mit der Fachinformation nicht vereinbare Dosis des Präparates MicardisPlus, und zwar insbesondere die Dosis 80 mg Telmisartan und 25 mg HCTZ, zu bewerben.
Hingegen wird das Mehrbegehren abgewiesen, der beklagten Partei darüber hinaus zu verbieten,
c) die Präparate Micardis (Wirkstoff Telmisartan) und/oder MicardisPlus (Wirkstoffe Telmisartan und HCTZ) für die Behandlung von Diabetes Mellitus und/oder für die Behandlung von anderen Krankheiten, die eine Insulinresistenz aufweisen, und zwar insbesondere für die Behandlung des metabolischen Syndroms, zu bewerben, sofern das beworbene Präparat nicht zur Behandlung der oben genannten Krankheiten zugelassen sei, wobei dies insbesondere für die Behauptung „Telmisartan ist ein selektiver PPAR-gamma-Aktivator" und sinngemäße Behauptungen gelte, und/oder
d) die Präparate Micardis (Wirkstoff Telmisartan) und/oder MicardisPlus (Wirkstoffe Telmisartan und HCTZ) mit Hilfe eines Vergleichs mit anderen Blutdrucksenkungsmitteln, und zwar insbesondere mit dem Blutdrucksenkungsmittel Diovan (Wirkstoff Valsartan) und/oder Co-Diovan und/oder Co-Diovan forte und/oder Co-Diovan fortissimum (Wirkstoffe jeweils Valsartan und HCTZ), zu bewerben, der auf Ergebnissen von Versuchen beruhe, die nicht am Menschen durchgeführt worden seien, sofern auf diesen Umstand nicht deutlich hingewiesen werde.
Die klagende Partei hat die Hälfte der Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz vorläufig und die andere Hälfte dieser Kosten endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei einen mit 682,47 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz (darin 113,75 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei hat zwei Drittel der Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig und ein Drittel dieser Kosten endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei einen mit 1.190,88 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 198,48 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Parteien stehen im Wettbewerb beim Vertrieb von blutdrucksenkenden Medikamenten. Die Beklagte vertreibt insbesondere die Arzneimittelspezialitäten „Micardis", bestehend aus dem Wirkstoff Telmisartan, in den Dosierungen 20 mg, 40 mg und 80 mg, und „MicardisPlus", bestehend aus den Wirkstoffen Telmisartan und HCTZ, in den Dosierungen 40 mg Telmisartan und 12,5 mg HCTZ („MicardisPlus 40/12,5 mg") sowie 80 mg Telmisartan und 12,5 mg HCTZ („MicardisPlus 80/12,5 mg").
Die Beklagte warb für diese Arzneimittel im März und April 2006 in einem an Ärzte gerichteten „Hypertonie Report". Dabei verglich sie deren Wirkung von Micardis und MicardisPlus mit jener von Konkurrenzprodukten. Insbesondere stellte sie „Telmisartan 80 mg + HCTZ 25 mg (2 x MicardisPlus 40/12,5 mg)" Medikamenten der Klägerin gegenüber und fasste diesen Vergleich mit folgendem Text zusammen: „Blutdrucksenkung vs Valsartan. Micardis wirkt stark - auch in hohen Dosierungen".
Unter der Überschrift „Micardis Steckbrief" nannte sie Eigenschaften und Wirkungen dieses Arzneimittels und führte unter anderem aus: „Telmisartan ist ein selektiver PPAR-gamma-Aktivator".
Die Fachinformation zu MicardisPlus 40/12,5 mg enthält unter anderem folgende Aussagen:
„Klinische Angaben, Anwendungsgebiete:
Behandlung der essentiellen Hypertonie. Die fixe Dosiskombination MicardisPlus (40 mg Telmisartan / 12,5 mg Hydrochlorothiazid) ist bei Patienten indiziert, deren Blutdruck mit Telmisartan alleine nicht ausreichend kontrolliert ist.
Dosierung, Art und Dauer der Anwendung:
Erwachsene: MicardisPlus sollte einmal täglich mit etwas Flüssigkeit zum Essen oder nüchtern vom Patienten eingenommen werden, deren Blutdruck mit Telmisartan alleine nicht ausreichend kontrolliert ist. Eine individuelle Dosistitration mit jeder Einzelkomponente wird vor der Umstellung auf die fixe Dosiskombination empfohlen. Falls klinisch angemessen, kann ein direkter Wechsel von der Monotherapie zur fixen Kombination in Betracht gezogen werden. MicardisPlus 40/12,5 mg kann bei Patienten gegeben werden, deren Blutdruck mit Micardis 40 mg alleine nicht ausreichend kontrolliert ist. MicardisPlus 80/12,5 mg kann bei Patienten gegeben werden, deren Blutdruck mit Micardis 80 mg alleine nicht ausreichend kontrolliert ist. [...]
Eingeschränkte Leberfunktion: Bei Patienten mit leicht bis mäßig eingeschränkter Leberfunktion sollte die Dosierung die einmal tägliche Gabe von MicardisPlus 40/12,5 mg nicht überschreiten".
Die Fachinformation enthält keinen ausdrücklichen Hinweis, dass am Tag nicht zwei oder mehr Tabletten MicardisPlus 40/12,5 mg eingenommen werden sollen. Sie enthält auch keine Angaben über eine „PPAR-gamma-Aktivierung". Die Fachinformation für MicardisPlus 80/12,5 mg verweist auf die Fachinformation für MicardisPlus 40/12,5 mg.
Es ist nicht bescheinigt, dass die mit dem „Hypertonie Report" angesprochenen Fachkreise die Formulierung „PPAR-gamma-Aktivierung" dahin verstehen, dass das Arzneimittel der Beklagten auch zur Behandlung von Diabetes Mellitus und vergleichbaren Krankheiten eingesetzt werden könne.
Die Klägerin begehrt, soweit noch relevant, der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) die MicardisPlus-Präparate (Wirkstoffe Telmisartan und HCTZ) mit Hilfe eines Vergleiches mit andere Blutdrucksenkungsmitteln, und zwar insbesondere mit dem Blutdrucksenkungsmittel Co-Diovan fortissimum (Wirkstoffe 160 mg Valsartan und 25 mg HCTZ), zu bewerben, dem eine nicht zugelassene Dosis von MicardisPlus-Präparaten, und zwar insbesondere die Dosis 80 mg Telmisartan und 25 mg HCTZ, zugrunde liege,
b) eine nicht zugelassene Dosis des Präparates MicardisPlus, und zwar insbesondere die Dosis 80 mg Telmisartan und 25 mg HCTZ, zu bewerben,
c) die Präparate Micardis (Wirkstoff Telmisartan) und/oder MicardisPlus (Wirkstoffe Telmisartan und HCTZ) für die Behandlung von Diabetes Mellitus und/oder für die Behandlung von anderen Krankheiten, die eine Insulinresistenz aufwiesen, und zwar insbesondere für die Behandlung des metabolischen Syndroms, zu bewerben, sofern das beworbene Präparat nicht zur Behandlung der oben genannten Krankheiten zugelassen sei, wobei dies insbesondere für die Behauptung „Telmisartan ist ein selektiver PPAR-gamma-Aktivator" und sinngemäße Behauptungen gelte.
Ein viertes Teilbegehren, das sich auf die dem Werbevergleich zugrunde liegenden Studien bezog, ist bereits rechtskräftig abgewiesen.
Nach der Fachinformation für MicardisPlus betrage die maximal zugelassene tägliche Dosis 80 mg Telmisartan und 12,5 mg HCTZ. Die Beklagte erzeuge zwar auch MicardisPlus-Tabletten mit einer Wirkstoffkonzentration 80 mg Telmisartan und 25 mg HCTZ (MicardisPlus 80/25 mg). Diese seien aber in Österreich nicht zugelassen worden. Die Beklagte werbe daher für ein „nicht zugelassenes" Arzneimittel (gemeint offenkundig: für ein Arzneimittel in nicht zugelassener Dosierung). Damit verstoße sie in subjektiv vorwerfbarer Weise gegen § 50a Abs 1 AMG, was einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG begründe. Die Werbung verstoße zudem gegen Punkt 1.7 des Verhaltenskodex des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs und sei irreführend iSv § 2 UWG.
Weiters bezeichne die Beklagte das von ihr vertriebene Medikament als selektiven PPAR-gamma-Aktivator. In der Fachwelt sei bekannt, das PPAR-gamma-Aktivatoren zur Behandlung von Diabetes Mellitus und anderen Krankheiten, die eine Insulinresistenz aufwiesen, eingesetzt würden. Die Beklagte bewerbe MicardisPlus damit für die Behandlung solcher Krankheiten. Dafür sei dieses Arzneimittel aber nach der Fachinformation nicht zugelassen. Dieser Teil der Werbung verstoße daher gegen Punkt 1.4 des Verhaltenskodex sowie gegen § 50a Abs 3 Z 3 AMG und sei aus diesem Grund ebenfalls sittenwidrig iSv § 1 UWG.
Die Beklagte wendet ein, sie habe sich in ihrer Werbung nicht auf MicardisPlus 80/25 mg bezogen, sondern auf zwei Tabletten von MicardisPlus 40/12,5 mg. Dieses Arzneimittel sei in Österreich zugelassen, wobei keine bestimmte Dosierung vorgeschrieben worden sei. Die Angabe „einmal täglich" in der Fachinformation bringe nur zum Ausdruck, dass die Tabletten zu einem einzigen Zeitpunkt, dh nicht über den Tag verteilt, eingenommen werden sollten. Eine Höchstdosis könne dieser Formulierung nicht entnommen werden. Die Beklagte verstoße daher mit der beanstandeten Aussage gegen kein gesetzliches Verbot. Die Bezugnahme auf die PPAR-gamma-Aktivierung erwecke nicht den Eindruck, dass Micardis der Behandlung von Diabetes Mellitus oder von anderen Krankheiten mit Insulinresistenz diene. Die Werbeaussage stehe weder im Widerspruch zur Fachinformation, noch sei sie damit unvereinbar.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Beklagte habe eine zugelassene Arzneispezialität in einer nach der Fachinformation nicht unzulässigen Dosierung beworben. Denn die Fachinformation überlasse die individuelle Dosierung dem behandelnden Arzt und schließe die Einnahme von täglich zwei Tabletten nicht aus. Die Bewerbung von zwei MicardisPlus 40/12,5 mg - Tabletten verstoße daher nicht gegen § 50a Abs 1 Z 1 AMG. Dass die Werbeaussage „Telmisartan ist ein selektiver PPAR-gamma-Aktivator" als Indikation zur Behandlung von Diabetes Mellitus und ähnlichen Krankheiten verstanden werde, habe die Klägerin nicht bescheinigt; der zum Nachweis dieser Behauptung erforderliche Sachverständigenbeweis sei kein parates Bescheinigungsmittel und daher im Provisorialverfahren nicht aufzunehmen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Die Beklagte habe nicht ihre in Österreich nicht zugelassenen MicardisPlus 80/25 mg - Tabletten beworben, sondern zwei Tabletten der zugelassenen Arzneispezialität MicardisPlus 40/12,5 mg. Damit stelle sich die Frage, ob diese Dosierung nach der Fachinformation unzulässig sei. Denn eine Arzneimittelwerbung dürfe nicht „im Widerspruch" zur Fachinformation stehen (§ 50 Abs 2 Z 3 AMG „in der, zum Zeitpunkt des Erscheinens der beanstandeten Werbeaussagen, geltenden Fassung vor dem BGBl I Nr. 153/2005"). Das sei nicht der Fall. Denn der Hinweis auf die „einmal tägliche" Einnahme beziehe sich nur auf Art und Dauer der Anwendung, nicht auf die Dosierung als solche. Zur Dosierung enthalte die Fachinformation nur die Angabe, dass bei eingeschränkter Leberfunktion die einmal tägliche Gabe von MicardisPlus 40/12,5 mg nicht überschritten werden „sollte". Von einer „maximalen Zieldosis", wie bei einem Konkurrenzprodukt, sei hier nicht die Rede. Die Fachinformation schließe daher eine Dosierung von zwei MicardisPlus 40/12,5 mg - Tabletten am Tag nicht aus. Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilen wollte, sei die Fachinformation zumindest so missverständlich, dass die Auffassung der Beklagten mit gutem Grund vertreten werden könne. Das Erstgericht habe daher den Sicherungsantrag in den Punkten (a) und (b) zu Recht abgewiesen.
Für die Beurteilung von Punkt (c) des Sicherungsantrags sei entscheidend, ob die angesprochenen Fachkreise die Bezugnahme auf den „PPAR-gamma-Aktivator" als Hinweis darauf verstünden, dass mit dem Arzneimittel auch Diabetes und ähnliche Krankheiten behandelt werden könnten. Da für die Beantwortung dieser Frage die Erfahrungen des täglichen Lebens nicht ausreichten, liege keine Rechts-, sondern eine Tatfrage vor. Der Klägerin sei es nicht gelungen, das von ihr behauptete Verständnis zu bescheinigen. Die Behauptung, Telmisartan sei ein selektiver PPAR-gamma-Aktivator, stehe auch nicht im Widerspruch zur Fachinformation. Denn das wäre nur der Fall, wenn die Fachinformation eine gegenteiligen Aussage enthielte. Die Auffassung der Klägerin, dass die Werbung der Fachinformation entsprechen, dh von ihr gedeckt sein müsse, widerspreche dem Wortsinn. Zudem sei nicht einzusehen, warum das AMG eine Werbeaussage, die ohnehin wahr sein müsse, nur deshalb untersagen sollte, weil die Fachinformation zu diesem Punkt überhaupt keine Angaben enthalte. Lediglich bei der Werbung für homöopathische Arzneispezialitäten sei vorgeschrieben, dass nur bestimmte Angaben angeführt werden dürften.
Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, da es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage gebe, wann eine Arzneimittelwerbung „im Widerspruch" zur Fachinformation stehe (§ 50 Abs 2 Z 3 AMG aF) bzw mit dieser „nicht vereinbar" sei (§ 50a Abs 3 Z 3 AMG nF).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist teilweise berechtigt.
1. Nach dem Vorbringen der Klägerin verstößt die (vergleichende) Werbung mit der Dosis von zwei Tabletten des Medikaments MicardisPlus 40/12,5 mg gegen § 1 UWG iVm § 50a Abs 1 Z 1 und Abs 3 Z 1 AMG. Weiters erwecke sie den irrigen Eindruck (§ 2 UWG), dass diese Dosis in Österreich zugelassen sei und ohne irgendwelche Einschränkungen verabreicht werden könne. Die Bewerbung von MicardisPlus als „selektiver PPAR-gamma-Aktivator" verstoße gegen § 1 UWG iVm § 50a Abs 3 Z 1 AMG.
2. Gegen § 1 UWG verstößt, wer sich durch einen zu Wettbewerbszwecken begangenen Rechtsbruch einen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern verschafft (RIS-Justiz RS0078089, RS0077931). Der Gesetzesverstoß muss subjektiv vorwerfbar sein. Maßgebend ist, ob die Auffassung des belangten Mitbewerbers über den Inhalt der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten kann (4 Ob 331/82 = SZ 56/2 - Metro-Post; RIS-Justiz RS0077771; zuletzt etwa 4 Ob 173/06d, 4 Ob 151/06v und 4 Ob 171/06k).
Zu prüfen ist daher, ob die Beklagte mit gutem Grund annehmen konnte, ihre Werbung verstoße nicht gegen die einschlägigen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes. Wegen des unmittelbaren Wettbewerbsbezugs dieser Vorschriften und des hohen Werts des damit geschützten Rechtsguts (der Gesundheit der Patienten) ist bei der Prüfung der Vertretbarkeit - ebenso wie bei jener der Irreführungseignung einer Arzneimittelwerbung (4 Ob 233/06b) - ein strenger Maßstab anzulegen. Das entspricht auch der Zielsetzung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, die den Werbebeschränkungen des Arzneimittelgesetzes zugrunde liegt. Nach Erwägungsgrund 47 dieser RL ist die Werbung für Arzneimittel „strengen Voraussetzungen und einer wirksamen Kontrolle zu unterwerfen."
3. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass für die Prüfung der Frage, ob eine subjektiv vorwerfbare Rechtsverletzung vorlag, die zum Zeitpunkt der beanstandeten Werbung geltende Fassung der einschlägigen Bestimmungen maßgebend ist.
Konnte die Beklagte ihr Verhalten damals mit guten Gründen als rechtmäßig ansehen, läge ungeachtet einer späteren Verschärfung dieser Vorschriften kein Verstoß gegen eine Unterlassungspflicht vor, der nach ständiger Rsp (RIS-Justiz RS0037661, RS0005402) die Wiederholungsgefahr indizierte. Die Klägerin müsste daher Umstände behaupten und beweisen (bescheinigen), die eine ernstlich drohende Gefahr der erstmaligen Begehung begründen; die bloße theoretische Möglichkeit der Begehung (dh der nunmehr rechtswidrigen Wiederholung des ursprünglich rechtmäßigen Verhaltens) genügte nicht (allgemein zur Erstbegehungsgefahr 4 Ob 22/04w = RdW 2004, 539 - Thunbergia Laurifolia mwN; RIS-Justiz RS0037661 T6).
Davon zu trennen ist die Frage, ob ein subjektiv vorwerfbarer Verstoß gegen früher geltende Bestimmungen auch noch nach einer Änderung der Rechtslage einen Unterlassungsanspruch begründen kann. Das wäre jedenfalls dann nicht der Fall, wenn das beanstandete Verhalten nun rechtmäßig wäre (4 Ob 140/94 = SZ 68/6 - BMX-Rennräder). Weiters erlaubte der Verstoß gegen eine zum Zeitpunkt des beanstandeten Verhaltens geltende strengere Regelung noch nicht die Vermutung, der Mitbewerber werde auch eine später gelockerte Regelung nicht beachten (4 Ob 87/94 = Öbl 1995, 120 - Urlaub für Schlaue).
Auf diese Erwägungen kommt es hier aber nicht an. Für die beanstandete Werbung galt zwar noch § 50 AMG idF vor dem BG BGBl I 153/2005. Denn obwohl der mit „Werbebeschränkungen" überschriebene fünfte Abschnitt des Arzneimittelgesetzes idF des BG BGBl I 153/2005, der ua § 50a AMG enthält, nach § 95 Abs 8c AMG schon am 2. Jänner 2006 in Kraft getreten ist, hatte Werbematerial nach § 94c Abs 14 AMG (erst) bis zum 1. Jänner 2007 den neuen Anforderungen zu entsprechen. Damit war für die im März und April 2006 erschienene Werbung der Beklagten noch das alte Recht maßgebend.
Allerdings stimmen, wie noch zu zeigen sein wird, die Werbebeschränkungen des alten und des neuen Rechts in den hier relevanten Punkten inhaltlich überein. Damit begründet ein vorwerfbarer Verstoß gegen die früher geltende Regelung auch weiterhin einen Unterlassungsanspruch. Denn es ist zu vermuten, dass ein Mitbewerber, der gegen eine zum Zeitpunkt des beanstandeten Verhaltens geltende Bestimmung verstoßen hat, sein Verhalten wiederholen und dadurch auch der neu formulierten, inhaltlich aber unverändert weiterbestehenden Verpflichtung zuwiderhandeln wird.
4. § 50a AMG lautet wie folgt:
„ (1) Werbung für Arzneimittel darf nur für
1. zugelassene Arzneispezialitäten,
2. registrierte traditionelle pflanzliche Arzneispezialitäten,
3. registrierte homöopathische
Arzneispezialitäten,
4. Arzneispezialitäten, für die eine Genehmigung zum Vertrieb im Parallelimport erteilt wurde, und
5. Arzneispezialitäten gemäß § 7 Abs. 2
betrieben werden.
(2) Werbung für registrierte homöopathische Arzneispezialitäten darf nur Angaben enthalten, die in § 17a angeführt sind.
(3) Werbung für Arzneimittel muss die Eigenschaften der Arzneispezialität objektiv und ohne Übertreibung darstellen und darf weder Aussagen noch bildliche Darstellungen enthalten, die
1. dem Arzneimittel eine über seine tatsächliche Wirkung hinausgehende Wirkung beilegen,
2. fälschlich den Eindruck erwecken, dass ein Erfolg regelmäßig erwartet werden kann, oder
3. nicht mit Kennzeichnung, Gebrauchs- oder Fachinformation (Zusammenfassung der Produkteigenschaften - SPC) vereinbar sind."
Diese Bestimmung ist eine Neufassung von § 50 AMG aF. Nach dessen Absatz 1 war Arzneimittelwerbung ebenfalls (ua) auf „zugelassene Arzneispezialitäten" beschränkt. Eine § 50a Abs 2 AMG entsprechende Regelung hatte es nicht gegeben; der dem jetzigen § 50a Abs 3 AMG entsprechende § 50 Abs 2 AMG aF hatte wie folgt gelautet:
„(2) Arzneimittelwerbung darf weder Aussagen noch bildliche Darstellungen enthalten, die
1. dem Arzneimittel eine über seine tatsächliche Wirkung hinausgehende Wirkung beilegen,
2. fälschlich den Eindruck erwecken, dass ein Erfolg regelmäßig erwartet werden kann, oder
3. im Widerspruch zur Kennzeichnung, Gebrauchs- oder Fachinformation stehen."
Eine Begründung für die Neufassung von § 50a Abs 3 Z 3 AMG („nicht vereinbar" statt „im Widerspruch") lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (EB zur RV 1092 BlgNR 12. GP; AB 1142 BlgNR 12. GP). Sie ist möglicherweise auf den Versuch zurückzuführen, die Regelung an Art 87 der RL 2001/83/EG anzunähern. Danach müssen „alle Elemente der Arzneimittelwerbung [...] mit den Angaben in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels vereinbar sein".
Offenbar mit Bezug auf den neuen § 50a Abs 2 AMG führen die EB zur RV aus (aaO 8), dass damit dem Umstand Rechnung getragen werde, dass die Werbung für bestimmte Homöopathika nun nicht mehr überhaupt untersagt werden könne. Allerdings dürfe die Werbung für diese Produkte nur jene Angaben enthalten, die in der „Kennzeichnung bzw Gebrauchsinformation" enthalten „sein müssen".
5. Zur Bezugnahme auf die Einnahme von zwei Tabletten von MicardisPlus 40/12,5 mg (Punkte [a] und [b] des Unterlassungsbegehrens):
5.1. In der Bezugnahme auf die Einnahme von zwei Tabletten von MicardisPlus 40/12,5 mg lag ungeachtet der weitwendigen Ausführungen im Revisionsrekurs kein Verstoß gegen § 1 UWG iVm § 50 Abs 1 AMG aF (§ 50a Abs 1 AMG). Denn „Arzneispezialitäten" sind nach § 1 Abs 5 AMG „Arzneimittel, die im voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden". Die Dosierung im Einzelfall ist von dieser Definition nicht erfasst. Warum sich der in § 50a Abs 1 Z 1 AMG (§ 50 Abs 1 Z 1 AMG aF) enthaltene Begriff „Arzneispezialität" ungeachtet dessen auch auf die Dosierung beziehen sollte, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat nicht für eine (anscheinend in Deutschland zugelassene) Arzneispezialität „MicardisPlus 80/25 mg" geworben, sondern für ihre in Österreich zugelassene Arzneispezialität „MicardisPlus 40/12,5 mg" in einer bestimmten Dosierung. Damit kann sie allenfalls gegen § 50 Abs 2 Z 3 AMG aF (§ 50a Abs 3 Z 3 AMG) verstoßen haben, nicht aber gegen § 50 Abs 1 AMG aF (§ 50a Abs 1 AMG).
5.2. Die Klägerin hat sich zwar für die Punkte (a) und (b) ihres Unterlassungsbegehrens in erster Instanz nur auf § 50a Abs 1 AMG berufen. Eine Beschränkung auf diesen Rechtsgrund kann ihrem Vorbringen aber nicht entnommen werden (RIS-Justiz RS0037610 T36; zuletzt 4 Ob 26/07p mwN). Daher ist auch die nach den Tatsachenbehauptungen der Klägerin in Betracht kommende Verletzung jener Werbebeschränkungen zu prüfen, die sich auf die Fachinformation beziehen (§ 50a Abs 3 Z 3 AMG, § 50 Abs 2 Z 3 AMG aF).
5.2.1. In diesem Zusammenhang ist zunächst die Bedeutung der Formulierung „nicht vereinbar" (früher: „im Widerspruch") zu klären. Nach Auffassung der Klägerin ist daraus abzuleiten, dass die Werbung durch die Fachinformation positiv gedeckt sein müsse. Die Beklagte nimmt demgegenüber an, dass nur ein Widerspruch im eigentlichen Sinn, also eine dem Inhalt der Fachinformation sachlich entgegenstehende Werbung unzulässig sei. Damit läge Unvereinbarkeit nur vor, wenn die Fachinformation die Gabe von mehr als einer Tablette MicardisPlus 40/12,5 mg zumindest für den Regelfall ausschlösse.
5.2.2. Die alte Fassung der Werbebeschränkung („im Widerspruch") spricht eindeutig für die Auffassung der Beklagten. Ihre Ansicht ist aber auch vom Wortlaut der Neufassung gedeckt. Denn es liegt vom Wortsinn her nahe, den Begriff „Unvereinbarkeit" als sachlichen Widerspruch zwischen Werbung und Fachinformation zu verstehen. Dafür sprechen auch systematische Erwägungen. Denn die Werbung darf nach § 50a Abs 3 Z 3 AMG keine Aussagen enthalten, die mit Kennzeichnung, Gebrauchsinformation oder Fachinformation unvereinbar sind. Die drei nach dem System des AMG unterschiedlich spezifischen Dokumentationen sind somit alternativ angeführt. Folgte man dem Standpunkt der Klägerin, wäre die Werbung daher schon dann unzulässig, wenn sie von einer dieser Dokumentationen nicht gedeckt wäre. Enthielte zB die Kennzeichnung keine Angaben zur Dosierung, dürfte nicht mit (irgend-)einer bestimmten Dosierung geworben werden. Eine solche Beschränkung ist zumindest im Zweifel nicht anzunehmen.
In dieselbe Richtung weist ein Vergleich zwischen § 50a Abs 2 und § 50a Abs 3 Z 3 AMG. Nach § 50a Abs 2 AMG darf Werbung für registrierte homöopathische Arzneispezialitäten „nur Angaben enthalten, die in § 17a angeführt sind". § 17a AMG ist die Regelung für die Kennzeichnung solcher Arzneispezialitäten. Damit wurde für einen speziellen Fall, der sonst von § 50a Abs 3 Z 3 AMG erfasst wäre, eine Regelung geschaffen, die genau dem entspricht, was die Klägerin ganz allgemein für § 50a Abs 3 Z 3 AMG behauptet. Dafür hat der Gesetzgeber aber eine andere, diesen Inhalt eindeutig ausdrückende Formulierung gewählt („nur [...] enthalten").
Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber in zwei zum selben Zeitpunkt formulierten Bestimmungen die (angeblich) selbe Rechtsfolge unterschiedlich ausdrücken wollte. „Unvereinbarkeit" in § 50a Abs 3 Z 3 AMG muss daher etwas anderes bedeuten als die offenkundig strengere Regelung des § 50a Abs 2 AMG. Das ergibt sich auch aus den bereits zitierten EB zur RV, wonach § 50a Abs 2 AMG - offenkundig nur - für Homöopathika gelten soll.
Aufgrund dieser Erwägungen ist folgendes Zwischenergebnis festzuhalten: Die Auffassung, dass § 50a Abs 3 Z 3 AMG idF des BG BGBl I 153/2005 (früher § 50 Abs 2 Z 3 AMG aF) nicht verlangt, dass Werbeaussagen zu Arzneimitteln von der Fachinformation positiv (ausdrücklich) gedeckt sein müssen, ist mit guten Gründen vertretbar. Gegen § 1 UWG iVm § 50a Abs 3 Z 3 AMG verstößt eine Werbung daher nur dann, wenn sie Angaben enthält, die mit dem Inhalt der Fachinformation im engeren Sinn unvereinbar sind, dh in einem sachlichen Widerspruch dazu stehen.
5.2.3. Somit bleibt zu prüfen, ob die Werbeangaben mit der Fachinformation tatsächlich unvereinbar sind (dazu im Widerspruch standen) oder nicht. Dafür ist nicht allein der Wortlaut maßgebend, sondern es ist durch Auslegung zu ermitteln, welchen Inhalt Werbung und Fachinformation tatsächlich haben. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob der Fachinformation eine höchstzulässige Dosis von MicardisPlus entnommen werden kann. Das trifft nach Auffassung des Senats zu.
Die Fachinformation enthält zwar keine ausdrückliche Regelung, dass die tägliche Dosis die einmalige Gabe von MicardisPlus 40/12,5 mg oder 80/12,5 mg nicht überschreiten dürfe. Bei isolierter Betrachtung könnte sich die Formulierung, dass Micardis Plus „einmal täglich mit etwas Flüssigkeit zum Essen oder nüchtern [..] eingenommen" werden „sollte", tatsächlich - wie vom Rekursgericht angenommen - nur auf die Art und Weise der Verabreichung beziehen (dh Einnahme welcher Dosis auch immer einmal täglich, nicht über den Tag verteilt). Das scheint durch die weitere Angabe gestützt, dass bei eingeschränkter Leberfunktion die Dosierung „die einmal tägliche Gabe von MicardisPlus 40/12,5 mg nicht überschreiten" sollte. Bei formaler Betrachtungsweise enthielte die Fachinformation daher - abgesehen vom Fall der Leberschwäche - überhaupt keine Angaben über die Dosierung.
Diese Auslegung wäre allerdings mit dem Zweck der Fachinformation nicht vereinbar. Er liegt offenkundig darin, Ärzten, Pharmazeuten und Angehörigen andererGesundheitsberufe (§ 15 Abs 1 AMG, § 10 Abs 1 AMG aF) jene Informationen bieten, die sie für die Verschreibung oder Abgabe der dokumentierten Arzneispezialität benötigen. Dazu ist die Fachinformation nach § 15 Abs 6 AMG (§ 10 Abs 4 AMG aF) von der Österreichischen Apothekerkammer unter Mitwirkung der Österreichischen Ärztekammer zu veröffentlichen.
Zu den für die Anwendung erforderlichen Informationen gehören selbstverständlich auch die jeweiligen Dosierungen. Daher sieht § 15 Abs 2 Z 4 lit b AMG (§ 10 Abs 2 Z 6 lit g AMG aF; Art 11 Z 5.7 der RL 2001/83/EG) ausdrücklich vor, dass die Fachinformation unter anderem Angaben über die Dosierung des Medikaments zu enthalten hat.
Diese Angaben sind auch für das Zulassungsverfahren erforderlich. Denn nur danach kann beurteilt werden, ob die Arzneispezialität „bei bestimmungsgemäßem Gebrauch" keine schädlichen Wirkungen hat (§ 19 Abs 1 Z 3 AMG, § 22 Abs 1 Z 3 AMG aF).
Damit kann aber die Angabe, MicardisPlus sei „einmal täglich" zu nehmen, nicht bloß als Information über die Art und Weise der Verabreichung oder als unverbindliche Anregung verstanden werden. Vielmehr ergibt sich aus den darauf folgenden Angaben, MicardisPlus 40/12,5 mg könne bei Patienten gegeben werden, deren Blutdruck mit Micardis 40 mg alleine nicht ausreichend kontrolliert sei, und MicardisPlus 80/12,5 mg könne bei Patienten gegeben werden, deren Blutdruck mit Micardis 80 mg alleine nicht ausreichend kontrolliert sei, dass diese beiden Dosierungen nach der Fachinformation zumindest für den Regelfall die einzig zulässigen sind. Die Fachinformation ist daher in Bezug auf die Dosierung in einem abschließenden Sinn zu verstehen. Aus diesem Grund ist eine Dosierung mit der doppelten Menge des Wirkstoffes HCTZ nach der Fachinformation unzulässig.
Auf dieser Grundlage ist aber auch die Werbung mit zwei Tabletten MicardisPlus 40/12,5 mg mit der Fachinformation nicht vereinbar. Wollte man anders entscheiden, stünde § 50a Abs 3 Z 3 AMG (§ 50 Abs 2 Z 3 AMG aF) auch einer Werbung mit der zehnfachen Wirkstoffmenge nicht entgegen. Dieses geradezu absurde Ergebnis kann dem Gesetz nicht unterstellt werden.
5.2.4. Die Beklagte kann sich hier auch nicht auf eine vertretbare Rechtsansicht berufen. Denn die vom Rekursgericht aufgezeigte Undeutlichkeit der Fachinformation, die keine ausdrückliche Angabe einer Höchstdosierung enthält, ist allein von der Beklagten zu vertreten. Die nach dem Zweck der Werbebeschränkungen gebotene strenge Auslegung schließt es aus, dass die Beklagte von dieser von ihr selbst veranlassten Undeutlichkeit profitieren könnte. Vielmehr hat sie es hinzunehmen, dass ihre Fachinformation im gesetzeskonformen Sinn - dh grundsätzlich abschließend in Bezug auf die möglichen Dosierungen - verstanden wird.
Diese Erwägungen führen zu folgendem Ergebnis: (Angaben der Fachinformation über die Dosierung einer Arzneispezialität sind grundsätzlich in einem abschließenden Sinn zu verstehen. Werbung mit einer höheren Dosierung verstößt daher gegen § 50a Abs 3 Z 3 AMG idF des BG BGBl I 153/2005 (§ 50 Abs 2 Z 3 AMG aF).)
Daraus folgt, dass die Punkte (a) und (b) des Unterlassungsbegehrens berechtigt sind. Dem Revisionsrekurs ist daher insofern Folge zu geben. Bei der Formulierung des Unterlassungsgebots ist allerdings klarzustellen, dass sich die Unterlassungspflicht aus der Unvereinbarkeit der Werbeangaben mit der Fachinformation ergibt. Eine Teilabweisung ist damit nicht verbunden.
6. Zur Bewerbung von Micardis und MicardisPlus als „selektiver PPAR-gamma-Aktivator" (Punkt [c] des Unterlassungsbegehrens):
Mit Punkt (c) des Unterlassungsbegehrens soll der Beklagten verboten werden, die strittigen Arzneimittel für die Behandlung von Diabetes Mellitus und/oder von anderen Krankheiten, die eine Insulinresistenz aufweisen, zu bewerben, wenn sie dafür nicht zugelassen seien, und zwar insbesondere durch die Behauptung, Telmisartan sei ein „selektiver PPAR-gamma-Aktivator". Zur Begründung stützte sich die Klägerin darauf, dass die angesprochenen Verkehrskreise die letztgenannte Behauptung dahin verstünden, dass mit Micardis und MicardisPlus (auch) Diabetes Mellitus und andere Krankheiten mit Insulinresistenz behandeln werden könnten.
Die Frage, welche Wirkung eine Werbeaussage auf die beteiligten Verkehrskreise hat, ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen; sie ist aber immer dann eine Tatfrage, wenn das nicht der Fall ist (4 Ob 62/95 = MR 1995, 189 - Österreichs größte Qualitätszeitung; RIS-Justiz RS0039926 T26, T28, T32). Das gilt jedenfalls dann, wenn es auf das inhaltliche Verständnis der betroffenen Fachkreise ankommt und nicht auf die auf diese Kreise ausgeübte psychologische Wirkung (vgl 4 Ob 45/97i = Öbl 1998, 238 - Zocord R).
Im vorliegenden Fall ist offenkundig, das die Frage, wie die angesprochenen Kreise die Bezeichnung des Arzneimittels als „selektiver PPAR-gamma-Aktivator" verstehen, nicht nach den Erfahrungen des täglichen Lebens beurteilt werden kann. Damit trifft die Klägerin die Beweislast (Bescheinigungslast) für das von ihr behauptete Verständnis. Aus diesem Grund fällt es aber auch ihr zur Last, wenn es die Vorinstanzen nicht als bescheinigt angenommen haben, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Kreise die Angabe in diesem Sinn versteht. Schon aus diesem Grund muss Punkt (c) des Sicherungsantrags scheitern.
Soweit sich die Klägerin im Revisionsrekurs darauf beruft, dass sich aus der Fachinformation nicht ergebe, dass die Medikamente der Beklagten „selektive PPAR-gamma-Aktivatoren" seien, weswegen die diesbezügliche Angabe schon aus diesem Grund unzulässig sei, entfernt sie sich von ihrem Unterlassungsbegehren. Danach soll die Behauptung verboten werden, die Medikamente der Klägerin seien zur Behandlung von Diabetes Mellitus und ähnlichen Krankheiten geeignet, wobei das „insbesondere" für die Behauptung gelte, Telmisartan sei ein „selektiver PPAR-gamma-Aktivator". Ein isoliertes Verbot dieser Behauptung aus anderen Gründen wäre daher ein aliud, das auch keine Deckung im erstinstanzlichen Vorbringen fände. Überdies ist die Klägerin insofern auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zur vertretbaren Auslegung von § 50a Abs 3 Z 3 AMG (§ 50 Abs 2 Z 3 AMG aF) zu verweisen. Die Behauptung könnte nur dann verboten werden, wenn die Fachinformation (auch) in Bezug auf die Wirkungsweise des Arzneimittels abschließenden Charakter hätte.
Aufgrund dieser Erwägungen ist die Abweisung von Punkt (c) des Unterlassungsbegehrens zu bestätigen.
7. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Die Klägerin hat im Sicherungsverfahren erster Instanz mit der Hälfte ihres Begehrens, im Rechtsmittelverfahren mit zwei Dritteln obsiegt.
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