OGH 4Ob208/06a

OGH4Ob208/06a21.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** A*****, vertreten durch Dr. Ruth Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Peter P*****, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner und Mag. Werner Diebald, Rechtsanwälte in Köflach, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 21. August 2006, GZ 2 R 124/06d-12, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Für die Beurteilung der Frage, ob ein Arzneimittel vorliegt, sind nach § 1 AMG die objektive und die subjektive Zweckbestimmung maßgebend. Es genügt, wenn eines dieser Kriterien erfüllt ist (RIS-Justiz RS0051450, insb T3, T7). Für die subjektive Zweckbestimmung kommt es darauf an, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Angaben zum Produkt auffassen, nicht darauf, wie sie der damit Werbende verstanden wissen wollte. Es sind die zur Beurteilung von Werbeankündigungen nach § 2 UWG entwickelten Grundsätze heranzuziehen (RIS-Justiz RS0051461), insbesondere die Unklarheitenregel (4 Ob 22/04w = RdW 2004, 539 = Thunbergia Laurifolia mwN).

Auf dieser Grundlage sind die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht zu beanstanden. Wie ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums eine bestimmte Formulierung versteht, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl RIS-Justiz RS0043000). Dass die Werbung mit einer „unterstützenden" Wirkung bei verschiedenen Krankheiten diese Krankheiten zu lindern verspricht, ist jedenfalls vertretbar. Die (angeblich) abweichende Beurteilung eines vergleichbaren Falls durch ein (anderes) Landesgericht begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO.

Ob ein aufklärender Hinweis im Einzelfall ausreichend deutlich ist, um eine Irreführung (hier: den Eindruck medizinischer Zweckbestimmung) zu verhindern, ist ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO (4 Ob 260/01s = ecolex 2002, 269 - info@obertauern.at ). Maßgebend ist, ob ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher, der eine dem Anlass

angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (4 Ob 196/00b = SZ 73/161 -

Lego-Klemmbausteine; zuletzt etwa 4 Ob 58/06t = ÖBl-LS 2006/132 -

aktiver Festnetzanschluss), den Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird (4 Ob 243/03v = wbl 2004, 297 - Calgonit), und ob er ihn im Zusammenhalt mit der übrigen Werbung überhaupt als ernst gemeint auffassen wird.

Hier enthält § 13 der über einen Link erreichbaren AGB des Beklagten einen „medizinischen Disclaimer", wonach der Beklagte „aus Gründen des Wettbewerbs" zum Hinweis „verpflichtet" sei, dass die angebotenen Produkte keine Medikamente seien. Soweit auf der Website „eine Anwendung, Dosierung oder ein bestimmtes, möglicherweise gegen unsere Intentionen, medizinisches oder ernährungstherapeutisches Vorgehen erwähnt" werde, könne keine Gewähr übernommen werden; „wir distanzieren uns ausdrücklich von jeglichen Heilaussagen oder Versprechen." Dass damit der Eindruck medizinischer Zweckbestimmung nicht verhindert werden kann, ist offenkundig; schon das Erstgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine ernst gemeinte Distanzierung von den Werbeaussagen problemlos durch deren Entfernung von der Website möglich gewesen wäre.

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