OGH 3Ob315/05b

OGH3Ob315/05b29.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Beatrix R*****, vertreten durch Dr. Franz Bixner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Dkfm. Otto S*****, vertreten durch Elisabeth P*****, als mit der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses betraute Miterbin, diese vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen 151.850,64 Euro s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. November 2005, GZ 12 R 160/05w-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Juni 2005, GZ 12 Cg 136/04i-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte im Vorverfahren AZ 27 Cg 143/03b des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien gegen die beklagte Verlassenschaft einen Pflichtteilsanspruch von 363.057,61 Euro geltend gemacht. Als einziger Tochter des am 14. August 2002 verstorbenen Erblassers stehe ihr die Hälfte des Reinnachlasses zu. Die im Testament vom 2. August 2002 angeordnete Pflichtteilsminderung nach § 773a ABGB sei nicht berechtigt gewesen. Der Reinnachlass habe nach den Ergebnissen des Abhandlungsverfahrens einen Wert von 726.115,22 Euro; daher errechne sich der Pflichtteilsanspruch mit dem geltend gemachten Betrag.

Die beklagte Verlassenschaft anerkannte in diesem Verfahren das halbe Klagebegehren, was zu einem Teil-Anerkenntnisurteil führte. Den weiteren Anspruch bestritt sie (nur) mit der Begründung, die Pflichtteilsminderung sei aus näher genannten Erwägungen berechtigt gewesen sei.

Im Vorverfahren folgte das Gericht dem Standpunkt der Klägerin und verhielt die Verlassenschaft mit rechtskräftigem Endurteil vom 28. Juli 2004 zur Zahlung des restlichen begehrten Betrags. Wesentlicher Teil des Nachlasses war eine Liegenschaft, die im Abhandlungsverfahren mit 555.000 Euro geschätzt worden war. Die Hälfte dieses Werts war in das - der Höhe nach unstrittige - Begehren der Klägerin und damit auch in den Zuspruch im Vorverfahren eingeflossen. Zwei Monate nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren veräußerte die beklagte Partei diese Liegenschaft um 910.000 Euro.

Mit ihrer nunmehrigen Klage machte die Klägerin einen weiteren Pflichtteilsanspruch von 177.500 Euro s.A. geltend. Der Verkehrswert der Liegenschaft habe in Wahrheit schon immer 910.000 Euro betragen. Es stehe ihr daher ein weiterer Betrag in Höhe der halben Differenz zwischen diesem und dem im Vorverfahren angesetzten Wert zu. Die beklagte Verlassenschaft wendete ein, der Wert der Liegenschaft sei nach dem Zeitpunkt der „wirklichen Zuteilung" zu beurteilen. Diese Zuteilung sei mit Fällung des Teil-Anerkenntnisurteils erfolgt. Dass es (den Vertretern) der beklagten Partei danach gelungen sei, die Liegenschaft wegen der erfolgreichen Beendigung eines Mietverhältnisses zu einem höheren Preis zu veräußern, stelle einen „völlig atypischen Wertverlauf" dar. Die Klage verstoße auch gegen die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft im vorangegangenen Verfahren. Vom Nachlass seien überdies „Erbmassekosten bzw. Erbmasseschulden" von 117.375,44 Euro abzuziehen.

Der Erstrichter verhielt die beklagte Partei zur Zahlung von 151.850,64 Euro s.A. und wies das Mehrbegehren von 25.649,36 Euro s. A. - letzteres unangefochten - ab. Nach seiner Auffassung habe die Liegenschaft schon bei Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren einen Wert von 910.000 Euro gehabt. Die Rechtskraft des dort ergangenen Urteils hindere die Klägerin nicht, nun den Mehranspruch einzuklagen, der sich aus diesem (wahren) Wert ergebe. Das jetzige Begehren sei im Vorverfahren nicht anhängig gewesen, sodass es auch nicht von der dort eingetretenen Rechtskraft erfasst sein könne. Für die Ermittlung des (zusätzlichen) Reinnachlasses sei daher der im Vorverfahren nicht geltend gemachte Teil des Liegenschaftswerts anzusetzen. Davon abzuziehen seien die Gerichtsgebühren des Abhandlungsverfahrens und die bei der Inventarerrichtung und beim Liegenschaftsverkauf angefallenen Kosten. Die Hälfte des verbliebenen Betrags stehe der Klägerin als Noterbin zu.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es komme nicht darauf an, ob der Wert der Liegenschaft schon bei Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorprozess tatsächlich 910.000 Euro betragen habe. Die Klägerin habe diesen Betrag damals nämlich nicht begehrt, insbesondere habe sie keinen „Teilanspruch" geltend gemacht. Die nach der „tatsächlichen Zuteilung" erfolgte Veräußerung habe keine „Rückwirkung" auf die seinerzeit „von der Klägerin vorgenommene Bewertung". Aus diesem Grund erledigte das Berufungsgericht die Verfahrens- und Beweisrügen der beklagten Berufungswerberin zum Wert der Liegenschaft nicht.

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil Rsp des Obersten Gerichtshof zur Bindung des Noterben an die von ihm für eine Pflichtteilsklage vorgenommene Bewertung des Nachlasses fehlt. Sie ist iS des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach der vom Berufungsgericht richtig wiedergegebenen Rsp ist der Nachlasspflichtteil zwar grundsätzlich nach dem Wert des Nachlasses am Todestag des Erblassers zu berechnen. Da aber die Verlassenschaft nach § 786 zweiter Satz ABGB bis zur „wirklichen Zuteilung" als ein den „Haupt- und Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut" anzusehen ist, nehmen die Noterben bis dahin an deren wirtschaftlicher Entwicklung teil. Im Ergebnis bestimmt sich die Höhe des Pflichtteils daher nach dem Wert der Verlassenschaft zu diesem Zeitpunkt (stRsp, 6 Ob 12/76 = SZ 49/118, zuletzt etwa 6 Ob 109/03b = NZ 2004, 147; RIS-Justiz RS0012933; Apathy in KBB, § 786 ABGB Rz 2). Unter wirklicher Zuteilung wird die ziffernmäßige Feststellung des Pflichtteilsanspruchs verstanden (Eccher in Schwimann3, § 786 ABGB Rz 4; Welser in Rummel3, § 786 ABGB Rz 11, je mwN), die nach der Rsp durch Vereinbarung (Anerkenntnis, Vergleich, tatsächliche

Auseinandersetzung; 7 Ob 596/76 = SZ 49/92) oder gerichtliche

Entscheidung (8 Ob 518/83 = SZ 57/90; 2 Ob 60/99 = NZ 1999, 378 u.a.)

erfolgen kann; im letztgenannten Fall wird der Schluss der Verhandlung erster Instanz als maßgeblich angesehen (RIS-Justiz RS0012933).

2. Die Klägerin behauptet im vorliegenden Fall keine - nach der dargestellten Rsp jedenfalls irrelevante - Wertsteigerung nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren. Vielmehr steht sie auf dem Standpunkt, dass der Wert der Nachlassliegenschaft schon damals (also im unstrittig relevanten Zeitpunkt) höher gewesen sei als von ihr angenommen. Sie klagte somit (nur) einen weiteren Teil ihres nach ihrer Auffassung schon damals bestehenden Anspruchs ein.

Zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise fehlt, soweit ersichtlich, Rsp;

der Fall wurde auch in der (jüngeren) Lehre nicht erörtert (vgl. Eccher und Welser aaO, je zu § 786 ABGB; Weiß in Klang2 III 919;

Kralik, Erbrecht [1983] 290 ff). Dass der Zeitpunkt der „wirklichen Zuteilung" in Lehre und Rsp an der „Feststellung" des Pflichtteilsanspruchs (auch) durch gerichtliche Entscheidung angeknüpft wird, könnte zwar vordergründig dahin verstanden werden, dass der Pflichtteilsanspruch damit abschließend erledigt würde. Im konkreten Zusammenhang ging es dabei aber immer nur um die Festlegung des für die Auseinandersetzung notwendigen Stichtags, nicht um den Ausschluss der Geltendmachung von nachträglich erhobenen Forderungen eines Noterben. Dabei handelt es sich aber um zwei verschiedene Probleme.

3. Das Erstgericht hat die von der beklagten Partei erhobene Einrede der entschiedenen Rechtssache in den Gründen verneint. Das wurde in der Berufung der beklagten Partei nicht bekämpft, auch das Berufungsgericht hat meritorisch entschieden. Über die Rechtskrafteinrede ist daher für den Obersten Gerichtshof bindend entschieden (stRsp, 1 Ob 562/57 = SZ 31/74 u.v.a., zuletzt 7 Ob 25/05k; RIS-Justiz RS0039774, RS0035572). Zum besseren Verständnis der Gesamtproblematik ist die Rechtslage dennoch kurz darzustellen:

Wird nur ein Teil einer Forderung eingeklagt, so tritt Streitanhängigkeit nur bezüglich des eingeklagten Teils ein; es tritt auch die Rechtskraftwirkung des Urteils nur bezüglich dieses Teils ein, in Ansehung des weiteren Rechtsanspruchs kann das Urteil keine Rechtskraft erzeugen (stRsp, 7 Ob 455/55 u.v.a.; RIS-Justiz RS0039155); das Einklagen (nur) eines Teils einer Forderung hindert aus prozessualer Sicht somit nicht die Geltendmachung weiterer Beträge (8 Ob 252/02w = SZ 2003/37; RIS-Justiz RS0039155). Die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft erfasst nämlich nur den eingeklagten Betrag (RIS-Justiz RS0041266). Das gilt auch dann, wenn die erste Klage nicht ausdrücklich als Teilklage bezeichnet wurde (zuletzt etwa 9 ObA 156/05i; RIS-Justiz RS0041449; Fasching/Klicka in Fasching2, § 411 ZPO Rz 46 mwN; vgl. zur unbewussten Teileinklagung:

Wit, Probleme der Teileinklagung und Rechtskraft, unter besonderen Berücksichtigung der Unterhaltsansprüche, JBl 1981, 406 ff). Einer weiteren Klage könnte die Rechtskraft einer Vorentscheidung nur entgegenstehen, wenn über einen Anspruch bereits abschließend entschieden wurde (RIS-Justiz RS0007165). Eine solche abschließende Regelung müsste sich aber aus der Entscheidung selbst ergeben, etwa aus der Abweisung eines Mehrbegehrens (4 Ob 565/91 mwN), aus der Tatsache, dass sich der ursprünglich und der dann geltend gemachte Anspruch voneinander nur quantitativ, nicht aber auch qualitativ unterscheiden, weil dem früheren und dem neuen (Unterhaltsherabsetzungs-)Antrag derselbe anspruchsbegründende Sachverhalt mit der sich daraus ergebenden Rechtsfolge zugrunde liegt (1 Ob 122/97s = RZ 1998/8) oder aus der urteilsmäßigen Feststellung des Nichtbestehens einer (weiteren) Forderung. Solche Umstände liegen hier nicht vor.

4. Das vom Berufungsgericht angenommene Nachforderungsverbot für die klagende Noterbin könnte sich daher nur aus dem materiellen Recht ergeben.

4.1. Grundlage für den Ausschluss der Nachforderung kann eine Vereinbarung über den Pflichtteilsanspruch sein. Sie steht Nachforderungen jedenfalls dann entgegen, wenn diese darin ausdrücklich ausgeschlossen werden. Gleiches gilt, wenn der Anspruch strittig war und darüber ein Vergleich geschlossen wird oder wenn sich der abschließende Charakter der Regelung auf andere Weise (konkludent) aus der Vereinbarung ergibt. Im vorliegenden Fall liegen solche Umstände nicht vor. Insbesondere hatte das Einklagen eines bestimmten Betrags im Vorverfahren mangels Strittigkeit der (damaligen) Berechnungsgrundlage (auf Grund der Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens) keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert dahin, dass von der Klägerin auf darüber hinausgehende Beträge verzichtet werde.

4.2. Der materiellrechtliche Ausschluss von Nachforderungen könnte sich daher hier nur aus dem besonderen Charakter des Anspruchs eines Noterben ergeben.

Soweit ersichtlich, wurde eine solche materiellrechtliche Beschränkung bisher nur für das Schmerzengeld vertreten. Nach der Rsp handelt es sich dabei um eine einmalige Abfindung. Der Anspruch ist prinzipiell als Gesamtentschädigung im Rahmen einer Globalbemessung auszumitteln, wobei auch künftige, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Schmerzen einzubeziehen sind. Eine ergänzende Bemessung kommt nur unter bestimmten, näher genannten Umständen in Betracht (RIS-Justiz RS0031055 und RS0031307). Mangels besonderer, vom Verletzten darzustellender Gründe steht es nicht in seinem Belieben, Teileinklagungen vorzunehmen (1 Ob 56/97 = ZVR 1997/67 u. v.a.) oder Schmerzengeld nur für einen bestimmten Zeitraum zu begehren (eingehend dazu Reischauer in Rummel3, § 1325 ABGB Rz 49 mwN; Danzl in KBB, § 1325 ABGB Rz 33 mwN).

4.3. Der Ausschluss von Teilklagen mag für das Schmerzengeld wegen der spezifischen Probleme der auch zukünftige Entwicklungen berücksichtigenden Globalbemessung angebracht sein. Ließe man Teilklagen zu, könnte das zu Abgrenzungsproblemen bei auch auf unerwartete Entwicklungen gestützten Nachforderungen führen. Dieses Problem stellt sich aber nicht, wenn es - wie hier - ohnehin einen Stichtag für die Wertermittlung gibt und nachträgliche Entwicklungen unbeachtlich sind.

Der Oberste Gerichtshof hat die Übernahme der Rsp zum Schmerzengeld

mit der nur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Teilklagen für die

Berechnung des Abfindungsanspruchs eines ausgeschiedenen

Personengesellschafters ausdrücklich abgelehnt (2 Ob 34/02t = RdW

2002, 411 = wbl 2002, 421 = ecolex 2002, 891 [Elsner/Keisler 593]

mwN). Der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen

Personengesellschafters ist demnach eine Gesamtforderung, die in

Teilen eingeklagt werden kann (so schon ausdrücklich 4 Ob 188/00a =

SZ 73/202, folgend auch 6 Ob 113/02i = RdW 2003, 626 = ÖBA 2004,

146). Die von der Rsp zur Teileinklagung von Schmerzengeld

entwickelten Grundsätze könnten nach den Grundsätzen der E 2 Ob

34/02t nicht ohne weiteres auf die Teileinklagung des

Abfindungsanspruchs eines ausgeschiedenen Personengesellschafters

übertragen werden, weil eine Gesamtabrechnung auf Grund einzelner

Rechnungsposten der Globalbemessung des Ersatzes ideeller Schäden -

wie sie von der Rsp gegen die mehrmalige Einklagung von Schmerzengeld

ins Treffen geführt wird (vgl. die Nachweise bei Danzl in

Danzl/Gutierrez-Lobos/Müller, Das Schmerzengeld7 166) - nicht

gleichzuhalten sei. Es erübrige sich daher, auf die in der Lehre

(Klicka, Keine Teilklage bei Schmerzengeld? ÖJZ 1991, 435; Ertl, Noch

immer nicht Veraltetes zur Teileinklagung von

Schmerzengeldansprüchen, RZ 1997, 146; Danzl aaO 173 ff) an der

einschlägigen Schmerzengeldjudikatur (vgl. RIS-Justiz RS0031051,

RS0031055, RS0031056, RS0031082, RS0031191) geäußerte Kritik näher

einzugehen.

Eine Stellungnahme zu dieser Kritik an der Schmerzengeldjudikatur kann auch hier unterbleiben. Denn die Bemessung des Pflichtteils kann durchaus mit der Berechnung des Abfindungsanspruchs verglichen werden. So wie der Abfindungsanspruch auf der zu einem bestimmten

Stichtag erstellten Abschichtungsbilanz beruht (8 Ob 16/94 = SZ 68/28

= GesRZ 1995, 265 = ZIK 1995, 200; RIS-Justiz RS0061834), ist auch

der Pflichtteil nach dem Wert des gemäß § 786 ABGB als „gemeinsam" zu betrachtenden Verlassenschaftsvermögens zu bemessen. Stichtag ist (auch) hier - durch die Bezugnahme auf die „wirkliche Zuteilung" - die Auflösung der Gemeinschaft. Da „Gemeinschaft" hier nur als schuldrechtliche Teilnahme an Gewinn und Verlust zu verstehen ist (Welser aaO § 786 ABGB Rz 3; Eccher aaO § 786 ABGB Rz 2; Apathy aaO § 786 ABGB Rz 2, jeweils mwN), kann dem Urteil über das Zahlungsbegehren auch kein rechtsgestaltender und damit Nachforderungen möglicherweise ausschließender Inhalt unterstellt werden. Das müsste nämlich um so mehr für Klagen auf Zahlung eines gesellschaftsrechtlichen Abfindungsanspruchs gelten, wurde dort aber gerade nicht angenommen.

Auch sonst spricht nichts gegen eine Pflichtteilsnachforderung innerhalb der Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, etwa bei nachträglichem Auftauchen von Nachlassgegenständen oder einem tatsächlich höheren Wert eines Nachlassgegenstands im allein maßgeblichen, oben dargestellten Zeitpunkt. Wer zur Leistung des Pflichtteils verpflichtet ist, kann sich vor Nachforderungen des Noterben durch Abschluss einer Vereinbarung schützen. Ist der Noterbe dazu nicht bereit, wäre wohl regelmäßig eine (Wider-)Klage auf Feststellung des Nichtbestehens weiterer Ansprüche möglich (§ 228 ZPO), wenngleich in beiden Fällen der Noterbe unter gewissen Umständen dennoch die Möglichkeit hätte, Nachforderungen zu erheben, etwa bei Ungültigkeit oder erfolgreicher Anfechtung der Vereinbarung oder nach erfolgreicher Wiederaufnahme des von ihm verlorenen Feststellungsprozesses. Wenn man dagegen dem Noterben das Recht zur Nachforderung verweigerte, stünde er ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung schlechter da als in den soeben dargestellten Fällen. Mangels rechtsgeschäftlicher Grundlagen käme eine Irrtumsanfechtung nicht in Betracht. Den Noterben auf die Wiederaufnahmsklage zu verweisen, müsste an seiner fehlenden formellen Beschwer (7 Ob 364/97y = ZVR 1998/127; vgl. dazu Jelinek in Fasching2 § 530 ZPO Rz 24 f) und daran scheitern, dass das verfahrensrechtliche Instrument der Wiederaufnahmsklage mit dem materiellrechtlich begründeten Ausschluss der Nachforderung verknüpft werden müsste. Vor allzu langer Rechtsunsicherheit schützt den Erben ohnehin die kurze Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, dessen Zweck es doch ist, dem Erben so rasch wie möglich Gewissheit darüber zu schaffen, ob und wie weit der letzte Wille des Erblassers von Ansprüchen dritter Personen

unberührt bleibt (stRsp, 4 Ob 602/79 = SZ 53/10 = EvBl 1980/138; 5 Ob

602/84 = SZ 57/170 = NZ 1985, 209 u.a., zuletzt 7 Ob 27/03a;

RIS-Justiz RS0034392). Eine darüber hinausgehende Beschränkung der Rechtsstellung des Noterben ist bei Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht gerechtfertigt.

Aus diesen Erwägungen kommt der erkennende Senat zu folgendem Ergebnis: Bei der gerichtlichen Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen (§§ 762 ff ABGB) durch den Noterben steht einer Teileinklagung in materiellrechtlicher Hinsicht grundsätzlich kein Hindernis entgegen.

5. Auf dieser Grundlage ist die Rechtssache noch nicht entscheidungsreif. Das Erstgericht hat zwar festgestellt, dass der Nachlass im relevanten Zeitpunkt (Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorverfahren) einen bestimmten Wert hatte. Diese Feststellung wurde aber von der beklagten Partei mit Verfahrens- und Beweisrüge bekämpft. Das Berufungsgericht hat darüber aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung nicht entschieden.

Aus diesem Grund ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der zweiten Instanz die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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