OGH 7Ob143/04m

OGH7Ob143/04m16.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin O*****, vertreten durch Stenitzer & Stenitzer, Rechtsanwälte OEG in Leibnitz, wider die beklagte Partei H*****versicherungen, *****, vertreten durch Dr. Peter Schlösser und Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 20.918,87 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13. Juni 2002, GZ 4 R 102/02f-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. März 2002, GZ 20 Cg 264/00h-25, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO macht die außerordentliche Revision geltend, sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht hätten den festgestellten Sachverhalt in folgenden Punkten rechtlich unrichtig beurteilt:

1) Hinsichtlich der Rechtsposition des Zeugen Stoiser, der (als selbständiger Versicherungsagent) mit der Beklagten „nicht das geringste" zu tun habe und insb nicht berechtigt sei, Schadensmeldungen für die Beklagte entgegenzunehmen (wobei es auch keine Rsp gäbe, inwieweit ein „externes Versicherungsbüro" bindend Schadensmeldungen für den Versicherer entgegennehmen könne).

2) In Bezug auf die (angeblich) nicht erfüllte Anzeigeverpflichtung des Klägers, der den Versicherungsfall nach Art 7 Abs 1 Z 1 AKKV binnen einer Woche unter möglichst genauer Angabe des Sachverhalts schriftlich mitzuteilen gehabt hätte, die Schadensursachen aber weder wahrheitsgetreu dargestellt noch rechtzeitig angezeigt habe.

3) Was die „Mosaiksteinchentheorie" zur Beurteilung der groben Fahrlässigkeit nach § 61 VersVG betrifft, weil das Verhalten des Klägers in seiner Gesamtheit doch bereits als grob fahrlässig zu qualifizieren sei.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

In den ersten beiden Punkten geht die Zulassungsbeschwerde nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach die zunächst übereinstimmend und wahrheitsgemäß erstatteten Schadensanzeigen des Klägers jeweils bereits am Tag des Unfalls sowohl bei der Gendarmerie als auch beim Zeugen Stoiser eingelangt sind, der schon nach § 43 Abs 1 Satz 2 iVm § 43 Abs 2 Z 2 VersVG zur Entgegennahme solcher Anzeigen für die Beklagte befugt war; dazu steht nämlich fest, dass er ua auch den gegenständlichen Versicherungsvertrag „als selbständiger Versicherungsagent" über Betrauung durch einen anderen „vertraglich an die Beklagte gebundenen" Versicherungsvertreter vermittelt und die gegenständliche Schadensanzeige für die beklagte Versicherung entgegengenommen hat, wobei er unstrittig nicht nur Subprovison erhalten, sondern auch ein bei der beklagten Versicherung übliches Schadensmeldungsformular, sohin deren Geschäftspapier, verwendete wogegen diese keinen Einwand erhob (Seite 7 der ao Revision).

Darüber hinaus hat die Beklagte das Vorbringen des Klägers, Stoiser sei als ihr Vertreter tätig (ON 7), in erster Instanz gar nicht substantiiert bestritten (AS 31). Damit ist aber die „Verfälschung" der klägerischen Schadensmeldung in der Sphäre der beklagten Partei eingetreten. Gerade die Angaben auf die die beklagte Versicherung ihre Ablehnung gründet, kamen ohne Verschulden des Klägers während der Übermittlung von Agenten zum Versicherer in die Schadensmeldung.

An der Gleichstellung eines derartigen Gelegenheits- bzw Anscheinsagenten mit dem - unbestritten der Haftungssphäre des Versicherers zuzuordnenden (Schalich, Versicherungsmakler und Versicherungsagent im Lichte der Europäischen Richtlinie über Versicherungsvermittlung, VR 2004, 36 [39 f]) - Versicherungsagenten (RIS-Justiz RS0080376; RS0114042; so bereits 7 Ob 384/97i zur Rechtslage vor der VersVG-Nov 1994; zuletzt: 7 Ob 43/04f; Fenyves in Fenyves/Kronsteiner/Schauer, VersVG-Novellen Rz 4 ff zu § 43 VersVG; Kollhosser in Prölss/Martin27, 455 Rz 48 zu § 43 VVG bzw Gruber in Berliner Kommentar zum dVVG und öVersVG Rz 48 zu § 43 VVG) ist aber ebenso wenig zu zweifeln wie daran, dass diesbezügliche Vollmachten auch konkludent erteilt werden können (RIS-Justiz RS0114042; zuletzt: 7 Ob 43/04f; vgl zur Bedeutung der Verwendung der Geschäftspapieren des Versicherers durch den Scheinmakler oder Anscheinsagenten auch: Schalich aaO, VR 2004, 39), und dass nicht nur „privat" erlangtes Wissen des Versicherungsagenten jedenfalls dem Versicherer zuzurechnen ist (7 Ob 266/02x = RIS-Justiz RS0117406]).

Entgegen dem Standpunkt der Revision ist die Schadensmeldung daher bereits mit ihrer Übergabe an den Versicherungsagenten in die Sphäre des Versicherers gelangt, weshalb die - wie feststeht - erst nachträglich vorgenommenen Einfügungen auf dieser Urkunde (aus denen die Beklagte eine Verletzung der Anzeigeverpflichtung des Klägers nach Art 7 Abs 1 Z 1 AKKV - infolge verspäteter Erstattung der Schadensanzeige bzw nicht wahrheitsgetreuer Darstellung der Schadensursachen - ableiten will) dem Versicherungsnehmer nicht mehr zurechenbar sind. Eine erhebliche Rechtsfrage wird somit auch in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.

Beim dritten Beschwerdepunkt wird hingegen übersehen, dass die Frage, ob eine Fehlhandlung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigt, bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung, grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bildet (stRsp; 7 Ob 12/04x; 7 Ob 170/03f mit Hinweis auf VersE 1691; 4 Ob 2010/96h; 9 Ob 358/97f; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 8/99x; 7 Ob 301/99m; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m; 7 Ob 165/02v ua). Die Revision wäre daher nur zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung der von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspräche (7 Ob 12/04x; 7 Ob 170/03f mit Hinweis auf 7 Ob 34/88, VR 1989/168; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m; 7 Ob 165/02v ua), also nur dann, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0026555 [T5], RS0087606 [T8]; zuletzt: 7 Ob 214/04b). Dass eine solche (auch) aus den von den Tatsacheninstanzen getroffenen - von der Beklagten weiterhin bekämpften - Feststellungen abzuleiten wäre, wird aber - zu Recht - nicht einmal behauptet (vgl dazu RIS-Justiz RS0080275; RS0080406; RS0080497).

Die außerordentliche Revision ist somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

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