Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft mbH hatte am 31. 8. 1999 mit einem bei der beklagten Partei kaskoversicherten PKW Mercedes ML 320 der Klägerin einen Unfall. Die klagende Partei begehrt von der Beklagten aus der Kaskoversicherung ihren unfallskausalen PKW-Schaden von S 571.858,-- (sA) ersetzt.
Die beklagte Partei wendete ein, gemäß § 61 VersVG leistungsfrei zu sein, weil der Geschäftsführer der Klägerin den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der versicherte PKW war mit einem fix montierten Handy ausgestattet. Da der Geschäftsführer der Klägerin rund um die Uhr erreichbar sein muss, hat er dazu auch noch ein weiteres, unter derselben Nummer anwählbares kleineres Handy stets bei sich, dessen Vorder- und Rückseiten relativ glatt sind und das daher auf einer entsprechenden Unterlage leicht rutscht.
Am 31. 8. 1999 begab sich der Geschäftsführer bereits um 6.00 früh außer Haus. Sein Wohnhaus I***** befindet sich in größerer Höhenlage und ist nur über einen kurvigen, lediglich 3 bis 3,2 m breiten, geschotterten Güterweg erreichbar, der sehr steil ist (8 % bis 15 %). Beim Einsteigen fiel dem Geschäftsführer, der das Handy normalerweise in der Sakkotasche trägt, ein, dass er noch einmal zurück ins Haus müsse. Er legte daher das Handy gemeinsam mit einem Timer vorläufig auf die Mittelkonsole. Nach der Rückkehr zum Auto dachte er nicht mehr an die beiden Gegenstände und fuhr talwärts. Nach etwa 800 m hörte er plötzlich etwas in seinen Fußraum hinuterfallen. Er dachte sofort an das Handy und griff instinktiv hinunter, um es aufzuheben. Er befürchtete, dass das Handy zwischen die Pedale gelangen könnte. Tatsächlich war diese Angst unberechtigt, da das Fahrzeug hängende Pedale aufwies, die auch in durchgetretenem Zustand genügend Abstand zum Boden hatten. Während dieser kurzen Unaufmerksamkeit übersah der Geschäftsführer die Rechtskurve und fuhr geradeaus über die Böschung. Das Fahrzeug stürzte 10 m steil ab und prallte an einen Baum.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der Beklagten sei zwar zuzugestehen, dass die Vorgangsweise des Lenkers angesichts der Fahrstrecke und der Situation unmittelbar vor einer Kurve riskant gewesen sei. Der klagenden Partei müsse aber zugutegehalten werden, dass es sich bei der Handlung des Lenkers nicht um eine besonnene Maßnahme gehandelt habe, wie etwa dem Greifen nach einer Zigarettenpackung oder nach Zündern oder dem Telefonieren mit einem Handy. Der Lenker habe vielmehr in einer Spontansituation zwar letztlich falsch reagiert; dies sei ihm aber auf Grund der Schrecksekunde nicht derart vorwerfbar, dass man daraus ein grobes Verschulden ableiten könnte. Ein Gegenstand im Fußraum des Fahrers sei jedenfalls geeignet, einen Durchschnittsfahrer zu erschrecken; wer wisse im Einzelfall schon genau, was für die Bewegung der Pedale gefährlich werden könne oder nicht. Das vorherige Deponieren des Handys an einer Stelle, wo es hinuterfallen konnte, möge zwar eine fahrlässige Handlung darstellen, grob fahrlässig sei dies aber insbesondere im Hinblick auf die geringe Größe des Handys nicht.
Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung in klagsabweislichem Sinn ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ein bloßer Aufmerksamkeitsfehler könne bei einer zur Gewohnheit gewordenen Tätigkeit noch nicht als auffallende Sorglosigkeit angesehen werden. Als grob fahrlässig sei in der Judikatur jedoch gewertet worden, wenn ein während der Fahrt rauchender Fahrzeuglenker sich nach der seiner Hand entglittenen Zigarette bücke, dadurch von der Fahrbahn abkomme und einen Unfall verursache, oder die Fahrbahn nahezu drei Sekunden lang nicht beobachtete, sondern sich seinem Beifahrer zuwendete; auch die Nichtbeobachtung der Fahrbahn durch vier Sekunden sei als schweres Verschulden angesehen worden. Im vorliegenden Fall sei bedeutsam, dass der Lenker bei Annäherung an eine Kurve des schmalen, geschotterten Güterwegs, der ein nicht unbeträchtliches Gefälle aufwies, den PKW für einen, wenn auch kurzen Zeitraum ohne jede Abbremsung quasi im Blindflug fortbewegt habe. Diese Handlungsweise stelle eine grobe Fahrlässigkeit dar, da hiebei von vornherein mit einem Abkommen des Fahrzeuges von der Fahrbahn gerechnet habe werden müssen. Der Lenker des Klagsfahrzeuges habe also grob fahrlässig gehandelt, weshalb die beklagte Kaskoversicherung leistungsfrei sei.
Seinen Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Beurteilung des Verschuldensgrades der groben Fahrlässigkeit auf einen Einzelfall angewendet worden seien.
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist zu betonen, dass der Lenker des Fahrzeuges der Klägerin deren Organ (gesetzlicher Vertreter) und daher nicht deren Repräsentant im Sinne der vom Obersten Gerichtshof generell, also auch im Rahmen des § 61 VersVG abgelehnten Repräsentantentheorie ist (BK/Beckmann § 61 VVG Rn 46). Der Versicherungsnehmer (hier die klagende Partei) hat für ein Fehlverhalten seines gesetzlichen Vertreters (Organs) ex lege einzustehen, da dieser anstelle des Versicherungsnehmers Adressat der an sich diesen treffenden Verhaltensnormen ist (Prölss in Prölss/Martin26 § 61 VVG Rn 5).
Nach hM liegt grobe Fahrlässigkeit im Sinn des § 61 VersVG vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (SZ 61/280; VersE 1691; 7 Ob 41/98z; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 90/99g uva). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (ZVR 1993/153; 7 Ob 289/98w ua). Zur Annahme grober Fahrlässigkeit ist es erforderlich, dass bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Täter dieser auch subjektiv schwer vorwerfbar sein muss (ZVR 1996/52; VersE 1658; VersE 1664; 7 Ob 41/98z ua).
Ob eine Fehlhandlung wegen ihres besonderen Gewichtes oder einzelne für sich genommenen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (VersE 1691; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 8/99x ua). Die Revision ist daher (nur) dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (7 Ob 34/88 = VR 1989/168).
Dies kann im vorliegenden Fall aber nicht gesagt werden. Mag auch das plötzliche Bücken nach dem hinuntergefallen Handy für sich allein als sog. Augenblicksversagen (vgl Prölss aaO § 61 VVG Rz 12; Beckmann aaO § 61 VVG Rn 62 jeweils mwN) subjektiv noch nicht schwer vorwerfbar erscheinen (vgl 7 Ob 128/97t), hält sich die vom Berufungsgericht vertretene Einschätzung des Verhaltens des Lenkers als insgesamt grob fahrlässig unter Berücksichtigung der festgestellten weiteren Umstände (schmaler, kurvenreicher, geschotteter Güterweg mit großem Gefälle), die den Lenker zu erhöhter Aufmerksamkeit und besonderer Vorsicht veranlassen hätten müssen, doch im Rahmen der zu § 61 VersVG entwickelten, dargestellten Grundsätze (vgl die zusammengefasste Rechtsprechung in Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 317 FN 13; insbes etwa 7 Ob 20/95 = VR 1996/400).
Da demnach kein tauglicher Revisionsgrund vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden.
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