OGH 7Ob289/98w

OGH7Ob289/98w28.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG, ***** vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch und Dr. Sonja Jutta Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagte Partei Firma R***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 4. Juni 1998, GZ 6 R 28/98d-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15. November 1997, GZ 17 Cg 39/97s-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.112,- (darin enthalten S 1.352,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Firma W***** AG war unter anderem hinsichtlich der von ihr zum Verkauf übernommenen und auf sie zugelassenen Kraftfahrzeuge bei der klagenden Partei aufgrund des "Händlerkaskorahmenvertrages" samt "Erweiterung der Händlerkaskoversicherung" kaskoversichert. Dem Versicherungsverhältnis lagen vereinbarungsgemäß die KKB 1986 zugrunde. Gemäß Punkt 2. der "Erweiterung der Händlerkaskoversicherung" gilt der Deckungsschutz "auch für Angehörige des Dienstwagenbenützers und für alle anderen Personen, die zur Inbetriebnahme des versicherten Kraftfahrzeuges berechtigt sind".

Die Firma W***** AG überließ am 22. 11. 1995 den auf sie zugelassenen LKW Mitsubishi Canter der beklagten Partei unentgeltlich zum Gebrauch. Am 20. 12. 1995 lenkte Daniel G*****, der als Kraftfahrer im Zustelldienst bei der beklagten Partei beschäftigt war, diesen LKW im Stadtgebiet von G***** auf der L*****gasse in Richtung einer Bahnunterführung. Im Bereich der Bahnunterführung ist von weitem deutlich sichtbar das Verbotszeichen "Fahrverbot für über 3 m hohe Fahrzeuge" angebracht. Die Höhe des LKWs betrug insgesamt 3,26 m. Deshalb stieß der Kofferaufbau des LKWs gegen die Eisenkonstruktion der Bahnunterführung, wodurch er schwer beschädigt wurde. Die Raparaturkosten betrugen S 111.588. Im Unfallszeitpunkt verfügte die beklagte Partei über einen Fuhrpark von 9 Fahrzeugen, wozu auch 3 LKWs der Marke Mitsubishi Canter zählten.

Die klagende Partei begehrte gemäß § 67 VersVG von der beklagten Partei und weiters von Daniel G***** als ursprünglich Zweitbeklagten den Betrag von S 113.544 sA zur ungeteilten Hand. Der Schaden sei von Daniel G***** grob fahrlässig herbeigeführt worden, wofür auch die beklagte Partei als Dienstgeberin einzustehen habe. Diese sei "Dritte" im Sinn des § 67 VersVG.

Gegen Daniel G***** erging ein Versäumungsurteil, das in Rechtskraft erwuchs.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß sie nicht "Dritter" im Sinn des § 67 VersVG sei. Gegenüber der klagenden Partei hafte lediglich der Lenker Daniel G*****. Im übrigen liege keine grobe Fahrlässigkeit vor. Hinsichtlich des im Klagebegehren enthaltenen Kostenbegehrens von S 1.956 wendete die beklagte Partei die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein.

Insoweit wies das Erstgericht das Klagebegehren zurück. Im übrigen gab es dem Klagebegehren im wesentlichen statt und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von S 111.588 sA zur ungeteilten Hand mit Daniel G*****. Das Zinsenmehrbegehren von 4 % aus S 111.588 vom 24. 4. 1996 bis 25. 5. 1996 wies es ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Ansprüche der Firma W***** AG gegen die klagende Partei aus der Kaskoversicherung gemäß § 67 VersVG auf die klagende Partei übergegangen seien. Art 6 KKB 1986 stelle nur einen Verzicht des Versicherers gegen den berechtigten Lenker, nicht aber gegen andere Regreßverpflichtete dar. Die beklagte Partei habe als Entlehner für das Verschulden des Daniel G***** einzustehen. Dessen Fehlverhalten sei als grob fahrlässig zu qualifizieren. Die Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Verschuldengrades bei Mißachtung des Verbotszeichens gemäß § 52 Z 9 BStVO vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die sich auf die Frage des Verschuldensgrades des Daniel G***** beschränkende Revision, die insbesondere die Rechtsansicht der Vorinstanzen zur Frage der Deckungspflicht der klagenden Partei gegenüber der Firma W***** AG und der Regreßhaftung der beklagten Partei (lediglich) für ein grob fahrlässiges Verhalten ihres Dienstnehmers unangefochten läßt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.

Nach der Rechtsprechung liegt grobe Fahrlässigkeit - auch im Sinn des § 61 VersVG - vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (SZ 61/280, VersE 1691, 9 Ob 358/97f, 7 Ob 41/98z). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wußte oder wissen mußte, daß es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muß offenkundig so groß sein, daß es ohne weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (ZVR 1993/153; 9 Ob 358/97f). Zur Annahme grober Fahrlässigkeit ist es erforderlich, daß bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Täter dieser auch subjektiv schwer vorwerfbar sein muß (ZVR 1996/52, VersE 1658, 1664; 7 Ob 41/98z).

Ob eine Fehlhandlung wegen ihres besonderen Gewichtes oder einzelne für sich genommene nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (VersE 1691; 4 Ob 2110/96h, 9 Ob 358/97f). Es kommt vielmehr stets auf sämtliche Umstände des Einzelfalles an; erst ihre Gesamtbeurteilung ermöglicht die Wertung des Verhaltens.

Eine Festlegung dahin, unter welchen besonderen Gegebenheiten das Hineinfahren in eine zu niedrige Unterführung als grob und wann noch als leicht fahrlässig zu beurteilen ist, ist hiebei nicht möglich. Sollte der Fuhrpark der beklagten Partei bislang kein Fahrzeug mit einem so hohen Aufbau wie dem nun beschädigten aufgewiesen haben, wie in der Revision behauptet wird, würde dies nur noch mehr verstärken, daß der Fahrzeuglenker umso eher verhalten gewesen wäre, mit dem für ihn ungewohnt hohen Gefährt besondere Vorsicht bei Brückendurchfahrten walten zu lassen. Es wäre an ihm gelegen gewesen, sich über die Gesamthöhe des Fahrzeuges zu informieren und besonders aufmerksam auf angezeigte Höhenbeschränkungen zu achten. Indem das Berufungsgericht die Mißachtung des beschriebenen Verbotszeichens trotz Überschreitung der angezeigten Höhe um 26 cm als grob fahrlässig qualifizierte, hat es durchaus im Rahmen der von der Rechtsprechung festgelegten Grundsätzen entschieden. Die zahlreichen in der Revision zitierten Entscheidungen sind schon vom Sachverhalt her nicht vergleichbar.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO liegt demnach nicht vor.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers aus dem Grund des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

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