Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit insgesamt S 28.595,-- (darin enthalten S 2.557,50 USt und S 13.250,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 7.8.1995 stieß der Beklagte als Lenker eines PKWs der Firma L***** GesmbH auf der F***** Landesstraße gegen eine Leitplanke und kam von der Fahrbahn ab. Am PKW entstand Totalschaden. Unter Berücksichtigung des Wrackwertes betrug der PKW-Schaden S 146.667,--. Weiters entstanden Abschleppkosten von S 2.100,--. Die klagende Partei war der Kaskoversicherer des PKWs und leistete an die Firma L***** GesmbH als Versicherungsnehmer unter Abzug des Selbstbehaltes von S 7.438,-- insgesamt S 141.329,--.
Die Landesstraße ist im Unfallbereich ca 5 m breit. Sie ist beidseitig durch Randlinien eingefaßt und durch eine Leitlinie geteilt. Sie führt über eine Brücke über einen kleinen Bach, die auf beiden Seiten mit Leitschienen abgesichert ist. Bei Annäherung an die Unfallstelle aus der Fahrtrichtung des Klägers (aus Osten) weitet sich die Fahrbahn zunächst auf eine Gesamtbreite von ca. 9 m, weil eine Gemeindestraße einmündet, weshalb eine Linksabbiegespur errichtet wurde. Ca. 40 m vor der Unfallstelle verengt sich die Fahrbahn wieder auf die Normalbreite von 5 m. Knapp vor der Unfallstelle mündet von rechts ein Feldweg ein, dessen Einmündungstrichter asphaltiert ist. Von dort bis ca. 40 m vor der Unfallstelle ist rechts der weißen Randlinie ein 1 m breiter asphaltierter Fahrstreifen vorhanden. Aus der Fahrtrichtung des Beklagten gesehen beschreibt die Landesstraße zunächst eine langgezogene, übersichtliche Rechtskurve, von der aus die Unfallstelle aus mindestens 200 m eingesehen werden kann. Die Rechtskurve geht in weiterer Folge in eine leichte Linkskurve über. Über die Unfallstelle hinaus besteht Sicht auf weitere 300 m. Rund 500 m östlich der Unfallstelle beginnt eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h, die ca. 50 m westlich von der Unfallstelle endet. Zum Unfallszeitpunkt war es bewölkt. Es herrschte Tageslicht, die Sicht war gut, die Straße war trocken. Erst nach dem Unfall setzte Regen ein.
Der Beklagte hielt bei Annäherung an die Unfallstelle eine Geschwindigkeit von ca. 65 km/h ein. Der von ihm gelenkte PKW war im näheren Unfallsbereich das einzige Fahrzeug. Am Beifahrersitz, der eine Velourtapezierung mit geringem Reibungskoeffizienten aufwies, lag eine etwa DIN A 4 große CBU-Einheit, die stoßsicher in einem Karton verwahrt war. Darauf hatte der Beklagte sein Handtelefon abgelegt. Etwa 70 m vor der Unfallstelle bemerkte der Beklagte, daß diese Gegenstände verrutschten und zu Boden fallen drohten. Er wendete daher seinen Blick nach rechts und versuchte, mit der rechten Hand das Herabfallen des Handys zu verhindern. Er erreichte das Handy aber nicht. Dabei geriet der vom Beklagten gelenkte PKW über die rechte weiße Randlinie. Als der Beklagte wieder auf die Fahrbahn blickte, bemerkte er die vor ihm befindliche Leitschiene. Er konnte keine wirksame Reaktion mehr setzen. Der PKW prallte gegen das östliche Ende der ca. 11 m langen rechten Leitschiene, die aus der Verankerung gerissen und auf einen nahestehenden Strommast geschleudert wurde. Im Kollisionszeitpunkt befand sich der PKW mit der rechten Seitenbegrenzung etwa 1 m außerhalb der Fahrbahn. Durch die Kollision wurde die Geschwindigkeit des PKWs auf etwa 45 km/h reduziert.
Die klagende Partei begehrte vom Beklagten den ihrerseits der Firma L***** GesmbH aufgrund des Kaskoversicherungsvertrages ersetzten Betrag von S 141.329,-- sA. Dem Beklagten sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er habe die zu Boden gefallene CBU-Einheit und das Handy aufheben wollen, während er eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten habe und die Fahrbahn regennaß gewesen sei.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe lediglich reflexartig und instinktiv die Hand nach dem in Bewegung geratenen Handy ausgestreckt und seinen Blick nur für einen Sekundenbruchteil dem Handy zugewendet. Er habe keine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten. Die Fahrbahn- und Verkehrsverhältnisse seien optimal gewesen. Ihn treffe zwar ein Verschulden am Unfall, das jedoch nicht als grob fahrlässig zu werten sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Regreßanspruch der klagenden Partei setze grobe Fahrlässigkeit voraus. Das kurzfristige Abwenden des Blickes von der Fahrbahn sei aber bloß als leichte Fahrlässigkeit zu qualifizieren. Weitere gefahrenerhöhende Umstände seien nicht vorgelegen.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer Klagsstattgebung ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Frage, ob dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, könne dahingestellt bleiben. Der Beklagte sei nämlich als regreßpflichtiger Lenker in der Kaskoversicherung "Dritter" im Sinn des § 67 Abs 1 VersVG. Es gebe bei dieser Versicherungssparte keine mitversicherten Personen. Der Regreß nach § 67 VersVG stehe nicht bloß bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles zu. Daß zumindest leichte Fahrlässigkeit vorliege, sei nicht in Frage gestellt worden. Daß der Beklagte Dienstgeber der Versicherungsnehmerin gewesen sei, sei nicht behauptet worden, sodaß nicht zu untersuchen sei, ob der auf den Versicherer übergegangene Schadenersatzanspruch den Beschränkungen des § 2 DHG unterliege. Auch ein zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Beklagten bestehendes Vertragsverhältnis mit einem vereinbarten Ausschluß der Haftung in welchem Umfang auch immer sei weder behauptet worden noch hervorgekommen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die rechtliche Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz zwar der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspreche, die Lehre jedoch gegenteilige Lösungsvorschläge biete.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 67 Abs 1 VersVG geht der Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt hat. Es ist zwar richtig, daß nach der Rechtsprechung in der Kaskoversicherung, welche nur der Versicherung des Eigeninteresses an der Erhaltung verschiedener Sachen dient, der aufgrund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer zur Benützung der Sache Berechtigte grundsätzlich nicht mitversichert, sondern "Dritter" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist (VR 1993/308 mwN). Der Versicherer kann jedoch auf das Regreßrecht nach § 67 Abs 1 VersVG verzichten. Dies ist für den Bereich der Fahrzeug-Kollisions-Kaskoversicherung geschehen. Gemäß Art 6 KKB 1986 verzichtet der Versicherer auf den Regreß gegen den berechtigten Lenker in jenen Fällen, in denen auch gegenüber dem Versicherungsnehmer als Fahrzeuglenker Leistungsfreiheit bestanden hätte. Als "berechtigter Lenker" werden Personen definiert, die mit dem Willen des Versicherungsnehmers oder des über das Fahrzeug Verfügungsberechtigten das Fahrzeug lenken.
Ein solcher Verzicht zugunsten des berechtigten Lenkers bewirkt dessen Befreiung vom Risiko, zum Ersatz des von ihm verursachten Schadens herangezogen zu werden. Die auf die Versicherung eigener Sachen gerichtete Versicherung des Versicherungsnehmers umfaßt in einem solchen Fall auch eine Fremdversicherung. Der Verzicht zugunsten des Schädigers ist nichts anderes als eine Form der - wenn auch nur teilweisen - Mitversicherung des Sachersatzinteresses dieses Schädigers (SZ 63/28 = VR 1990/221).
Wenn daher der Lenker eines Kraftfahrzeuges den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt, bleibt der Versicherer dem Versicherungsnehmer zwar zur Leistung verpflichtet, weil diesem das Verhalten des Lenkers nicht zugerechnet wird. Der Versicherer kann dann aber wegen § 61 VersVG am Lenker Rückgriff nehmen. Für den Fall leicht fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles ist der Lenker jedoch wegen des Regreßverzichtes von der Haftung befreit (Schauer, VersVG3, 391).
Die vom Gericht zweiter Instanz zur Begründung seiner Ansicht angeführten Zitate aus der Rechtsprechung betreffen Fälle, die außerhalb des Geltungsbereiches der KKB 1986 lagen. Das gesamte Vorbringen der klagenden Partei läßt sich nur dahin verstehen, daß sie im Sinne dieser Bestimmung Regreß gegen den Beklagten deshalb nimmt, weil dieser ihrer Meinung nach grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Insbesondere da sie dies selbst behauptet und unter Beweis zu stellen versucht hat, ist davon auszugehen, daß die klagende Partei von der Geltung der KKB auf das vorliegende Versicherungsverhältnis sowie davon ausging, daß der Beklagte der berechtigte Lenker des PKWs war. Es bestand unter den Streitteilen auch keinerlei Divergenz dahin, daß der Beklagte nur bei grober Fahrlässigkeit regreßpflichtig ist. Somit ist entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz allein die Frage entscheidend, ob dem Beklagten grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist. Dies hat das Erstgericht zu Recht verneint.
Die in der Berufung und in der Revisionsbeantwortung aufgestellte Behauptung der klagenden Partei, der Beklagte habe 3,9 Sekunden lang von der Fahrweg weggeblickt und dabei eine Fahrstrecke von 70 m zurückgelegt, läßt sich mit den Feststellungen der Vorinstanzen nicht in Einklang bringen. Demnach ist der Anstoß keineswegs genau zu dem Zeitpunkt erfolgt, als der Beklagte wieder auf die Fahrbahn blickte. Der Beklagte hat vielmehr seinen Blick nur "kurzfristig" von der Fahrbahn abgewendet, wie sich aus den insoweit als Feststellungen zu wertenden Ausführungen des Erstgerichtes im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ergibt, wobei er lediglich versucht hat, das Herabfallen des am Beifahrersitz gelagerten Handys zu verhindern. Aus den Feststellungen ergibt sich, daß das Fahrzeug infolge dieses Aufmerksamkeitsfehlers unbeherrschbar wurde und in weiterer Folge gegen die Leitschiene prallte. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in zwei ähnlich gelagerten Fällen ausgeführt hat, begründet ein reflexartiges Bücken nach einem herabgefallenen Gegenstand (VR 1989/168) oder das bloße Drücken des Bedienungsknopfes einer Freisprechanlage, wobei einen Moment lang von der Straße weggeblickt wird, für sich allein noch nicht zwangsläufig grobe Fahrlässigkeit. Das Erstgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, daß zu der Zeit, als sich der Beklagte durch das Herabgleiten des Handys ablenken ließ, keine besonderen Gefahrenmomente, die eine erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Verkehrsgeschehen erfordert hätten, vorgelegen sind. Der Beklagte hielt entgegen den Behauptungen der klagenden Partei keine überhöhte Geschwindigkeit ein. Die Fahrbahn war (noch) trocken, die Sicht gut, und es herrschte kein Verkehr. Das Befahren einer langgezogenen, übersichtlichen Kurvenkombination ist ebenfalls nicht besonders gefahrenträchtig. Selbst wenn daher die am Beifahrersitz gelagerten Gegenstände schon vor dem Unfall mehrfach verrutschten (wie die klagende Partei ergänzend festgestellt haben will), kann in dem festgestellten Verhalten des Beklagten (noch) keine auffallende, sich aus der Menge der nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen im Straßenverkehr besonders hervorhebende Sorglosigkeit und auch keine Summierung leichter Fahrlässigkeiten, die zusammen eine grobe Fahrlässigkeit begründeten, erblickt werden.
Es war daher die klagsabweisende erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)