OGH 7Ob12/04x

OGH7Ob12/04x13.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz F*****, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler und Mag. Harald Mühlleitner, Rechtsanwälte in St. Florian, wegen Feststellung (Streitwert EUR 36.336,41), über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 21. November 2003, GZ 3 R 110/03x-24, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

In dem im Hälfteeigentum des Klägers stehenden, bei der Beklagten ua feuerversicherten Haus (samt Werkstättenräumen) in K***** kam es am 8. 12. 2000 zu einem Brand, der vom Heizraum ausging: Durch eine auf Grund unzureichenden Rauchabzugs bewirkte Verpuffung im Heizkessel wurden Glutteile ausgeworfen. Dadurch kam es, weil im Heizraum erhebliche Mengen Brennholz zum Trocknen gelagert waren und der Boden durch Staub und Holzspäne verunreinigt war, zur Entzündung. Das Feuer breitete sich durch die nicht vollständig geschlossene Heizraumtür hinaus weiter aus und griff auch auf die Maschinenhalle über. Der Kläger, der wegen des Brandes mit Strafurteil vom 27. 9. 2001 rechtskräftig schuldig erkannt wurde, das Vergehen der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 (§ 169 Abs 1) StGB begangen zu haben, hatte in den Werkstättenräumen früher eine Tischlerei betrieben, dort aber auch noch bis zum Brandausbruch weiterhin "privat" Tischlereiarbeiten durchgeführt. Bereits mit Bescheid vom 9. 2. 1998 war ihm von der Gewerbebehörde ua aufgetragen worden, die Tischlereimaschinen an die Absaugvorrichtung anzuschließen, um eine ständige Verunreinigung durch Staub und Späne zu verhindern. Als weitere, ebenfalls bis 30. 4. 1998 zu erfüllende Auflage war dem Kläger vorgeschrieben worden, die gesamte Tischlereiwerkstätte von Späne- und Staubmaterial zu reinigen und den Heizraum von Verunreinigungen mit Spänematerial zu säubern. Bei einer in der Folge von der Gemeinde K***** am 15. 9. 1999 durchgeführten Feuerbeschau waren allerdings im Heizraum neuerlich größere Mengen brennbarer Lagerungen vorgefunden und eine Verschmutzung des Heizraumbodens mit Scharten und Staub festgestellt worden. Die Gemeinde hatte dem Beklagten daher vorgeschrieben, den Heizraum sofort zu säubern und die Brennstofflagerung gemäß einem Merkblatt entsprechend zu ändern.

Das Berufungsgericht bestätigte die vom Erstgericht (aus anderen rechtlichen Gründen) ausgesprochene Abweisung der vom Kläger wegen des Brandes vom 8. 12. 2000 gegen die Beklagte erhobenen Deckungsklage mit der Begründung, der Kläger habe den Brand grob fahrlässig herbeigeführt, weshalb die Beklagte gemäß § 61 VersVG leistungsfrei sei. Das Berufungsgericht sprach dazu aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil sich die Beurteilung eines Verhaltens als grob fahrlässig typischerweise am Einzelfall orientiere und dieser Beurteilung demnach keine weiterreichende Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers, der in seiner Zulassungsbeschwerde im Wesentlichen nur geltend macht, das Berufungsgericht habe zwischen Brandursache und Brandausbreitung nicht differenziert (wobei es zur Notwendigkeit einer solchen Differenzierung noch an veröffentlichter Judikatur des Obersten Gerichtshofes mangle), ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Nach § 61 VersVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Es handelt sich dabei um einen sekundären Risikoausschluss (7 Ob 41/98z; 7 Ob 301/99m ua). Grobe Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (SZ 61/280; VersE 1691; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 59/01d uva; RIS-Justiz RS0030477; vgl RIS-Justiz RS0030359 und RS0031127 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe liegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (ZVR 1993/153; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 59/01d uva). Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanpassung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (7 Ob 301/99m; 7 Ob 74/02m ua). In diesem Sinne ist es für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (7 Ob 10/93, VR 1993, 392 = VersR 94, 379; 7 Ob 30/93, VR 1994, 126; 7 Ob 1043/93, VR 1994, 315; RIS-Justiz RS0030331 und RS0080371, zuletzt etwa 7 Ob 14/03i; 7 Ob 170/03f und 7 Ob 121/03z). Grobe Fahrlässigkeit setzt demnach ein Verhalten voraus, von dem der Versicherungsnehmer wusste oder wissen musste, dass es geeignet sei, die Gefahr des Eintrittes eines Versicherungsfalles herbeizuführen oder zu vergrößern (RIS-Justiz RS0030324).

Ob eine Fehlhandlung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigt, bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (VersE 1691; 4 Ob 2010/96h; 9 Ob 358/97f; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 8/99x; 7 Ob 301/99m; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m ua). Die Revision ist daher (nur) dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (7 Ob 34/88, VR 1989/168; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m ua).

Davon kann im vorliegenden Fall aber gar keine Rede sein. Der gegenständliche Brand war darauf zurückzuführen, dass der Kläger, der weiterhin in den Werkstättenräumen Tischlereiarbeiten durchgeführt hat, den ihm von den Behörden erteilten Auflagen nicht nachgekommen ist, obwohl die Gefahr eines Brandes bei Ignorierung der betreffenden Aufträge auf der Hand lag. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger habe den Brand grob fahrlässig herbeigeführt, steht daher mit den zu § 61 VersVG entwickelten, dargestellten Grundsätzen im Einklang (vgl insbes 7 Ob 246/98x = VersE 1811).

Der an die Behauptungen, die Behörde hätte ihm die Anbringung einer Brandschutztüre statt der bestehenden Heizraumtüre aufzutragen gehabt; dadurch wäre die Ausbreitung des Brandes verhindert worden; geknüpfte Einwand des Revisionswerbers, es sei zwischen Brandursache (diesbezüglich möge grobe Fahrlässigkeit vorliegen) und der Brandausbreitung (hinsichtlich der der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit unberechtigt sei) zu differenzieren, muss schon deshalb ins Leere gehen, weil - wie das Erstgericht insoweit unbekämpft festgestellt hat - die Heizraumtüre zum Zeitpunkt des Ausbruches des Brandes "nicht vollständig geschlossen war". Abgesehen davon wäre dieser Einwand aber keineswegs geeignet, die gröbliche Nichtbeachtung der ihm von den Behörden erteilten Auflagen durch den Kläger als weniger gravierend bzw vorwerfbar und daher die Kriterien der groben Fahrlässigkeit nicht erfüllend anzusehen. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann daher in diesem Zusammenhang keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und auch kein tauglicher Grund für die Zulassung der Revision erblickt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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