OGH 7Ob74/02m

OGH7Ob74/02m29.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud S*****, vertreten durch Dr. Michael Kinberger und Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwälte in Zell am See, gegen die beklagte Partei W***** AG, ***** (vormals V***** AG, *****), vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 1,165.499,-- (= EUR 84.700,11), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 8. Februar 2002, GZ 4 R 5/02m-21, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

In der Nacht zum 26. 6. 1999 entzündete die Klägerin im Rahmen einer Grillparty gemeinsam mit zwei weiteren Personen vor (in ca. 2,5 m Abstand) dem in ihrem Miteigentum stehenden, bei der beklagten Partei feuerversicherten Haus ***** in S***** unter einem etwa 1,3 m vorspringenden offenen Vordach aus Holz ein Lagerfeuer. Durch Funkenflug wurden Obergeschoss und Dach des Hauses in Brand gesetzt. Die Klägerin, die ebenso wie die beiden anderen Personen deshalb wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, begehrt von der Beklagten aus der Feuerversicherung S 1,165.499,-- = EUR 84.700,11 (sA) für die durch den Brand entstandenen Schäden.

Die Beklagte wendete ua ein, gemäß § 61 VersVG leistungsfrei zu sein, weil die Klägerin den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Entfachen eines Lagerfeuers direkt unter einem Vordach sei nicht mehr (nur) als leichte Fahrlässigkeit anzusehen.

Das Berufungsgericht schloss sich dieser Rechtsmeinung an und bestätigte daher die erstinstanzliche Entscheidung. Es hätte nur einer minimalen Anstrengung bedurft, das Lagerfeuer in einem ausreichenden Sicherheitsabstand vom Haus zu situieren und dadurch das Haus vor einer Brandgefahr zu schützen. Dies hätte besonders der Klägerin als Miteigentümerin des Hauses ein Anliegen sein müssen. Ihr Verhalten sei als grob fahrlässig zu qualifizieren. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es von keiner Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei. Die entscheidungswesentliche Abgrenzung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit sei einzelfallbezogen und stelle die Qualifikation des § 502 Abs 1 ZPO nicht her. Die außerordentliche Revision der Klägerin, die in ihrer Zulassungsbeschwerde, bezugnehmend auf die Frage, ob der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde, (allein) geltend macht, dass "zu einer gleichen oder ähnlichen Frage" (gemeint zur Frage der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles in einem gleichen oder ähnlichen Fall) "noch überhaupt keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt", ist - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 2 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 61 VersVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Es handelt sich dabei um einen sekundären Risikoausschluss (7 Ob 41798z; 7 Ob 301/99m ua). Grobe Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (SZ 61/280; VersE 1691; 7 Ob 41/98z; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 90/99g; 7 Ob 59/01d uva). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (ZVR 1993/153; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 59/01d ua). Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanspannung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (7 Ob 301/99m ua). In diesem Sinne ist es für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegene Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (7 Ob 10/93, VR 1993, 392 = VersR 94, 379; 7 Ob 30/93, VR 1994, 126; 7 Ob 1043/93, VR 1994, 315; RIS-Justiz RS0080371, zuletzt etwa 7 Ob 35/01z).

Ob eine Fehlhandlung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigt, bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (VersE 1691; 4 Ob 2010/96h; 9 Ob 358/97f; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 8/99x; 7 Ob 301/99m; 7 Ob 59/01d ua). Die Revision ist daher (nur) dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (7 Ob 34/88, VR 1989/168; 7 Ob 59/01d ua).

Dies kann im vorliegenden Fall aber keineswegs gesagt werden. Die Ansicht der Vorinstanzen, die Klägerin habe den Brand ihres Wohnhauses grob fahrlässig herbeigeführt, hält sich unter Berücksichtigung der festgestellten Umstände, insbesondere, weil das Lagerfeuer in unmittelbarer Nähe des Hauses unter einem hölzernen Vordach entzündet wurde, im Rahmen der zu § 61 VersVG entwickelten, dargestellten Grundsätze (vgl auch die zusammengefasste Rechtsprechung in Schauer, VR3, 317 FN 13).

Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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