OGH 7Ob242/03v

OGH7Ob242/03v21.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Benko & Anker Rechtsanwaltspartnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. D***** GmbH & Co KG, und 2. D***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Sicherstellung (Streitwert: EUR 50.000), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Juni 2003, GZ 1 R 70/03h-16, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. Jänner 2003, GZ 57 Cg 90/02z-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Antrag der Klägerin, die Klage gegen die erstbeklagte Partei unter Kostenaufhebung zurückzuweisen und das bisherige Verfahren hinsichtlich der erstbeklagten Partei für nichtig zu erklären, wird abgewiesen.

Was die erstbeklagte Partei betrifft, werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

II. Die Klage gegen die zweitbeklagte Partei und die im Verfahren gegen die zweitbeklagte Partei erhobene Revision werden zurückgewiesen und das diesbezügliche Verfahren als nichtig aufgehoben.

Die Verfahrenskosten werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt, die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr eine Sicherstellung von EUR 50.000 iSd Punktes 2.47.1.3 der ÖNORM B 2110 idF vom 1. 3. 1995 zu übergeben.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Parteien gegen das klagestattgebende Ersturteil Folge, hob es auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Nach Einlangen des dagegen erhobenen Rekurses der Klägerin und Vorlage des Aktes an den Obersten Gerichtshof wurde (zunächst) mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. 10. 2003, GZ 49 Se 226/03h, ein Konkursantrag betreffend die erstbeklagte Partei mangels Vermögens abgewiesen und am 26. 11. 2003 (nach Rechtskraft dieses Beschlusses) im Firmenbuch eingetragen, dass die (erstbeklagte) Gesellschaft gemäß § 39 FBG aufgelöst sei; und schließlich mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. 2. 2004, GZ 49 Se 615/03i, (auch) ein Konkursantrag betreffend die zweitbeklagte Partei mangels Vermögens abgewiesen und am 16. 3. 2004 (nach Rechtskraft dieses Beschlusses) im Firmenbuch eingetragen, dass die (zweitbeklagte) Gesellschaft gemäß § 39 FBG aufgelöst sei.

In ihrer "Äußerung" vom 30. 12. 2003 stellte die Klägerin (unter Hinweis auf die Entscheidung des verstärkten Senates 8 ObA 2344/96f, "siehe auch 1 Ob 153/02k") den Antrag, die Klage gegen die erstbeklagte Partei unter Kostenaufhebung zurückzuweisen und das bisherige Verfahren hinsichtlich der erstbeklagten Partei für nichtig zu erklären. Die Verfahrensfortsetzung gegen diese Partei sei der Klägerin mangels vorhandenen Vermögens der Erstbeklagten nicht zumutbar. In einer weiteren Äußerung der Klägerin vom 26. 3. 2004 stellte sie einen gleichlautenden Antrag auch hinsichtlich der zweitbeklagten Partei.

Rechtliche Beurteilung

Damit beruft sich die Klägerin auf die neuere Rsp, die seit der zitierten Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 22. 10. 1998, 8 ObA 2344/96f (SZ 71/175 = JBl 1999, 126 = RdW 1999, 143) die Auffassung vertritt, dass eine vollbeendete Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht mehr parteifähig ist, es aber mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK unvereinbar ist, wenn die Beklagte durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kläger keinen Einfluss hat und die er auch nicht durchschauen kann, eine Entscheidung über den vom Kläger rite geltend gemachten, mit erheblichem Aufwand an Geld, Zeit und Mühe vor Gericht verfolgten zivilrechtlichen Anspruch vereiteln könnte. Wird eine Kapitalgesellschaft während eines gegen sie anhängigen Passivprozesses gelöscht, so ist das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen. Strebt der Kläger hingegen die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft nicht an, so sind die Klage zurückzuweisen, dass bisherige Verfahren für nichtig zu erklären und die Kosten nach § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufzuheben (RIS-Justiz RS0035195 [T11] RS0035204 [T6]; RS0109397 [T1]; RS0110979; jüngst: 7 Ob 172/03z mwN).

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach aufgezeigt hat (1 Ob 153/02k mwN) wurde diese nach dem dort gegebenen Sachverhalt auf die amtswegige Löschung der vermögenslosen Gesellschaft beschränkte Entscheidung des verstärkten Senates in der Folge auch auf jene Fälle ausgedehnt, in denen ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über die beklagte Gesellschaft mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde (RIS-Justiz RS0109397 [T4]; RS0110979 [T2]), weil der Fall der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG (früher: § 2 ALöschG) jenem der Auflösung der Gesellschaft zufolge Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse gemäß § 39 FBG (früher: § 1 Abs 1 ALöschG) gleichgelagert ist. Wird dem Kläger die Tatsache der Auflösung der beklagten Kapitalgesellschaft, einerlei ob nach § 39 FBG oder nach § 40 FBG, im Verfahren bekannt, hat er binnen angemessener Frist dem Gericht bekannt zu geben, dass er von der Verfahrensfortsetzung abstehe, widrigenfalls sein Fortsetzungswille unterstellt wird (RIS-Justiz RS0035195 [T13]; RS0035204 [T8]; RS0117480 = 1 Ob 153/02k, EvBl 2003/119 = ZIK 2003/248 = RdW 2003/443 = GesRZ 2003, 242).

Was die zweitbeklagte Partei betrifft war daher zu Punkt II. des Spruches iSd Antrags der Klägerin vom 26. 3. 2004 zu entscheiden.

Die dargestellten Voraussetzungen für den in der Äußerung der Klägerin vom 30. 12. 2003 hinsichtlich der erstbeklagten Partei gestellten Antrag sind jedoch schon deshalb nicht erfüllt, weil im vorliegenden Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (stRsp; SZ 63/56; 9 ObA 219/02z), dass mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. 1. 2004, 19 S 1/04a, über das Vermögen der erstbeklagten Partei (mittlerweile doch) der Konkurs eröffnet wurde. Von der Vermutung ihrer Vermögenslosigkeit aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrages auf Konkurseröffnung (vgl 8 Ob 197/02g) mit dem früheren Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck kann somit nicht (mehr) ausgegangen werden.

Gemäß § 7 Abs 1 KO werden alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Gemeinschuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 bezeichneten Streitigkeiten - eine solche liegt hier nicht vor - durch die Konkurseröffnung unterbrochen. Die Unterbrechung tritt ex lege auch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens ein (vgl RIS-Justiz RS0002386 [T4]; RS0036996 [T2]; 4 Ob 114/03y mwN). Gerichtshandlungen, die nicht bloß dem durch die Unterbrechung des Verfahrens geschaffenen Zustand Rechnung tragen, sind während des Stillstandes des Verfahrens nach Eintritt der Unterbrechung grundsätzlich unzulässig (RIS-Justiz RS0036996). Die Ausnahmebestimmung des § 163 Abs 3 ZPO, wonach durch die nach Schluss einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung die Verkündung der aufgrund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert wird, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht im Wege einer ausdehnenden Auslegung auch auf Entscheidungen über vor der Konkurseröffnung eingebrachte Rechtsmittel, über die in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden ist, anzuwenden (9 ObA 171/90 mwN; RIS-Justiz RS0037021 [T1]). Diese sind zwar nicht zurückzuweisen, eine Entscheidung darüber ist aber unzulässig (3 Ob 349/99s; RIS-Justiz RS0036996 [T3]; zuletzt: 4 Ob 114/03y). Wird nach Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof über das Vermögen einer Partei der Konkurs eröffnet und betrifft der Rechtsstreit ein zur Konkursmasse gehörendes Vermögen, dann ist während der gemäß § 7 Abs 1 KO ex lege eintretenden Unterbrechung über das Rechtsmittel nicht zu entscheiden; die Akten sind vielmehr vorerst unerledigt dem Erstgericht zurückzustellen (RIS-Justiz RS0036996 [T3]; RS0036752; 8 ObA 59/02p mwN; zuletzt: 6 Ob 155/03t).

Der in der "Außerung" vom 30. 12. 2003 gestellte Antrag der Klägerin auf Klagszurückweisung und Nichtigerklärung des Verfahrens gegen die Erstbeklagte ist daher abzuweisen.

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