AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W269.2210419.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Elisabeth MAYER-VIDOVIC als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2021 zu Recht:
A)I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 01.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er an, dass er während seiner Tätigkeit als Soldat bei der Nationalarmee mehrmals von den Taliban telefonisch bedroht worden sei. Eines Abends seien die Taliban zu ihm nach Hause gekommen und hätten den Beschwerdeführer verschleppt und misshandelt. Nach gelungener Flucht habe ihm die Polizei geraten, er solle mehrere Leute aus seinem Heimatdorf versammeln und eine Ortspolizei bilden, was der Beschwerdeführer auch getan habe. Als die Taliban die Ortspolizeidienststelle angegriffen hätten, sei die Polizei, die bereits vorab informiert worden sei, eingeschritten. Bei diesem Gefecht seien zwei Taliban getötet und vier weitere verletzt worden. Nach diesem Vorfall habe der Beschwerdeführer erneut Drohanrufe der Taliban erhalten, die ihm mitgeteilt hätten, dass sie ihn umbringen würden, gleichgültig wo in Afghanistan er sich aufhalte. Auch auf der Flucht nach Europa sei der Beschwerdeführer von den Taliban verfolgt worden; in Serbien habe er einen Taliban wiedererkannt.
3. Am 20.06.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Befragt nach seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass er als Soldat für die Nationalarmee und später als Ortspolizist tätig gewesen sei. Als er noch Soldat gewesen sei, sei er eines Abends von zu Hause von den Taliban entführt, neun Tage lang festgehalten und gefoltert worden, bis ihm schließlich die Flucht gelungen sei. Während der Zeit seiner Tätigkeit als Ortspolizist sei der Beschwerdeführer mehrmals telefonisch von den Taliban bedroht worden. Ein Freund habe dem Beschwerdeführer helfen wollen und habe ein Gespräch mit einem Taliban organisiert. Bei diesem Gespräch sei dem Beschwerdeführer von dem Taliban aufgetragen worden, das Trinkwasser in der Polizeistation zu vergiften. Der Beschwerdeführer habe sich zum Schein dazu bereit erklärt; in Wahrheit habe er jedoch einen Freund kontaktiert, der für das nationale Sicherheitsdepartment gearbeitet habe, und diesem von dem Vorhaben der Taliban berichtet. Daraufhin seien sowohl von der Nationalpolizei als auch vom nationalen Sicherheitsdepartment Einsatzkräfte zur lokalen Polizeistation geschickt worden, wo es zu einem Gefecht mit den Taliban gekommen sei. Dabei seien gegen den Willen des Beschwerdeführers zwei Taliban getötet und vier weitere verletzt worden. Nach diesem Gefecht sei der Beschwerdeführer weiterhin von den Taliban bedroht worden. Er habe sich schließlich dazu entschlossen, Afghanistan zu verlassen.
4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 05.11.2018 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine Bedrohung oder Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht habe. Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass sich aus den individuellen Verhältnissen des Beschwerdeführers keine Gefährdung iSd § 8 AsylG 2005 ableiten habe lassen. Es seien keine Anhaltspunkte zu Tage getreten, die darauf hindeuten würden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in eine ausweglose und existenzbedrohende Lage geraten würde. Schließlich wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass die öffentlichen Interessen an der Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gegenüber seinen privaten Interessen am Verbleib in Österreich überwiegen würden und ein Eingriff in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte daher als gerechtfertigt anzusehen sei.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht Beschwerde, die am 22.11.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte.
In der Beschwerde wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach wie vor wegen seiner beruflichen Tätigkeit als Soldat und Polizist von den Taliban verfolgt werden würde. Dem Beschwerdeführer stehe schließlich keine innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan zur Verfügung.
6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und langten am 29.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 17.07.2020 wurde die Rechtssache der bisher zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und am 27.07.2020 der Gerichtsabteilung W269 neu zugewiesen.
8. Am 09.06.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der er darlegte, dass aufgrund der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers bei den afghanischen Sicherheitskräften und bei der lokalen Sicherheitspolizei sowie aufgrund seines Verrats an den Taliban mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban verfolgt und getötet werden würde. Weiters wurde auf die schlechte Sicherheitslage und die sozioökonomischen Auswirkungen der Covid 19- Pandemie hingewiesen.
9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.06.2021 im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich befragt wurde.
Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil; die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.
Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Fassung vom 01.04.2021, die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, die EASO Country Guidance Note Afghanistan vom Juni 2018, Juni 2019 und Jänner 2021 sowie Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Behandlung und Medikation bei Anpassungsstörungen mit depressiver Symptomatik in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat vom 04.05.2021 wurden in das gegenständliche Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurden das Zustandekommen und die Bedeutung dieser Berichte erklärt.
10. Am 23.06.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der unter Bezugnahme auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan die akuten Verschlechterungen der Sicherheitslage hervorgehoben wurden. Zudem wurde ein Schreiben einer Vertrauensperson des Beschwerdeführers sowie Fotos von Narben des Beschwerdeführers, die zum Beweis für erlittene Folterungen durch die Taliban im Zuge der mündlichen Verhandlung angefertigt wurden, beigelegt.
11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.2021 wurde dem Beschwerdeführer die Kurzinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan mit Stand 20.08.2021 sowie die UNHCR-Position zur Rückkehr nach Afghanistan vom August 2021 zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Mit Stellungnahme vom 17.09.2021 legte der Beschwerdeführer unter anderem dar, dass die Taliban seit ihrem Erstarken nunmehr gezielt nach Personen auf ihrer „schwarzen Liste“ suchen würden. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei für den Beschwerdeführer nicht gegeben.
12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.09.2021 wurde dem Beschwerdeführer die mittlerweile aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Afghanistan mit Stand vom 16.09.2021 übermittelt und ihm die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Mit Stellungnahme vom 01.10.2021 wies der Beschwerdeführer erneut auf seine bereits in den vorangegangenen Stellungnahmen getätigten Ausführungen hin.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er wurde am XXXX in Afghanistan, in der Provinz Laghman, im Dorf XXXX geboren.
Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu.
Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan keine Schule; er war bis zu seinem Aufenthalt in Österreich Analphabet.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine Ehefrau und seine Kinder leben nach wie vor in Afghanistan im Heimatdorf. Sie sind keinen Bedrohungen seitens der Taliban ausgesetzt.
In Afghanistan leben weiters die Mutter, zwei Brüder und deren Ehefrauen, drei Schwestern des Beschwerdeführers sowie deren Ehemänner und Kinder. Der Ehemann einer der Schwestern des Beschwerdeführers ist der Kommandant des Polizeipostens im Heimatort des Beschwerdeführers. Die Verwandten des Beschwerdeführers sind keinen Bedrohungen seitens der Taliban ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer hat zu seinen in Afghanistan verbliebenen Verwandten Kontakt.
Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan auf legalem Wege mit einem Reisepass und einem Visum für den Iran per Flugzeug.
Der Beschwerdeführer erkrankte an Hepatitis B, die jedoch bereits seit dem Jahr 2018 nicht mehr aktiv ist. Er muss diesbezüglich keine Medikamente mehr einnehmen. Auch hinsichtlich der im Jahr 2018 diagnostizierten Anpassungsstörung und posttraumatischen Belastungsstörung sind derzeit weder eine Behandlung noch die Einnahme von Medikamenten nötig. Der Beschwerdeführer leidet somit an keiner schwerwiegenden Erkrankung.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht die Gefahr, physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Taliban ausgesetzt zu sein.
1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Eine Aufenthaltnahme im Herkunftsstaat würde aktuell für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen der Machtergreifung durch die Taliban mit sich bringen.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.4.1. Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 16.09.2021, und auf der UNHCR-POSITION ZUR RÜCKKEHR NACH AFGHANISTAN August 2021:
Politische Lage - Letzte Änderung: 16.09.2021
Afghanistan war [vor der Machtübernahme der Taliban] ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von 652.860 Quadratkilometern leben ca. 32,9 Millionen bis 39 Millionen Menschen (LIB).
Nachdem der bisherige Präsident Ashraf Ghani am 15.8.2021 aus Afghanistan geflohen war, nahmen die Taliban die Hauptstadt Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein. Ghani gab auf seiner Facebook-Seite eine Erklärung ab, in der er den Sieg der Taliban vor Ort anerkannte. Diese Erklärung wurde weithin als Rücktritt interpretiert, obwohl nicht klar ist, ob die Erklärung die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt des Präsidenten erfüllt. Amrullah Saleh, der erste Vizepräsident Afghanistans unter Ghani, beanspruchte in der Folgezeit das Amt des Übergangspräsidenten für sich. Er ist Teil des Widerstands gegen die Taliban im Panjshir-Tal. Ein so genannter Koordinationsrat unter Beteiligung des früheren Präsidenten Hamid Karzai, Abdullah Abdullah (dem früheren Außenminister und Leiter der Delegation der vorigen Regierung bei den letztendlich erfolglosen Friedensverhandlungen) und Gulbuddin Hekmatyar führte mit den Taliban informelle Gespräche über eine Regierungsbeteiligung, die schließlich nicht zustande kam Denn unabhängig davon, wer nach der afghanischen Verfassung das Präsidentenamt innehat, kontrollieren die Taliban den größten Teil des afghanischen Staatsgebiets. Sie haben das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen und am 7.9.2021 eine neue Regierung angekündigt, die sich größtenteils aus bekannten Taliban-Figuren zusammensetzt (LIB).
Die Taliban lehnen die Demokratie und ihren wichtigsten Bestandteil, die Wahlen, generell ab. Sie tun dies oftmals mit Verweis auf die Mängel des demokratischen Systems und der Wahlen in Afghanistan in den letzten 20 Jahren, wie auch unter dem Aspekt, dass Wahlen und Demokratie in der vormodernen Periode des islamischen Denkens, der Periode, die sie als am authentischsten „islamisch“ ansehen, keine Vorläufer haben. Sie halten einige Methoden zur Auswahl von Herrschern in der vormodernen muslimischen Welt für authentisch islamisch - zum Beispiel die Shura Ahl al-Hall wa’l-Aqd, den Rat derjenigen, die qualifiziert sind, einen Kalifen im Namen der muslimischen Gemeinschaft zu wählen oder abzusetzen. Ende August 2021 kündigten die Taliban an, eine Verfassung auszuarbeiten, jedoch haben sie sich zu den Einzelheiten des Staates, den ihre Führung in Afghanistan errichten möchte, bislang bedeckt gehalten (LIB).
Im September 2021 kündigten sie die Bildung einer „Übergangsregierung“ an. Entgegen früherer Aussagen handelt es sich dabei nicht um eine „inklusive“ Regierung unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure, sondern um eine reine Talibanregierung. Darin vertreten sind Mitglieder der alten Talibanelite, die schon in den 1990er Jahren zentrale Rollen besetzte, ergänzt mit Taliban-Führern, die im ersten Emirat noch zu jung waren, um zu regieren. Die allermeisten sind Paschtunen. Angeführt wird die neue Regierung von Mohammad Hassan Akhund. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Taliban-Führungszirkels, der sogenannten Rahbari-Shura, besser bekannt als QuettaShura. Einer seiner Stellvertreter ist Abdul Ghani Baradar, der bisher das politische Büro der Taliban in Doha geleitet hat und so etwas wie das öffentliche Gesicht der Taliban war, ein weiterer Stellvertreter ist Abdul Salam Hanafi, der ebenfalls im politischen Büro in Doha tätig war. Mohammad Yakub, Sohn des Taliban-Gründers Mullah Omar und einer der Stellvertreter des Taliban-Führers Haibatullah Akhundzada, ist neuer Verteidigungsminister. Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerks, wurde zum Innenminister ernannt. Das Haqqani-Netzwerk wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. Der neue Innenminister steht auf der Fahndungsliste des FBI und auch der Vorsitzende der Minister, Akhund, befindet sich auf einer Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates (LIB).
Ein Frauenministerium findet sich nicht unter den bislang angekündigten Ministerien, auch wurden keine Frauen zu Ministerinnen ernannt [Anm.: Stand 7.9.2021]. Dafür wurde ein Ministerium für „Einladung, Führung, Laster und Tugend“ eingeführt, das die Afghanen vom Namen her an das Ministerium „für die Förderung der Tugend und die Verhütung des Lasters“ erinnern dürfte. Diese Behörde hatte während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 Menschen zum Gebet gezwungen oder Männer dafür bestraft, wenn sie keinen Bart trugen. Die höchste Instanz der Taliban in religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten, der „Amir al Muminin“ oder „Emir der Gläubigen“ Mullah Haibatullah Akhundzada wird sich als „Oberster Führer“ Afghanistans auf religiöse Angelegenheiten und die Regierungsführung im Rahmen des Islam konzentrieren. Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (LIB).
Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten. Es gibt Anzeichen dafür, dass einige Anführer der Gruppe die Grenzen ihrer Fähigkeit erkennen, den Regierungsapparat in technisch anspruchsvolleren Bereichen zu bedienen. Zwar haben die Taliban seit ihrem Erstarken in den vergangenen zwei Jahrzehnten in einigen ländlichen Gebieten Afghanistans eine so genannte Schattenregierung ausgeübt, doch war diese rudimentär und von begrenztem Umfang, und in Bereichen wie Gesundheit und Bildung haben sie im Wesentlichen die Dienstleistungen des afghanischen Staates und von Nichtregierungsorganisationen übernommen (LIB).
Bis zum Sturz der alten Regierung wurden ca. 75% bis 80% des afghanischen Staatsbudgets von Hilfsorganisationen bereitgestellt, Finanzierungsquellen, die zumindest für einen längeren Zeitraum ausgesetzt sein werden, während die Geber die Entwicklung beobachten. So haben die EU und mehrere ihrer Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit mit der Einstellung von Hilfszahlungen gedroht, falls die Taliban die Macht übernehmen und ein islamisches Emirat ausrufen sollten, oder Menschen- und Frauenrechte verletzen sollten. Die USA haben rund 9,5 Milliarden US-Dollar an Reserven der afghanischen Zentralbank sofort [nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul] eingefroren, Zahlungen des IWF und der EU wurden ausgesetzt. Die Taliban verfügen weiterhin über die Einnahmequellen, die ihren Aufstand finanzierten, sowie über den Zugang zu den Zolleinnahmen, auf die sich die frühere Regierung für den Teil ihres Haushalts, den sie im Inland aufbrachte, stark verließ. Ob neue Geber einspringen werden, um einen Teil des Defizits auszugleichen, ist noch nicht klar (LIB).
Die USA zeigten sich angesichts der Regierungsbeteiligung von Personen, die mit Angriffen auf US-Streitkräfte in Verbindung gebracht werden, besorgt und die EU erklärte, die islamistische Gruppe habe ihr Versprechen gebrochen, die Regierung „integrativ und repräsentativ“ zu machen. Deutschland und die USA haben eine baldige Anerkennung der von den militant-islamistischen Taliban verkündeten Übergangsregierung Anfang September 2021 ausgeschlossen. China und Russland haben ihre Botschaften auch nach dem Machtwechsel offengehalten (LIB).
Vertreter der National Resistance Front (NRF) haben die internationale Gemeinschaft darum gebeten, die Taliban-Regierung nicht anzuerkennen. Ahmad Massoud, einer der Anführer der NRF, kündigte an, nach Absprachen mit anderen Politikern eine Parallelregierung zu der von ihm als illegitim bezeichneten Talibanregierung bilden zu wollen (LIB).
Friedensverhandlungen und Abzug der internationalen Truppen - Letzte Änderung: 16.09.2021
Friedensverhandlungen
2020 fanden die ersten ernsthaften Verhandlungen zwischen allen Parteien des Afghanistan Konflikts zur Beendigung des Krieges statt. Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet - die damalige afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthielt das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nicht-amerikanischen NATO-Truppen sollten abgezogen werden. Dafür hatten die Taliban beispielsweise zugesichert, zu verhindern, dass „irgendeiner ihrer Mitglieder, andere Individuen oder Gruppierungen, einschließlich Al-Qaida, den Boden Afghanistans nutzt, um die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu bedrohen“ (LIB).
Die Verhandlungen mit den USA lösten bei den Taliban ein Gefühl des Triumphs aus. Indem sie mit den Taliban verhandelten, haben die USA sie offiziell als politische Gruppe und nicht mehr als Terroristen anerkannt [Anm.: das mit den Taliban verbundene Haqqani-Netzwerk wird von den USA mit Stand 7.9.2021 weiterhin als Terrororganisation eingestuft]. Gleichzeitig unterminierten die Verhandlungen aber auch die damalige afghanische Regierung, die von den Gesprächen zwischen den Taliban und den USA ausgeschlossen wurde (LIB).
Im September 2020 starteten die Friedensgespräche zwischen der damaligen afghanischen Regierung und den Taliban in Katar. Der Regierungsdelegation gehörten nur wenige Frauen an, aufseiten der Taliban war keine einzige Frau an den Gesprächen beteiligt. Auch Opfer des bewaffneten Konflikts waren nicht vertreten, obwohl Menschenrechtsgruppen dies gefordert hatten (LIB).
Die Gewalt ließ jedoch nicht nach, selbst als afghanische Unterhändler zum ersten Mal in direkte Gespräche verwickelt wurden. Insbesondere im Süden, herrscht trotz des Beginns der Friedensverhandlungen weiterhin ein hohes Maß an Gewalt, was weiterhin zu einer hohen Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung führt (LIB).
Mitte Juli 2021 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen der ehemaligen afghanischen Regierung und den Vertretern der Taliban in Katar. In einer Erklärung, die nach zweitägigen Gesprächen veröffentlicht wurde, erklärten beide Seiten, dass sie das Leben der Zivilbevölkerung, die Infrastruktur und die Dienstleistungen schützen wollen. Ein Waffenstillstand wurde allerdings nicht beschlossen (LIB).
Abzug der Internationalen Truppen
Im April 2021 kündigte US-Präsident Joe Biden den Abzug der verbleibenden Truppen - etwa 2.500 - 3.500 US-Soldaten und etwa 7.000 NATO Truppen - bis zum 11.9.2021 an, nach zwei Jahrzehnten US-Militärpräsenz in Afghanistan. Er erklärte weiter, die USA würden weiterhin „terroristische Bedrohungen“ überwachen und bekämpfen sowie „die Regierung Afghanistans“ und „die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte weiterhin unterstützen“, allerdings ist nicht klar, wie die USA auf wahrgenommene Bedrohungen zu reagieren gedenken, sobald ihre Truppen abziehen. Die Taliban zeigten sich von der Ankündigung eines vollständigen und bedingungslosen Abzugs nicht besänftigt, sondern äußerten sich empört über die Verzögerung, da im Doha-Abkommen der 30.4.2021 als Datum für den Abzug der internationalen Truppen festgelegt worden war. In einer am 15.4.2021 veröffentlichten Erklärung wurden Drohungen angedeutet: Der „Bruch“ des Doha-Abkommens „öffnet den Mudschaheddin des Islamischen Emirats den Weg, jede notwendige Gegenmaßnahme zu ergreifen, daher wird die amerikanische Seite für alle zukünftigen Konsequenzen verantwortlich gemacht werden, und nicht das Islamische Emirat“. Am 31.8.2021 zog schließlich der letzte US-amerikanische Soldat aus Afghanistan ab. Schon zuvor verließ der bis dahin amtierende afghanische Präsident Ashraf Ghani das Land und die Taliban übernahmen die Hauptstadt Kabul am 15.8.2021 kampflos (LIB).
US-amerikanische, britische und deutsche Beamte sowie internationale NGOs wie Human Rights Watch (HRW) äußerten sich besorgt über die Sicherheit von ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte, während die Taliban angaben, nicht gegen (ehemalige) Mitarbeiter der internationalen Truppen vorgehen zu wollen. Die Taliban behaupteten in der Erklärung, dass Afghanen, die für die ausländischen „Besatzungstruppen“ gearbeitet hätten, „irregeführt“ worden seien und „Reue“ für ihre vergangenen Handlungen zeigen sollten, da diese einem „Verrat“ am Islam und an Afghanistan gleichkämen (LIB).
Sicherheitslage Letzte Änderung: 16.09.2021
Jüngste Entwicklungen - Machtübernahme der Taliban
Mit April bzw. Mai 2021 nahmen die Kampfhandlungen zwischen Taliban und Regierungstruppen stark zu, aber auch schon zuvor galt die Sicherheitslage in Afghanistan als volatil. Laut Berichten war der Juni 2021 der bis dahin tödlichste Monat mit den meisten militärischen und zivilen Opfern seit 20 Jahren in. Gemäß einer Quelle veränderte sich die Lage seit der Einnahme der ersten Provinzhauptstadt durch die Taliban - Zaranj in Nimruz - am 6.8.2021 in „halsbrecherischer Geschwindigkeit“, innerhalb von zehn Tagen eroberten sie 33 der 34 afghanischen Provinzhauptstädte. Auch eroberten die Taliban mehrere Grenzübergänge und Kontrollpunkte, was der finanziell eingeschränkten Regierung dringend benötigte Zolleinnahmen entzog. Am 15.8.2021 floh Präsident Ashraf Ghani ins Ausland und die Taliban zogen kampflos in Kabul ein. Zuvor waren schon Jalalabad im Osten an der Grenze zu Pakistan gefallen, ebenso wie die nordafghanische Metropole Mazar-e Scharif. Ein Bericht führt den Vormarsch der Taliban in erster Linie auf die Schwächung der Moral und des Zusammenhalts der Sicherheitskräfte und der politischen Führung der Regierung zurück. Die Kapitulation so vieler Distrikte und städtischer Zentren ist nicht unbedingt ein Zeichen für die Unterstützung der Taliban durch die Bevölkerung, sondern unterstreicht vielmehr die tiefe Entfremdung vieler lokaler Gemeinschaften von einer stark zentralisierten Regierung, die häufig von den Prioritäten ihrer ausländischen Geber beeinflusst wird, auch wurde die weit verbreitete Korruption, beispielsweise unter den Sicherheitskräften, als ein Problem genannt (LIB).
Im Panjshir-Tal, rund 55 km von Kabul entfernt, formierte sich nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul Mitte August 2021 Widerstand in Form der National Resistance Front (NRF), welche von Amrullah Saleh, dem ehemaligen Vizepräsidenten Afghanistans und Chef des National Directorate of Security [Anm.: NDS, afghan. Geheimdienst], sowie Ahmad Massoud, dem Sohn des verstorbenen Anführers der Nordallianz gegen die Taliban in den 1990ern, angeführt wird. Ihr schlossen sich Mitglieder der inzwischen aufgelösten Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) an, um im Panjshir-Tal und umliegenden Distrikten in Parwan und Baghlan Widerstand gegen die Taliban zu leisten. Sowohl die Taliban, als auch die NRF betonten zu Beginn, ihre Differenzen mittels Dialog überwinden zu wollen. Nachdem die US-Streitkräfte ihren Truppenabzug aus Afghanistan am 30.8.2021 abgeschlossen hatten, griffen die Taliban das Pansjhir-Tal jedoch an. Es kam zu schweren Kämpfen und nach sieben Tagen nahmen die Taliban das Tal nach eigenen Angaben ein, während die NRF am 6.9.2021 bestritt, dass dies geschehen sei. Mit Stand 6.9.2021 war der Aufenthaltsort von Saleh und Massoud unklar, jedoch verkündete Massoud, in Sicherheit zu sein sowie nach Absprachen mit anderen Politikern eine Parallelregierung zu der von ihm als illegitim bezeichneten Talibanregierung bilden zu wollen (LIB).
Weitere Kampfhandlungen gab es im August 2021 beispielsweise im Distrikt Behsud in der Provinz Maidan Wardak und in Khedir in Daikundi, wo es zu Scharmützeln kam, als die Taliban versuchten, lokale oder ehemalige Regierungskräfte zu entwaffnen. Seit der Beendigung der Kämpfe zwischen den Taliban und den afghanischen Streitkräften ist die Zahl der zivilen Opfer deutlich zurückgegangen (LIB).
Erreichbarkeit - Letzte Änderung: 16.09.2021
Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen. Seit dem Fall der ersten Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der „Ring Road“, welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet. Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk werden systematisch geplant und umgesetzt. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung und Instandhaltung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, des Lapis Lazuli Korridors etc.), aber auch Investitionen aus dem Ausland zur Verbesserung und zum Ausbau des Straßennetzes und der Verkehrswege (LIB).
Internationale Flughäfen in Afghanistan
In Afghanistan gab es [vor der Machtübernahme der Taliban] insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt. Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnete die afghanische Luftfahrtindustrie einen zahlenmäßigen Anstieg ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, wurden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (LIB).
Internationaler Flughafen Hamid Karzai [Internationaler Flughafen Kabul]
Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in „Internationaler Flughafen Hamid Karzai“ umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (LIB).
Die Taliban haben Katar um technische Hilfe bei der Wiederaufnahme des Flughafenbetriebs auf dem Hamid-Karzai-Flughafen gebeten, der bei der überstürzten Evakuierung von mehr als 120.000 Menschen nach dem Abzug der amerikanischen Truppen am 30. August schwer beschädigt worden war. Vertreter aus Katar erklärten Anfang September, der Flughafen von Kabul sei zu 90 % wieder betriebsbereit (LIB).
Nationale (Kam Air, Ariana Afghan Airlines) und internationale Fluggesellschaften (z.B. Air India, Air Arabia, Fly Dubai…) boten [vor der Machtübernahme der Taliban] internationale Flüge von der Türkei, China, Indien, Aserbaidschan, Usbekistan, Pakistan, Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Kabul an. Innerstaatlich gingen Flüge von und nach Kabul (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kandahar, Bost (Helmand, nahe Lashkargah), Tarinkot, Faizabad, Zaranj, Kunduz, Farah, Herat und Mazar-e Sharif (LIB).
Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet. Nationale Airlines (Kam Air, Ariana Air) boten [vor der Machtübernahme der Taliban] internationale Flüge von Indien und der Türkei nach Mazar-e Sharif an. Innerstaatlich gingen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zum Flughafen von Kabul (LIB).
Internationaler Flughafen Herat
Der Flughafen Herat befindet sich etwa 10 km südlich von Herat-Stadt entfernt. Vor der Machtübernahme der Taliban wurden auf dem Flughafen jährlich etwa 350.000 Passagiere abgefertigt und die Verwaltung des Flughafens sowie die Instandhaltung des Flugplatzes wurden [vor ihrem Abzug] von den NATO-Streitkräften unter italienischem Kommando durchgeführt. Nationale Airlines (Kam Air und Ariana Afghan Airlines) flogen Herat international aus Saudi-Arabien an. Innerstaatlich gingen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zum Flughafen von Kabul (LIB).
Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021
Nachdem die Taliban die Kontrolle über Afghanistan übernommen haben, sind Tausende von Menschen über die Grenze von Chaman ins benachbarte Pakistan oder über den Grenzübergang Islam Kala in den Iran geflohen. Der Grenzübergang Torkham - neben Chaman der wichtigste Grenzübergang zwischen Afghanistan und Pakistan - war zeitweilig geschlossen, wurde Mitte September 2021 nach Angaben eines pakistanischen Behördenvertreters für Fußgänger jedoch wieder geöffnet. Ein ehemaliger US-Militärvertreter erklärte Anfang September 2021, Überlandverbindungen seien riskant, aber zurzeit die einzige Möglichkeit zur Flucht. Laut US-Militärkreisen haben die Taliban weitere Kontrollpunkte auf den Hauptstraßen nach Usbekistan und Tadschikistan errichtet. Die Islamisten verbieten zudem Frauen, ohne männliche Begleitung zu reisen (LIB)
Zentrale Akteure - Letzte Änderung: 16.09.2021
In Afghanistan sind unterschiedliche Gruppierungen aktiv, welche der [bis August 2021 im Amt befindlichen] Regierung feindlich gegenüber standen - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan war eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP), Al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan und Eastern Turkistan Movement (LIB).
Die Geschichte Afghanistans ist seit langem von der Interaktion lokaler Kräfte mit dem Staat geprägt - von der Kooptation von Stammeskräften durch dynastische Herrscher über die Entstehung von Partisanen- und Mudschaheddin-Kräften nach der sowjetischen Invasion bis hin zu den anarchischen Milizkämpfen, die in den 1990er Jahren an die Stelle der Politik traten. Das Erbe der letzten Jahrzehnte der Mobilisierung und Militarisierung, der wechselnden Loyalitäten und der Umbenennung (sog. „re-hatting“: wenn eine bewaffnete Gruppe einen neuen Schirmherrn oder ein neues Etikett erhält, aber ihre Identität und Kohärenz beibehält) ist auch heute noch einer der stärksten Faktoren, die die afghanischen Kräfte und die damit verbundene politische Dynamik prägen. Die unmittelbar nach 2001 durchgeführten Reformen des Sicherheitssektors und die Demobilisierungswellen haben diese nie wirklich aufgelöst. Stattdessen wurden sie zu neuen Wegen, um die Parteinetzwerke und Klientelpolitik zu rehabilitieren oder zu legitimieren, oder in einigen Fällen neue sicherheitspolitische Akteure und Machthaber zu schaffen. Angesichts des Truppenabzugs der US-Streitkräfte haben verschiedene Machthaber Afghanistans, wie zum Beispiel Mohammad Ismail Khan (von der Partei Jamiat-e Islami), Abdul Rashid Dostum (Jombesh-e Melli Islami), Mohammad Atta Noor (Vorsitzender einer Jamiat-Fraktion), Mohammad Mohaqeq (Hezb-e Wahdat-e Mardom) und Gulbuddin Hekmatyar (Hezb-e Islami), im Sommer 2021 zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder öffentlich über die Mobilisierung bewaffneter Männer außerhalb der afghanischen Armee- und Regierungsstrukturen gesprochen. Während die Präsenz von Milizen für viele Afghanen seit Jahren eine lokale Tatsache ist, wurde [in der Ära der afghanischen Regierungen 2001 -15.8.2021] doch noch nie so deutlich öffentlich die Notwendigkeit einer Mobilisierung gesprochen oder der Wunsch, autonome Einflusssphären zu schaffen, geäußert (LIB).
Taliban - Letzte Änderung: 14.09.2021
Die Taliban sind seit Jahrzehnten in Afghanistan aktiv. Die Taliban-Führung regierte Afghanistan zwischen 1996 und 2001, als sie von US-amerikanischen/internationalen Streitkräften entmachtet wurde. Nach ihrer Entmachtung hat sie weiterhin einen Aufstand geführt. 2018 begannen die USA Verhandlungen mit einer Taliban-Delegation in Doha, im Februar 2020 wurde der Vertrag, in welchem sich die US-amerikanische Regierung zum Truppenabzug verpflichtete, unterschrieben, wobei die US-Truppen bis Ende August 2021 aus Afghanistan abzogen. Nachdem der bisherige Präsident Ashraf Ghani am 15.8.2021 aus Afghanistan geflohen war, nahmen die Taliban die Hauptstadt Kabul als die letzte aller großen afghanischen Städte ein. Die Taliban-Führung kehrte daraufhin aus Doha zurück, wo sie erstmals 2013 ein politisches Büro eröffnet hatte. Im September 2021 kündigten sie die Bildung einer „Übergangsregierung“ an. Entgegen früherer Aussagen handelt es sich dabei nicht um eine „inklusive“ Regierung unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure, sondern um eine reine Talibanregierung (LIB).
Seit 2001 hat die Gruppe einige Schlüsselprinzipien beibehalten, darunter eine strenge Auslegung der Scharia in den von ihr kontrollierten Gebieten. Die Taliban sind eine religiös motivierte, religiös konservative Bewegung, die das, was sie als ihre zentralen „Werte“ betrachten, nicht aufgeben wird. Wie sich diese Werte in einer künftigen Verfassung widerspiegeln und in der konkreten Politik zum Tragen kommen, hängt von den täglichen politischen Verhandlungen zwischen den verschiedenen politischen Kräften und dem Kräfteverhältnis zwischen ihnen ab. Aufgrund der schnellen und umfangreichen militärischen Siege der Taliban im Sommer 2021 hat die Gruppierung nun jedoch wenig Grund, die Macht mit anderen Akteuren zu teilen (LIB).
Struktur und Führung der Taliban - Letzte Änderung: 16.09.2021
Die Taliban bezeichneten sich [vor ihrer Machtübernahme] selbst als das Islamische Emirat Afghanistan. Sie positionierten sich als Schattenregierung Afghanistans. Ihre Kommissionen und Führungsgremien entsprachen den Verwaltungsämtern und -pflichten einer typischen Regierung, die in weiten Teilen Afghanistans eine Parallelverwaltung betrieb. Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando der Taliban sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert, welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (LIB).
Die wichtigsten Entscheidungen werden von einem Führungsrat getroffen, der nach seinem langjährigen Versteck auch als Quetta-Schura bezeichnet wird. Dem Rat gehören neben dem Taliban-Chef und dessen Stellvertretern rund zwei Dutzend weitere Personen an. Die Mitglieder der Quetta-Schura sind vor allem Vertreter des Talibanregimes von 1996-2001. Neben der Quetta-Schura, welche [vor der Machtübernahme der Taliban in Kabul] die Talibanangelegenheiten in elf Provinzen im Süden, Südwesten und Westen Afghanistans regelte, gibt es beispielsweise auch die Peshawar-Schura, welche diese Aufgabe in 19 weiteren Provinzen übernommen hat, sowie auch die Miran Shah-Schura. Das Haqqani-Netzwerk mit seinen Kommandanten in Ostafghanistan und Pakistan hat enge Verbindungen zu den beiden letztgenannten Schuras (LIB).
Die Quetta-Schura übt eine gewisse Kontrolle über die rund ein Dutzend verschiedenen Kommissionen aus, welche als „Ministerien“ fungierten. Die Taliban unterhielten [vor ihrer Machtübernahme in Kabul] beispielsweise eine Kommission für politische Angelegenheiten mit Sitz in Doha, welche im Februar 2020 die Friedensverhandlungen mit den USA abschloss. Nach Angaben des Talibansprechers Zabihullah Mujahid hat diese Kommission keine direkte Kontrolle über die Talibankämpfer in Afghanistan. Die militärischen Kommandostrukturen bis hinunter zur Provinz- und Distriktebene unterstehen nämlich der Kommission für militärische Angelegenheiten (LIB).
Die höchste Instanz in religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten ist Mullah Haibatullah Akhundzada. Er ist seit 2016 der „Amir al Muminin“ oder „Emir der Gläubigen“, ein Titel, der ihm von Aiman Al-Zawahiri, dem Anführer von Al-Qaida, verliehen wurde. Er hat drei Stellvertreter: 1.) der Stellvertreter für Politisches ist Mullah Abdul Ghani Baradar, der Leiter der Kommission für politische Angelegenheiten und Vorsitzender des Verhandlungsteams der Taliban in Doha; 2.) der Stellvertreter für die südlichen Provinzen und Leiter der militärischen Operationen bzw. der einflussreichen Kommission für militärische Angelegenheiten ist Mullah Mohammad Yaqoob; 3.) der Stellvertreter für die östlichen Provinzen ist Sirajuddin Haqqani, der auch der Anführer des Haqqani-Netzwerks und der Miran Shah-Schura ist. Im September 2021 wurde angekündigt, dass Baradar in der „Übergangsregierung“ die Position des stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats einnehmen wird, Yaqoob soll Verteidigungsminister werden, Sirajuddin Haqqani Innenminister. Haibatullah Akhunzada wird sich als „Oberster Führer“ auf religiöse Angelegenheiten und die Regierungsführung im Rahmen des Islam konzentrieren (LIB).
Die Taliban treten nach außen hin geeint auf, trotz Berichten über interne Spannungen oder Spaltungen. Im Juni 2021 berichtete der UN-Sicherheitsrat, dass die unabhängigen Operationen und die Macht von Taliban-Kommandanten vor Ort für den Führungsrat der Taliban (die Quetta-Schura) zunehmend Anlass zur Sorge sind. Spannungen zwischen der politischen Führung und einigen militärischen Befehlshabern sind Ausdruck anhaltender interner Rivalitäten, Stammesfehden und Meinungsverschiedenheiten über die Verteilung der Einnahmen der Taliban. Zuletzt wurde auch über interne Meinungsverschiedenheiten bei der Regierungsbildung berichtet, was vom offiziellen Sprecher der Taliban jedoch dementiert wurde (LIB).
Die Taliban sind somit keine monolithische Organisation. Gemäß einem Experten für die Organisationsstruktur der Taliban unterstehen nur rund 40 - 45 Prozent der Truppen der Talibanführung. Rund 35 Prozent werden von Sirajuddin Haqqani, dem Kopf des Haqqani-Netzwerks und Stellvertreter von Mullah Akhundzada angeführt, weitere ca. 25 Prozent von Taliban aus dem Norden des Landes (Tadschiken und Usbeken). Was militärische Operationen betrifft, so handelt es sich um einen vernetzten Aufstand mit einer starken Führung an der Spitze und dezentralisierten lokalen Befehlshabern, die Ressourcen auf Distriktebene mobilisieren können (LIB).
Verfolgungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten - Letzte Änderung: 16.09.2021
Nach der Machtübernahme der Taliban wurde berichtet, dass die Taliban auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer „schwarzen Liste“ der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände. Gemäß einem früheren Mitglied der afghanischen Verteidigungskräfte ist bei der Vorgehensweise der Taliban nun neu, dass sie mit einer Namensliste von Haus zu Haus gehen und Personen auf ihrer Liste suchen (LIB).
Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Gegenwärtig nutzt die Gruppierung soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren. Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn derzeit intensiv, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben. Auch wurde berichtet, dass die Taliban bei Kontrollpunkten Telefone durchsuchen, um Personen mit Verbindungen zu westlichen Regierungen oder Organisationen bzw. zu den [ehemaligen] afghanischen Streitkräften (ANDSF) zu finden. Viele afghanische Bürgerinnen und Bürger, die für die internationalen Streitkräfte, internationale Organisationen und für Medien gearbeitet haben, oder sich in den sozialen Medien kritisch gegenüber den Taliban äußerten, haben aus Angst vor einer Verfolgung durch die Taliban ihre Profile in den sozialen Medien daher gelöscht (LIB).
Unter anderem werten die Taliban auch aktuell im Internet verfügbare Videos und Fotos aus. Sie verfügen über Spezialkräfte, die in Sachen Informationstechnik und Bildforensik gut ausgebildet und ausgerüstet sind. Ihre Bildforensiker arbeiten gemäß einem Bericht vom August 2021 auf dem neuesten Stand der Technik der Bilderkennung und nutzen beispielsweise Gesichtserkennungssoftware. Im Rahmen der Berichterstattung über auf der Flucht befindliche Ortskräfte wurden von Medien unverpixelte Fotos veröffentlicht, welche für Personen, welche sich nun vor den Taliban verstecken, gefährlich werden können (LIB).
Im Zuge ihrer Offensive haben die Taliban Geräte zum Auslesen von biometrischen Daten erbeutet, welche ihnen die Identifikation von Hilfskräften der internationalen Truppen erleichtern könnte [Anm.: sog. HIIDE („Handheld Interagency Identity Detection Equipment“)-Geräte]. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht genau bekannt, zu welchen Datenbanken die Taliban Zugriff haben. Laut Experten bieten die von den Taliban erlangten US-Gerätschaften nur begrenzten Zugang zu biometrischen Daten, die noch immer auf sicheren Servern gespeichert sind. Recherchen zeigten jedoch, dass eine größere Bedrohung von den Datenbanken der afghanischen Regierung selbst ausgeht, die sensible persönliche Informationen enthalten und zur Identifizierung von Millionen von Menschen im ganzen Land verwendet werden könnten. Betroffen sein könnte beispielsweise eine Datenbank, welche zum Zweck der Gehaltszahlung Angaben von Angehörigen der [ehemaligen] afghanischen Armee und Polizei enthält (das sog. Afghan Personnel and Pay System, APPS), aber auch andere Datenbanken mit biometrischen Angaben, welche die afghanische Regierung zur Erfassung ihrer Bürger anlegte, beispielsweise bei der Beantragung von Dokumenten, Bewerbungen für Regierungsposten oder Anmeldungen zur Aufnahmeprüfung für das Hochschulstudium. Eine Datenbank des [ehemaligen] afghanischen Innenministeriums, das Afghan Automatic Biometric Identification System (AABIS), sollte gemäß Plänen bis 2012 bereits 80 % der afghanischen Bevölkerung erfassen, also etwa 25 Millionen Menschen. Es gibt zwar keine öffentlich zugänglichen Informationen darüber, wie viele Datensätze diese Datenbank bis zum heutigen Zeitpunkt enthält, aber eine unbestätigte Angabe beziffert die Zahl auf immerhin 8,1 Millionen Datensätze. Trotz der Vielzahl von Systemen waren die unterschiedlichen Datenbanken allerdings nie vollständig miteinander verbunden (LIB).
Nach der Machtübernahme der Taliban hat Google einem Insider zufolge eine Reihe von E- Mail-Konten der bisherigen Kabuler Regierung vorläufig gesperrt. Etwa zwei Dutzend staatliche Stellen in Afghanistan sollen die Server von Google für E-Mails genutzt haben. Nach Angaben eines Experten wäre dies eine „wahre Fundgrube an Informationen“ für die Taliban, allein eine Mitarbeiterliste auf einem Google Sheet sei mit Blick auf Berichte über Repressalien gegen bisherige Regierungsmitarbeiter ein großes Problem. Mehrere afghanische Regierungsstellen nutzten auch E-Mail-Dienste von Microsoft, etwa das Außenministerium und das Präsidialamt. Unklar ist, ob das Softwareunternehmen Maßnahmen ergreift, um zu verhindern, dass Daten in die Hände der Taliban fallen. Ein Experte sagte, er halte die von den USA aufgebaute IT-Infrastruktur für einen bedeutenden Faktor für die Taliban. Dort gespeicherte Informationen seien „wahrscheinlich viel wertvoller für eine neue Regierung als alte Hubschrauber“ (LIB).
Da die Taliban Kabul so schnell einnahmen, hatten viele Büros zudem keine Zeit, Beweise zu vernichten, die sie in den Augen der Taliban belasten. Berichten zufolge wurden von der britischen Botschaft beispielsweise Dokumente zurückgelassen, welche persönliche Daten von afghanischen Ortskräften und Bewerbern enthielten (LIB).
Im Rahmen der Evakuierungsbemühungen von Ausländern und afghanischen Ortskräften nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul gaben US-Beamte den Taliban eine Liste mit den Namen US-amerikanischer Staatsbürger, Inhaber von Green Cards [Anm.: US-amer. Aufenthaltsberechtigungskarten] und afghanischer Verbündeter, um ihnen die Einreise in den von den Taliban kontrollierten Außenbereich des Flughafens von Kabul zu gewähren - eine Entscheidung, die kritisiert wurde. Gemäß einem Vertreter der US-amerikanischen Streitkräfte hätte die US-Regierung die betroffenen Afghanen somit auf eine „Todesliste“ gesetzt, wobei US-Präsident Biden in einer Pressekonferenz darauf angesprochen meinte, dass auf der Liste befindliche Afghanen von den Taliban bei den Kontrollen durchgelassen wurden (LIB).
Verfolgung von Zivilisten und ehemaligen Mitgliedern der Streitkräfte
Bereits vor der Machtübernahme intensivierten die Taliban gezielte Tötungen von wichtigen Regierungsvertretern, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten. Die Taliban kündigten nach ihrer Machtübernahme an, dass sie keine Vergeltung an Anhängern der früheren Regierung oder an Verfechtern verfassungsmäßig garantierter Rechte wie der Gleichberechtigung von Frauen, der Redefreiheit und der Achtung der Menschenrechte üben werden. Es gibt jedoch glaubwürdige Berichte über schwerwiegende Übergriffe von Taliban-Kämpfern, die von der Durchsetzung strenger sozialer Einschränkungen bis hin zu Verhaftungen, Hinrichtungen im Schnellverfahren und Entführungen junger, unverheirateter Frauen reichen. Einige dieser Taten scheinen auf lokale Streitigkeiten zurückzuführen oder durch Rache motiviert zu sein; andere scheinen je nach den lokalen Befehlshabern und ihren Beziehungen zu den Führern der Gemeinschaft zu variieren. Es ist nicht klar, ob die Taliban-Führung ihre eigenen Mitglieder für Verbrechen und Übergriffe zur Rechenschaft ziehen wird. Auch wird berichtet, dass es eine neue Strategie der Taliban sei, die Beteiligung an gezielten Tötungen zu leugnen, während sie ihren Kämpfern im Geheimen derartige Tötungen befehlen. Einem Bericht zufolge kann derzeit jeder, der eine Waffe und traditionelle Kleidung trägt, behaupten, ein Talib zu sein, und Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchführen. Die Taliban-Kämpfer auf der Straße kontrollieren die Bevölkerung nach eigenen Regeln und entscheiden selbst, was unangemessenes Verhalten, Frisur oder Kleidung ist. Frühere Angehörige der Sicherheitskräfte berichten, dass sie sich weniger vor der Taliban-Führung als vor den einfachen Kämpfern fürchten würden (LIB).
Es wurde von Hinrichtungen von Zivilisten und Zivilistinnen sowie ehemaligen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Personen, die vor kurzem Anti-Taliban-Milizen beigetreten waren, berichtet. In der Provinz Ghazni soll es zur gezielten Tötung von neun Hazara-Männern gekommen sein. Während die Nachrichten aus weiten Teilen des Landes aufgrund der Schließung von Medienzweigstellen und der Einschüchterung von Journalisten durch die Taliban spärlich sind, gibt es Berichte über die Verfolgung von Journalisten und die Entführung einer Menschenrechtsanwältin. Die Taliban haben in den Tagen nach ihrer Machtübernahme systematisch in den von ihnen neu eroberten Gebieten Häftlinge aus den Gefängnissen entlassen: Eine Richterin wie auch eine Polizistin gaben an, von ehemaligen Häftlingen verfolgt bzw. von diesen identifiziert und daraufhin von den Taliban verfolgt worden zu sein (LIB).
Rekrutierungsstrategien Letzte Änderung: 16.09.2021
[Vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 stellte sich die Lage folgendermaßen dar:]
Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban [vor ihrer Machtübernahme im August 2021] teilte die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert wurden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet waren (LIB).
Es besteht relativer Konsens darüber, wie die Rekrutierung für die Streitkräfte der Taliban erfolgte: Sie lief hauptsächlich über bestehende traditionelle Netzwerke und organisierte Aktivitäten im Zusammenhang mit religiösen Institutionen. Layha, der Verhaltenskodex der Taliban enthält einige Bestimmungen über verschiedene Formen der Einladung sowie Bestimmungen, wie sich die Kader verhalten sollen, um Menschen zu gewinnen und Sympathien aufzubauen. Eine der Sonderkomitees der Quetta Schura [Anm.: militante afghanische Organisation der Taliban mit Basis in Quetta/Pakistan] war für die Rekrutierung verantwortlich. UNAMA hat Fälle der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern durch die Taliban dokumentiert, um IEDs (Improvised Explosive Devices) zu platzieren, Sprengstoff zu transportieren, bei der Sammlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zu helfen und Selbstmordattentate zu verüben, wobei auch positive Schritte von der Taliban-Kommission für die Verhütung ziviler Opfer und Beschwerden unternommen wurden, um Fälle von Rekrutierung und Einsatz von Kindern zu untersuchen und korrigierend einzugreifen (LIB).
In Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen in der Vergangenheit Kontrolle ausübten, gab es eine Vielzahl an Methoden, um Kämpfer zu rekrutieren, darunter auch solche, die auf Zwang basieren, wobei der Begriff Zwangsrekrutierung von Quellen unterschiedlich interpretiert und Informationen zur Rekrutierung unterschiedlich kategorisiert werden. Grundsätzlich hatten die Taliban keinen Mangel an freiwilligen Rekruten und machten nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch. Druck und Zwang, den Taliban beizutreten, waren jedoch nicht immer gewalttätig. Landinfo versteht Zwang im Zusammenhang mit Rekrutierung dahingehend, dass jemand, der sich einer Mobilisierung widersetzt, speziellen Zwangsmaßnahmen und Übergriffen (zumeist körperlicher Bestrafung) durch den Rekrutierer ausgesetzt ist. Die Zwangsmaßnahmen können auch andere schwerwiegende Maßnahmen beinhalten und gegen Dritte, beispielsweise Familienmitglieder, gerichtet sein. Auch wenn jemand keinen Drohungen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt ist, können Faktoren wie Armut, kulturelle Gegebenheiten und Ausgrenzung die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwangsweiser Beteiligung zum Verschwimmen bringen (LIB).
Sympathisanten der Taliban waren Einzelpersonen und Gruppen von, vielfach jungen, desillusionierten Männern. Ihre Motive waren der Wunsch nach Rache und Heldentum, gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen. Sie fühlten sich nicht zwingend den zentralen Werten der Taliban verpflichtet. Die meisten haben das Vertrauen in das Staatsbildungsprojekt verloren und glaubten nicht länger, dass es möglich ist, ein sicheres und stabiles Afghanistan zu schaffen. Viele schlossen sich den Aufständischen aus Angst oder Frustration über die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung an. Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlende Zukunftsperspektiven waren die wesentlichen Erklärungsgründe (LIB).
Vor einigen Jahren waren Mittel wie Pamphlete, DVDs und Zeitschriften bis hin zu Radio, Telefon und web-basierter Verbreitung wichtige Instrumente des Propagandaapparats der Taliban. Während Internet und soziale Medien wie Twitter, Blogs und Facebook sich in den letzten Jahren zu sehr wichtigen Foren und Kanälen für die Verbreitung der Botschaft dieser Bewegung entwickelt haben, dienen sie auch als Instrument für die Anwerbung. Über die sozialen Medien konnten die Taliban mit Sympathisanten und potenziellen Rekruten Kontakt aufnehmen. Die Taliban haben verstanden, dass ohne soziale Medien kein Krieg gewonnen werden kann. Sie haben ein umfangreiches Kommunikations- und Mediennetzwerk für Propaganda und Rekrutierung aufgebaut. Zusätzlich unternahmen die Taliban persönlich und direkt Versuche, die Menschen von ihrer Ideologie und Weltanschauung zu überzeugen, damit sie die Bewegung unterstützen. Ein Gutteil dieser Aktivitäten lief über religiöse Netzwerke (LIB).
Die Entscheidung, Rekruten zu mobilisieren, wird von den Familienoberhäuptern, Stammesältesten und Gemeindevorstehern getroffen. Dadurch wird dies nicht als Zwangsrekrutierung wahrgenommen, da die Entscheidungen der Anführer als legitim und akzeptabel gesehen werden. Personen, die sich dem widersetzen, gehen ein Risiko ein, dass sie oder ihre Familien bestraft oder getötet werden, wenngleich die Taliban nachsichtiger als der ISKP seien und lokale Entscheidungen eher akzeptieren würden. Andererseits wurde berichtet, dass es in Gebieten, die von den Taliban kontrolliert wurden oder in denen die Taliban stark präsent waren, de facto unmöglich war, offenen Widerstand gegen die Bewegung zu leisten (LIB).
Die erweiterte Familie konnte angeblich auch eine Zahlung leisten, anstatt Rekruten zu stellen. Diese Praktiken implizieren, dass es die ärmsten Familien waren, die Kämpfer stellten, da sie keine Mittel haben, um sich freizukaufen (LIB).
Die Taliban wandten, laut Berichten von NGOs und UN, Täuschung, Geldzusagen, falsche religiöse Zusammenhänge oder Zwang an, um Kinder zu Selbstmordattentaten zu bewegen, teilweise wurden die Kinder zur Ausbildung nach Pakistan gebracht. Im Jahr 2020 gab es laut UNAMA insgesamt 196 Jungen, hauptsächlich im Norden und Nordosten des Landes, die sowohl von den Taliban als auch von den afghanischen Sicherheitskräften rekrutiert wurden. Es ist wichtig anzumerken, dass Fälle der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern in Afghanistan aufgrund der damit verbundenen Sensibilität und der Sorge um die Sicherheit der Kinder in hohem Maße unterrepräsentiert sind (LIB).
[Anmerkung: Über die Auswirkung der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 auf die Rekrutierungsstrategien der Gruppierung sind noch keine validen Informationen bekannt]
Rechtsschutz/Justizwesen - Letzte Änderung: 14.09.2021
Die Taliban kündigten nach ihrer Machtübernahme im August 2021 an, dass zukünftig eine islamische Regierung von islamischen Gesetzen angeleitet werden soll, das Regierungssystem solle auf der Scharia basieren. Sie blieben dabei allerdings sehr vage bezüglich der konkreten Auslegung. „Scharia“ bedeutet auf Arabisch „der Weg“ und bezieht sich auf ein breites Spektrum an moralischen und ethischen Grundsätzen, die sich aus dem Koran sowie aus den Aussprüchen und Praktiken des Propheten Mohammed ergeben. Die Grundsätze variieren je nach der Auslegung verschiedener Gelehrter, die Denkschulen gegründet haben, denen die Muslime folgen und die sie als Richtschnur für ihr tägliches Leben nutzen. Die Auslegung der Scharia ist in der muslimischen Welt Gegenstand von Diskussionen. Jene Gruppen und Regierungen, die ihr Rechtssystem auf die Scharia stützen, haben dies auf unterschiedliche Weise getan. Wenn die Taliban sagen, dass sie die Scharia einführen, bedeutet das nicht, dass sie dies auf eine Weise tun, der andere islamische Gelehrte oder islamische Autoritäten zustimmen würden. Sogar in Afghanistan haben sowohl die Taliban, die das Land zwischen 1996 und 2001 regierten, als auch die Regierung von Ashraf Ghani behauptet, das islamische Recht zu wahren, obwohl sie unterschiedliche Rechtssysteme hatten (LIB).
Die Auslegung des islamischen Rechts durch die Taliban entstammt nach Angaben eines Experten dem Deobandi-Strang der Hanafi-Rechtsprechung - einem Zweig, der in mehreren Teilen Südostasiens, darunter Pakistan und Indien, anzutreffen ist - und der eigenen gelebten Erfahrung als überwiegend ländliche und stammesbezogene Gesellschaft. Als die Taliban 1996 an die Macht kamen, setzten sie strenge Kleidervorschriften für Männer und Frauen durch und schlossen Frauen weitgehend von Arbeit und Bildung aus. Die Taliban führten auchstrafrechtliche Bestrafungen (hudood) im Einklang mit ihrer strengen Auslegung des islamischen Rechts ein, darunter öffentliche Hinrichtungen von Menschen, die von Taliban-Richtern des Mordes oder des Ehebruchs für schuldig befunden wurden, und Amputationen für diejenigen, die aufgrund von Diebstahl verurteilt wurden (LIB).
[Weitergehende Informationen zum konkreten Rechtssystem und Justizwesen unter der im Entstehen begriffenen Talibanregierung sind zum aktuellen Zeitpunkt mit September 2021 noch nicht bekannt]
Ethnische Gruppen - Letzte Änderung: 16.09.2021
In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 37,5 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht. Schätzungen zufolge sind die größten Bevölkerungsgruppen: 32 bis 42% Paschtunen, ca. 27% Tadschiken, 9 bis 20% Hazara, ca. 9% Usbeken, 2% Turkmenen und 2% Belutschen (LIB).
Neben den alten Blöcken der Islamisten und linksgerichteten politischen Organisationen [Anm.: welche oftmals vor dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan entstanden] mobilisieren politische Parteien in Afghanistan vornehmlich entlang ethnischer Linien, wobei letztere Tendenz durch den Krieg noch weiter zugenommen hat. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB).
[Anmerkung: Über die Auswirkung der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 auf die verschiedenen ethnischen Gruppen sind noch keine validen Informationen bekannt]
Paschtunen - Letzte Änderung: 15.09.2021
Ethnische Paschtunen sind mit ca. 40% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime. Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (LIB).
Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Paschtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (LIB).
Die Taliban sind eine vorwiegend paschtunische Bewegung, werden aber nicht als nationalistische Bewegung gesehen. Die Taliban rekrutieren auch aus anderen ethnischen Gruppen. Die Unterstützung der Taliban durch paschtunische Stämme ist oftmals in der Marginalisierung einzelner Stämme durch die Regierung und im Konkurrenzverhalten oder der Rivalität zwischen unterschiedlichen Stämmen begründet (LIB).
IDPs und Flüchtlinge - Letzte Änderung: 14.09.2021
UNOCHA verifizierte im Jahr 2020 332.902 Menschen als neue Binnenvertriebene aufgrund des Konflikts und Naturkatastrophen und bis 22.8.2021 wurden von UNOCHA 558.123 neue Binnenvertriebene im laufenden Jahr 2021 verifiziert. Die genaue Zahl der Binnenvertriebenen lässt sich jedoch nicht bestimmen, zumal viele in abgelegenen Regionen oder städtischen Slums Zuflucht suchen oder in Gebieten leben, die von aufständischen Gruppen kontrolliert werden und daher nicht erfasst werden können (LIB).
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Mit Stand Mai 2021 werden im laufenden Jahr etwa eine halbe Million Binnenvertriebene auf humanitäre Hilfe angewiesen sein (LIB).
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führte vor der Machtübernahme durch die Taliban zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und zeitnahen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlte weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft (LIB).
IDPs waren in den Möglichkeiten eingeschränkt, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Oft kam es nach der ersten Binnenvertreibung zu einer weiteren Binnenwanderung. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand hatten oft Schwierigkeiten, grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Das Einkommen von Binnenvertriebenen und Rückkehrern war gering, da die Mehrheit der Menschen innerhalb dieser Gemeinschaften von Tagelöhnern und/oder Überweisungen von Verwandten im Ausland abhängig war, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (LIB).
Die vier Millionen Binnenvertriebenen in Afghanistan leben unter Bedingungen, die sich perfekt für die schnelle Übertragung eines Virus wie COVID-19 eignen. Die Lager sind beengt, unhygienisch und es fehlt selbst an den grundlegendsten medizinischen Einrichtungen. Sie leben in Hütten aus Lehm, Pfählen und Plastikplanen, in denen bis zu zehn Personen in nur einem oder zwei Räumen untergebracht sind, und sind nicht in der Lage, soziale Distanzierung und Quarantäne zu praktizieren. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung war für Binnenvertriebene und Rückkehrer bereits vor der COVID-19-Pandemie eingeschränkt. Seit Beginn der Pandemie hat sich der Zugang weiter verschlechtert, da einige medizinische Zentren in COVID-19-Behandlungszentren umgewandelt wurden und die Finanzierung der humanitären Hilfe zurückging. Es gibt eine von Ärzte ohne Grenzen betriebene mobile Klinik in Herat, die bei der Behandlung einiger chronischer Krankheiten hilft (LIB).
Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021
Die Auswirkungen einer schweren Dürre, einer einbrechenden Wirtschaft, der COVID-19-Pandemie und des sich verschärfenden Konflikts in den ersten acht Monaten des Jahres haben die Menschen bereits dazu veranlasst, ihre Heimat - und das Land - zu verlassen, und es wird erwartet, dass die Situation durch den Übergang zu einer Taliban-Regierung wahrscheinlich noch verschärft werden wird (LIB).
Nachdem die Taliban die Kontrolle über Afghanistan übernommen haben, sind Tausende von Menschen über die Grenze von Chaman ins benachbarte Pakistan oder über den Grenzübergang Islam Qala in den Iran geflohen. Insgesamt 32 von 34 Provinzen haben ein gewisses Maß an Vertreibung zu verzeichnen. Ein ehemaliger US-Militärvertreter erklärte, Überlandverbindungen seien riskant, aber zurzeit die einzige Möglichkeit zur Flucht. Laut US-Militärkreisen haben die Taliban weitere Kontrollpunkte auf den Hauptstraßen nach Usbekistan und Tadschikistan errichtet. Die Islamisten verbieten zudem Frauen, ohne männliche Begleitung zu reisen (LIB).
Tadschikistan hat die Aufnahme von 100.000 Flüchtlingen zugesagt, jedoch müsse dafür erst die Infrastruktur geschaffen werden (und auch nach Usbekistan zieht es viele Afghanen (LIB).
Grundversorgung und Wirtschaft - Letzte Änderung: 14.09.2021
Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghanischen Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belegte Afghanistan 2020 lediglich Platz 169 von 189 des Human Development Index. Die afghanische Wirtschaft ist stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Jedoch konnte die vormalige afghanische Regierung seit der Fiskalkrise des Jahres 2014 ihre Einnahmen deutlich steigern (LIB).
Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90% der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft, wobei der landwirtschaftliche Sektor gemäß Prognosen der Weltbank im Jahr 2019 einen Anteil von 18,7% am Bruttoinlandsprodukt (BIP) hatte (Industrie: 24,1%, tertiärer Sektor: 53,1%; WB 7.2019). Rund 45% aller Beschäftigen arbeiten im Agrarsektor, 20% sind im Dienstleistungsbereich tätig (LIB).
Afghanistan erlebte von 2007 bis 2012 ein beispielloses Wirtschaftswachstum. Während die Gewinne dieses Wachstums stark konzentriert waren, kam es in diesem Zeitraum zu Fortschritten in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Seit 2014 verzeichnet die afghanische Wirtschaft ein langsames Wachstum (im Zeitraum 2014-2017 durchschnittlich 2,3%, 2003-2013: 9%) was mit dem Rückzug der internationalen Sicherheitskräfte, der damit einhergehenden Kürzung der internationalen Zuschüsse und einer sich verschlechternden Sicherheitslage in Verbindung gebracht wird. Im Jahr 2018 betrug die Wachstumsrate 1,8%. Das langsame Wachstum wird auf zwei Faktoren zurückgeführt: einerseits hatte die schwere Dürre im Jahr 2018 negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft, andererseits verringerte sich das Vertrauen der Unternehmer und Investoren. Das Wirtschaftswachstum konnte sich zuletzt aufgrund der besseren Witterungsbedingungen für die Landwirtschaft erholen und lag 2019 laut Weltbank-Schätzungen bei 2,9% (LIB).
Nach der Machtübernahme der Taliban bleiben die Banken geschlossen, so haben die Vereinigten Staaten der Taliban-Regierung den Zugang zu praktisch allen Reserven der afghanischen Zentralbank in Höhe von 9 Mrd. $ (7,66 Mrd. €) verwehrt, die größtenteils in den USA gehalten werden. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Afghanistan nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban den Zugang zu seinen Mitteln verwehrt (LIB).
Da keine neuen Dollarlieferungen zur Stützung der Währung ankommen, ist die afghanische Währung auf ein Rekordtief gefallen (LIB).
Dürre und Überschwemmungen
Starke Regenfälle haben im Mai 2021 mehrere Provinzen Afghanistans, insbesondere Herat, heimgesucht und Sturzfluten und Überschwemmungen verursacht, die zu Todesopfern und Schäden führten. Die am stärksten betroffenen Provinzen sind Herat, Ghor, Maidan Wardak, Baghlan, Samangan, Khost, Bamyan, Daikundi und Badakhshan. Medienberichten zufolge sind in der Provinz Herat bis zu 37 Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden vertrieben und mehr als 150 Häuser wurden zerstört. 405 Familien wurden landesweit aus ihren Häusern vertrieben (LIB).
Armut und Lebensmittelunsicherheit - Letzte Änderung: 14.09.2021
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die COVID-19-Pandemie stetig weiter verschärft. Es wird erwartet, dass 2021 bis zu 18,4 Millionen Menschen (2020: 14 Mio Menschen) auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden (LIB).
Da keine neuen Dollarlieferungen eintreffen, um die Währung zu stützen, ist die afghanische Währung auf ein Rekordtief gefallen und hat die Preise in die Höhe getrieben. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mehl, Öl und Reis sind innerhalb weniger Tage um bis zu 10-20 % gestiegen (LIB).
Wohnungsmarkt und Lebenserhaltungskosten - Letzte Änderung: 14.09.2021
Vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 lag die Miete für eine Wohnung im Stadtzentrum von Kabul durchschnittlich zwischen 200 USD und 350 USD im Monat. Für einen angemessenen Lebensstandard musste zudem mit durchschnittlichen Lebenshaltungskosten von bis zu 350 USD pro Monat (Stand 2020) gerechnet werden. Auch in Mazar-e Sharif standen zahlreiche Wohnungen zur Miete zur Verfügung. Die Höhe des Mietpreises für eine drei-Zimmer-Wohnung in Mazar-e Sharif schwankte unter anderem je nach Lage zwischen 100 USD und 300 USD monatlich. Einer anderen Quelle zufolge lagen die Kosten für eine einfache Wohnung in Afghanistan ohne Heizung oder Komfort, aber mit Zugang zu fließenden Wasser, sporadisch verfügbarer Elektrizität, einer einfachen Toilette und einer Möglichkeit zum Kochen zwischen 80 USD und 100 USD im Monat. Es existieren auch andere Unterbringungsmöglichkeiten wie Hotels und Teehäuser, die etwa von Tagelöhnern zur Übernachtung genutzt werden. Auch eine Person, welche in Afghanistan über keine Familie oder Netzwerk verfügt, sollte in der Lage sein, dort Wohnraum zu finden - vorausgesetzt die Person verfügt über die notwendigen finanziellen Mittel. Private Immobilienunternehmen in den Städten informieren über Mietpreise für Häuser und Wohnungen (LIB).
Wohnungszuschüsse für sozial Benachteiligte oder Mittellose existieren in Afghanistan nicht. Allgemein lässt sich sagen, dass die COVID-19-Pandemie keine besonderen Auswirkungen auf die Miet- und Kaufpreise in Kabul hatte. Die Mieten sind nicht gestiegen und aufgrund der momentanen wirtschaftlichen Unsicherheit sind die Kaufpreise von Häusern eher gesunken (LIB).
Betriebs- und Nebenkosten wie Wasser und Strom kosteten vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 in der Regel nicht mehr als 40 USD pro Monat. Abhängig vom Verbrauch konnten die Kosten allerdings höher liegen. Die Kosten in der Innenstadt Kabuls waren höher. In ländlichen Gebieten konnte man mit mind. 50% weniger Kosten für die Miete und den Lebensunterhalt rechnen (LIB).
[Die möglichen Auswirkungen durch die Machtübernahme der Taliban im August 2021 auf Wohnungsmarkt und Lebenshaltungskosten können noch abgesehen werden]
Arbeitsmarkt - Letzte Änderung: 16.09.2021
Vor der Machtübernahme durch die Taliban war der Arbeitsmarkt durch eine niedrige Erwerbsquote, hohe Arbeitslosigkeit sowie Unterbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse charakterisiert. 80% der afghanischen Arbeitskräfte befanden sich in „prekären Beschäftigungsverhältnissen“, mit hoher Arbeitsplatzunsicherheit und schlechten Arbeitsbedingungen. Schätzungsweise 16% der prekär Beschäftigten waren Tagelöhner, von denen sich eine unbestimmte Zahl an belebten Straßenkreuzungen der Stadt versammelt und nach Arbeit sucht, die, wenn sie gefunden wird, ihren Familien nur ein Leben von der Hand in den Mund ermöglicht (LIB).
Nach Angaben der Weltbank ist die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung in den letzten Jahren zwar gesunken, bleibt aber auf hohem Niveau und dürfte wegen der COVID19-Pandemie wieder steigen ebenso wie die Anzahl der prekär Beschäftigten (LIB).
Schätzungen zufolge sind rund 67% der Bevölkerung unter 25 Jahren alt. Am Arbeitsmarkt müssen jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Somit treten jedes Jahr sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten bislang aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können (LIB).
Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Es gibt einen großen Anteil an Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen, was auf das hohe Maß an Informalität des Arbeitsmarktes hinweist, welches mit der Bedeutung des Agrarsektors in der Wirtschaft einhergeht. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke ist die Arbeitssuche schwierig. Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt. Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Analysen der norwegischen COI-Einheit Landinfo zufolge gibt es keine Hinweise, dass sich die Situation seit 2012 geändert hätte (LIB).
Neben einer mangelnden Arbeitsplatzqualität ist auch die große Anzahl an Personen im wirtschaftlich abhängigen Alter (insbes. Kinder) ein wesentlicher Armutsfaktor: Die Notwendigkeit, das Einkommen von Erwerbstätigen mit einer großen Anzahl von Haushaltsmitgliedern zu teilen, führt oft dazu, dass die Armutsgrenze unterschritten wird, selbst wenn Arbeitsplätze eine angemessene Bezahlung bieten würden. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind (LIB).
Ungelernte Arbeiter erwirtschaften ihr Einkommen als Tagelöhner, Straßenverkäufer oder durch das Betreiben kleiner Geschäfte. Der Durchschnittslohn für einen ungelernten Arbeiter ist unterschiedlich, für einen Tagelöhner beträgt er etwa 5 USD pro Tag. Während der COVID-19-Pandemie ist die Situation für Tagelöhner sehr schwierig, da viele Wirtschaftszweige durch die Sperr- und Restriktionsmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 negativ beeinflusst wurden. Kleine und große Unternehmen boten in der Regel direkte Arbeitsmöglichkeiten für Tagelöhner (LIB).
[Die möglichen Auswirkungen durch die Machtübernahme der Taliban im August 2021 auf den Arbeitsmarkt können noch abgesehen werden.]
Medizinische Versorgung - Letzte Änderung: 16.09.2021
In einem Bericht aus dem Jahr 2018 kommt die Weltbank zu dem Schluss, dass sich die Gesundheitsversorgung in Afghanistan im Zeitraum 2004-2010 deutlich verbessert hat, während sich die Verbesserungen im Zeitraum 2011-2016 langsamer fortsetzten. Vor allem in den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit gab es deutliche Verbesserungen. Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Behandlung durch Mangel an gut ausgebildetem medizinischem Personal und Medikamenten, Missmanagement und maroder Infrastruktur begrenzt und korruptionsanfällig (LIB).
Der Konflikt, COVID-19 und unzureichende Investitionen in die Infrastruktur treiben den Gesundheitsbedarf an und verhindern, dass die betroffenen Menschen rechtzeitig sichere, ausreichend ausgestattete Gesundheitseinrichtungen und -dienste erhalten. Gleichzeitig haben der aktive Konflikt und gezielte Angriffe der Konfliktparteien auf Gesundheitseinrichtungen und -personal zur periodischen, verlängerten oder dauerhaften Schließung wichtiger Gesundheitseinrichtungen geführt, wovon in den ersten zehn Monaten des Jahres 2020 bis zu 1,2 Millionen Menschen in mindestens 17 Provinzen betroffen waren (LIB).
Die Lebenserwartung ist in Afghanistan von 50 Jahren im Jahr 1990 auf 64 Jahre im Jahr 2018 gestiegen (LIB).
Bis zur Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan nicht direkt vom Staat erbracht, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die unter Vertrag genommen werden (LIB).
Eine Quelle spricht von 641 Krankenhäusern bzw. Gesundheitseinrichtungen in Afghanistan, wobei 181 davon öffentliche und 460 private Krankenhäuser sind. Die genaue Anzahl der Gesundheitseinrichtungen in den einzelnen Provinzen ist nicht bekannt. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghaninnen und Afghanen schwierig, überhaupt eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017, die den Zustand der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen untersuchte, wiesen viele Gesundheitszentren im ganzen Land immer noch große Mängel auf, darunter bauliche und wartungsbedingte Probleme, schlechte Hygiene- und Sanitärbedingungen, wobei ein Viertel der Einrichtungen nicht über Toiletten verfügte, vier von zehn Gesundheitseinrichtungen kein Trinkwassersystem hatten und eine von fünf Einrichtungen keinen Strom hatte. Es gab nicht genügend Krankenwagen und viele Gesundheitseinrichtungen berichteten über einen Mangel an medizinischer Ausrüstung und Material (LIB).
Insbesondere die COVID-19-Pandemie offenbarte die Unterfinanzierung und Unterentwicklung des öffentlichen Gesundheitssystems, das akute Defizite in der Prävention (Schutzausrüstung), Diagnose (Tests) und medizinischen Versorgung der Kranken aufweist. Die Verfügbarkeit und Qualität der Basisversorgung ist durch den Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenten (insbesondere Hebammen), den Mangel an Medikamenten, schlechtes Management und schlechte Infrastruktur eingeschränkt. Darüber hinaus herrscht in der Bevölkerung ein starkes Misstrauen gegenüber der staatlich finanzierten medizinischen Versorgung. Die Qualität der Kliniken ist sehr unterschiedlich. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen (LIB).
Neben dem öffentlichen Gesundheitssystem gibt es auch einen weitverbreiteten, aber teuren privaten Sektor. Trotz dieser höheren Kosten wird berichtet, dass über 60% der Afghanen private Gesundheitszentren als Hauptansprechpartner für Gesundheitsdienstleistungen nutzen. Vor allem Afghanen, die außerhalb der großen Städte leben, bevorzugen die private Gesundheitsversorgung wegen ihrer wahrgenommenen Qualität und Sicherheit, auch wenn die dort erhaltene Versorgung möglicherweise nicht von besserer Qualität ist als in öffentlichen Einrichtungen (LIB).
COVID-19
Der erste offizielle Fall einer COVID-19 Infektion in Afghanistan wurde am 24.2.2020 in Herat festgestellt. Laut einer vom afghanischen Gesundheitsministerium durchgeführten Umfrage hatten mit Juli 2020 35% der Menschen in Afghanistan seit März 2020 Anzeichen und Symptome von COVID-19 gehabt. Bis zum 17.3.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet (LIB), wobei die tatsächliche Zahl der positiven Fälle um ein vielfaches höher eingeschätzt wird. Bis zum 10.3.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht. Die Zahl der täglich neu bestätigten COVID-19-Fälle in Afghanistan ist in den Wochen nach dem Eid al-Fitr-Fest Mitte Mai 2021 stark angestiegen und übertrifft die Spitzenwerte, die zu Beginn des Ausbruchs im Land verzeichnet wurden. Die gestiegene Zahl der Fälle belastet das Gesundheitssystem weiter. Gesundheitseinrichtungen berichten von Engpässen bei medizinischem Material, Sauerstoff und Betten für Patienten mit COVID-19 und anderen Krankheiten (LIB).
Einige der Regional- und Provinzkrankenhäuser in den Großstädten wurden im Hinblick auf COVID-19 mit Test- und Quarantäneeinrichtungen ausgestattet. Menschen mit Anzeichen von COVID-19 werden getestet und die schwer Erkrankten im Krankenhaus in Behandlung genommen. Die Kapazität solcher Krankenhäuser ist jedoch aufgrund fehlender Ausrüstung begrenzt. In den anderen Provinzen schicken die Gesundheitszentren, die nicht über entsprechende Einrichtungen verfügen, die Testproben in die Hauptstadt und geben die Ergebnisse nach sechs bis zehn Tagen bekannt. Im Großteil der Krankenhäuser werden nur grundlegende Anweisungen und Maßnahmen empfohlen, es gibt keine zwingenden Vorschriften, und selbst die Infizierten erfahren nur grundlegende und normale Behandlung (LIB).
Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021
Angesichts der jüngsten Entwicklungen hat die Weltbank alle Hilfen für Afghanistan eingefroren. Mehr 2.500 Gesundheitseinrichtungen und die Gehälter von mehr als 2.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen, die im Rahmen des von der Weltbank kofinanzierten Sehatmandi-Projekts unterstützt werden, werden davon betroffen sein. Derzeit sind mehr als 3.800 Gesundheitseinrichtungen, die im Rahmen des Projekts unterstützt wurden, ganz oder teilweise nicht funktionsfähig. Die NGOs, die das Projekt durchführen, haben jedoch die Umsetzung reduziert, was zur sofortigen Aussetzung einiger Dienste in den Gesundheitseinrichtungen, einschließlich Überweisungen und ambulanter Essensversorgung führte. Einige wenige Gesundheitseinrichtungen, die im Rahmen des Projekts unterstützt wurden, verfügen über genügend medizinische Vorräte um die Versorgung für einige Monate aufrechtzuerhalten. In Ermangelung einer ausreichenden Finanzierung könnte die Kürzung der Hilfe Hunderttausende Afghanen ohne medizinische Versorgung zurücklassen und unverhältnismäßig viele Frauen betreffen. Angesichts der Blockade des Flughafens Kabul rufen WHO und UNICEF zur Unterstützung bei der Lieferung wichtiger medizinischer Güter nach Afghanistan auf (LIB).
Psychische Erkrankungen - Letzte Änderung: 14.09.2021
Viele Menschen innerhalb der afghanischen Bevölkerung leiden unter verschiedenen psychischen Erkrankungen als Folge des andauernden Konflikts, Naturkatastrophen, endemischer Armut und der COVID-19-Pandemie (LIB).
In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden - genauso wie Kranke und Alte - gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Es gibt keine formelle Aus- oder Weiterbildung zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Neben Problemen beim Zugang zu Behandlungen bei psychischen Erkrankungen, bzw. dem Mangel an spezialisierter Gesundheitsversorgung, sind falsche Vorstellungen der Bevölkerung über psychische Erkrankungen ein wesentliches Problem. Psychische Erkrankungen sind in Afghanistan hoch stigmatisiert. Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam; so existiert z.B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik (LIB).
Patienten werden bei stationärer Behandlung in psychiatrischen Krankenhäusern in Afghanistan nur in Begleitung eines Verwandten aufgenommen. Der Verwandte muss sich um den Patienten kümmern und für diesen beispielsweise Medikamente und Nahrungsmittel kaufen. Zudem muss der Angehörige den Patienten gegebenenfalls vor anderen Patienten beschützen, oder im umgekehrten Fall bei aggressivem Verhalten des Verwandten die übrigen Patienten schützen. Die Begleitung durch ein Familienmitglied ist in allen psychiatrischen Einrichtungen Afghanistans aufgrund der allgemeinen Ressourcenknappheit bei der Pflege der Patienten notwendig. Aus diesem Grund werden Personen ohne einen Angehörigen selbst in Notfällen in psychiatrischen Krankenhäusern nicht stationär aufgenommen (LIB).
Das Zusammenwirken von Krieg, Armut, häuslicher Gewalt und sozialer Marginalisierung führt dazu, dass Frauen überproportional von psychischen Problemen und psychosozialen Behinderungen betroffen sind. Dort, wo Dienste verfügbar sind, führen kulturelle Barrieren, Stigmatisierung und die begrenzte Anzahl weiblicher Anbieter psychischer Gesundheit häufig dazu, dass Frauen vom Zugang zu geeigneten Diensten ausgeschlossen sind (LIB).
[Über die Auswirkungen der Machtübernahme der Taliban auf die Versorgung psychischer Erkrankungen sind mit Stand September 2021 noch keine validen Informationen bekannt.]
Rückkehr - Letzte Änderung: 16.09.2021
IOM (Internationale Organisation für Migration) verzeichnete im Jahr 2020 die bisher größte Rückkehr von undokumentierten afghanischen Migranten. Von den mehr als 865.700 Afghanen, die im Jahr 2020 nach Afghanistan zurückkehrten, kamen etwa 859.000 aus dem Iran und schätzungsweise 6.700 aus Pakistan (LIB).
Im Jahr 2021 wurden bis August 759.046 undokumentierte Rückkehrer verzeichnet (LIB).
Die Wiedervereinigung mit der Familie wird meist zu Beginn von Rückkehrern als positiv empfunden und ist von großer Wichtigkeit im Hinblick auf eine erfolgreiche Reintegration. Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich, da es ohne familiäre Netzwerke sehr schwer sein kann, sich selbst zu erhalten. Eine Person ohne familiäres Netzwerk ist jedoch die Ausnahme und der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk. Einige wenige Personen verfügen über keine Familienmitglieder in Afghanistan, da diese entweder in den Iran, nach Pakistan oder weiter nach Europa migrierten. Der Reintegrationsprozess der Rückkehrer ist oft durch einen schlechten psychosozialen Zustand charakterisiert. Viele Rückkehrer sind weniger selbsterhaltungsfähig als die meisten anderen Afghanen. Rückkehrerinnen sind von diesen Problemen im Besonderen betroffen. Aufgrund der Sicherheitslage ist es Rückkehrern nicht immer möglich, in ihre Heimatorte zurückzukehren (LIB).
Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kollegen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Haben die Rückkehrer lange Zeit im Ausland gelebt oder haben sie zusammen mit der gesamten Familie Afghanistan verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren (LIB).
„Erfolglosen“ Rückkehrern aus Europa haftet oft das Stigma des „Versagens“ an. Wirtschaftlich befinden sich viele der Rückkehrer in einer schlechteren Situation als vor ihrer Flucht nach Europa, was durch die aktuelle Situation im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie noch verschlimmert wird. Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem deutschen Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden und auch IOM Kabul sind keine solchen Vorkommnisse bekannt. Andere Quellen geben jedoch an, dass es zu tätlichen Angriffen auf Rückkehrer gekommen sein soll, wobei dies auch im Zusammenhang mit einem fehlenden Netzwerk vor Ort gesehen wird. UNHCR berichtet von Fällen zwangsrückgeführter Personen aus Europa, die von religiösen Extremisten bezichtigt werden, verwestlicht zu sein; viele werden der Spionage verdächtigt. Auch glaubt man, Rückkehrer aus Europa wären reich und sie würden die Gastgebergemeinschaft ausnutzen. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB).
Viele afghanische Rückkehrer werden de facto IDPs, weil die Konfliktsituation sowie das Fehlen an gemeinschaftlichen Netzwerken sie daran hindert, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbst gebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB).
IOM hat aufgrund der aktuellen Lage vor Ort die Option der Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration seit 16.8.2021 für Afghanistan bis auf Weiteres weltweit ausgesetzt. Es können somit derzeit keine freiwilligen Rückkehrer aus Österreich nach Afghanistan im Rahmen des Projektes RESTART III unterstützt werden. Zu Tätigkeiten vor Ort im Rahmen anderer Projekte (RADA, etc.) kann derzeit noch keine Rückmeldung gegeben werden (LIB).
[Es sind zum aktuellen Zeitpunkt mit September 2021 noch keine validen Informationen über dem Umgang der Taliban mit Rückkehrern bekannt]
UNHCR-POSITION ZUR RÜCKKEHR NACH AFGHANISTAN August 2021 (auszugsweise):
Als Folge des Rückzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage in großen Teilen des Landes rapide verschlechtert.
1. Die Taliban haben in einer schnell wachsenden Anzahl an Provinzen die Kontrolle übernommen, wobei sich ihr Vormarsch im August 2021 nochmals beschleunigte, als sie 26 von 34 Provinzhauptstädten innerhalb von zehn Tagen einnahmen und schließlich den Präsidentenpalast in Kabul unter ihre Kontrolle brachten.
2. Die stark zunehmende Gewalt hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern.
3. UNHCR ist besorgt über die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, einschließlich Frauen und Kindern, sowie an Afghan*innen, bei denen die Taliban davon ausgehen, dass sie mit der afghanischen Regierung oder den internationalen Streitkräften in Afghanistan oder mit internationalen Organisationen im Land in Verbindung stehen oder standen.
[….]
Da die Situation in Afghanistan instabil und unsicher bleibt, fordert UNHCR alle Länder dazu auf, der aus Afghanistan fliehenden Zivilbevölkerung Zugang zu ihrem Staatsgebiet zu gewähren und die Einhaltung des Non-Refoulement-Grundsatzes durchgehend sicherzustellen. [….]
[….]
Aufgrund der volatilen Situation in Afghanistan, die noch für einige Zeit unsicher bleiben kann, sowie der sich abzeichnenden humanitären Notlage fordert UNHCR die Staaten dazu auf, zwangsweise Rückführungen von afghanischen Staatsangehörigen und Personen mit vormaligem gewöhnlichen Aufenthalt in Afghanistan auszusetzen – auch für jene, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Ein Moratorium für zwangsweise Rückführungen nach Afghanistan sollte bestehen bleiben, bis sich die Situation im Land stabilisiert hat und geprüft wurde, wann die geänderten Umstände im Land eine Rückkehr in Sicherheit und Würde erlauben würden. Die Hemmung von zwangsweisen Rückführungen stellt eine Mindestanforderung dar, die bestehen bleiben muss, bis sich die Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtslage in Afghanistan signifikant verbessert haben, sodass eine Rückkehr in Sicherheit und Würde von Personen, bei denen kein internationaler Schutzbedarf festgestellt wurde, gewährleistet werden kann.
[…]
2. Beweiswürdigung
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu dem Umstand, dass der Beschwerdeführer verheiratet ist und drei Kinder hat, gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden – Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zur Muttersprache Paschtu sowie dazu, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine Schule besuchte, gründen auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zu seinen Familienangehörigen ergeben sich ebenfalls aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Kontakt zu seinen in Afghanistan verbliebenen Verwandten hat, beruht auf dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung.
Dass der Beschwerdeführer Afghanistan auf legalem Wege mit einem Reisepass und einem Visum für den Iran per Flugzeug verließ, gründet auf den im Rahmen des Asylverfahrens getätigten Angaben des Beschwerdeführers.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Zum Vorbringen hinsichtlich drohender Verfolgung durch die Taliban aufgrund einer früheren Berufstätigkeit als Soldat für die afghanische Nationalarmee und später als Ortspolizist:
Der Beschwerdeführer brachte diesbezüglich zusammengefasst vor, er sei eines Abends, als er im Zuge seiner Tätigkeit als Soldat für die afghanische Nationalarmee auf Besuch zu Hause gewesen sei, von den Taliban entführt und für mehrere Tage festgehalten und misshandelt worden. Er hätte getötet werden sollen, doch ihm sei die Flucht gelungen. Nachdem er sich von seinen Verletzungen erholt habe, sei ihm geraten worden, die Armee zu verlassen und sich der lokalen Polizei seines Heimatdorfes anzuschließen. Kommandant dieses Polizeipostens sei sein Schwager gewesen. Von einem Freund, der den Taliban angehört habe, sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, seine Arbeit niederzulegen und den Polizeiposten den Taliban zu überlassen. Dieser Freund habe den Beschwerdeführer mit einem Taliban bekannt gemacht, der dem Beschwerdeführer Betäubungsmittel übergeben habe, damit dieser seine Polizeikollegen damit betäube und es den Taliban auf diese Weise ermögliche, den Polizeiposten einzunehmen. Der Beschwerdeführer habe auf den Koran schwören müssen, diese Tat umzusetzen. Er habe den Plan jedoch dem Kommandanten des Postens, seinem Schwager, und einem befreundeten Geheimdienstoffizier mitgeteilt. Als die Taliban gedacht hätten, die Ortspolizisten seien bereits bewusstlos, hätten sie sich auf den Weg zum Posten gemacht. Gleichzeit sei der Geheimdienst mit schwer bewaffneten Männern angerückt. Als sich die Taliban dem Posten genähert hätten, hätten die Soldaten das Feuer eröffnet. Das Gefecht habe vom Abend bis in die Morgenstunden gedauert. Dabei seien zwei Taliban ums Leben gekommen und vier Taliban schwer verletzt worden. Nach dem Gefecht habe sich der Beschwerdeführer im Polizeiposten versteckt gehalten. Währenddessen sei er immer wieder telefonisch von den Taliban bedroht worden.
Festzuhalten ist, dass diese Verfolgungsgründe nicht bewiesen worden sind. Daher ist zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen.
Diesbezüglich ist vorauszuschicken, dass das Bundesverwaltungsgericht nach ausführlicher Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen hat, dass der Beschwerdeführer eine von ihm nicht erlebte Geschichte präsentierte:
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist von Widersprüchen und Unplausibilitäten geprägt. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen auch noch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht steigerte und um neue Komponenten anreicherte.
2.2.1.1. So führte er aus, dass der lokale Polizeiposten mit zehn Mann besetzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei von den Taliban angestiftet worden, seine Kollegen im Polizeiposten zu betäuben, um es den Taliban zu ermöglichen, den Posten einzunehmen. Die Taliban seien in weiterer Folge mit 100 bis 150 Mann angerückt, um den Polizeiposten zu übernehmen (VH-Protokoll, Seite 10 und 11). Für das erkennende Gericht ist es zunächst nicht nachvollziehbar, weshalb die Betäubung der Polzisten durch den Beschwerdeführer überhaupt nötig gewesen sein soll, wenn die Taliban ohnedies in einer Mannstärke von 100 bis 150 Personen anrückten. Die zehn Polizisten hätten angesichts einer Übermacht von 100 bis 150 Taliban wohl leicht überwältigt werden können. Darüber hinaus setzten sich die Taliban dadurch, dass sie den Beschwerdeführer in mehreren Gesprächen in ihre Pläne einweihten, ihm Betäubungsmittel zukommen ließen und schließlich von ihm die Betäubung der Polizeikollegen einforderten, einem hohen Risiko aus, verraten zu werden. Auch aus diesem Grund erscheint es unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer tatsächlich von den Taliban unter Druck gesetzt worden sein soll, seine Kollegen zu betäuben.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens, wonach es den Taliban darum gegangen sei, den Posten zu besetzen und die Polizisten lediglich zu entwaffnen und nicht zu töten (EV-Protokoll, Seite 15 und 16), erscheint die vom Beschwerdeführer beschriebene Vorgangsweise nicht schlüssig, denn auch die bloße Entwaffnung von zehn Polizisten wäre mit einer Überzahl von 100 bis 150 Taliban wohl möglich gewesen, ohne dass die Polizisten zuvor betäubt hätten werden müssen.
Schließlich ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Plan der Taliban dergestalt gewesen sein soll, dass die bewusstlosen Polizisten zum Zweck der Entwaffnung mitgenommen und später ins Dorf zurückgebracht hätten werden sollen, anstatt sie direkt im Polizeiposten zu entwaffnen. Auch diese Unstimmigkeit legt offen, dass sich die Schilderungen des Beschwerdeführers nicht auf die von ihm dargestellte Weise zugetragen haben.
2.2.1.2. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers wurden vom Geheimdienst bzw. der Nationalpolizei unbemerkt etwa 80 Mann mobilisiert, um die anrückenden Taliban aufzuhalten. Diese Einheiten seien mit Raketenwerfern und Maschinengewehren schwer bewaffnet gewesen. Vor diesem Hintergrund erscheint es unwahrscheinlich, dass bei dem anschließenden Feuergefecht, das vom Abend bis in die Morgenstunden gedauert haben soll, auf Seiten der Taliban lediglich zwei Personen getötet worden sein sollen.
2.2.1.3. Zu erwähnen ist auch, dass der Beschwerdeführer auf die Frage, woher er gewusst habe, dass 100 bis 150 Taliban den Polizeiposten angreifen würden, stark ins Stocken geriet und vage antwortete „Diese Informationen habe ich … viele Posten wurden vor meinen Augen … ich habe viele Posten gesehen, in denen meine Freunde tätig waren, von den Taliban angegriffen. Eine dem Staat angehörende Person weiß, wie das alles dort vor sich geht und wie viele Personen bei einem Angriff auf einen Posten beteiligt wären.“ (VH-Protokoll, Seite 11). Diese Antwort verwundert, denn zu erwarten wäre wohl gewesen, dass der Beschwerdeführer ausführt, er habe diese Information von jenem Taliban erhalten, der ihn zur Verabreichung des Betäubungsmittels angestiftet habe. Bemerkenswert ist auch, dass der Beschwerdeführer die Geschehnisse rund um die Anstiftung und das Feuergefecht äußerst ausführlich berichtete; es war kaum möglich, ihn für Rückfragen zu unterbrechen. Bei der Nachfrage hinsichtlich der Information über die Anzahl der Angreifer geriet der Beschwerdeführer jedoch komplett aus dem Konzept und gab, wie dargestellt, eine eher verwunderliche Antwort. Dies erweckt starke Zweifel an der Glaubhaftigkeit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Rahmengeschichte.
2.2.1.4. Berücksichtigt man den Umstand, dass durch den Verrat des Beschwerdeführers die von den Taliban geplante Übernahme des Polizeipostens, an der 100 bis 150 Taliban beteiligt gewesen sein sollen, vereitelt wurde und dass dabei zwei Taliban ums Leben kamen, so wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer schwerwiegenden Racheakten der Taliban ausgesetzt gewesen wäre. Diesbezüglich führte der Beschwerdeführer jedoch lediglich aus, dass er in weiterer Folge ausschließlich telefonisch von den Taliban bedroht wurde, und zwar bis Ende 2014 (EV-Protokoll, Seite 17 und 18).
Im Gegensatz zu diesen Angaben, die er im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl tätigte, führte er im Laufe der mündlichen Verhandlung aus, dass er auch einmal persönlich von den Taliban angegriffen worden sei, nämlich als er sein Versteck im Polizeiposten verlassen habe, um für seine Familie das Dach des Hauses zu reparieren. Die Taliban seien zu neunt gekommen und hätten das Haus umzingelt, es sei dem Beschwerdeführer jedoch gelungen, das Haus zu verlassen und sich im Nebenhaus zu verstecken, von wo aus er die Taliban beschossen habe (VH-Protokoll, Seite 14). Dieses Vorbringen steht eindeutig im Widerspruch zu den Angaben vor dem Bundesamt, wo der Beschwerdeführer wortwörtlich ausgeführt hatte, dass es „ausschließlich“ zu telefonischen Bedrohungen gekommen sei. Aufgrund der Verwendung des Wortes „ausschließlich“ ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme bloß keine Gelegenheit dazu hatte, seine persönliche Bedrohung durch die Taliban anlässlich der Reparatur des Daches zu schildern. Nach dem Dafürhalten des erkennenden Gerichts handelt es sich hierbei klar um eine Steigerung des Vorbringens, der keine Glaubhaftigkeit zukommt.
Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, dass er sich fortan im Polizeiposten versteckt hielt und diesen nicht verließ; er sei 24 Stunden immer innerhalb oder in unmittelbarer Nähe des Postens gewesen (VH-Protokoll, Seite 14). Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer jedoch auch noch nach dem geschilderten Verrat und Feuergefecht weiterhin für die Polizei arbeitete – er war bis zu seiner Ausreise im Jahr 2016 für die Polizei tätig (VH-Protokoll, Seite 8) – erscheint es fraglich, wie diese Polizeiarbeit möglich gewesen sein soll, wenn er nach dem Feuergefecht im Sommer 2014 den Posten nicht mehr verlassen haben will.
2.2.1.5. Insbesondere der Umstand, dass der Beschwerdeführer erst im Jahr 2016 ausreiste, obwohl der Verrat und das Feuergefecht bereits im Sommer 2014 stattgefunden haben sollen, wobei es im Anschluss ausschließlich zu telefonischen Bedrohungen bis Ende des Jahres 2014 gekommen sein soll, macht deutlich, dass die Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistans in keinerlei Zusammenhang mit einer etwaigen Verfolgung durch die Taliban steht. Aufgrund der aufgezeigten Unstimmigkeiten im Vorbringen des Beschwerdeführers kann das Gericht nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem allenfalls erfolgten Feuergefecht die von ihm geschilderte maßgebliche Rolle gespielt hat.
2.2.1.6. Dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Glaubhaftigkeit zukommt und er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung durch die Taliban zu befürchten hätte, zeigt sich auch daran, dass seine noch in Afghanistan aufhältigen Verwandten unbehelligt weiterleben konnten. So bestätigte der Beschwerdeführer auf mehrfache Nachfrage, dass es seiner Frau, seinen Kindern und seiner Mutter gut gehe und ihnen nichts passiert sei, seitdem er Afghanistan verlassen habe (VH-Protokoll, Seite 6 und 14). Ebenso wenig wurden seine in Kabul lebenden Brüder, die immer wieder auf Urlaub ins Heimatdorf kommen, aufgrund des Verrats des Beschwerdeführers bedroht (VH-Protokoll, Seite 14). Und schließlich brachte der Beschwerdeführer auch hinsichtlich seiner drei im Heimatdorf lebenden Schwestern und deren Ehemänner, wovon einer der Kommandant des Polizeipostens sei, keinerlei Bedrohungen vor; ganz im Gegenteil führte er sogar aus, dass es ihnen „in jeder Hinsicht gut“ gehe (VH-Protokoll, Seite 6). Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich in dem von ihm geschilderten Ausmaß einen Verrat an den Taliban begangen, wäre anzunehmen, dass einerseits er selbst von diesen massiv verfolgt worden wäre und andererseits nach dessen Ausreise auch seine Familienangehörigen, darunter der Kommandant des Polizeipostens, Racheakten seitens der Taliban ausgesetzt gewesen wären. Sollte sich seit der mündlichen Verhandlung an der Situation der in Afghanistan verbliebenen Verwandten etwas geändert haben, so wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer dies im Rahmen einer seiner nachträglich erstatteten Stellungnahmen auch vorgebracht hätte. Der Beschwerdeführer berichtete jedoch auch nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nicht, dass seinen Verwandten irgendeine Form von mit dem von ihm angeblich begangenen Verrat in Zusammenhang stehende Bedrohung widerfahren sei.
2.2.1.7. Das Gericht konnte auch keine Bedrohung aufgrund des zeitlich vor dem Feuergefecht und dem Verrat liegenden angeblichen Kontakts des Beschwerdeführers mit den Taliban erkennen. Diesbezüglich brachte der Beschwerdeführer vor, dass er vor seiner Tätigkeit als Ortspolizist Soldat bei der afghanischen Nationalarmee gewesen sei. Als er eines Tages auf Urlaub zu Hause gewesen sei, sei er von den Taliban abgeholt und neun Tage lang festgehalten und gefoltert worden.
Zunächst ist festzuhalten, dass die behauptete Entführung nicht auf dem Umstand beruht, dass der Beschwerdeführer Angehöriger der Nationalarmee gewesen sei, sondern darauf, dass der Beschwerdeführer den Taliban nach der Ermordung seines Bruders Rache geschworen habe. So führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aus „Ich fragte die versammelten Dorfbewohner, wer meinen Bruder getötet hat und führte weiter aus, dass ich den Mörder auf keinen Fall verschonen werde und dass ich weiß, dass die Taliban dahinterstecken und dass ich keinen Taliban am Leben lassen werde. Unter den Dorfbewohnern gab es Anhänger der Taliban, diese berichteten den Taliban darüber, was ich gesagt habe und diese tauchten dann an Abend bei uns zu Hause auf. Nachgefragt: Es war gegen Ende 2013, Anfang 2014.“ (VH-Protokoll, Seite 15).
Aus den Angaben des Beschwerdeführers ergibt sich weiters, dass er im Laufe seiner neuntägigen Gefangenschaft mitbekommen habe, dass ihn die Taliban töten wollten. Daraufhin sei ihm die Flucht gelungen und er habe es irgendwie bis nach Hause geschafft. Anschließend sei er in das Krankenhaus der Provinzhauptstadt und dann ins Krankenhaus nach Kabul gebracht worden. Nach seinen Krankenhausaufenthalten sei er nach Hause zurückgekehrt und der Ortspolizei beigetreten (EV-Protokoll, Seite 15; VH-Protokoll, Seite 15).
Hätten die Taliban ihr Vorhaben, den Beschwerdeführer zu töten, in die Tat umsetzen wollen, so hätten sie dazu ausreichend Gelegenheit gehabt, denn nach seiner Flucht aus der Gefangenschaft und den Krankenhausaufenthalten hielt sich der Beschwerdeführer angeblich wieder zu Hause auf, wo er nach seinem eigenen Vorbringen einst von den Taliban heimgesucht worden war. Demnach war den Taliban bekannt, wo der Beschwerdeführer wohnte, und sie hätten ihn leicht aufspüren und töten können. Der Umstand, dass es dazu nicht kam, stellt ein weiteres Indiz dafür dar, dass die Taliban kein gesteigertes Interesse am Beschwerdeführer haben.
Dass der Beschwerdeführer nach der Flucht aus der angeblichen neuntägigen Gefangenschaft nicht um sein Leben fürchtete, zeigt auch ganz deutlich seine Antwort auf die Frage, weshalb er sich nach diesem schrecklichen Erlebnis nicht dazu entschlossen habe, mit seiner Frau und den Kindern nach Kabul zu ziehen: „… Wenn wir nach Kabul gezogen wären, dann hätte meine Frau zum Einkaufen alleine rausgehen müssen. Als Paschtune könnte ich dem nicht zustimmen. …“ (VH-Protokoll, Seite 15).
Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer angeblich zugefügten Misshandlungen der Taliban und den daraus erlittenen Verletzungen ist festzuhalten, dass auf den angefertigten Fotos von Kopfhaut, Oberarmen und Unterschenkeln kaum Narben zu erkennen sind. Zum Antrag des Beschwerdeführers auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass die Narben auf die vom Beschwerdeführer beschriebene Art und Weise entstanden, wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
2.2.1.8. Wäre der Beschwerdeführer aufgrund seiner gegenüber den Taliban geschworenen Rache wegen der Ermordung seines Bruders oder aufgrund des von ihm begangenen Verrats an den Taliban, der die Einnahme des Polizeipostens vereitelt und zum Tode von zwei Taliban geführt habe, tatsächlich in den Fokus der Taliban geraten, so wäre davon auszugehen, dass diese an ihm innerhalb jener zweieinhalb Jahre, die der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise noch in Afghanistan aufhältig war, Vergeltung geübt hätten. Auch ist anzunehmen, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen wäre, legal mit Reisepass und Visum für den Iran per Flugzeug aus Afghanistan auszureisen, wäre er tatsächlich in derartige Feindschaft mit den Taliban geraten.
Vor diesem Hintergrund erscheint auch jenes Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer auf seiner Flucht aus Afghanistan von drei Taliban verfolgt worden sei, gänzlich unglaubhaft. Dem Vorbringen nach hätte der Beschwerdeführer von seinem Bruder einen Anruf erhalten, dass dem Beschwerdeführer drei Taliban hinterhergeschickt worden seien; zwei seien in Bulgarien abgeschoben worden, einem sei er in Serbien begegnet. Bei dieser Begegnung in Serbien habe er den Taliban gewarnt, dass er ihn erschießen werde, falls er ihm oder seiner Familie etwas antue. Der Taliban habe erwidert, dass er nicht gekommen sei, um den Beschwerdeführer zu verfolgen, sondern dass er wegen eigener Probleme dort sei. Als der Beschwerdeführer die Polizei verständigt habe, sei der Taliban verschwunden gewesen und er habe ihn nicht wiedergesehen (VH-Protokoll, Seite 16).
Einerseits ist aus diesen Schilderungen für das Bundesverwaltungsgericht keinerlei Bedrohung des Beschwerdeführers ableitbar; es ist nicht ersichtlich, dass – sollte die Begegnung mit jenem Taliban in Serbien tatsächlich stattgefunden haben – dem Beschwerdeführer etwas angetan werden sollte. Andererseits ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer bis nach Serbien verfolgt werden sollte, wenn die Taliban in den zweieinhalb Jahren zuvor keine Vergeltungsschritte gegen ihn gesetzt haben. Darüber hinaus ist völlig unschlüssig, dass der bis nach Serbien gelangte Taliban nach der vom Beschwerdeführer ausgesprochenen Warnung sogleich aufgibt und ihn nach diesem langen Reiseweg nicht weiterverfolgt. Die Schilderungen rund um eine Verfolgung noch auf dem Fluchtweg sind daher ebenso als Steigerung des Vorbringens zu deuten und trägt dies zusätzlich zu den bereits genannten Punkten stark zur Schmälerung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens bei.
2.2.1.9. Im Ergebnis ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsland als Soldat der Nationalarmee und als Lokalpolizist Begegnungen mit den Taliban hatte. Auch in seinem privaten Umfeld dürfte es zu derartigen Begegnungen gekommen sein; so schilderte der Beschwerdeführer durchaus glaubhaft, dass er den Taliban nach dem Tod seines Bruders Rache geschworen habe. Er scheute die Konfrontation mit den Taliban offenbar nicht.
Nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens gelangt das erkennende Gericht jedoch zu der Ansicht, dass diese Begegnungen keineswegs ausschlaggebend für das Verlassen des Heimatlandes waren. So soll die Entführung des Beschwerdeführers Ende 2013, Anfang 2014, und das auf dem Verrat des Beschwerdeführers beruhende Feuergefecht im Sommer 2014 stattgefunden haben, während der Beschwerdeführer sein Heimatland erst im Sommer 2016 verlassen hat. Sowohl nach der angeblichen Entführung als auch nach dem Feuergefecht konnte der Beschwerdeführer bis auf behauptete telefonische Bedrohungen unbehelligt leben. Hätten die vom Beschwerdeführer dargestellten Ereignisse tatsächlich in der geschilderten Form stattgefunden, so wäre dies nahezu unvorstellbar. Hinzu kommt, dass es auch den Familienangehörigen des Beschwerdeführers gut geht und diese ihr Leben ohne weiteres im Heimatdorf fortsetzen konnten. Sogar der Schwager des Beschwerdeführers, der Kommandant des örtlichen Polizeipostens sei, sei keinerlei Verfolgung ausgesetzt.
Dass der Beschwerdeführer als ehemaliger einfacher Soldat der Nationalarmee und später als Ortspolizist auch nach dem nunmehrigen Erstarken der Taliban nicht mit Bedrohung oder Verfolgung durch diese zu rechnen hat, ergibt sich daraus, dass die Verwandten des Beschwerdeführers – darunter der Kommandant des örtlichen Polizeipostens – auch seit der Machtübernahme durch die Taliban keinerlei Racheakten oder Bedrohungen wegen der Handlungen des Beschwerdeführers ausgesetzt waren. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer eine aktuelle Verfolgung seiner in Afghanistan verbliebenen Verwandten, mit denen er in regelmäßigem Kontakt steht, in einer seiner drei nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung eingebrachten Stellungnahmen berichtet hätte. Wie bereits festgehalten, teilte der Beschwerdeführer dem Gericht nichts Dahingehendes mit.
2.2.2. Im Ergebnis war das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, wie anhand der zahlreichen Unstimmigkeiten aufgezeigt, als nicht glaubhaft zu bewerten. Das Gericht konnte nicht erkennen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung durch die Taliban droht.
2.3. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellung, dass eine Rückkehr in den Herkunftsstaat Afghanistan für den Beschwerdeführer als Zivilperson aktuell eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen der Machtergreifung durch die Taliban mit sich bringen würde, ergibt sich aus den diesbezüglichen Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat.
2.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die oben zitierten notorischen Berichte. Im Hinblick auf die aktuellen sicherheitsrelevanten Ereignisse, die zur Machtübernahme der Taliban in Afghanistan geführt haben, wurden u.a. auch aktuelle Medienberichte zur Lage in Afghanistan herangezogen. Diese herangezogenen Quellen zeichnen ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der herangezogenen Informationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Berichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende „Gruppenverfolgung“, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
3.1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass eine Gefährdung, die auf eine Verfolgungsgefahr iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention hindeuten könnte, nicht feststellbar gewesen sei. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:
Zur behaupteten Bedrohung durch die Taliban:
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Vorbringen, der Beschwerdeführer hätte im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung durch die Taliban zu gewärtigen, keine Glaubhaftigkeit zu.
Dem Beschwerdeführer ist es deshalb insoweit nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Es kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer insofern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
3.1.4. Die vom Beschwerdeführer fotografierten Narben am Kopf, Oberarmen und Unterschenkeln sind nicht geeignet, die behaupteten Folterungen durch die Taliban nachzuweisen. Dem in der Verhandlung gestellten Antrag auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass die an seinem Körper befindlichen Narben von der geschilderten Folter stammen, war daher nicht näher zu treten.
Der Antrag auf Einholung eines medizinischen Gutachtens mag geeignet sein, die Verletzungsursache von vorhandenen Narben zu belegen. Jedoch ist ein medizinisches Gutachten nicht geeignet, Aufklärung über die Frage, im Zuge welcher Ereignisse der Beschwerdeführer die Verletzungen erlitten haben mag und damit über die Nachvollziehbarkeit des – wie in der Beweiswürdigung aufgezeigt – widersprüchlichen bzw. unplausiblen Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers zu geben (vgl. dazu bereits VwGH 20.02.2018, Ra 2017/20/0464; 28.03.2018, Ra 2018/20/0126; 15.03.2018, Ra 2018/20/0090).
3.1.5. Da sich auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in seinem Heimatstaat ableiten ließ, war im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
3.2. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. § 8 AsylG lautet auszugsweise:
„Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
…“
3.2.2. Zu prüfen ist, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; 05.04.1995, 95/18/0530; 04.04.1997, 95/18/1127; 26.06.1997, 95/18/1291; 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; VwGH 31.05.2005, 2005/20/0095).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, 10611/09, Rz 81ff).
Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiärem Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH 17.2.2009, Elgafaji, C-465/07, Rn 35). Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U 370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände („exceptional circumstances“) vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter „außergewöhnlichen Umständen“ können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).
Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr („real risk“) – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137). Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH vom 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht.
Nach dem „Leitfaden zur Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan“ von UNHCR vom November 2018 beinhaltet die Prüfung, ob eine Person in einem bestimmten Gebiet sicher vor Verfolgung oder schwerem Schaden ist bzw. dieses Gebiet sicher, legal und praktisch erreichbar ist – dh die Relevanzprüfung (vgl. auch VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118) – zunächst die Frage, ob das betreffende Gebiet unter der Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte steht.
Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Richtlinien von UNHCR Indizwirkung (vgl. etwa VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0457 mwN).
3.2.2.1. Mit Blick auf den aktuell erfolgten Regierungsumsturz und die Machtübernahme durch die Taliban sowie die derzeit vorherrschende Unsicherheit im Hinblick auf die zukünftigen Entwicklungen der Sicherheitslage ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson mit der Aufenthaltnahme in ganz Afghanistan – und nicht nur in seiner Herkunftsprovinz Laghman – aktuell eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt verbunden wäre:
Mittlerweile befindet sich ganz Afghanistan, auch die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, unter der Kontrolle der Taliban bzw. wird von den Taliban beansprucht. Nach dem aktuellen Informationsstand ist eine Abschätzung – vor allem auch im Hinblick auf den erst kurze Zeit zurückliegenden, überaus zügig erfolgten Regierungsumsturz und die anschließende Machtübernahme durch die Taliban sowie die damit einhergehende Zahl an zivilen Opfern – der zukünftigen Entwicklung der Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan nicht möglich. Die Lage ist aus diesem Grund – trotz der Beteuerungen der Taliban – aktuell nicht als stabil anzusehen. Es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob tatsächlich Frieden eingetreten ist und ob die Menschenrechte und die Rechtstaatlichkeit von den Taliban aktuell und künftig respektiert werden, dies insbesondere im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen mit den Taliban, die dies durchaus fraglich erscheinen lassen.
Im Hinblick auf die flächendeckende Gebietskontrolle durch die Taliban – sowohl u.a. Kabul als auch Herat und Mazar-e Sharif, die bisher grundsätzlich als zumutbare innerstaatlichen Fluchtalternative angesehen wurden, sind an die Taliban gefallen – gibt es momentan auch kein Gebiet in Afghanistan, das nicht unter der Kontrolle der Taliban steht bzw. ohne Kontakt mit diesen erreichbar wäre und somit als Fluchtalternative in Betracht käme; dementsprechend kann auch nicht mehr von einer bestehenden innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen werden.
In diesem Zusammenhang ist – auch hinsichtlich der Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative – auch auf die (auszugsweise oben wiedergegebene) aktuelle UNHCR-Position zur Rückkehr nach Afghanistan (UNHCR Position on returns to Afghanistan 08.2021; https://www.refworld.org/docid/611a4c5c4.html ) zu verweisen: Darin wird ausgeführt, dass der Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan zu einer rapiden Verschlechterung der Sicherheits- und Menschenrechtslage in großen Teilen des Landes geführt und die zunehmende Gewalt auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung hat. UNHCR fordert im Hinblick auf die aktuelle Lage alle Staaten dazu auf, fliehenden AfghanInnen Zutritt zu gewähren und das Prinzip des Non-Refoulement stets zu respektieren. Angesichts der derzeitig volatilen Situation in Afghanistan erachtet es UNHCR nicht für angemessen, AfghanInnen oder ehemalige EinwohnerInnen von Afghanistan internationalen Schutz mit dem Argument einer verfügbaren innerstaatlichen Flucht- oder Wiederansiedlungsalternative zu verweigern. Im Falle von Personen, deren Anträge auf internationalen Schutz zeitlich vor den jüngsten Ereignissen abgewiesen worden sind, können geänderte Umstände vorliegen, die in einem allfälligen neuen Antrag berücksichtigt werden müssen. Alle Staaten sind dazu aufgefordert, Abschiebungen – auch von Personen, deren Anträge auf internationalen Schutz bereits abgewiesen worden sind – auszusetzen, bis sich die Lage der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit so deutlich verbessert hat, dass eine Rückkehr in Sicherheit und Würde möglich ist.
Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan infolge des Vormarsches und der Machtübernahme der Taliban und der damit einhergehenden realen Gefahr willkürlicher Tötungen von Zivilisten aktuell landesweit dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, weshalb eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung Art. 3 EMRK bedeuten bzw. für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen der Machtergreifung durch die Taliban mit sich bringen würde. Insgesamt herrschen damit aktuell in Afghanistan landesweit Bedingungen, welche nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen.
Nach § 8 Abs. 3a AsylG hat eine Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.
Gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt (Z 1), der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 2) oder der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 3).
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines derartigen Ausschlussgrundes sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Der Beschwerde war hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
3.2.2.2. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt dem Beschwerdeführer mit vorliegendem Erkenntnis den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen ist.
3.3. Zur Behebung der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides:
Aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten waren die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG zu beheben (vgl. dazu auch VfGH 13.09.2013, U 370/2012; VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Bei Gefahrenprognosen im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).
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