GEG §1
GEG §6 Abs1 Z1
GEG §6c Abs1
GEG §6c Abs2
GGG Art1 §1 Abs1
GGG Art1 §14
GGG Art1 §2 Z1 lita
GGG Art1 §32 TP1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L527.2230489.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. über die Beschwerde der XXXX , FN XXXX , vertreten durch die Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH, Hellbrunnerstraße 11, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts Linz vom 18.02.2020, Zahl XXXX , betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit beim Bezirksgericht Linz am 24.10.2019 eingebrachter (Mahn-)Klage begehrte die Beschwerdeführerin die Zahlung von EUR 12.200,-- von der beklagten Partei. Für die Einbringung der Klage entrichtete die Beschwerdeführerin die Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG (Gerichtsgebührengesetz) in Höhe von EUR 743,--.
Gegen den in weiterer Folge erlassenen bedingten Zahlungsbefehl erhob die beklagte Partei Einspruch.
Mit Eingabe vom 05.02.2020 setzten die Beschwerdeführerin und die beklagte Partei das Bezirksgericht Linz davon in Kenntnis, dass sie sich außergerichtlich geeinigt hätten. Die Vergleichszahlung sei bei der Beschwerdeführerin eingelangt. Damit sei „ewiges Ruhen“ eingetreten, was hiermit angezeigt werde.
Mit beim Bezirksgericht Linz am 07.02.2020 eingebrachtem Antrag begehrte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung des „Hälftebetrag[s] der bezahlten Pauschalgebühr, sohin de[s] Betrag[s] von EUR 371,50“. Die Beschwerdeführerin verwies auf die Anzeige „ewigen Ruhens“ und auf die Anmerkung 2 zu TP 1 GGG.
Mit Bescheid vom 18.02.2020 wies der Präsident des Landesgerichts Linz (in der Folge: [belangte] Behörde) den Antrag auf Rückzahlung der halben Pauschalgebühr ab.
Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Anmerkung 2 zu TP 1 GGG, namentlich darauf, dass sich die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG auf die Hälfte ermäßige, wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird, und begehrt, dass ihrem Rückzahlungsantrag stattgegeben werde.
Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht legte die belangte Behörde den die Entrichtung der Pauschalgebühr durch die Beschwerdeführerin betreffenden Aktenbestandteil aus dem Grundverfahren (Verfahren vor dem Bezirksgericht Linz) vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Bei der Bezeichnung von Aktenbestandteilen verwendet das Bundesverwaltungsgericht in der Folge Abkürzungen: AS: Aktenseite(n); S: Seite(n); OZ: Ordnungszahl(en); VA: (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter) Verwaltungsverfahrensakt; GV (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter Akt aus dem Grundverfahren); f: folgende [Aktenseite/Seite]; ff: folgende [Aktenseiten/Seiten].
1. Feststellungen:
1.1. Mit beim Bezirksgericht Linz am 24.10.2019 eingebrachter (Mahn-)Klage begehrte die Beschwerdeführerin die Zahlung von EUR 12.200,-- von der beklagten Partei (VA AS 1 ff). Für die Einbringung der Klage entrichtete die Beschwerdeführerin die Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG in Höhe von EUR 743,-- (OZ 3).
Die Klage bzw. der bedingte Zahlungsbefehl wurde(n) der beklagten Partei zugestellt. Die beklagte Partei erhob anschließend Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl (VA AS 5 ff).
1.2. Mit Eingabe vom 05.02.2020 setzten die Beschwerdeführerin und die beklagte Partei das Bezirksgericht Linz davon in Kenntnis, dass sie sich außergerichtlich geeinigt hätten. Die Vergleichszahlung sei bei der Beschwerdeführerin eingelangt. Damit sei „ewiges Ruhen“ eingetreten, was hiermit angezeigt werde. (VA AS 17). Dies erfolgte, nachdem die Klage bzw. der bedingte Zahlungsbefehl der beklagten Partei bereits zugestellt worden war(en).
Mit beim Bezirksgericht Linz am 07.02.2020 eingebrachtem Antrag begehrt(e) die Beschwerdeführerin die Rückzahlung des „Hälftebetrag[s] der bezahlten Pauschalgebühr, sohin de[s] Betrag[s] von EUR 371,50“ (VA AS 21 f).
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akten. Die jeweiligen Aktenbestandteile sind bei den Feststellungen, soweit möglich, unter Nennung der Schriftstücke, Geschäftszahlen, Aktenseiten oder Ordnungszahlen angegeben.
Der Sachverhalt war weder im Verwaltungsverfahren vor der belangten Behörde noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht strittig; vgl. den angefochtenen Bescheid (VA AS 23 ff) und die gegenständliche Beschwerde (VA AS 31 ff). Strittig ist allein die rechtliche Beurteilung.
Zur Feststellung, dass die Klage bzw. der bedingte Zahlungsbefehl der beklagten Partei zugestellt wurde(n), ist im Einzelnen noch festzuhalten: Der von der belangten Behörde vorgelegte Akt enthält keinen ausdrücklichen Nachweis für die Zustellung der Klage bzw. des bedingten Zahlungsbefehls an die beklagte Partei. Es besteht insgesamt dennoch kein Zweifel, dass die Klage bzw. der bedingte Zahlungsbefehl der beklagten Partei zugestellt wurde(n) und dass erst in weiterer Folge, allerdings nicht in einer ersten Verhandlung bzw. Tagsatzung – dergleichen fand überhaupt nicht statt, eine außergerichtliche Einigung erzielt sowie das „ewige Ruhen“ des Verfahrens vereinbart und angezeigt wurden. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin Gegenteiliges nicht einmal behauptet, gilt es zu bedenken, dass die beklagte Partei mit Eingabe vom 25.11.2019 Einspruch (VA AS 5 ff) erhob, was gewiss die Zustellung der Klage bzw. des bedingten Zahlungsbefehls voraussetzt(e). Die beklagte Partei nimmt im Einspruch unmissverständlich darauf Bezug, dass ihr der bedingte Zahlungsbefehl zugestellt worden sei (VA AS 6). In diesem Sinne führt auch die Beschwerdeführerin selbst in der Beschwerde aus, dass aufgrund des Einspruchs der beklagten Partei gegen den bedingten Zahlungsbefehl die vorbereitende Tagsatzung zunächst für 03.02.2020 angesetzt und aufgrund einer gemeinsamen Vertagungsbitte auf 02.03.2020 verlegt worden sei (VA AS 34). Damit im Einklang steht die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass die Klage der beklagten Partei zugestellt worden sei (VA AS 23). Die Beschwerdeführerin trat weder dieser Feststellung noch den übrigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid (VA AS 23 f) entgegen (VA AS 33 ff). Die „Anzeige ewigen Ruhens“ erging am 05.02.2020 (VA AS 17). Dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerde äußert, dass die Anzeige „ewigen Ruhens“ mit Eingabe an das Bezirksgericht Linz vom 06.02.2020 ergangen sei, kommt keine Bedeutung zu, steht doch jedenfalls außer Frage, dass dem Bezirksgericht Linz das „ewige Ruhen“ (erst) nach der Zustellung der Klage bzw. des bedingten Zahlungsbefehls an die beklagte Partei angezeigt wurde. Es war daher festzustellen, dass die Klage bzw. der bedingte Zahlungsbefehl der beklagten Partei zugestellt wurde(n) und dass die Beschwerdeführerin und die beklagte Partei danach dem Bezirksgericht Linz das „ewige Ruhen“ anzeigten. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass die konkrete Formulierung der Feststellung ihren Grund in der Rechtslage hat: Gemäß § 247 Abs 2 ZPO ist nämlich grundsätzlich der Zahlungsbefehl dem Beklagten mit der Klage zuzustellen. Im Mahnverfahren, das mithilfe automationsunterstützter Datenverarbeitung durchgeführt wird, tritt allerdings an die Stelle der Zustellung der Klage die Zustellung des Zahlungsbefehls (§ 251 Z 2 ZPO).
Der Sachverhalt ist damit aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Rechtslage:
3.1.1. Gemäß § 1 Abs 1 GGG unterliegt die Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizverwaltungsbehörden einschließlich der an diese gerichteten Eingaben sowie die Führung der öffentlichen Bücher, Urkundensammlungen sowie einsichtsfähigen Register den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren im Sinne des GGG nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen und des angeschlossenen, einen Bestandteil des GGG bildenden Tarifs.
Der Verfassungsgerichtshof erkennt in seiner ständigen Rechtsprechung, dass bei Gerichtsgebühren eine strenge Äquivalenz im Einzelfall in dem Sinn, dass die Gebühren dem bei Gericht verursachten Aufwand entsprechen müssten, nicht erforderlich ist; vgl. VfSlg 11.751/1988, 18.070/2007, 19.666/2012. Gerichtsgebühren sind - wie Gebühren nach dem Gebührengesetz - nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-)Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt; siehe z. B. VfGH 18.06.2018, E 421/2018; siehe z. B. auch VfGH 13.03.2019, E 4496/2018-5, VfGH 07.06.2021, E 1149/2021-5. Vgl. auch die nähere Auseinandersetzung mit der höchstgerichtlichen Judikatur in BVwG 17.01.2019, L527 2200688-1/6E, im Zusammenhang mit einer aus der Regelung der TP 1 GGG, die die Gebühren ab einer bestimmten Höhe des Streitwertes in einem Hundertsatz des jeweiligen Streitwertes festlegt, resultierenden Pauschalgebühr in Höhe von EUR 6.004.688,-- und insofern aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen.
Bereits in VfSlg. 11.751/1988 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Anknüpfung der Gerichtsgebühren an „leicht feststellbare äußere Merkmale“ – der Gerichtshof nannte beispielhaft die Höhe eines Kaufpreises und die Höhe einer Kapitalerhöhung – sachgerecht ist. Der Gesetzgeber darf bei der Regelung von Gerichtsgebühren von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und es steht dem Gesetzgeber frei, bei der Bemessung von Gerichtsgebühren Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie zu berücksichtigen; das System muss freilich in sich konsistent ausgestaltet sein; vgl. mwN VfSlg 19.943/2014.
Ähnlich wie der Verfassungsgerichtshof argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof: Das GGG knüpfe bewusst an formale äußere Tatbestände an, um, eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten; vgl. z. B. VwGH 22.10.2015, Ro 2014/16/0021. Dies ist weder unsachlich noch gleichheitswidrig; VwGH 03.09.1987, 86/16/0050 und 16.11.2004, 2004/16/0125, 0126; VfGH 29.11.2007, B 1883/07. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestands, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon anknüpft, hinwegsieht, würde diesem Prinzip, dass die Gebührenpflicht bewusst an formale äußere Tatbestände anknüpfe, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten, nicht gerecht werden; vgl. mwN VwGH 06.10.2020, Ra 2020/16/0126.
3.1.2. Der Anspruch des Bundes auf die Gebühr wird § 2 Z 1 lit a GGG zufolge für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage, in den in den Anmerkungen 1 und 2 zur TP 1 angeführten Verfahren mit der Überreichung des Antrags, bei Protokollaranträgen mit dem Beginn der Niederschrift und für Vergleiche in allen Verfahren mit der Beurkundung durch das Entscheidungsorgan begründet.
3.1.3. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 14 GGG im Zivilprozess der Wert des Streitgegenstands nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN (Jurisdiktionsnorm), soweit im GGG nicht etwas anderes bestimmt wird.
Gemäß TP 1 GGG in der – angesichts der Einbringung der Klage 24.10.2019 – anzuwendenden Fassung BGBl I 81/2019 betrugen die Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz EUR 743 bei einem Wert des Streitgegenstandes über EUR 7.000 bis EUR 35.000.
Gemäß Anmerkung 1 zu TP 1 GGG unterliegen der Pauschalgebühr nach TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Erkenntnisse der Börsenschiedsgerichte, Bestandverfahren, Verfahren über Anträge auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls und Verfahren über Beweissicherungsanträge.
Anmerkung 2 zu TP 1 GGG zufolge ist die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG auch für prätorische Vergleiche (§ 433 ZPO) sowie für Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und Europäischer Beschlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung außerhalb eines Zivilprozesses zu entrichten; in diesen Fällen und wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird, ermäßigt sich die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG auf die Hälfte. Für Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nach den §§ 382b, 382e und 382g EO fallen keine Gebühren nach TP 1 GGG an. Die Wortfolge „und wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird“ wurde mit BGBl I 81/2019 in das GGG aufgenommen. Im Initiativantrag (IA 80/A XXVI. GP ) wird diese Änderung wie folgt begründet:
„Wenn eine Rechtssache in der ersten Verhandlung verglichen wird, ist das von Aufwand und Ergebnis einem prätorischen Vergleich gleichzuhalten. Auch der Aufwand des Gerichts ist durch die halbe Pauschalgebühr abgedeckt.
Das österreichische Justizsystem weist europaweit die höchste Gebührenbelastung auf. Laut der European Commission for the Efficiency of Justice (CEPEJ), ‚European judicial systems - Efficiency and quality of justice‘, CEPEJ Studies No. 23, 2016, ist Österreich das einzige Land, das mehr aus Gerichtsgebühren einnimmt, als das ganze Justizsystem kostet. Mit 111 % Kostendeckung liegt Österreich damit eklatant über dem Durchschnitt von 18%.
Hohe Rechtsgeschäftsgebühren bedeuten für sozial Schwache ein ganz wesentliches Hindernis beim Zugang zum Recht, einen massiven Standortnachteil und einen großen Wettbewerbsnachteil für Österreichische Unternehmerinnen. Die aus zu hohen Gebühren resultierende Vermeidung von schriftlichen Verträgen erhöht die Rechtsunsicherheit und führt zu weiteren Gerichtsverfahren.
‚Es gilt sicherzustellen, dass alle Rechtssuchenden einen leistbaren Zugang zum Justizsystem haben‘, wird im Regierungsprogramm proklamiert. Mit diesem ersten Schritt, der eine breite Wirkung auf viele Verfahren entfalten würde, kann ein entsprechendes Signal rasch und einfach gesetzt werden.
Der Zugang zum Recht darf nicht an überhöhten Gebühren scheitern.“
Zur gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2020, L521 2230762-1/2E, erhobenen Revision führte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 06.10.2020, Ra 2020/16/0126, unter anderem aus, dass eine analoge Anwendung der Ermäßigungstatbestände der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG nicht in Betracht komme, wenn erst nach Zustellung der Klage Ruhen des Verfahrens eintritt. Dabei berief sich der Verwaltungsgerichtshof auf die unter 3.1.1. bereits dargestellte Rechtsprechung, wonach die Gerichtsgebührenpflicht an formale äußere Tatbestände anknüpfe. Im betreffenden zivilgerichtlichen Verfahren war vor der vorbereitenden Tagsatzung, aber nach der Klagebeantwortung „ewiges Ruhen“ vereinbart worden. Der Verwaltungsgerichtshof setzte sich zwar nicht ausdrücklich (auch) mit der Gebührenermäßigung für den Fall, dass die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird, auseinander. Zu bedenken ist allerdings, dass das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung das GGG idF (in der Fassung) BGBl I 81/2019 zugrunde gelegt hatte (vgl. Punkt 3.1. im Erkenntnis BVwG 09.07.2020, L521 2230762-1/2E). Zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG sah sich der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht veranlasst, weil selbst eine erfolgreiche Anfechtung dieser Bestimmungen der Revisionswerberin nicht zum Vorteil gereichen könnte.
Der Verfassungsgerichtshof hielt zu in der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2020, L521 2231218-1/2E, geäußerten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Anmerkung 2 zu TP 1 GGG idF BGBl I 81/2019 fest, dass das Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe: „Dem Gesetzgeber steht bei der Festsetzung und Bemessung von Gerichtsgebühren ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Es steht ihm frei, an formale äußere Tatbestände anzuknüpfen, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu ermöglichen (vgl. VfSlg. 18.070/2007). Eine strenge Äquivalenz im Einzelfall in dem Sinn, dass die Gebühren dem bei Gericht verursachten Aufwand entsprechen müssten, ist nicht erforderlich (vgl. VfSlg. 19.666/2012).“ Folglich lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab (VfGH 25.02.2021, E 2044/2020-11). Die nach Abtretung der Beschwerde erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 12.05.2021, Ra 2021/16/0030, zurück.
3.1.4. Gemäß § 1 GEG (Gerichtliches Einbringungsgesetz) sind die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren von Amts wegen einzubringen.
Gemäß § 6c Abs 1 GEG sind die nach § 1 GGG einzubringenden Beträge mit Ausnahme der Beträge nach § 1 Z 6 GEG zurückzuzahlen, soweit sich in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde und der Rückzahlung keine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht (Z 1) oder soweit die Zahlungspflicht aufgrund einer nachfolgenden Entscheidung erloschen ist (Z 2). Gemäß § 6c Abs 2 GEG ist die Rückzahlung von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Beträge entrichtet hat, zu verfügen. Insoweit sich jedoch der Rückzahlungsanspruch als nicht berechtigt erweist, ist er von der Behörde (§ 6 GEG) mit Bescheid abzuweisen.
Gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GEG ist zuständige Behörde für die Vorschreibung der nach § 1 GEG einzubringenden Beträge aus Verfahren, die im Zeitpunkt der Vorschreibung der Beträge in erster Instanz anhängig sind oder zuletzt in erster Instanz anhängig waren (Grundverfahren), sowie für die Entscheidung über sonstige mit deren Einbringung zusammenhängende Anträge, einschließlich Rückzahlungsanträge und Einwendungen nach § 35 EO, der Präsident des Gerichtshofs erster Instanz für Beträge aus Grundverfahren bei seinem Gericht oder den ihm unterstellten Bezirksgerichten.
3.2. Zum gegenständlichen Fall:
3.2.1. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Anmerkung 2 zu TP 1 GGG, namentlich darauf, dass sich die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG auf die Hälfte ermäßige, wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird, und begehrt, dass ihrem Rückzahlungsantrag stattgegeben werde. Die Bestimmung über die Gebührenermäßigung müsse umso mehr zum Tragen kommen, wenn der Vergleich bereits vor der ersten Verhandlung rechtswirksam zustande komme und für das Gericht nicht einmal der Aufwand für die Durchführung einer eigenen Tagsatzung anfalle. Anmerkung 2 zu TP 1 GGG sei daher so auszulegen, dass sie auch den gegenständlichen Fall eines außergerichtlichen Vergleichs und der Vereinbarung „ewigen Ruhens“ bereits vor der ersten Verhandlung erfasse.
3.2.2. Der Argumentation der Beschwerdeführerin ist nicht zu folgen:
3.2.2.1. Außer Frage steht, dass der gegenständlich zu beurteilende Sachverhalt nicht vom Wortlaut der Anmerkung 2 zu TP 1 GGG erfasst ist: Weder liegt ein Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nach den §§ 382b, 382c und 382d EO noch ein Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und Europäischer Beschlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung außerhalb eines Zivilprozesses vor. Es wurde auch kein prätorischer Vergleich geschlossen. Gemäß § 433 Abs 1 ZPO ist nämlich, wer eine Klage zu erheben beabsichtigt, berechtigt, vor deren Einbringung bei dem Bezirksgerichte des Wohnsitzes des Gegners dessen Ladung zum Zwecke des Vergleichsversuches zu beantragen. Der prätorische Vergleich gemäß § 433 ZPO verfolgt also den Zweck der Prozessvermeidung, sodass in einem bereits anhängigen streitigen Verfahren ein solcher Vergleich nicht mehr in Betracht kommt; bei einem Vergleich, der nach Einbringung der Klage geschlossen wurde, kann von einem prätorischen Vergleich keine Rede sein; vgl. VwGH 19.02.1998, 97/16/0452, VwGH 20.02.2003, 2000/16/0027, und Kodek in Fasching/Konecny3 III/2 § 433 ZPO Rz 1, 22 (Stand 1.11.2017, rdb.at). Ebenso wenig wurde die Rechtssache in der ersten Verhandlung (vgl. zum Bestehen einer „terminologische[n] Unzulänglichkeit“ insoweit BVwG 12.03.2021, L521 2231681-1/5E) rechtswirksam verglichen.
Schon deshalb, weil es sich bei der Anmerkung 2 zu TP 1 GGG um eine dem öffentlichen Recht zuzuordnende Rechtsvorschrift handelt, kommt dem Wortlaut bzw. kommen der wörtlich-grammatikalischen sowie der systematischen Auslegungsmethode besondere Bedeutung zu. Denn die Bindung der Verwaltung an das Gesetz nach Art 18 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) bewirke einen Vorrang des Gesetzeswortlautes aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der Norm und den dem Gesetz unterworfenen Organen sei die Disposition über das Verständnis möglichst zu entziehen. Dies bedeute bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen einen Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter „korrigierender Auslegungsmethoden“; vgl. Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 (1996), 101 f, zitiert nach VwGH 20.02.2003, 2001/06/0057, und – mit Verweis auf VwGH 06.09.2002, 2001/06/0047, sowie VwGH 23.02.2001, 98/06/0240,- VwGH 20.02.2003, 2001/06/0057, selbst.
3.2.2.2. Überdies kommt die von der Beschwerdeführerin bezweckte Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Anmerkung 2 zu TP 1 GGG – etwa in vermeintlicher Anwendung einer historischen bzw. teleologischen oder verfassungskonformen Interpretation bzw. einer Analogie – jedenfalls angesichts der unter 3.1. zitierten höchstgerichtlichen Judikatur nicht Betracht: So steht der Ausdehnung des Anwendungsbereichs entgegen, dass damit dem vom Verfassungsgerichtshof und vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur vertretenen Prinzip, dass die Gebührenpflicht bewusst an formale äußere Tatbestände anknüpfe, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten, nicht mehr entsprochen wäre. Hinzutritt, dass der Verwaltungsgerichtshof – unter Bedachtnahme auf dieses Prinzip – eine analoge Anwendung der Ermäßigungstatbestände der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG ausdrücklich ausschloss, wenn – wie dies gegenständlich zutrifft – erst nach Zustellung der Klage Ruhen des Verfahrens eintritt. Hinsichtlich des Abstellens auf die Zustellung der Klage gilt es zu bedenken, dass damit bzw., wie Mayr in Fasching/Konecny3 III/1 § 232 ZPO Rz 3 (Stand 1.8.2017, rdb.at) zutreffend darlegt, mit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes an die beklagte Partei die Streitsache streitanhängig wird; zu den verfahrenseinleitenden Schriftsätzen zählen nicht nur die Klage, sondern auch die Widerklage, der Zahlungsbefehl (mit Mahnklage) im Mahnverfahren, die Kündigung im Bestandverfahren und die Klage mit bewilligtem Zahlungsauftrag im Wechselmandatsverfahren. Zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit sah sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst. Die Ablehnung der Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2020, L521 2231218-1/2E, erhobenen Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 25.02.2021, E 2044/2020-11) spricht zudem dafür, dass der Verfassungsgerichtshof selbst (auch) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Gebührenermäßigung (nur) in jenen Fällen, in denen die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird, hat.
Wenngleich eine analoge Anwendung der Ermäßigung auf den gegenständlichen Fall schon aufgrund der eindeutigen höchstgerichtlichen Judikatur ausgeschlossen erscheint, sei der Vollständigkeit halber noch auf Folgendes hingewiesen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist die Analogie auch im Bereich des Verwaltungsrechts grundsätzlich zulässig. Das Bestehen einer Rechtslücke ist hier aber im Zweifel nicht anzunehmen; vgl. VwGH 03.11.1978, 0970/75. Voraussetzung für die Analogie im öffentlichen Recht ist das Bestehen einer echten (das heißt planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist oder wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen. Vgl. mwN VwGH 31.07.2020, Ra 2020/11/0086. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut nur dann zulässig ist, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise wenn den Gesetzesmaterialien mit Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt; vgl. mwN VwGH 29.07.2020, Ra 2019/07/0079.
Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits erkannt hat (vgl. BVwG 12.03.2021, L521 2231681-1/5E, BVwG 04.06.2020, L521 2231218-1/2E), lässt der Initiativantrag (IA 80/A XXVI. GP ) nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber mit BGBl I 81/2019 sämtliche Fälle, in denen der Aufwand des Gerichts dem Aufwand für einen Vergleich im Sinne des § 433 ZPO gleichzuhalten sei, der Gebührenermäßigung nach Anmerkung 2 zu TP 1 GGG unterwerfen wollte. Andernfalls hätte der Gesetzgeber nicht ausdrücklich die Formulierung „wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird“ gewählt. BGBl I 81/2019 liegt erkennbar die Absicht zugrunde, dass es in einer bestimmten prozessualen Konstellation, in der der Aufwand des Gerichts (und das Ergebnis) dem Aufwand (und Ergebnis) in Konstellationen, die bereits in einem Ermäßigungstatbestand verankert waren, gleichzuhalten sei(en), ebenfalls zu einer Gebührenermäßigung kommen solle. Anhaltspunkte dafür, dass die Gebührenermäßigung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in sämtlichen Fällen, in denen der Arbeitsaufwand des Gerichts dem bei einem Vergleich im Sinne des § 433 ZPO entspricht bzw. in denen das Verfahren vor oder in der ersten Tagsatzung beendet wird, eintreten solle, gibt es nicht. Dem Gesetzgeber kann freilich nicht unterstellt werden, dass er sich entsprechender Beendigungsmöglichkeiten bzw. derartiger (prozessualer) Konstellationen nicht bewusst gewesen sei. Angesicht dessen kann nicht davon gesprochen werden, dass eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als zum Ausdruck gebracht wurde. Dass es verfassungsrechtlich geboten wäre, sämtliche Formen der Verfahrensbeendigung in einem frühen Verfahrensstadium einer Gebührenermäßigung zu unterwerfen, ist vor dem Hintergrund der bereits erörterten höchstgerichtlichen Judikatur zu verneinen. Das Bundesverwaltungsgericht erinnert daran, dass dem Gesetzgeber bei der Festsetzung und Bemessung von Gerichtsgebühren ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt.
In Anbetracht dieser Überlegungen bzw. dieser Rechtslage zeigt die Beschwerdeführerin mit dem Verweis auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs, in denen dieser die analoge Anwendung gerichtsgebührenrechtlicher Tatbestände (VwGH 09.03.1990, 88/17/0182) bzw. die Begründung eines Kostenersatzanspruchs im Finanzstrafrecht im Wege der Analogie (VwGH 21.03.1996, 93/15/0221) für zulässig befunden habe, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf. In den beiden zitierten Entscheidungen erkannte der Verwaltungsgerichtshof im jeweils anzuwendenden Recht eine echte Gesetzeslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts. Im Unterschied dazu war, wie umfassend erwogen, das Vorliegen einer echten Rechtslücke im Zusammenhang mit Anmerkung 2 zu TP 1 GGG, jedenfalls soweit dies im Lichte des festgestellten Sachverhalts zu beurteilen war, zu verneinen.
3.2.2.3. Im Übrigen ist zu beachten, dass sich der gegenständlich zu beurteilende Sachverhalt und die damit verbundenen Rechtsfolgen, namentlich der Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs und die Vereinbarung sowie Anzeige „ewigen Ruhens“ vor der ersten Verhandlung bzw. Tagsatzung, sowohl von einem Vergleich im Sinne des § 433 ZPO als auch davon, dass die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird, wesentlich unterscheiden.
Der Vergleich im Sinne des § 433 ZPO dient überhaupt der Prozessvermeidung; er ermöglicht es, einen streitig gewordenen Anspruch bereits vor Einbringung der Klage durch Vergleich zu erledigen; vgl. oben unter 3.2.2.1. sowie Kodek in Fasching/Konecny3 III/2 § 433 ZPO Rz 1 (Stand 1.11.2017, rdb.at). Dem (Prozess-)Vergleich im Sinne des § 204 ZPO kommt unmittelbar prozessbeendende Wirkung zu; vgl. Klicka in Fasching/Konecny3 II/3 § 206 ZPO Rz 16 (Stand 1.10.2015, rdb.at).
Demgegenüber sind mit dem Ruhen des Verfahrens im Sinne des § 168 ZPO die Rechtswirkungen einer Unterbrechung des Verfahrens mit der Ausnahme verbunden, dass der Lauf von Notfristen nicht aufhört. Die Gerichts- und Streitanhängigkeit bleibt trotz des Ruhens aufrecht; vgl. mwN Fink in Fasching/Konecny3 II/3 § 168 ZPO Rz 21 (Stand 1.10.2015, rdb.at). Das Ruhen des Verfahrens hat außerdem zur Folge, dass das Verfahren vor Ablauf von drei Monaten seit der Anzeige der getroffenen Vereinbarung nicht aufgenommen werden kann. Selbst die Vereinbarung „ewigen Ruhens“ wird als prozessual unbeachtlich erachtet; vgl. Fink in Fasching/Konecny3 II/3 § 168 ZPO Rz 7 (Stand 1.10.2015, rdb.at). Die Vereinbarung „ewigen Ruhens“ ist nicht prozessbeendend und das Verfahren ist nach Ablauf der Mindestfrist von drei Monaten auf Antrag einer Partei jedenfalls fortzusetzen. Das Verfahren bleibt gerichts- und streitanhängig; vgl. RIS-Justiz RS0036976, RS0036703.
Im Lichte der aufgezeigten Unterschiede kann umso weniger davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber – obwohl dergleichen weder in den Materialien angedeutet wird noch in den Normtext Eingang gefunden hat – mit BGBl I 81/2019 auch eine Gebührenermäßigung für Sachverhalte wie den gegenständlichen regeln wollte. Die Unterschiede bestätigen darüber hinaus, dass eine Ausdehnung der Gebührenermäßigung auf Sachverhalte wie den gegenständlichen auch nicht verfassungsrechtlich geboten ist.
3.2.2.4. Zur in der Beschwerde ebenfalls aufgegriffenen Thematik des Zugangs zum Recht ist der Vollständigkeit halber auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinzuweisen: In seiner Entscheidung vom 01.03.2007, B 301/06, (= VfSlg. 18.070/2007) die sich (unter anderem) auf TP 1 GGG bezieht (!), erachtete der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf das dortige Vorbringen, wirtschaftliche Gründe würden einer Prozessführung entgegenstehen, das Institut der Verfahrenshilfe im Sinne der §§ 63 ff ZPO, das eine Befreiung von der Entrichtung von Gerichtsgebühren ermöglicht (§ 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO), für ausreichend, um Zugang zu einem Gericht im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) zu gewährleisten. Hinzukomme, dass gemäß § 9 Abs 1 und 2 GEG eine Verlängerung der Zahlungsfrist und eine Stundung möglich sind oder die Gebühr nachgelassen werden kann, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 09.12.2010, Nr. 35123/05, Urbanek gegen Österreich, der Beschwerde unter anderem deshalb keine Folge gab, weil nach österreichischem Recht die Möglichkeit der Verfahrenshilfe gegeben ist und vorgeschriebene Gerichtsgebühren gemäß § 9 GEG aus Billigkeitsgründen nachträglich herabgesetzt werden können. Das vom Gerichtshof beurteilte österreichische Gerichtsgebührensystem sichere daher ein ausreichendes Maß an Flexibilität. Vgl. NMLR 6/2010, 361 ff.
Zu den Ausführungen in der Beschwerde, wonach es über den gegenständlichen Anlassfall hinaus weitere Verfahrenskonstellationen gebe, die hinsichtlich des Verfahrensaufwands des Gerichts mit der in Anmerkung 2 zu TP 1 GGG angeführten Situation des Vergleichs in der ersten Verhandlung „vergleichbar“ seien, ist abschließend festzuhalten: Damit entfernt sich die Beschwerdeführerin, wie sie selbst einräumt, vom festgestellten Sachverhalt. Schon aus diesem Grund erübrigt es sich, auf dieses Vorbringen näher einzugehen. Das Bundesverwaltungsgericht merkt lediglich an, dass der Gesetzgeber die durch BGBl I 81/2019 letztlich bewirkte Änderung nicht damit begründete, dass der Aufwand des Gerichts im Falle eines Vergleichs in der ersten Verhandlung mit dem Aufwand eines prätorischen Vergleichs „vergleichbar“ sei, sondern damit, dass der Aufwand und das Ergebnis im Falle eines Vergleichs in der ersten Verhandlung dem Aufwand und Ergebnis im Falle eines prätorischen Vergleichs „gleichzuhalten“ seien.
3.2.2.5. Aus den bisherigen Erwägungen folgt zweifelsfrei, dass die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der halben Pauschalgebühr zu Recht nicht stattgab. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtmäßig, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war (§ 28 Abs 1 und 2 VwGVG [Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz]).
3.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Weder die – anwaltlich vertretene – Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde beantragten eine mündliche Verhandlung, sodass jedenfalls bei der Beschwerdeführerin von einem Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auszugehen ist; vgl. mwN VwGH 19.06.2020, Ro 2019/11/0017. Hinzutritt, dass – angesichts des unstrittigen Sachverhalts und der eindeutigen Rechtslage – im vorliegenden Fall die mündliche Erörterung auch eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ferner im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) nicht ersichtlich war. Vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist, und VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132, wonach Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 EMRK fallen. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist; vgl. VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. des Verfassungsgerichtshofs (vgl. die zahlreichen Zitate) bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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