GGG Art1 §32 TP1
VwGG §30 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:L521.2230762.1.01
Spruch:
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über den Antrag der XXXX , Republik Seychellen, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.07.2020, L521 2230762-1/2E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den
BESCHLUSS
gefasst:
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit dem im Spruch angeführten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.07.2020 wurde die revisionswerbende Gesellschaft als Klägerin im Verfahren XXXX des Landesgerichtes Linz im Instanzenzug zur Zahlung restlicher Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG und einer Einhebungsgebühr im Gesamtbetrag von EUR 8.121,00 verpflichtet.
In der dagegen am 06.08.2020 eingebrachten außerordentlichen Revision wird beantragt, der der Revision die aufschiebende Wirkung zuerkennen sowie ein Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich § 30 VwGG angeregt. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Gesellschaft Folgendes aus:
„Wie bereits dargestellt wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht übersehen, dass hinsichtlich der Bewertung des Streitgegenstandes bei Prüfungsprozessen gemäß § 110 IO divergierende Rechtsprechung vorliegt. Und zur Frage der analogen Anwendung der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG auf Fälle der Vereinbarung des ewigen Ruhens, noch bevor überhaupt die vorbereitende Tagsatzung stattgefunden hat, liegt überhaupt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung ist die außerordentliche Revision daher auch wahrzunehmen und ihr aufschiebende Wirkung zuzusprechen. Die Antragstellung einer aufschiebenden Wirkung sollte aber wegen der fehlenden bzw. divergierenden Rechtsprechung sachlicher Weise gar nicht mehr notwendig sein, weil die Rechtslage unklar ist. Rechtsschutzeinrichtungen müssen ein Mindestmaß an faktischer Effizienz aufweisen.
.. Tatsächlich hätte das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der fehlenden bzw. divergierenden Rechtsprechung sogar die ordentliche Revision zulassen sollen und müssen.
.. Gemäß § 30 VwGG hat jedoch die Revision an den Verwaltungsgerichtshof keine aufschiebende Wirkung. Diese ist generell ausgeschlossen. Der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels ist aber gemäß Art 18 B-VG verfassungswidrig (VfSlg 11.196, 12.683, 13.003, 13.305, G 1306/95 ua). Es ist unsachlich iSd Art 7 B-VG wenn das Rechtsmittelsystem von Verwaltungsgerichten an jene der Justiz angeglichen wurden, aber für die Vollstreckbarkeit unterschiedliche Regelungen gelten. So ist auch keine Aussetzung der Vollstreckung bei außerordentlichen Revisionen an den VwGH vorgesehen, wie dies in der Exekutionsordnung vorgesehen ist. Dies beeinträchtigt auch den Eigentumsschutz, vor allem in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Bundesverwaltungsgericht verkennt, dass entweder überhaupt keine Rechtsprechung besteht sowie von der bestehenden Rechtsprechung abgeht bzw. verkennt, dass hier divergierende Rechtsprechung besteht. Ein Tatbestand der aufschiebenden Wirkung wäre daher in § 30 VwGG zu regeln gewesen (für außerordentliche Revisionen).
.. Dazu kommt, dass nach Rechtsprechung des VfGH durch die Instanzenzüge ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet sein muss. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 30 Abs 1 VwGG ist mit Art 18 B-VG nicht zu vereinbaren. Vor allem resultieren aus Art 1 1. ZP zur EMRK auch aktive Schutzpflichten des Staates von Enteignung, dies gilt auch für (grob) rechtswidrige Forderungsbescheide (die positive Schutzpflicht in Verbindung mit Art 1 1. ZP EMRK sind in ständiger Rechtsprechung vor allem für den Eigentumsschutz anerkannt – Frowein/Peukert, aaO, Rz 33 zu Art 1 1 ZP).
.. Durch das AbgRmRefG sollte eine umfassende Verbesserung des Rechtsschutzes geschaffen werden. Auf Seite 3 in den Blg NR 1128 GP XXI führt der Gesetzgeber aus, dass er die Schaffung eines Rechtsmittelstandards iSd Art 6 EMRK beabsichtigt.
.. Ist eine Revision plausibel ausgeführt, sollte dieser aufschiebende Wirkung zukommen. Die ZPO sieht beispielsweise auch vor, dass das Rechtsmittelgericht gemäß § 490 ZPO über den Umfang der Vollstreckungshemmung bzw. Rechtskraft vor der Hauptentscheidung abspricht. Dies entspricht auch dem Geist der EMRK, zumal der EGMR auch folgendes judiziert:
‚Eine divergierende Rechtsprechung kann zu einer Rechtsunsicherheit und damit zu einer Verletzung von Art 6 EMRK führen. In jeder Gerichtsbarkeit gibt es voneinander abweichende Urteile. Zweifelsfragen werden im Instanzenzug geklärt. Wenn aber das oberste Gericht zu derselben Frage einander widersprechende Entscheidungen trifft und kein Mechanismus vorhanden ist, der eine einheitliche Rechtsprechung sicherstellt, verletzt das Art 6 EMRK (EGMR vom 06.12.2007, 30658/05 Nr. 35, Slg. 07-VIII – Beian/Rumänien; EGMR vom 01.12.2009, 44698/06 Nr. 56 – Vincicu.a/Serbien; EGMR vom 24.03.2009, 21911/03 Nr. 29-31 – Tudor/Rumänien).‘ Es wird daher die Gesetzesprüfung des § 30 VwGG durch den VfGH angeregt.
.. Die aufschiebende Wirkung ist mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
.. Zu wirtschaftlichen Verhältnissen der revisionswerbenden Partei ist festzuhalten, dass die XXXX (= Schuldnerin im Insolvenzverfahren vor dem Landesgerichts Linz zu XXXX ) der revisionswerbenden Partei den hier gegenständlichen Betrag von € 447.352,05 schuldete. Die revisionswerbende Partei hat somit enorme Einbußen erlitten. Das Geschäft mit der Mehrwerttelefonie (= Tätigkeitsfeld der revisionswerbenden Partei) ist in den letzten Jahren ebenfalls enorm zurückgegangen. Die revisionswerbende Partei erzielt keine nennenswerten Einkünfte mehr. Dies belegt auch der Umstand, dass die revisionswerbende Partei nicht einmal die restliche Pauschalgebühren iHv € 8.113,00 aufbringen kann (auch wenn diese tatsächlich nicht zustehen, wie dargelegt wurde).“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Die Revision hat gemäß § 30 Abs. 1 erster Satz VwGG keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG erster Satz VwGG hat jedoch bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Gemäß § 30a Abs 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Entscheidungspraxis davon aus, dass das Verwaltungsgericht (auch) im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revisionen zur Entscheidung über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verpflichtet ist (vgl. etwa VwGH 20.04.2017, Ra 2017/19/0113; 25.04.2017, Ra 2017/16/0039; 25.07.2019, Ra 2019/14/0339).
Um die vom Gesetzgeber bei einer Entscheidung über die aufschiebende Wirkung geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere den Beschluss eines verstärkten Senates vom 25.02.1981, VwSlg. 10.381/A) erforderlich, dass der Antragsteller konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Im Fall der Auferlegung von Geldleistungen ist es notwendig, die im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie die Vermögensverhältnisse (unter Einschluss der Schulden nach Art und Ausmaß) konkret – tunlichst ziffernmäßig – anzugeben; weiters sind Angaben dazu erforderlich, welcher Vermögensschaden durch welche Maßnahme droht und inwiefern dieser Schaden im Hinblick auf die sonstigen Vermögensumstände der Partei unverhältnismäßig ist (vgl. den Beschluss vom 18.05.2020, Ra 2020/08/0078).
Die revisionswerbende Gesellschaft bringt in ihrem Antrag zunächst Verfassungswidrigkeit des § 30 VwGG vor. Aus den bezughabenden Ausführungen kann allerdings kein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinn der angefügten Bestimmung für die revisionswerbende Gesellschaft erkannt werden. Eine Verfassungswidrigkeit des § 30 VwGG liegt nicht vor (vgl. VfSlg. 12.297/1990).
Dem weiteren Vorbringen der revisionswerbenden Gesellschaft zur Begründung ihres Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung können – von der Behauptung „enormer Einbußen“ sowie eines Rückganges des „Geschäftes mit der Mehrwerttelefonie“ können keine hinreichend konkreten Aussagen über das Einkommen und über die Vermögensverhältnisse der revisionswerbenden Gesellschaft entnommen werden. Der Antrag lässt somit mangels Darlegung der konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Beurteilung nicht zu, dass für die revisionswerbende Gesellschaft mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses tatsächlich ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre (vgl. dazu auch den im Parallelverfahren ergangenen Beschluss vom 13.07.2020, Ra 2020/16/0104-3). Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass im Antrag auch nicht dargetan wird, inwieweit der revisionswerbenden Gesellschaft auf Antrag eine Entrichtung der restlichen Pauschalgebühr im Wege der Ratenzahlung oder überhaupt die Stundung des Betrages gemäß § 9 GEG bewilligt werden könnte, was der Annahme eines unverhältnismäßigen Nachteils ebenfalls entgegen steht (vgl. dazu den Beschluss vom 11.07.2017, Ra 2017/11/0206).
Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist daher gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.
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