VwGH Ra 2015/16/0132

VwGHRa 2015/16/013211.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Berger über die Revision der I GmbH in W sowie der S AG in K, beide vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Oktober 2015, Zl. W208 2015479- 1/8E, betreffend Versagung des Nachlasses von Gerichtsgebühren, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art132 Abs1 Z1;
GEG §9 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015160132.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Erstrevisionswerberin hatte aufgrund von fünf Kaufverträgen von fünf Miteigentümern deren Mindestanteile an einer Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum verbunden ist, erworben. Nachdem der Rechtsfreund der Revisionswerberinnen zunächst am 16. Juni 2014 beim Bezirksgericht M in einem Grundbuchsgesuch den Antrag auf Einverleibung von Wohnungseigentum zugunsten der Käuferin und auf Einverleibung eines Höchstbetrags-Pfandrechts von EUR 1.400.000,-- zu Gunsten der Zweitrevisionswerberin beantragt hatte, das Bezirksgericht jedoch diesen Antrag abwies, beantragte er die Eintragung des Wohnungseigentums sowie des Höchstbetrags-Pfandrechts an den jeweiligen Mindestanteilen in separaten Grundbuchsgesuchen, die das Bezirksgericht bewilligte und vollzog.

Für jede beantragte Eintragung wurden den Revisionswerberinnen zur ungeteilten Hand Eintragungsgebühren nach TP 9 lit. b Z. 4 GGG in der Höhe von EUR 16.800--, insgesamt daher EUR 84.000,-- vorgeschrieben.

In seiner Eingabe vom 8. Oktober 2014, betreffend "Antrag gemäß § 9 Abs. 2 GEG", beantragte der Rechtsfreund für "seine Klientin, die I GmbH", die Gerichtsgebühren nach § 9 Abs. 2 GEG so nachzusehen, dass nur eine einmalige Vorschreibung der Eintragungsgebühr (in Höhe von EUR 16.800,--) erfolge.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 gab der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien dem Antrag der Erstrevisionswerberin auf Nachlass von Gerichtsgebühren gemäß § 9 Abs. 2 GEG nicht statt, weil keine besondere Härte im Sinn des § 9 Abs. 2 GEG vorliege.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerberinnen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In einem Beweisantrag vom 27. Jänner 2015 beantragte deren Rechtsfreund, ihn als Zeugen zu vernehmen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Erstrevisionswerberin gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 2 GEG als unbegründet ab und die Beschwerde der Zweitrevisionswerberin gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG zurück; weiters sprach das Gericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges sowie der Rechtslage erwog das Verwaltungsgericht unter umfangreicher Wiedergabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere zu § 9 Abs. 2 GEG - soweit für die Frage der Zulässigkeit der Revision von Relevanz - im Wesentlichen, dass die kumulative Vorschreibung der Eintragungsgebühren für jeden der Eintragungsvorgänge zu Recht erfolgt sei. Ein Nachlass von Gerichtsgebühren nach § 9 Abs. 2 GEG setze voraus, dass die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen sei. Das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an einem Nachlass liege im konkreten Fall nicht vor und sei auch nicht behauptet worden. Auch könne nicht angenommen werden, dass im Revisionsfall eine "besondere Härte" im Sinn des § 9 Abs. 2 GEG vorliegen würde, weil weder eine sachliche Unbilligkeit der Einbringung noch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht komme. Eine sachliche Unbilligkeit sei nicht gegeben, weil die kumulative Vorschreibung der Eintragungsgebühren lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage sei, die alle vom betreffenden Gesetz erfassten Gebührenpflichtigen in gleicher Weise treffe. Auch im Rahmen des Nachlassverfahrens dürfe es zu keiner Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und seiner verfassungsrechtlich unzulässigen Kontrolle der Rechtsprechung durch die Justizverwaltung kommen. Auch eine persönliche Unbilligkeit könne in Anbetracht der Revisionswerberinnen nicht angenommen werden. Die Zurückweisung der Beschwerde der Zweitrevisionswerberin folge daraus, dass der angefochtene Bescheid gar nicht gegenüber dieser ergangen sei, weshalb dieser keine Beschwerdelegitimation zukomme. Abschließend begründete das Gericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision.

In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachten sich die Revisionswerberinnen "in folgenden einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten verletzt:

  1. a) durch unrichtige Anwendung des § 9 Abs. 2 GEG
  2. b) durch die unrichtige Anwendung des § 24 Abs. 4 VwGFG".

    Die Zulässigkeit der Revision erblicken sie darin, dass sich die bisherigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht damit beschäftigt hätten, wann ein Nachlass gemäß § 9 Abs. 2 GEG im öffentlichen Interesse gelegen sei. Ein solches liege im Revisionsfall darin, dass die Revisionswerberinnen aufgrund einer (unrichtigen) Rechtsauskunft und Entscheidung der Grundbuchsführerin in der Folge fünf Grundbuchsanträge gestellt und jetzt fünf Mal die Eintragungsgebühr vorgeschrieben hätten. Ein erhebliches öffentliches Interesse bestehe daran, dass durch unrichtige Entscheidungen eines Gerichts kein zusätzlicher Schaden entstehe. Es gebe keine Rechtsprechung darüber, ob § 9 Abs. 2 GEG zur Anwendung komme, wenn eine Behörde eine unrichtige Entscheidung treffe und aus dieser Entscheidung resultiere, dass es zu einer unangemessenen Gebührenvorschreibung komme. Weiters sehen die Revisionswerberinnen die Zulässigkeit ihrer Revision unter Zitierung von Art. 6 Abs. 1 EMRK darin begründet, es gebe keine Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes darüber, ob ein Nachlassansuchen nach § 9 Abs. 2 GEG eine mündliche Verhandlung bei einem diesbezüglichen Antrag voraussetze. Auch sei der Grundtatbestand des § 24 Abs. 4 (richtig wohl:) VwGVG erfüllt. Schließlich entspreche auch die Zurückweisung der Beschwerde gegenüber der Zweitrevisionswerberin nicht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Wenn im angefochtenen Bescheid nur von der Erstrevisionswerberin die Rede sei, könne dies nicht bedeuten, dass die Zweitrevisionswerberin ihre Parteistellung verloren habe.

    Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

    Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

    Soweit die Revisionswerberinnen die Zurückweisung der Beschwerde der Zweitrevisionswerberin als in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehend sehen, weil die Erlassung der Gerichtsgebühren für beide Revisionswerberinnen beantragt worden sei und, wenn im angefochtenen Bescheid nur von der Erstrevisionswerberin die Rede sei, dies nicht bedeuten könne, dass die Zweitrevisionswerberin ihre Parteistellung verloren habe, entfernen sich die Revisionswerberinnen zunächst von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts über den Verfahrensgang, namentlich über den Umfang des Nachlassansuchens, das ausdrücklich nur namens der Erstrevisionswerberin erhoben worden war. Schließlich übersehen sie, dass zur Erhebung einer Parteibeschwerde nach Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG legitimiert ist, wer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in seinen subjektiven Rechten verletzt zu sein; zu den subjektiven Rechten, deren mögliche Verletzung die Beschwerdelegitimation begründen, zählen sowohl einfachgesetzlich wie auch verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte. Die Beschwerdelegitimation setzt neben der Rechtspersönlichkeit des Beschwerdeführers voraus, dass eine solche Rechtsverletzung möglich ist; ob dies der Fall ist, ist nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides zu bestimmen (vgl. etwa die in Mayer/Muzak, B-VG5, unter Anmerkung I.2. zu Art. 132 B-VG wiedergegebene Rechtsprechung). Da der angefochtene Bescheid nur über den Antrag der Erstrevisionswerberin absprach, konnte der Bescheid auch nur dieser gegenüber Rechtswirkung entfalten, weshalb die Zweitrevisionswerberin nicht zur Erhebung einer Parteibeschwerde nach Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG legitimiert war. Die Zurückweisung der Beschwerde der Zweitrevisionswerberin wirft daher keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.

    Betreffend die Abstandnahme von einer Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sind die Revisionswerberinnen zunächst darauf hinzuweisen, dass sie die Durchführung einer Verhandlung nicht in der Beschwerde, sondern erst in einem späteren Schriftsatz beantragt hatten. Weiters fallen Angelegenheiten der Gerichtsgebühr nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. etwa die in Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren11, unter E 21 zu § 1 GGG wiedergegebene Rechtsprechung).

    Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn es dies für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 9. September 2014, Ro 2014/09/0049, sowie vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/19/0085). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird.

    Eine solche Konstellation war jedoch im Revisionsfall nicht gegeben, war und ist doch das Verwaltungsgeschehen unstrittig, insbesondere die Gestion der Revisionswerberinnen im Grundbuchsverfahren, und war für das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund nur mehr die Rechtsfrage, nämlich die der Unbilligkeit der kumulativen Vorschreibung der Eintragungsgebühren zu beantworten.

    Damit wirft auch die Abstandnahme des Bundesverwaltungsgerichtes von der Durchführung einer Verhandlung keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf.

    Schließlich wirft die vorliegende Revision auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in der Handhabung der Ermessensbestimmung des § 9 Abs. 2 GEG auf. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Einwendungen gegen die Richtigkeit der Festsetzung und Einhebung der Gebühren sowie gegen die Richtigkeit der ergangenen gerichtlichen Entscheidungen im Nachlassverfahren außer Betracht zu bleiben. Der Nachlass hängt vielmehr vom Vorliegen individueller Gründe ab, die die Einziehung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen lassen (vgl. etwa die Wais/Dokalik, aaO, unter E 56 zu § 9 GEG wiedergegebene Rechtsprechung). Ein öffentliches Interesse am Nachlass nach § 9 Abs. 2 GEG kann nur in jenen Fällen gegeben sein, in welchen dieses Interesse unmittelbar am Nachlass der Gebühr besteht (vgl. die in Wais/Dokalik, aaO, unter E 88 zu § 9 GEG wiedergegebene Rechtsprechung).

    Wenn die Revisionswerberinnen ein öffentliches Interesse im Sinn des § 9 Abs. 2 GEG darin erblicken, dass ihnen "durch unrichtige Entscheidungen eines Gerichtes" kein zusätzlicher Schaden entstehe, beharren sie damit einerseits in unzulässiger Weise auf ihren Einwendungen gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Grundbuchsgerichts, andererseits verkennen sie das nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes formulierte Erfordernis der Unmittelbarkeit des öffentlichen Interesses nach § 9 Abs. 2 GEG nur unmittelbar am Nachlass. Ein öffentliches Interesse des Bundes unmittelbar am Nachlass der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren ist nicht schon durch das subjektive Interesse der Revisionswerberinnen an einer Entlastung von diesen Gerichtsgebühren erfüllt.

    Die vorliegende Revision ist daher schon wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

    Wien, am 11. Jänner 2016

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