FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W124.2234634.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger vonIndien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm §§ 52, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger von Indien, reiste im Juli XXXX unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und lebt seither durchgehend in Österreich. Am XXXX wurde ihm der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ erteilt. Zuletzt wurde ihm am XXXX eine Karte zur Dokumentation dieses Aufenthaltstitels mit Gültigkeit bis zum XXXX ausgestellt.
2. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der BF rechtskräftig wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) leitete daraufhin ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot ein. Am XXXX erfolgte eine Einvernahme des BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi.
Eingangs gab der BF zu Protokoll, an keinen Krankheiten zu leiden und keine Medikamente zu benötigen. Er befinde sich aktuell jedoch in Therapie und müsse diese Therapie nach seiner Entlassung ein weiteres Jahr fortsetzen.
Hinsichtlich seiner Bindungen zum Herkunftsstaat führte er an, in Indien würden noch seine Eltern leben und pflege er zu ihnen circa einmal in der Woche telefonischen Kontakt. Befragt, ob er sie finanziell unterstütze, gab er an, wenn er in Indien auf Urlaub sei, nehme er ihnen etwas mit. Er schicke ihnen jedoch nichts. Neben seinen Eltern würden im Herkunftsstaat auch noch weitere Verwandte sowie – wenn auch nur wenige – seiner Freunde leben. Seit dem Jahr XXXX sei er sechs- bis siebenmal in Indien gewesen und habe dort Urlaub gemacht. Zuletzt sei er im Oktober XXXX dort gewesen. Im Herkunftsstaat habe er bei seinen Eltern im Bundesstaat Punjab einen Wohnsitz.
In Indien habe er seinen Lebensunterhalt zunächst mit der Unterstützung seiner Familie bestritten. In weiterer Folge habe er im landwirtschaftlichen Betrieb der Familie mitgeholfen. Im Herkunftsstaat habe er zwölf Jahre die Schule besucht. Über eine sonstige Ausbildung verfüge er nicht. Er könne sich nicht vorstellen, eine Beschäftigung im Herkunftsstaat aufzunehmen, zumal er seit 16 oder 17 Jahren in Österreich sei und nicht wisse, was er dort machen soll.
Auf Vorhalt seiner strafgerichtlichen Verurteilung führte er an, er habe einen Fehler gemacht, ersuche jedoch um eine weitere Chance, da er eine Frau und ein Kind habe. Seit er in Österreich sei, habe er immer gearbeitet und für seinen Unterhalt gesorgt.
Zu seinem Aufenthalt in Österreich führte er an, er befinde sich seit Ende Juli XXXX in Österreich und habe einen Aufenthaltstitel. Er sei unrechtmäßig eingereist, da er arbeiten habe wollen und die Lage in Indien nicht so gut gewesen sei. Im Jahr XXXX habe er eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Die Scheidung sei im Jahr XXXX erfolgt. Am XXXX habe er in Indien mit XXXX , einer indischen Staatsangehörigen, die Ehe geschlossen. Sie seien sowohl standesamtlich als auch nach religiösem Ritus verheiratet. Seit XXXX lebe seine Ehefrau in Österreich. Ihr gemeinsamer Sohn, XXXX , sei am XXXX geboren und sei indischer Staatsangehöriger. Der BF und seine Ehefrau seien gemeinsam mit seiner Obsorge betraut.
Weiter führte der BF an, dass auch sein Bruder mit dessen Familie in Österreich lebe. In Bezug auf seine Integration gab er zu Protokoll, er sei nicht Mitglied in einem Verein, besuche jedoch regelmäßig den Sikh Tempel. An Deutschkursen habe er nicht teilgenommen und spreche er insgesamt auch nur wenig Deutsch.
Für die Dauer von 13 Jahren habe er in Österreich legal als Schankhilfe gearbeitet. Er beabsichtige, seinen Arbeitgeber zu fragen, ob er dort wieder anfangen könne. Ferner gebe es ein Restaurant, wo er arbeiten könne. Als Schankhilfe habe er am Ende € 1.313, -- netto verdient. Seine Ehefrau arbeite in einer Wäscherei. Derzeit hätten sie nur das Gehalt seiner Ehefrau; das seien € 1.100 ,-- . Durch Gartenarbeit habe er in der Justizanstalt durchschnittlich € 300 ,-- verdient. Dies hänge von den Stunden und dem Wetter ab.
Hinsichtlich des Verhältnisses zu seiner Ehefrau und seinem Sohn führte er an, er habe sich bei seiner Ehefrau für die seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Taten entschuldigt. Seine Ehefrau und sein Sohn würden auf ihn warten und würden ihn auch besuchen. Er telefoniere täglich mit ihnen. Der letzte Besuch habe im Februar im Rahmen eines Ausgangs stattgefunden. Dann sei die Covid-19-Pandemie gekommen. Seine Frau und sein Sohn hätten ihn von Anfang an im Gefängnis besucht. Da seine Frau erwerbstätig sei, sei sie einmal im Monat gekommen. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie sei das aktuell nicht möglich. Ferner hätten ihn im Gefängnis sein Bruder mit seiner Familie sowie zwei bis drei weitere Familien, die er aus dem Sikh-Tempel kenne, besucht.
Befragt, ob er sich einer Abschiebung widersetzen werde, führte er an, er würde versuchen, mithilfe eines Anwalts ein Rechtsmittel zu erheben. Er wolle, dass sein Kind in Österreich in die Schule gehe, und entschuldige sich für seine Fehler.
4. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem BF der Rest der Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten bedingt nachgesehen und wurde das Datum der bedingten Entlassung mit XXXX festgesetzt. Die Probezeit wurde mit fünf Jahren bestimmt und wurde für die Probezeit Bewährungshilfe angeordnet. Ferner wurde dem BF die Weisung erteilt, sich einer weiterführenden einjährigen Psychotherapie zu unterziehen und dies dem Gericht in viermonatigen Abständen beginnend mit XXXX nachzuweisen.
5. Mit Schriftsatz vom XXXX erstattete der BF im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters eine Stellungnahme, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass er sich schuldeinsichtig und reumütig gezeigt habe. Seine Angaben würden dafür sprechen, dass ein gewisser Reifungsprozess stattgefunden habe und er aus seinen Fehlern eine Lehre gezogen habe, weshalb von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sei. Abgesehen von der Verurteilung würden sich aus den Antworten des BF keine Gründe ergeben, welche eine negative Zukunftsprognose zur Folge hätten. Bei richtiger Würdigung der vom BF dargelegten Umstände habe die Behörde zu dem Schluss zu gelangen, dass ein Reifungsprozess eingetreten sei, ein schützenswertes Familienleben vorliege und insgesamt davon auszugehen sei, dass der BF keine Gefahr mehr darstelle.
6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Festgestellt wurde zusammengefasst, dass der BF, ein indischer Staatsangehöriger, im Jahr XXXX unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Er verfüge über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“, sei im Bundesgebiet aufrecht gemeldet und habe vor seiner Festnahme ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von € 1.300, -- erzielt. Seine erste Ehe habe zwei Jahre bestanden und sei im Jahr XXXX geschieden worden. Am XXXX habe er mit XXXX die Ehe geschlossen und sei ihr gemeinsamer Sohn XXXX am XXXX geboren worden. Bis zu seiner Festnahme habe er mit seiner Ehefrau und seinem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt. Der BF sei in Österreich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Auf den Seiten 12 bis 21 des Bescheids wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation in Indien getroffen.
Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen festgehalten, die Feststellungen zu seiner Person würden sich aus dem Akteninhalt, den Angaben des BF in der Einvernahme am XXXX sowie seiner schriftlichen Stellungnahme ergeben. Ferner wurde in der Beweiswürdigung (unter anderem) darauf hingewiesen, dass der BF mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX wegen der Verbrechen der Vergewaltigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. In der Folge wurden die der Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen des BF sowie die vom Strafgericht berücksichtigten Erschwerungs- und Milderungsgründe aufgelistet, wobei die Milderungsgründe fälschlicherweise als Erschwerungsgründe bezeichnet wurden.
Rechtlich wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids erwogen, dass das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 5 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen gewesen sei und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfüge, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen habe, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde. In Bezug auf den konkreten Fall sei festzuhalten, dass der BF über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfüge. Er sei von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden und sei am XXXX bedingt aus der Haft entlassen worden. Seiner Verurteilung liege das Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zugrunde. Diese Tatsache allein indiziere bereits das Vorliegen einer hinreichend schwerwiegenden Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Das der genannten Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten stelle eine gewichtige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit dar. Die vom BF begangenen Straftaten würden auf ein hohes Aggressionspotential hinweisen und manifestiere sich im Verbrechen der Vergewaltigung eine massiv negative Haltung gegenüber den rechtlich geschützten Werten, konkret gegenüber der körperlichen und sexuellen Integrität sowie der Selbstbestimmtheit von Frauen. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 11.12.2007, Zl. 2006/18/0227, ausgeführt habe, gehe von einem Fremden, der zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen nicht davor zurückscheue, massive Gewalt gegen andere anzuwenden, und nicht bereit sei, auf die berechtigten Interessen anderer Rücksicht zu nehmen, eine große Gefährdung öffentlicher Interessen aus, sei doch mit einer Vergewaltigung häufig eine besondere psychische Belastung des Opfers verbunden. Vor diesem Hintergrund könnten im gegenständlichen Fall auch die lange Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sowie das bestehende Familienleben nicht zu einer positiven Zukunftsprognose bzw. zum Überwiegen der Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich führen. Das vom BF an den Tag gelegte Fehlverhalten habe sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt und sei daher mit einer Fortsetzung zu rechnen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass das Strafgericht den langen Tatzeitraum sowie das Zusammentreffen von fünf Verbrechen als erschwerend gewertet habe. Durch sein Fehlverhalten habe der BF mangelnde Rechtstreue sowie seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten zum Ausdruck gebracht. Da der BF erst kürzlich, nämlich am XXXX , bedingt aus der Haft entlassen worden sei, liege keine ausreichend lange Phase des Wohlverhaltens vor und könne daher auch nicht von einem Wegfall der Gefährdung ausgegangen werden. Eine Zukunftsprognose könne daher nicht zu seinen Gunsten ausfallen. Im Rahmen einer Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG wurde insbesondere berücksichtigt, dass sich der BF seit XXXX in Österreich aufhalte, langjährig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und mit seiner Ehefrau sowie seinem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Festzuhalten sei jedoch, dass ihn seine familiären Bindungen nicht von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten hätten können. Hinzu komme, dass trotz seines langen Aufenthalts in Österreich seiner Einvernahme ein Dolmetscher beigezogen werden habe müssen. In einer Gesamtabwägung überwiege daher das öffentliche Interesse an der Erlassung einer Rückkehrentscheidung das Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG würden daher vorliegen.
Bezüglich Spruchpunkt II. wurde erwogen, dass sich der BF im arbeitsfähigen Alter befinde, in Indien familiäre Anknüpfungspunkte habe und keine Verfolgungsgründe ersichtlich seien. Es würden folglich keine Abschiebungshindernisse iSd § 50 Abs. 1 und Abs. 2 FPG vorliegen. Eine Empfehlung iSd § 50 Abs. 3 FPG bestehe ebenso wenig. Folglich sei festzustellen gewesen, dass die Abschiebung nach Indien zulässig sei.
In Bezug auf Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass das Bundesamt gemäß § 53 Abs. 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen könne. Gemäß § 53 Abs. 3 FPG sei dieses in der Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant sei, habe insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei. Im gegenständlichen Fall sei der BF mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX rechtskräftig wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Die Erfüllung von einem der in § 53 Abs. 3 FPG aufgelisteten Tatbestände indiziere das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Bei der Bemessung sei jedoch das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Im Fall des BF sei zu berücksichtigen, dass er über einen langen Zeitraum – nämlich von XXXX bis XXXX –gezielt nach Frauen Ausschau gehalten habe, die betrunken gewirkt hätten. Er habe diese entweder gleich angesprochen oder sei ihnen unbemerkt gefolgt, um mit ihnen den Geschlechtsverkehr durchzuführen. Aufgrund der Schwere seines Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten davon auszugehen, dass sein weiterer Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte ergebe, dass die Erlassung eines Einreiseverbots in der Dauer von zehn Jahren gerechtfertigt sei. Abschließend wurde zu Spruchpunkt IV. des Bescheids festgehalten, dass gemäß § 55 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzusetzen gewesen sei.
7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht am XXXX im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters Beschwerde wegen formeller und materieller Rechtswidrigkeit sowie wegen unzweckmäßiger Ermessensausübung. Gleichzeitig beantragte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Nach Darstellung des Sachverhalts wurde begründend zusammengefasst ausgeführt, die Behörde sei zu dem Ergebnis gelangt, dass das in Österreich bestehende Familienleben des BF mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind nicht ins Gewicht falle. Die Behörde habe es jedoch versäumt, Ermittlungen zur tatsächliche Bindung zwischen dem BF und seiner Familie in Österreich anzustellen. Der Umstand, dass das Familien- und Privatleben aufgrund der Verbüßung der Haftstrafe eine Beeinträchtigung erfahren habe, erlaube keine abschließende Beurteilung über das Bestehen eines schützenswerten Familien- und Privatleben iSd Art. 8 EMRK. Der BF führe ein inniges Verhältnis zu seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind. Seit der Enthaftung würden sie in einem gemeinsamen Haushalt leben und kümmere sich der BF wieder um den Lebensunterhalt seiner Familie. Die Behörde hätte die Ehefrau sowie allenfalls auch den beinahe siebenjährigen Sohn des BF einvernehmen müssen. Insbesondere hätte sie sich damit auseinandersetzen müssen, welche Auswirkungen die Außerlandesbringung des BF auf das Eheleben hätte. Bei Vornahme entsprechender Ermittlungsschritte hätte die Behörde unweigerlich zum Ergebnis gelangen müssen, dass der BF mit seiner Ehegattin und dem gemeinsamen Kind sowie mit seinem Bruder und dessen Familie ein schützenswertes Privat- und Familienleben führe, welches geeignet sei, die Interessensabwägung zu Gunsten des BF ausfallen zu lassen. In weiterer Folge wurde erwogen, dass die Gefährdungsprognose ausschließlich auf die Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung gestützt worden sei. Auf die Persönlichkeit des BF bzw. auf die Hintergründe der Tat sei entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in keiner Weise eingegangen worden. Die Behörde habe lediglich lapidar die Erschwerungsgründe angeführt, wobei auffallend sei, dass der bisherige ordentliche Lebenswandel, das Verbleiben beim Versuch sowie das reumütige Geständnis ebenso als erschwerend gewertet worden seien. Eigene Erwägungen zu den genannten Strafbemessungsgründen habe die Behörde nicht angestellt. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang etwa der Umstand, dass sich der BF bislang keiner Tat schuldig gemacht habe und bis zu dem strafrechtlich relevanten Verhalten völlig unbescholten gewesen sei. Eine eingehende Beschäftigung, weshalb der BF die genaue Tat gesetzt habe bzw. wie sie mit seiner sonstigen Persönlichkeit in Zusammenhang gebracht werden könne, wäre erforderlich gewesen, um ein tatsächliches Urteil über das Persönlichkeitsbild anzustellen. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass sich der BF reumütig geständig verantwortet habe und die Vorfälle beim Versuch geblieben seien. Fraglich sei ferner, wie die Behörde zu dem Ergebnis gelange, dass der BF kein Interesse daran habe, die österreichischen Gesetze zu respektieren. Aus dem angefochtenen Bescheid würden sich hierfür keinerlei Gründe entnehmen lassen. Würde man der Argumentation der Behörde folgen, würde jeder Verstoß gegen das österreichische Strafrecht ohne weitere Prüfung zu einer negativen Zukunftsprognose führen. Eine solche Betrachtungsweise laufe jedoch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zuwider.
8. Am XXXX langten die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person des BF:
1.1.1. Zum Aufenthalt des BF in Österreich
Der BF, ein Staatsangehöriger von Indien, führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er reiste Ende Juli XXXX unrechtmäßig in Österreich ein und lebt seither im Bundesgebiet. Der BF verfügte zunächst aufgrund der Stellung von zwei im Ergebnis unberechtigten Anträgen auf internationalen Schutz über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht. Am XXXX wurde ihm eine quotenfreie (Erst-) Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck „begünstigter Drittstaatsangehöriger“ erteilt und ist sein Aufenthalt seither durchgehend rechtmäßig. Der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ wurde ihm am XXXX erteilt. Am XXXX wurde ihm eine Karte zur Dokumentation dieses Aufenthaltstitels mit Gültigkeit bis zum XXXX ausgestellt.
Im Jahr XXXX hat der BF mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Ehe geschlossen. Die Scheidung ist im Jahr XXXX erfolgt. Am XXXX hat er daraufhin in Indien XXXX , eine indische Staatsangehörige, standesamtlich sowie nach religiösem Ritus geheiratet. Der Ehefrau des BF ist erstmals am XXXX der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt worden und hält sie sich seither rechtmäßig in Österreich auf. XXXX , der gemeinsame Sohn des BF und seiner Ehefrau, wurde am XXXX geboren, ist Staatsangehöriger Indiens und besucht in Österreich die Schule. Der BF hat mit seiner Ehefrau und seinem Sohn sowohl vor seiner Festnahme als auch nach seiner Entlassung aus der Strafhaft in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.
Von XXXX bis XXXX ist der BF einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Seit seiner Entlassung aus der Strafhaft am XXXX bestreitet der BF seinen Lebensunterhalt aus staatlichen Mitteln. Die Ehefrau des BF erzielt durch ihre Beschäftigung in einer Wäscherei ein monatliches Einkommen in der Höhe von rund € 1.100, --. Während der BF seine Freiheitsstrafe verbüßt hat, ist sie in der Lage gewesen, den Lebensunterhalt für sich sowie für den gemeinsamen Sohn eigenständig zu bestreiten.
Der BF verfügt lediglich über geringe Deutschkenntnisse. Er pflegt regelmäßigen Kontakt zu seinem in Österreich wohnhaften Bruder sowie dessen Familie. Ferner hat er sich während seines Aufenthalts in Österreich durch den Besuch des Sikh-Tempels einen Bekanntenkreis aufgebaut. Auf sonstige Weise nimmt er allerdings nicht am gesellschaftlichen Leben in Österreich teil.
1.1.2. Zum Fehlverhalten des BF
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX wurde der BF wegen der Verbrechen der versuchten Vergewaltigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF seit dem Jahr XXXX das von ihm nicht zu zügelnde Bedürfnis verspürte, im Freien mit fremden Frauen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Anstatt Dating-Plattformen zu nutzen oder die Dienste von Prostituierten in Anspruch zu nehmen, fasste er den Plan, nachts in der XXXX sowie auf der Straße nach jungen Frauen, die angetrunken wirkten, Ausschau zu halten, sie entweder gleich anzusprechen oder ihnen unbemerkt zu ihren Wohnungen zu folgen, um sie zu vergewaltigen. Konkret versuchte der BF in Wien (im Strafurteil näher genannte) Frauen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen, und zwar
a) am XXXX eine aufgrund Alkohol- und Medikamentenkonsums benommene Frau, indem er sie auf einer Rasenfläche rücklings ablegte, seinen Penis entblößte, sie an den Oberarmen festhielt, wobei sie zu diesem Zeitpunkt wieder das volle Bewusstsein erlangte, ihre Oberbekleidung hinabriss, ihre Hose und ihren Slip bis zu den Knien hinab zog, sie auf den Mund küsste und ihre Brust ableckte, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie sich wehrte und auf ihn einredete, was ihn zur Flucht veranlasste;
b) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen XXXX eine Frau, indem er sie an den Oberarmen festhielt, eine Kussbewegung in Richtung ihres Mundes ausführte, ihre Scheide über der Kleidung intensiv betastete, ihr einen Geldschein entgegenhielt und sinngemäß fragte, ob sie gegen Bezahlung mit ihm Geschlechtsverkehr vollziehen würde, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie lautstark schrie, sich losriss und in ihre Wohnung flüchten konnte;
c) am XXXX eine Frau, indem er sie zu Boden stieß, auf ihr zu liegen kam und im Begriff stand, ihre Brüste unterhalb der Kleidung zu berühren, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie sich massiv wehrte, was ihn zur Flucht veranlasste;
d) am XXXX eine Frau, indem er sie bis zu ihrer Wohnung verfolgte, versuchte sie zunächst ohne Gewaltanwendung vor der Wohnungstüre zu umarmen und zu küssen, sie sodann in die Wohnung drängte und gegen eine Tür drückte, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie lautstark schrie, was ihn zur Flucht veranlasste;
e) am XXXX eine Frau, indem er sie bis zu ihrer Wohnung verfolgte, sie in die Wohnung stieß, sie umklammerte und ihr Gesäß über die Kleidung intensiv betastete, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, da sie sich massiv wehrte, ihn aus der Wohnung stieß und die Wohnungseingangstür schloss, was ihn zur Flucht veranlasste.
Als mildernd wertete das Strafgericht bei der Strafbemessung den bisher ordentlichen Lebenswandel, das reumütige Geständnis sowie den Umstand, dass es jeweils beim Versuch geblieben ist. Als erschwerend galten der lange Tatzeitraum sowie das Zusammentreffen von fünf Verbrechen.
Während der Verbüßung seiner Haftstrafe begann der BF eine Psychotherapie.
Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde nach Verbüßung eines Teils der Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren und vier Monaten der Rest der Freiheitsstrafe, nämlich ein Jahr und zwei Monate, bedingt nachgesehen und die bedingte Entlassung des BF mit XXXX festgesetzt. Die Probezeit wurde mit fünf Jahren bestimmt und wurde für diesen Zeitraum Bewährungshilfe angeordnet. Ferner wurde dem BF die Weisung erteilt, sich einer weiterführenden einjährigen Psychotherapie zu unterziehen und dies dem Gericht in viermonatigen Abständen beginnend mit XXXX nachzuweisen.
Der BF ist dieser Verpflichtung nachgekommen.
1.1.3. Zur Situation des BF im Fall der Rückkehr
Es steht nicht fest, dass der BF im Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung von staatlicher Seite oder von privaten Dritten verfolgt wird.
Für den BF besteht im Fall einer Ansiedlung in Indien nicht ein so hohes Maß an willkürlicher Gewalt, dass er allein durch seine Anwesenheit tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften, individuellen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Der BF hat keine individuellen gefahrenerhöhenden Umstände aufgezeigt, die unter Beachtung seiner persönlichen Situation einer Rückkehr in den Herkunftsstaat auch bei einem niedrigeren Grad von willkürlicher Gewalt entgegenstünden.
Es besteht nicht die Gefahr, dass der BF in Indien in eine existenzbedrohende Notlage geraten wird. Der BF stammt aus dem indischen Bundesstaat Punjab, hat dort zwölf Jahre die Schule besucht und hat in weiterer Folge im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie mitgearbeitet. Er ist gesund, arbeitsfähig und beherrscht mit Punjabi eine der Landessprachen. Der BF ist sohin - unter Beachtung seiner Sprachkenntnisse, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung –in der Lage in Indien seine grundlegenden existenziellen Bedürfnisse (wie der Zugang zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung, die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse) befriedigen zu können.
Im Herkunftsstaat leben überdies seine Eltern, weitere Verwandte sowie ein Teil seiner Freunde. Zu seinen Eltern, welche nach wie vor im Bundesstaat Punjab wohnhaft sind, pflegt der BF überdies regelmäßigen Kontakt. Seit seiner erstmaligen Einreise in Österreich im Jahr XXXX ist der BF insgesamt sechs- bis siebenmal nach Indien gereist, dies zuletzt im Jahr XXXX . Im Rahmen dieser Reisen hat er auch seine Eltern besucht und ist sohin davon auszugehen, dass er in Indien zumindest vorübergehend bei ihnen Unterkunft nehmen kann.
Der gesunde BF gehört als 40-jähriger Mann überdies keiner Risikogruppe an, bei der im Falle einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 ein schwererer Krankheitsverlauf zu befürchten ist.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
1.2.1. Sicherheitslage (letzte Änderung: 22.7.2020)
Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 11.2019a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 12.2020).
Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer, Anm.) (GIZ 11.2019a), die das staatliche Gewaltmonopol gebietsweise infrage stellen (AA 19.7.2019).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Morden und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 8.2019).
Erhebungen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an. Angaben zu Folge haben Rebellen illegale Steuern erhoben, Lebensmittel und Unterkünfte beschlagnahmt und sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen beteiligt. Zehntausende von Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 4.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 19.7.2019).
Indien und Pakistan
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 12.2019; vgl. BBC 23.1.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten „Line of Control (LoC)“ haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer- wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).
Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 12.2019). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 12.2019). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14.2.2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019, WP 26.2.2019).
Indien und China
Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Zusammenstöße entlang der „Line of Actual Control (LAC)“, der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin forderten am 15.6.2020 in den ersten Vorfällen seit 45 Jahren, nachdem die Spannungen im Mai zu eskalieren begannen, mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC 3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise. Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in den letzten Monaten gesehen werden (SWP 7.2020). Keine der beiden Seiten hat ein Interesse daran, die Meinungsverschiedenheiten in offenen Streit umschlagen zu lassen (FAZ 27.2.2020, vgl. SWP 7.2020), dennoch verstärken beide Seiten ihre militärische Präsenz in der Region. Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr als 3.400 Kilometer langen Grenze (SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 12.2019).
Der amerikanisch-chinesische Handelskrieg hat die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen. Dennoch ist Delhi besorgt, dass chinesische Waren den heimischen Markt überschwemmen und lokale Anbieter verdrängen. Das ist auch der Grund, warum Indien noch einmal nachverhandeln will, wenn es um das „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP) Abkommen geht, das gemeinsam mit den meisten asiatischen Ländern größte Freihandelsabkommen der Welt, zu schaffen. Indien fühlt sich von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020). Bestimmender Faktor des indischen Verhältnisses zu China ist das immer wieder auch in Rivalität mündende Neben- und Miteinander zweier alter Kulturen, die heute die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt sind. Das bilaterale Verhältnis ist von einem signifikanten Ungleichgewicht zu Gunsten Chinas gekennzeichnet (BICC 12.2019).
Indien und Sri Lanka
Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis, das durch den mittlerweile beendeten Bürgerkrieg auf Sri Lanka zwischen der tamilischen Minderheit und singhalesischen Mehrheit stark beeinflusst wurde. Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ 11.2019a). Darüber hinaus bestehen kleinere Konflikte zwischen Indien und Bangladesch (BICC 12.2019). […]
1.2.2. Grundversorgung und Wirtschaft (letzte Änderung: 30.03.2020)
In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 8.2019).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent (BICC 12.2019). 2019 betrug das Wirtschaftswachstum 4.9 Prozent und für 2020 wird ein Wachstum der Gesamtwirtschaft um 6,1 Prozentpunkte erwartet (WKO 1.2020). Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (BICC 12.2019).
20167 lag die Erwerbsquote Bundesamtbei 53,8 Prozent (StBA 26.8.2019). Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes (FES 9.2019). Indien besitzt mit 520,199 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Im Jahr 2017 lag die Arbeitslosenquote bei 3,5 Prozent (StBA 26.8.2019).
Der indische Arbeitsmarkt ist durch die Tätigkeit im „informellen Sektor“ dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem sogenannten „informellen Sektor“ zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (Wienmann 2019). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,1 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 5049 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (Shah-Paulini 2017).
Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 852 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 131 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (BICC 12.2019).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 19.7.2019).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen, welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 13.1.2018). […]
1.2.3. Rückkehr (letzte Änderung: 30.03.2020)
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 19.7.2019). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 8.2019; vgl. AA 19.7.2019). Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 8.2019). […]
1.3. Feststellungen zur Covid-19-Pandemie
COVID-19 (coronavirus disease 2019 "Coronavirus-Krankheit 2019") ist eine durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Infektionskrankheit. Sie wurde erstmals 2019 in Metropole Wuhan (Provinz Hubei) beschrieben, entwickelte sich im Januar 2020 in der Volksrepublik China zur Epidemie und breitete sich schließlich zur weltweiten COVID-19-Pandemie aus. Die genaue Ausbruchsquelle ist derzeit noch unbekannt. Es wird angenommen, dass sich das Virus wie andere Erreger von Atemwegserkrankungen hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion verbreitet (vgl. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-Krankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/Neuartiges-Coronavirus.html ; Stand 03.09.2020).
Häufige Anzeichen einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus sind u. a. Fieber, Husten, Kurzatmigkeit und Atembeschwerden. Es kann auch zu Durchfall und Erbrechen kommen. In schwereren Fällen kann die Infektion eine Lungenentzündung, ein schweres akutes Atemwegssyndrom, Nierenversagen und sogar den Tod verursachen. Es gibt auch milde Verlaufsformen (Symptome einer Erkältung) und Infektionen ohne Symptome. […] Wie gefährlich der Erreger ist, ist noch nicht genau abzusehen. Momentan scheint die Gefährlichkeit des neuen Coronavirus deutlich niedriger als bei MERS (bis zu 30 Prozent Sterblichkeit) und SARS (ca. 10 Prozent Sterblichkeit) zu sein. Man geht derzeit beim neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) von einer Sterblichkeit von bis zu drei Prozent aus. Ähnlich wie bei der saisonalen Grippe durch Influenzaviren (Sterblichkeit unter 1 Prozent) sind v. a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen (vgl. https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/faq-coronavirus/ , Stand 03.09.2020).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des BF sowie zu seinem Leben in Österreich:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des BF (Staatsangehörigkeit, Name und Geburtsdatum), zur Einreise des BF im Jahr XXXX , zu der Stellung von zwei im Ergebnis unberechtigten Anträgen auf internationalen Schutz, zur erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels im Jahr XXXX sowie zu seinem aktuellen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ stützen sich auf das insoweit glaubhafte Vorbringen des BF im gesamten Verfahren in Verbindung mit dem unbestrittenen Akteninhalt, insbesondere den im Akt aufliegenden Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister.
2.1.2. Ferner gründen die Feststellungen zu seinen Eheschließungen, zur Geburt seines Sohnes sowie dessen Staatsangehörigkeit auf den nachvollziehbaren Angaben des BF in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX , welche bereits vom Bundesamt als glaubhaft erachtet und dem angefochtenen Bescheid als Sachverhalt zugrunde gelegt wurden. Aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister betreffend XXXX , der Ehefrau des BF, ergibt sich in Verbindung mit den Angaben des BF weiter, dass sie Staatsangehörige Indiens ist, ihr am XXXX erstmals der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ erteilt wurde und sie sich seither rechtmäßig in Österreich aufhält. Ferner geht aus dem Vorbringen des BF sowie den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister hervor, dass er mit seiner Ehefrau und seinem minderjährigen Sohn sowohl vor seiner Festnahme als auch nach Verbüßung der Haftstrafe in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt hat. Zudem ergibt sich aus dem Vorbringen des BF nachvollziehbar, dass sein Sohn aktuell in Österreich die Schule besucht und beide Elternteile mit seiner Obsorge betraut sind.
Das Vorbringen des BF, wonach er seit seiner Haftentlassung für den Lebensunterhalt seiner Familie aufkommt, erweist sich demgegenüber als vollkommen unsubstantiiert, zumal er keine Bescheinigungsmittel in Vorlage brachte und darüber hinaus aus einem amtswegig eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug vom XXXX hervorgeht, dass der BF zwar von XXXX bis XXXX einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, seit seiner Entlassung aus der Strafhaft am XXXX jedoch zunächst Arbeitslosengeld sowie in weiterer Folge Notstandshilfe bezogen und seinen Lebensunterhalt sohin aus staatlichen Mitteln bestritten hat.
Festzuhalten ist weiter, dass aus den Angaben des BF in Verbindung mit dem vom Bundesamt eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug betreffend XXXX hervorgeht, dass die Ehefrau des BF in einer Wäscherei arbeitet, ein monatliches Einkommen in der Höhe von € 1.100 ,-- erzielt und in der Lage gewesen ist, während des Haftaufenthalts des BF den Unterhalt für sich sowie für den gemeinsamen Sohn eigenständig zu bestreiten.
Aus den Angaben des BF vor dem Bundesamt erschließt sich weiter, dass sein Bruder mit dessen Familie in Österreich lebt und zwischen ihnen regelmäßiger Kontakt besteht. Hinweise, dass zwischen ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, sind demgegenüber nicht hervorgekommen. An den Angaben des BF, wonach er den Sikh Tempel besuche und dort Familien kennengelernt habe, welche ihn auch im Gefängnis besucht hätten, hegt das erkennende Gericht keine Zweifel und ergibt sich aus diesem Vorbringen, dass sich der BF in Österreich einen Bekanntenkreis aufgebaut hat. Eine darüberhinausgehende gesellschaftliche Integration hat der BF demgegenüber nicht dargetan.
Die Feststellung zu seinen geringen Deutschkenntnissen beruht überdies auf den Angaben des BF in der Einvernahme vor dem Bundesamt, wonach er nur ganz wenig Deutsch spreche und keine Sprachkurse besucht habe.
2.2. Zum Fehlverhalten des BF während seines Aufenthalts in Österreich
Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF und den der Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem im Akt aufliegenden Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , Zl. XXXX .
Ferner ergibt sich aus den Angaben des BF vor dem Bundesamt am XXXX , dass er während der Verbüßung der Haftstrafe eine Psychotherapie begonnen hat. Die Feststellungen zu den Modalitäten sowie dem Zeitpunkt der bedingten Entlassung des BF aus der Strafhaft stützen sich auf den Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX , Zl. XXXX . Aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass die bedingte Strafnachsicht bisher nicht widerrufen worden ist. Folglich ist davon auszugehen, dass der BF seinen mit der bedingten Entlassung verbundenen Pflichten nachgekommen ist.
2.3. Zur Situation des BF im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat
2.3.1. In Bezug auf die Rückkehrsituation des BF ist zunächst festzuhalten, dass weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Beschwerde auch nur ansatzweise behauptet wurde, dem BF würde in Indien aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung von staatlicher Seite oder von privaten Dritten Verfolgung drohen. Auch den notorischen Berichten zur Situation in Indien lassen sich für eine solche Annahme keine hinreichenden Anhaltspunkte entnehmen.
Ebenso wenig lässt sich den Berichten zur allgemeinen Situation in Indien entnehmen, dass dort ein so hohes Maß an willkürlicher Gewalt, dass der BF allein durch seine Anwesenheit tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften, individuellen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Gegenteiliges wurde von ihm im gesamten Verfahren nicht behauptet.
2.3.2. Die Feststellung, wonach der BF im Herkunftsstaat über eine gesicherte Existenzgrundlage verfügt, beruht auf folgenden Erwägungen:
Zu seinem Gesundheitszustand brachte der BF in seiner Einvernahme am XXXX vor, an keiner Erkrankung zu leiden und keine Medikamente zu benötigen. Hinweise, dass sich sein Gesundheitszustand zwischenzeitlich verschlechtert hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und war daher festzustellen, dass der BF gesund ist. Aufgrund seines Gesundheitszustandes, seines Alters sowie des Umstands, dass er in Österreich langjährig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, war überdies festzustellen, dass der BF arbeitsfähig ist.
Aus seinen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX ergibt sich weiter, dass er aus dem indischen Bundesstaat Punjab stammt, die Sprache Punjabi beherrscht und in Indien zwölf Jahre die Schule besucht sowie im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern mitgearbeitet hat. Zudem führte er an, zu seinen Eltern, welche nach wie vor im Bundesstaat Punjab leben würden, circa einmal in der Woche telefonischen Kontakt zu haben. Hinzu kommt, dass er vor dem Bundesamt vorbrachte, seit seiner Einreise in Österreich sechs- bis siebenmal nach Indien gereist zu sein, dies zuletzt im Jahr XXXX . Auf die Frage, ob er in Indien über einen Wohnsitz verfüge, nannte er überdies die Adresse seiner Eltern. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass er im Fall der Rückkehr nach Indien – zumindest vorübergehend – bei seinen Eltern Unterkunft nehmen kann. Ferner gab er vor dem Bundesamt zu Protokoll, dass in Indien neben seinen Eltern noch weitere Verwandte sowie – wenngleich nur mehr wenige – Freunde leben, und wurde auch dieses Vorbringen der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
Aufgrund seiner individuellen Umstände, insbesondere seiner Sprachkenntnisse, seiner Schulbildung, seiner Berufserfahrung sowie seiner familiären und sozialen Anknüpfungspunkte, ist sohin nicht davon auszugehen, dass der BF im Fall einer Wiederansiedlung im Herkunftsstaat in eine existenzbedrohende Situation gerät. Auch die Berichte zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat lassen einen derartigen Rückschluss nicht zu.
Folglich war festzustellen, dass der BF keine individuellen gefahrenerhöhenden Umstände aufgezeigt hat, die unter Beachtung seiner persönlichen Situation einer Rückkehr in den Herkunftsstaat auch bei einem niedrigeren Grad von willkürlicher Gewalt entgegenstünden.
2.4. Zu den Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Das erkennende Gericht hat sich ferner durch Einschau in das nunmehr aktuelle Länderinformationsblatt vom 31.05.2021 (Version 4) darüber vergewissert, dass sich die entscheidungsrelevante Lage in Indien insbesondere im Hinblick auf Sicherheits- und Versorgungslage sowie die Situation von Rückkehrenden nicht maßgeblich geändert hat.
Die Feststellungen zur Covid-19-Pandemie beruhen ferner auf den in den Feststellungen angeführten Quellen. In Bezug auf die individuelle Situation des BF ist festzuhalten, dass er im gesamten Verfahren nicht dargetan hat, dass für ihn im Fall einer Erkrankung an Sars-CoV-2 ein erhöhtes Risiko besteht, einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden und sind hierfür auch keine sonstigen Hinweise hervorgekommen, zumal es sich bei ihm um einen gesunden 40-jährigen Mann handelt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Rückkehrentscheidung:
3.1.1. Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 5 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
Der BF ist Staatsangehöriger Indiens und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er verfügte im Zeitpunkt der Bescheiderlassung – unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesem Aufenthaltstitel entsprechenden Dokumentes - über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt –EU“ und war vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts auf Dauer rechtmäßig in Österreich niedergelassen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den BF sohin zutreffend am Maßstab des § 52 Abs. 5 FPG geprüft (vgl. VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067).
3.1.2. Der Behörde ist ferner nicht entgegenzutreten, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen und die Annahme rechtfertigen, dass der weitere Aufenthalt des BF eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, dies aus nachstehenden Gründen:
Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 leg. cit. für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Folglich ist der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt und ist sohin das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert (vgl. dazu auch VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).
In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier: "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit") gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0116; mwN).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist das Delikt der Vergewaltigung als eine besonders verwerfliche Straftat zu qualifizieren. Im Fall der Verwirklichung eines solchen Delikts ist sohin von „gravierender“ bzw. „schwerer Strafffälligkeit“ zu sprechen, bei welcher vom Täter eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Interessen ausgeht (vgl. VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0246; mVa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238).
Fallbezogen hat der BF das Delikt der (versuchten) Vergewaltigung in insgesamt fünf Fällen verwirklicht und haben sich die von ihm begangenen strafbaren Handlungen auf den Zeitraum von XXXX bis XXXX erstreckt. Zu Lasten des BF sind sohin die häufigen Tatwiederholungen sowie der lange Tatzeitraum zu berücksichtigen.
Hinsichtlich seiner Beweggründe geht aus dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , Zl. XXXX , hervor, dass der BF im Jahr XXXX das von ihm nicht zu zügelnde Bedürfnis verspürte, im Freien mit fremden Frauen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Anstatt Dating-Plattformen zu nutzen oder die Dienste von Prostituierten in Anspruch zu nehmen, fasste er den Plan, nachts in der XXXX sowie auf der Straße nach jungen Frauen, die angetrunken wirkten, Ausschau zu halten, sie entweder gleich anzusprechen oder ihnen unbemerkt in ihre Wohnungen zu folgen, um sie zu vergewaltigen.
In Bezug auf diesen Sachverhalt ist zunächst klarzustellen, dass dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien keine Hinweise auf eine Einschränkung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des BF im Zeitpunkt der Begehung der Taten zu entnehmen sind. Weiter ist festzuhalten, dass der BF im Zeitpunkt der Begehung der ersten Straftat 33 Jahre alt war und sein Fehlverhalten sohin ebenso wenig auf eine altersbedingt fehlende Reife zurückgeführt werden kann.
Aus den Feststellungen zu seinen Beweggründen ergibt sich, dass das Fehlverhalten des BF nicht situativ bedingt war, sondern er im Jahr 2014 den konkreten Plan fasste, seine Bedürfnisse nicht auf legalem Weg, sondern durch die Begehung strafbarer Handlungen zu befriedigen. Dies deutet nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf ein hohes Gefährdungspotenzial des BF hin.
Erschwerend ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch zu werten, dass der BF bewusst nach Frauen Ausschau hielt, bei welchen er aufgrund ihres alkoholisierten Zustandes davon ausging, sie wären nicht hinreichend in der Lage, sich zur Wehr zu setzen. Er versuchte sohin die vermeintliche Wehr- und Hilflosigkeit seiner Opfer auszunützen, wenngleich ihm dies nicht gelang, da sich sämtliche Opfer wehrten und damit bewirkten, dass er von ihnen abließ.
Festzuhalten ist weiter, dass sich seine Delinquenz im Laufe der Zeit steigerte. Dies wird dadurch ersichtlich, dass der Zeitraum zwischen der ersten und zweiten Tat rund zwei Jahre bzw. zwischen der zweiten und dritten Tat rund ein Jahr beträgt, während zwischen der dritten, vierten und fünften Tat jeweils nur wenige Wochen lagen.
Zugunsten des BF ist zu werten, dass es in sämtlichen Fällen beim Versuch geblieben ist. Dieser Umstand wird allerdings dadurch relativiert, dass er seine Taten lediglich deshalb nicht vollendete, da die Opfer massiven Widerstand leisteten und er befürchtete, ihnen würde jemand zu Hilfe eilen (Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , Zl. XXXX , S. 8).
Die weiteren im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX , Zl. XXXX , angeführten Milderungsgründe, konkret der bisher ordentliche Lebenswandel sowie das reumütige Geständnis, vermögen an der Schwere des Fehlverhaltens im Übrigen nichts zu ändern, stehen ihnen doch die oben bereits angeführten Erschwerungsgründe, nämlich das Zusammentreffen von fünf Verbrechen sowie der lange Tatzeitraum gegenüber.
In einer Gesamtschau hat der BF durch seine Delinquenz eine hohe Gleichgültigkeit gegenüber den Rechtsgütern der Willensbildungs- und Betätigungsfreiheit sowie der sexuellen Integrität an den Tag gelegt und lassen die vom BF begangen strafbaren Handlungen sowie die konkrete Tatbegehungsweise auf eine massive Gefährdung der öffentlichen Sicherheit schließen.
Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (vgl. VwGH 26.01.2021, Ra 2020/14/0491; VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0027, mwN).
Zugunsten des BF ist zunächst festzuhalten, dass er sich in der Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX reumütig gezeigt hat.
Der BF wurde am XXXX unter Setzung einer Probezeit von fünf Jahren aus der Haft entlassen und wurde ihm der Rest seiner Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und zwei Monaten bedingt nachgesehen. Seit seiner Haftentlassung hat sich der BF wohlverhalten und ist er der Weisung, sich einer Psychotherapie zu unterziehen, nachgekommen, wobei sein Wohlverhalten dadurch relativiert wird, dass er sich nach wie vor in der Probezeit befindet.
Angesichts der Schwere seiner Straftaten, der Tatwiederholungen sowie des langen Tatzeitraums ist der seit der Haftentlassung verstrichene Zeitraum von rund einem Jahr überdies als zu kurz zu qualifizieren, um von einer Zukunftsprognose zugunsten des BF ausgehen zu können.
Die genannten Umstände rechtfertigen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts daher jedenfalls die Annahme, dass ein Verbleib des BF im Bundesgebiet eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
3.1.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entfernte verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 190.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05,07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988,1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen also dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).
Neben der Aufenthaltsdauer sind bei der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK insbesondere das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005, 282ff).
Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, sowie die bereits aufgezählten Faktoren zu berücksichtigen.
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sowie der in § 9 Abs. 2 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist im gegenständlichen Fall Folgendes auszuführen:
In Bezug auf das Familienleben des BF ist zu berücksichtigen, dass in Österreich die Ehefrau des BF sowie der minderjährige Sohn des Ehepaars, XXXX , geboren am XXXX , leben. Sowohl seine Ehefrau als auch sein minderjähriger Sohn sind indische Staatsangehörige. Der BF lebt mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt und wurde das Zusammenleben nur für den Zeitraum der Inhaftierung des BF unterbrochen. Zwischen dem BF und seiner Kernfamilie besteht sohin nach wie vor eine enge Bindung.
Die Ehefrau des BF lebt seit dem Jahr XXXX in Österreich, verfügt über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ und geht einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Der 7-jährige Sohn des Ehepaars besucht in Österreich die Schule. Eine Fortführung des Familienlebens in Indien ist der Ehefrau sowie dem Sohn des BF sohin nicht zumutbar. Eine Rückkehrentscheidung bzw. die Abschiebung des BF nach Indien stellt daher einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht des BF auf Familienleben dar.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine Trennung von einem in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehepartner sowie von den minderjährigen Kindern dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den „Familiennachzug“ (vgl. VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0026 sowie VwGH vom 07.07.2020, Ra 2020/20/0231; jeweils mwN).
Wie bereits ausführlich dargelegt, kommt dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung im gegenständlichen Fall aufgrund seiner Delinquenz im Sinne der oben zitierten Judikatur sehr großes Gewicht zu, liegt doch gegenständlich eine gravierende und lang andauernde Strafffälligkeit vor und ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Beziehung zu seiner Ehefrau sowie zu seinem minderjährigen Sohn den BF nicht von der Begehung schwerwiegender Straftaten abhalten konnte.
In Bezug auf die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung des BF auf das Wohl seines minderjährigen Sohnes ist auszuführen, dass für den minderjährigen Sohn grundsätzlich die Möglichkeit besteht, den BF gemeinsam mit seiner Mutter in Indien zu besuchen, wenngleich nicht verkannt wird, dass eine Fortführung regelmäßiger persönlicher Kontakte zwischen dem BF und seinem Sohn in Indien aufgrund der hohen Reisekosten nur schwer realisierbar sind. Dem Kindeswohl wird im vorliegenden Fall jedoch insoweit Rechnung getragen, als er sich bei seiner Mutter - welche auch während der Inhaftierung des BF die (alleinige) Hauptbetreuungs- und Bezugsperson gewesen ist – aufhält und von dieser großgezogen wird. Seinem Sohn kommt somit – wie bisher – Pflege und Erziehung im Familienverband zu. Weiter ist festzuhalten, dass die Ehefrau des BF während des Gefängnisaufenthalts des BF den Lebensunterhalt für sich sowie für den gemeinsamen Sohn eigenständig durch ihre Erwerbstätigkeit in der Wäscherei bestritten hat und der BF seit seiner Haftentlassung keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, sodass er auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen nennenswerten finanziellen Beitrag zum Unterhalt seines Sohnes leisten kann. Eine Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat hat sohin keine maßgeblichen Auswirkungen auf den Unterhalt seines minderjährigen Sohnes.
In einer Gesamtschau ist der Eingriff in das Familienleben des BF sohin gerechtfertigt.
Hinsichtlich des Privatlebens des BF ist zunächst festzuhalten, dass er sich seit Ende Juli XXXX im österreichischen Bundesgebiet aufhält und sein Aufenthalt seit der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung am XXXX durchgehend rechtmäßig ist. Sein Interesse an einem Verbleib in Österreich wird sohin durch seinen langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich maßgeblich verstärkt.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach selbst im Fall eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale bestimmte Umstände gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden sprechen können. Dazu zählt auch das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 10. November 2015, Ro 2015/19/0001; B 3. September 2015, Ra 2015/21/0121; B 25. April 2014, Ro 2014/21/0054).
Wie bereits unter Punkt 3.1.2. ausführlich dargelegt, rechtfertigt das seiner rechtskräftigen Verurteilung zugrundeliegende strafbare Verhalten die Annahme, dass der Verbleib des BF im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Vor diesem Hintergrund vermag die lange Aufenthaltsdauer des BF nicht zu einem Überwiegen seines Interesses an einem Verbleib in Österreich zu führen.
Betreffend seine berufliche Integration ist festzuhalten, dass der BF im Zeitraum von XXXX bis XXXX einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und selbsterhaltungsfähig gewesen ist. Dieser Umstand wird jedoch maßgeblich dadurch relativiert, dass er seit seiner Haftentlassung keiner Beschäftigung mehr nachgeht, sondern seinen Lebensunterhalt aus staatlichen Mitteln bestreitet.
Hinsichtlich seiner sozialen Bindungen ist zu berücksichtigen, dass sich der BF einen Bekanntenkreis aufgebaut hat, regelmäßigen Kontakt zu seinem in Österreich wohnhaften Bruder sowie dessen Familie pflegt und den Sikh – Tempel besucht. Auf sonstige Weise beteiligt sich der BF allerdings nicht am gesellschaftlichen Leben in Österreich. Zu seiner Integration ist weiter anzumerken, dass der BF trotz der sehr langen Aufenthaltsdauer im Verhältnis dazu kaum entsprechende Deutschkenntnisse dartun konnte.
In einer Gesamtschau kommt dem Interesse des BF an einem Verbleib insbesondere aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Österreich sowie seines im Bundesgebiet bestehenden Familienlebens großes Gewicht zu. Dem steht jedoch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber und wurde bereits ausführlich dargelegt, dass der weitere Verbleib des BF im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter Punkt II.3.1.2.).
In Bezug auf die Bindungen zum Herkunftsstaat ist festzuhalten, dass der BF in Indien aufgewachsen und sozialisiert worden ist. Er hat zwölf Jahre die Schule besucht und hat daraufhin im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie mitgearbeitet. Mit Punjabi beherrscht er eine der Landessprachen. Hinzuweisen ist weiter darauf, dass er in Indien nach wie vor über familiäre sowie soziale Anknüpfungspunkte verfügt und seit seiner Einreise in Österreich mehrmals seinen Urlaub im Herkunftsstaat verbracht hat, dies zuletzt im Jahr 2016. Das Bundesverwaltungsgericht geht sohin davon aus, dass er seinem Herkunftsstaat und den dort herrschenden Gepflogenheiten und Lebensumständen nicht derart entrückt und entfremdet wäre, dass ihm eine Rückkehr und Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unzumutbar oder unmöglich wäre.
Insgesamt hat sohin die Abwägung der persönlichen Interessen des BF mit den öffentlichen Interessen ergeben, dass die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere aufgrund seiner massiven Straffälligkeit schwerer wiegen als die Auswirkungen der Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des BF. Wie erwähnt kann davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen können wird, da es sich bei ihm um einen erwerbsfähigen Mann handelt, der zudem über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben darstellt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung unzulässig wäre.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts des BF auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.
3.1.4. Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG im Fall des BF vorliegen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids war daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Zulässigkeit der Abschiebung
Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Im gegenständlichen Fall ergeben sich aus dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt für eine solche Gefährdung keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Wie den Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat entnommen werden kann, besteht für den BF im Fall einer Ansiedlung in Indien nicht ein so hohes Maß an willkürlicher Gewalt, dass er allein durch seine Anwesenheit tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften, individuellen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Ferner ist davon auszugehen, dass der gesunde und volljährige BF, der über Schulbildung sowie Arbeitserfahrung verfügt und die Sprache Punjabi beherrscht, in der Lage sein wird, sich seine Existenz in Indien eigenständig zu sichern. Erleichtert wird ihm eine Wiederansiedlung im Herkunftsstaat auch dadurch, dass er zumindest vorübergehend bei seinen Eltern im Bundesstaat Punjab Unterkunft nehmen kann. Für den BF besteht sohin nicht die reale Gefahr, im Fall der Rückkehr nach Indien in eine existenzbedrohende Situation zu geraten.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, hat der BF einen solchen Sachverhalt im Verfahren nicht einmal ansatzweise behauptet und ergeben sich hierfür auch aus den allgemeinen Feststellungen zum Herkunftsstaat keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Indien nicht.
Der auf § 52 Abs. 9 FPG gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids abzuweisen.
3.3. Zum Einreiseverbot
Unter Spruchpunkt III. wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
3.3.1. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Gemäß Abs. 3 leg. cit ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 leg. cit. für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. § 53 Abs. 3 Z 5 FPG).
3.3.2. Wie bereits unter Punkt 3.1.2. zur Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung im Einzelnen dargelegt wurde, ist im Fall des BF der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt und ist im vorliegenden Fall die Annahme gerechtfertigt, dass vom BF eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG ausgeht.
Den persönlichen Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich bzw. einer zeitnahen Wiedereinreise in das Bundesgebiet steht das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.
Der vom BF ausgehenden schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit kann durch die Verhängung eines mehrjährigen Einreiseverbots effektiv begegnet werden.
Im Rahmen der unter Punkt II.3.1.3. vorgenommenen Interessenabwägung wurde zudem bereits festgehalten, dass das Interesse des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in seinem konkreten Fall gegenüber dem der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zurückzutreten hat. Im Übrigen hat der BF im gesamten Verfahren auch nicht dargetan, dass er in einem der anderen vom Einreiseverbot umfassten Länder relevante Bindungen hat, welche der Erlassung eines Einreiseverbots entgegenstünden.
Das Bundesamt ist sohin zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes gerechtfertigt und notwendig ist, um die vom BF ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Somit erweist sich das verhängte Einreiseverbot dem Grunde nach als gerechtfertigt.
3.3.3. Hinsichtlich der Dauer ist festzuhalten, dass gemäß § 53 Abs. 3 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren und in Fällen der Z 5 bis 9 leg. cit auch unbefristet zu erlassen ist. Gegenständlich hat das Bundesamt von der Möglichkeit, ein unbefristetes Einreiseverbot zu erlassen, angesichts der privaten und familiären Bindungen des BF in Österreich Abstand genommen und hat ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen.
Es wird nicht verkannt, dass ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot einen schweren Eingriff in das Recht des BF auf Privat- und Familienleben begründet, zumal er sich seit XXXX in Österreich aufhält und seine Ehefrau sowie sein minderjähriges Kind ebenso im Bundesgebiet leben. Angesichts des gravierenden strafrechtlichen Fehlverhaltens, welches sich über einen langen Tatzeitraum erstreckt hat, ist die festgesetzte Dauer von 10 Jahren jedoch nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Ehefrau sowie der Sohn des BF indische Staatsangehörige sind und sohin Besuche in Indien grundsätzlich möglich sind.
Es kann daher seitens des Bundesverwaltungsgerichts kein Grund erkannt werden, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
3.3.4. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids war daher als unbegründet abzuweisen.
3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise:
Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung iSd § 52 leg. cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen (§ 52 Abs 2 FPG).
Da keine besonderen Umstände vorgebracht wurden oder hervorgekommen sind, die einen längeren Zeitraum für die freiwillige Ausreise rechtfertigen, wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise vom Bundesamt zu Recht mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3.5. Zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung
3.5.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
3.5.2. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungs-gerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungs-gericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Es wird im gegenständlichen Fall nicht verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Allerdings kann in eindeutigen Fällen, in denen auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des BF sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden (vgl. VwGH vom 13.05.2020, Ra 2019/14/0612).
Wie bereits mehrfach ausgeführt, ergibt sich gegenständlich die vom BF ausgehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus den seinen strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden gravierenden Straftaten. Unter Bedachtnahme auf alle für und gegen den BF sprechende Umstände liegt gegenständlich sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessensabwägung ein eindeutiger Fall vor, sodass im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA-VG ausnahmsweise von der ausdrücklich beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte (vgl. dazu VwGH 15.02.2021, Ra 2021/17/0006; mwN).
Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein inhaltlich ordnungsgemäßes und mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt und dem BF im Rahmen einer persönlichen Einvernahme die Gelegenheit geboten hat, zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich Stellung zu beziehen. Zudem sind sämtliche Elemente zur inhaltlichen Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes zweifelsfrei und lückenlos ohne weitere Ermittlungen tätigen zu müssen dem Akt des Bundesamtes zu entnehmen.
Da sich dem Vorbringen in der Beschwerde kein neues entscheidungsrelevantes Tatsachenvorbringen entnehmen lässt und auch den beweiswürdigenden Erwägungen nicht in ausreichend substanziierter Weise entgegengetreten wurde, ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Auch weist die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf. Hinzu kommt, dass der BF den im angefochtenen Bescheid angeführten und auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten in der Beschwerde nicht entgegengetreten ist.
Der maßgebliche Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG als geklärt anzusehen, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die unter Punkt II.3.1. bis II.3.4. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
4. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
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