Normen
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §201 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §201 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 1. Juni 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei Anfang 1992 nach Österreich gekommen. Von 24. August 1992 bis 30. Juni 1996 habe er über Aufenthaltsberechtigungen verfügt. Über weitere Aufenthaltstitel sei zunächst nichts bekannt gewesen. Am 12. Februar 1998 habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht. Dieser Antrag sei am 26. August 1998 abgewiesen worden. Am 19. Mai 1999 habe der Beschwerdeführer bei der österreichischen Botschaft in Sarajevo einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" eingebracht. Diesem Antrag zufolge habe der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz damals in Tuzla, Bosnien-Herzegowina, gehabt.
Mit Gerichtsbeschluss vom 3. Mai 1999 sei die Adoption des Beschwerdeführers durch den österreichischen Gatten seiner Mutter bewilligt worden. In der Folge seien dem Beschwerdeführer zunächst ein von 20. Mai 1999 bis 19. September 1999 gültiges Visum D, in der Folge Niederlassungsbewilligungen und schließlich ein Niederlassungsnachweis erteilt worden.
Am 28. August 2003 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden. Aus der Urteilsbegründung gehe hervor, dass der Beschwerdeführer am 23. November 2000 in Bosnien eine damals 16- jährige geheiratet und mit dieser im März 2001 nach Österreich gezogen sei. Bald darauf sei es zu den ersten Tätlichkeiten des Beschwerdeführers gegen seine Ehefrau gekommen. Zu einem nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkt im November 2001 habe er sie mit der Hand ins Gesicht geschlagen, wodurch sie Schwellungen an der Wange erlitten habe. Im Frühjahr 2002 sei die Gattin bereits mit dem zweiten Kind schwanger gewesen. Am 10. April 2002 sei der Beschwerdeführer nach Hause gekommen und habe von seiner hochschwangeren Frau verlangt, mit ihm Sex zu haben. Nachdem ihm seine Frau erklärt habe, dass sie Schmerzen im Bauch hätte, habe sie der Beschwerdeführer an den Beinen gepackt, umgedreht und versucht, einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Weil sich seine Frau nach wie vor geweigert habe, habe er ihr einen Schlag in die Hüftgegend versetzt und gedroht, sie umzubringen, wenn sie ihn nochmals wegstieße. Zur Unterstreichung dieser Drohung habe er ihr zwei Ohrfeigen versetzt. Danach habe er an seiner hochschwangeren wehrlosen Frau einen Analverkehr durchgeführt.
Das Oberlandesgericht Wien habe der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und in seinem Urteil festgehalten, dass der Beschwerdeführer seine schwangere Frau in menschenverachtender Weise vergewaltigt hätte. Durch diese Vergewaltigung hätte seine Frau massiv Fruchtwasser verloren, weshalb sie die gynäkologische Abteilung eines Krankenhauses aufsuchen hätte müssen. Dort wäre ihr aufgetragen worden, bis zum Ende der Schwangerschaft jeden Geschlechtsverkehr zu unterlassen. Dies hätte die Gattin dem Beschwerdeführer auch mitgeteilt. Dieser hätte jedoch nicht auf weiteren Geschlechtsverkehr verzichten wollen und solchen weiterhin von seiner Frau verlangt. In der Folge hätte ihn seine Frau verlassen und wäre in ein Frauenhaus gezogen. Die Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers würde auf einen derartigen Charaktermangel hinweisen, dass eine bedingte Strafnachsicht aus spezialpräventiven Gründen nicht in Frage käme.
Dem Beschwerdeführer komme trotz der österreichischen Staatsangehörigkeit seines Adoptivvaters, von dem er auch unterstützt werde, nicht die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG zu. Aus der Aktenlage ergebe sich nämlich kein Hinweis darauf, dass der Adoptivvater das Recht auf Freizügigkeit wahrgenommen habe. Da der Beschwerdeführer nicht mehr minderjährig sei, sei er auch nicht als Familienangehöriger im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG anzusehen. § 87 FPG sei auf ihn daher nicht anwendbar.
Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Auf Grund des der Verurteilung zu Grunde liegenden gesamten Fehlverhaltens gefährde der Beschwerdeführer die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß, sodass sich die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise.
Der Beschwerdeführer sei Anfang 1992 im Alter von 13 Jahren nach Österreich gekommen. Er habe zunächst die Hauptschule und im Schuljahr 1994/1995 den polytechnischen Lehrgang besucht. Nach der vorgelegten Schulbesuchsbestätigung habe er in den wesentlichen Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch nicht beurteilt werden können. Der Beschwerdeführer sei zwar seit 1992 fast durchgehend im Bundesgebiet gemeldet, er habe jedoch ab 1996 über keine Aufenthaltstitel mehr verfügt. Es sei evident, dass er sich längere Zeit in seiner Heimat aufgehalten habe, habe er doch in seiner Stellungnahme vom 29. November 2004 ausgeführt, in Bosnien-Herzegowina eine Handelsschule absolviert zu haben. Von 14. September 1999 bis 1. Juni 2004 habe der Beschwerdeführer, wie er ausführe, in einem Lebensmittelgeschäft in Wien gearbeitet. Neben seiner Mutter und seinem Adoptivvater lebten sein Bruder, eine Tante und ein Onkel sowie Cousins und Cousinen im Bundesgebiet. Auf Grund des (mit einer Unterberechnung) seit 1992 bestehenden inländischen Aufenthalts und der dargestellten familiären und beruflichen Situation sei das Aufenthaltsverbot zweifellos mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Den persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet komme ein großes Gewicht zu. Das Aufenthaltsverbot sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Freiheit anderer) dringend geboten und daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Der Beschwerdeführer habe durch sein strafbares Verhalten augenfällig dokumentiert, nicht in der Lage bzw. nicht gewillt zu sein, die zum Schutz maßgeblicher Rechtsgüter aufgestellten Normen einzuhalten. Seine Straftaten zeigten, dass er sich nicht scheue, sich mit Gewalt gegen den Willen anderer Personen etwas zu verschaffen. Das Fehlverhalten liege noch keineswegs so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes auf einen Wegfall oder eine entscheidende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr geschlossen werden könnte.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei auf die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration Bedacht zu nehmen gewesen. Diese Integration habe in der für sie wesentlichen sozialen Komponenten durch die Straftat eine erhebliche Minderung erfahren. Den privaten, familiären und beruflichen Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und am Schutz der körperlichen Integrität Dritter gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage gelange die Behörde zur Auffassung, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Auf Grund des Fehlens besonders berücksichtigungswürdiger Umstände könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer weder "begünstigter Drittstaatsangehöriger" im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG noch "Familienangehöriger" im Sinn von § 2 Abs. 4 Z. 12 leg. cit. sei und daher die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots nicht nach § 86 leg. cit. zu beurteilen sei, bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.
2. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren ist auch die - ebenfalls nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, unbedenklich.
3. Der Beschwerdeführer hat im November 2000 in Bosnien eine 16-jährige Frau geheiratet und ist mit dieser im März 2001 nach Österreich gezogen. Kurze Zeit danach hat er begonnen gegenüber seiner Frau tätlich zu werden. So hat er sie im November 2001 derart heftig ins Gesicht geschlagen, dass sie eine Schwellung an der Wange erlitten hat. Im April 2002 hat der Beschwerdeführer seine zum zweiten Kind hochschwangere Frau in brutaler und äußerst rücksichtsloser Weise durch Drohung mit dem Tod und Anwendung von Gewalt zur Durchführung eines Analverkehrs gezwungen. Er hat sich sogar noch nach der Tat, auf Grund der es zu massivem Fruchtwasserverlust gekommen ist, uneinsichtig gezeigt und trotz ärztlichen Verbots auf Geschlechtsverkehr mit seiner Frau nicht verzichten wollen, sodass seine Frau in ein Frauenhaus ziehen musste.
Dieses Fehlverhalten zeigt - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - dass der Beschwerdeführer zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen nicht davor zurückscheut, massive Gewalt gegen andere anzuwenden, und er nicht bereit ist, auf die berechtigten Interessen anderer Rücksicht zu nehmen. Vom Beschwerdeführer geht daher eine große Gefährdung öffentlicher Interessen aus, ist doch mit einer Vergewaltigung häufig eine besondere psychische Belastung des Opfers, insbesondere eine posttraumatische Belastungsstörung verbunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338, mwN). Der vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu seiner Gattin habe, kann daran nichts ändern, könnte sich die dargestellte rücksichtslose und gewaltbereite Einstellung des Beschwerdeführers doch auch durch Straftaten gegenüber anderen Personen, insbesondere einer neuen Partnerin, manifestieren. Im Hinblick auf das massive Fehlverhalten gelingt es dem Beschwerdeführer weder mit dem Hinweis auf sein Alter (von 22 Jahren) bei Tatbegehung noch mit dem Hinweis auf die nur einmalige Verurteilung eine relevante Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr aufzuzeigen.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend zu einer negativen Prognose für das künftige Verhalten des Beschwerdeführers gekommen. Der vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer von seiner Mutter und dem Stiefvater unterstützt werde, kann daran nichts ändern, hat ihn doch die Unterstützung durch die Familie von der Begehung der gegenständlichen Straftaten nicht abhalten können.
Das Vorbringen, dem Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, selbst zur Verurteilung Stellung zu nehmen, ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer jedenfalls in der Berufung die Möglichkeit hatte, entsprechend Stellung zu nehmen. Im Übrigen tut der Beschwerdeführer nicht dar, welche seine Verurteilung betreffenden Umstände von der Behörde nicht berücksichtigt worden seien.
Aus all diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthalts seit 1992 (mit einer längeren Unterbrechung), den inländischen Aufenthalt der Mutter, des österreichischen Adoptivvaters und weiterer Verwandter sowie die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt. Der Beschwerdeführer gesteht zu, dass die belangte Behörde diesbezüglich "richtige Feststellungen" getroffen habe, und macht keine zusätzlichen, seine persönlichen Interessen verstärkenden Umstände geltend. Er meint jedoch, seine persönlichen Interessen seien gegenüber den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbots unrichtig gewichtet worden. Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens, wonach der Beschwerdeführer in Bosnien weder einen Wohnsitz noch einen Freundeskreis habe - ein sehr beachtliches Gewicht zu. Im Hinblick auf die - oben 3. dargestellte - vom weiteren Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers ausgehende massive Beeinträchtigung öffentlicher Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig angesehen werden.
5. Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers im Sinn von § 55 Abs. 3 FPG wäre eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht im Sinn des Gesetzes gelegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 2006, Zl. 2006/18/0323).
6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 11. Dezember 2007
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