AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W230.1414945.3.00
Spruch:
Schriftliche Ausfertigung des am 05.08.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Philipp CEDE, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2019, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VIII. wie folgt zu lauten hat:
"VIII. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 5 FPG 2005, BGBl. I 100, zuletzt geändert durch BGBl. I 56/2018, wird gegen Sie ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.10.2011, Zl. XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich seines Herkunftsstaates Afghanistan zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.10.2012 erteilt (Näheres zu den Gründen dieser Entscheidung s. Pkt. II.1.7.).
2. Infolge von Anträgen auf Verlängerung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 15.10.2012 bis zum 24.10.2013, mit Bescheid vom 18.10.2013 bis zum 24.10.2014, mit Bescheid vom 14.10.2015 bis zum 24.10.2016 und mit Bescheid vom 09.11.2016 bis zum 24.10.2018 erteilt. Diese Bescheide wurden - nahezu gleichlautend - wie folgt begründet: "Aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in Ihrem Herkunftsstaat i.V.m. Ihrem Vorbringen bzw. Ihrem Antrag konnte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden", wobei
darauf hingewiesen wurde, dass "die Aufenthaltsberechtigung ... im
Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag ... verlängert wird", dass "die Voraussetzungen für die Verlängerung ... vorliegen" und dass gemäß § 58 Abs. 2 AVG eine nähere Begründung entfallen könne, da dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben wurde. Spezifische Ermittlungsergebnisse zur individuellen Lage des Beschwerdeführers oder zur aktuellen Lage in seinem Herkunftsstaat Afghanistan ließ die die belangte Behörde in den Wortlaut dieser Bescheide in den Jahren 2012, 2013, 2015 und 2016 nicht einfließen; die diesen Bescheiden zugrundeliegenden Anträge enthielten auch kein näheres Sachverhaltsvorbringen.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde Folgendes aus:
"I. Der Ihnen mit Erkenntnis vom 25.10.2011, Zahl XXXX , zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt.
II. Die mit Erkenntnis vom 25.10.2011, Zahl XXXX , erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 4 AsylG entzogen.
III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.
IV. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.
V. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.
VI. Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
VII. Ihr Antrag vom 22.08.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird abgewiesen.
VIII. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die - rechtzeitige - Beschwerde, in der der Beschwerdeführer beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und feststellen, dass dem Beschwerdeführer weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, es möge die Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte verlängern, in eventu dem Beschwerdeführer gemäß §§ 55, 57 AsylG einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen, jedenfalls aber die Rückkehrentscheidung beheben und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan für unzulässig erklären, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverweisen, das befristete Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren aufheben bzw. herabsetzen und eine mündliche Verhandlung anberaumen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stammt aus Kabul. Er gehört zur Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zum Islam sunnitischer Richtung. Er hat keine Kinder. Er spricht Pashthu, Farsi, Hindi und ein bisschen Deutsch.
Als Kleinkind lebte der Beschwerdeführer in Afghanistan, sein restliches Leben, bis zur Ausreise nach Europa im Jahr 2009 verbrachte er mit seiner Familie in Pakistan, wo er als Konditor (Zuckerbäcker) arbeitete und seinen Lebensunterhalt bestritt. Zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung im Jahr 2009 lebte seine Familie (damals: Mutter, Schwester, Schwager) weiterhin in Pakistan, wo sein Schwager ein Geschäft betrieb. Seine engeren Familienangehörigen sind später wieder nach Afghanistan (Kabul) gezogen.
1.2. Seinen Asylantrag stellte der Beschwerdeführer nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 20.11.2009.
Sein Aufenthalt in Österreich stützte sich zunächst auf seine Stellung als Asylwerber. Mit Erkenntnis vom 25.10.2011, XXXX , erkannte ihm der Asylgerichtshof den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. In der Folge beruhte sein Aufenthalt in Österreich auf jeweils befristet auf Basis des Status als subsidiär Schutzberechtigter verliehene Aufenthaltsberechtigungen. Die letzte Befristung ist mit 24.10.2018 abgelaufen.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2014, als ihm bereits subsidiärer Schutz zukam, eine Flugreise nach Kabul samt einmonatigem Aufenthalt vor Ort unternommen, um an der Beerdigung seiner Mutter teilzunehmen. Darüber hinaus hat er zwei weitere Reisen, jeweils nach Pakistan unternommen, beim ersten Mal, um seine nunmehrige Ehefrau kennenzulernen, und beim zweiten Mal, um sie zu heiraten.
1.3. Die Frau des Beschwerdeführers ist afghanische Staatsangehörige. Ihr Vater lebt als Taxifahrer in Kabul, gemeinsam mit ihrer Mutter, die Hausfrau ist. Sie hat weiters 2 Schwestern (Schülerinnen) und 3 Brüder (Schüler /Studenten) in Kabul. ist Diese Ehefrau zog mit dem Beschwerdeführer zunächst nicht zusammen und verblieb in der Herkunftsregion. Am 5.4.2019 ist die Ehefrau des Beschwerdeführers mit dem Flugzeug aus Afghanistan ausgereist, um nach Österreich zu gelangen, wo sie einen Asylantrag stellte, der noch unerledigt ist. Sie begründete diesen Antrag im Rahmen ihrer Erstbefragung am 08.04.2019 damit, dass ihr Vater ihr die Zwangsverheiratung mit einem anderen Mann angedroht habe, da ihr derzeitiger Mann (der Beschwerdeführer) im Gefängnis sei und man nicht wisse, wann dieser dort herauskomme. Sie hat zur Schwester des Beschwerdeführers ein vertrauensvolles Verhältnis; der Schwager des Beschwerdeführers war ihr bei der Ausreise behilflich. Die Frau des Beschwerdeführers hatte mit ihm (zumindest) bis zu seiner Inhaftierung telefonischen Kontakt. Zudem steht sie in Kontakt mit den in Graz lebenden Verwandten des Beschwerdeführers. Seit seiner Inhaftierung (also im Zeitraum Oktober 2017 bis August 2019) hat sie den Beschwerdeführer zwei Mal in der Haft besucht. Der Beschwerdeführer weiß nicht, was seine Frau beruflich macht, bei einer Einvernahme durch die belangte Behörde fiel ihm der Nachname der Frau zunächst nicht ein und er gab erst im weiteren Verlauf an, das er glaube (!), ihr Nachname sei XXXX .
1.4. Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Er nimmt Schlaftabletten ein. Drogenkonsum hat er sich abgewöhnt. Der Beschwerdeführer ist arbeitswillig und arbeitsfähig.
1.5. Beschwerdeführer kann den Kontakt zu Verwandten und/oder Bekannten in Afghanistan und Pakistan herstellen bzw. wiederherstellen.
Eine Schwester des Beschwerdeführers lebt in Afghanistan, die Kinder einer weiteren verstorbenen Schwester leben in Kabul und werden von der jüngeren Schwester betreut. Diese jüngere Schwester des Beschwerdeführers und ihr Mann sind Konditoren. Diese Familie lebt in einem Haus in Kabul, das früher der Mutter des Beschwerdeführers gehörte. Bis zu seiner Inhaftierung hat er seine Familienangehörigen in Afghanistan unterstützt.
In Pakistan hat der Beschwerdeführer Berufserfahrung in einer Konditorei erworben. In Österreich hat er zuletzt für 1,5 Jahre in einer Konditorei in XXXX gearbeitet, wo er ca. € 1630 monatlich verdient hat. Insgesamt war er in Österreich 4,8 Jahre lang als Arbeiter beschäftigt, zunächst in der Gastronomie, zB als Tellerwäscher. In der Haftanstalt arbeitete er zunächst in der Bäckerei, sodann in der Küche. Ein Onkel des Beschwerdeführers lebt in Österreich. Mit diesem hat er regelmäßig telefonisch Kontakt, er hat ihm bei der Heranziehung eines Strafverteidigers geholfen.
Im Iran leben Freunde des Beschwerdeführers, die er als Kollegen während seiner Zeit als Konditor in Pakistan kennengelernt hat. Diese haben ihm die Einladung ausgesprochen, er könne sie im Iran jederzeit besuchen. Einen solchen Besuch hatte der Beschwerdeführer im Jahr 2014 auch vor und ließ sich ein Visum für den Iran ausstellen. Zu dieser Reise kam dann jedoch nicht, weil der Tod seiner Mutter und seiner Schwesterdazwischen kam und er stattdessen zu deren Bestattung nach Kabul gereist ist.
Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht, aber nicht abgeschlossen.
1.6. Der Beschwerdeführer ist am 20.03.2019 vom Landesgericht Innsbruck rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Diese Verurteilung erfolgte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, der Vergehen des Suchtgifthandels nach § 27 Abs 1 vierter, fünfter und sechster Fall SMG sowie wegen dem Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG.
Konkret liegt ihm zur Last:
Dass er zumindest zwischen Herbst 2015 und 19.10.2017, indem er im Zuge einer Vielzahl von Verkaufshandlungen insgesamt 8300 g Cannabiskraut, davon 1906 g mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 16 % Delta-9-THC (305 g Reinsubstanz, 15-fache Grenzmenge) und im Übrigen (6394 g) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 10 % Delta-9THC (639,4 g Reinsubstanz, 31,97-fache Grenzmenge), gewinnbringend zum Teil selbst, zum Teil durch kommissionsweise Übergabe zum Zweck des Weiterverkaufs, an zahlreiche Abnehmer veräußerte,
dass er zwischen vierten und 19.10.2017, indem er im Zuge mehrerer Fahrten von Kufstein über den Grenzübergang Kiefersfelden nach Oberrohrdorf insgesamt 200 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 10 % Delta-9-THC (20 g Reinsubstanz, einfache Grenzmenge) von Österreich nach Deutschland brachte,
dass er 669,5 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 16 % Delta-9-THC (107 g Reinsubstanz, über 5-fache Grenzmenge), sohin eine die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz an 19.10.2017 besessen und am 15.10.2017 erworben, dass sie in Verkehr gesetzt werde.
Als mildernd wertete das Strafgericht das Geständnis, die Unbescholtenheit, eine eingeschränkte Zurechnung Fähigkeit aufgrund eigener Suchtgiftergebenheit und die Sicherstellung von Suchtgift. Als erschwerend wertete das Strafgericht das Zusammentreffen von einem Verbrechenstatbestand mit zwei Vergehenstatbeständen.
Der Beschwerdeführer beging diese Taten im Rahmen eines Netzwerks mehrerer (im Strafverfahren auch mitverurteilten) Personen; er bewegte sich über einen längeren Zeitraum in einschlägigen Suchtgiftkreisen. Der Beschwerdeführer hat im Tatzeitraum auch Minderjährigen Suchtgift überlassen.
1.7. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.10.2011 stützte sich zur Beurteilung der Lage in Afghanistan auf die Berichtslage, die bereits im damals angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.07.2010 herangezogen worden war. Dabei handelte es sich um das Länderinformationsblatt zu Afghanistan der Staatendokumentation des Bundesasylamtes, Stand 01/2010.
In den Abschnitten zur "Sicherheitslage" fanden sich in den damals herangezogenen Länderinformationen folgende Ausführungen:
"Allgemeine Sicherheitslage
Die Sicherheitslage variiert regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt. Während im Süden und Südosten des Landes Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte gegen die Zentralregierung und die Präsenz der internationalen Gemeinschaft die primäre Sicherheitsbedrohung darstellen, sind dies im Norden und Westen häufig Rivalitäten lokaler Machthaber, die in Drogenhandel und andere kriminelle Machenschaften verstrickt sind. Die organisierte Kriminalität hat seit 2007 landesweit stark zugenommen. Wachsende Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit der bisherigen Regierungspolitik, das Wiedererstarken der Taliban, die steigende Kriminalität, die Aktivitäten illegaler Milizen sowie bewaffnete Konflikte zwischen Ethnien bestimmen das Bild. Sicherheitsrelevante Vorfälle mit Sprengfallen und Selbstmordanschläge nehmen landesweit weiter zu. Von der sich verschlechternden Sicherheitslage sind fast alle Landesteile betroffen. Der UNHCR hat zuletzt am 18. Juni 2008 eine Einschätzung über die Sicherheitslage in bestimmten Regionen im Hinblick auf die Rückkehr von Flüchtlingen abgegeben.
[...]
Sicherheitslage im Raum Kabul
Die Sicherheitslage hat sich im Raum Kabul im 1. Halbjahr 2009 nicht weiter verschlechtert. Sie bleibt weiter fragil, auch wenn sie im regionalen Vergleich zufriedenstellend ist. Ende August 2008 übernahmen die Regierungsbehörden (ANP, ANA) von ISAF formell die Sicherheitsverantwortung für die Stadt Kabul; die internationale Schutztruppe ISAF ist weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden und nationalen Sicherheitskräften gewichen. Die Lage ist dadurch nicht unsicherer geworden, vielmehr kann sogar von einer Stabilisierung der Sicherheitslage gesprochen werden. Dies ist allerdings der allgegenwärtigen und sichtbaren Präsenz afghanischer Sicherheitskräfte geschuldet, die in dieser Form nur in der Hauptstadt zu beobachten ist.
Sehr selten kommt es in Außenbezirken Kabuls zwar noch zu Raketenbeschuss, aber die Raketen können aufgrund veralteter Baureihen und primitiver Abschussvorrichtungen zumeist nicht gegen konkrete Ziele eingesetzt werden und verursachen in der Regel keine Opfer. Es gibt vereinzelt Übergriffe von Polizei und Sicherheitskräften gegenüber der Zivilbevölkerung.
Angehörige der Sicherheitskräfte stellen sich gelegentlich als Täter von bewaffneten Raubüberfällen und Diebstählen, vereinzelt auch von kriminell motivierten Entführungen, heraus.
Am 29. Mai 2006 kam es in Kabul nach dem Verkehrsunfall eines US-Konvois, bei dem eine Reihe von Zivilisten getötet wurden, in weiten Teilen der Innenstadt zu Ausschreitungen. Dabei wurden Autos von Ausländern mit Steinen beworfen und Häuser geplündert. Vorfälle dieser Art können sich jederzeit wiederholen. Obwohl die Anzahl an Selbstmordattentaten seit 2008 abgenommen hat, haben vereinzelte spektakuläre Anschläge eine neue Qualität erreicht und führten zu einer Zunahme des Unsicherheitsgefühls. Hauptanschlagsziele sind nach wie vor neben den afghanischen Sicherheitskräften und Regierungsgebäuden auch ausländische Truppen und ausländische Vertretungen.
Die jüngsten Anschläge verdeutlichen, dass auch die in Kabul stationierten internationalen Schutztruppen weiterhin bzw. zunehmend die Zielscheibe für Angriffe der Aufständischen darstellen.
Zu beobachten war im 2. Halbjahr 2008 auch eine deutliche Zunahme von Entführungen hauptsächlich afghanischer Staatsangehöriger, zumeist mit allgemein-kriminellem Hintergrund zwecks Erpressung von Lösegeld. Diese Gefahr betrifft auch Rückkehrer, wenn ihnen ausreichende finanzielle Mittel für einen Freikauf unterstellt werden. Im 1. Halbjahr 2009 war die Zahl der Entführungen hingegen wieder leicht rückläufig.
[...]
Taliban-Kämpfer und Selbstmordattentäter haben Gebäude im Zentrum Kabuls angegriffen. Die Kämpfe fanden in der Nähe des Serena Hotel und des Präsidentenpalastes statt. Laut Angaben der Taliban haben 20 Kämpfer an diesem Angriff teilgenommen. Zwei Zivilisten und drei Sicherheitsbeamte, sowie sieben Taliban-Kämpfer kamen ums Leben, über 70 Menschen wurden verletzt.
[...]
Sicherheitslage im Süden und (Süd‑)Osten des Landes
Die Anti-Terror-Koalition bekämpft die radikal-islamistischen Kräfte vor allem im Süden (Helmand, Kandahar, Uruzgan) und Osten (Kunar, Khost, Paktika, Paktia) des Landes. Die Infiltration islamistischer Kräfte (u.a. Taliban) aus dem pakistanischen Siedlungsgebiet der Paschtunen nach Afghanistan hält an, das Rekrutierungspotential in afghanischen Flüchtlingslagern auf pakistanischem Territorium wie auch in Teilen der paschtunischen Bevölkerung im Süden und Osten scheint ungebrochen. Vor allem im Süden (Helmand, Kandhar), aber auch im Südosten (Kunar, Nuristan, Khost) wurde auch im ersten Halbjahr 2009 ein weiterer Anstieg von Anschlägen auf Einrichtungen der Provinzregierungen und Hilfsorganisationen verzeichnet. Hierzu zählen auch die Ermordung einer der ranghöchsten afghanischen Polizistinnen, Malalai Kakar, im September 2008 in Kandahar, und der afghanischen Frauenrechtsaktivisten Sitar Achakzai, die im April 2009 ebenfalls in Kandahr von Taliban erschossen wurde. Gleichzeitig halten Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen weiter an. Dies schließt Fehden zwischen Stämmen und Clans ein, die unter anderem für die paschtunisch geprägten Gebiete des Südens typisch sind.
[...]
Sicherheitslage im Norden und Westen des Landes
In den westlichen Provinzen Ghor (Westteil), Farah und Nimruz ist eine Reinfiltration von Taliban/Islamisten zu verzeichnen. Zunehmend Sorgen bereitet die Sicherheitslage in den Provinzen Kundus und Bahglan, in denen die Aufständischen ihre Aktivitäten im 1. Halbjahr 2009 erheblich verstärkt haben. Ziel sind neben afghanischen Sicherheitskräften und US-Militär auch die im Regionalbereich Nord stationierten deutschen Truppen. Im Norden und Nordosten werden zunehmend Aktivitäten von mit Taliban sympathisierenden Gruppen sowie der Hezb-e Islami Hekmatyar (HiG) registriert. Im Nordwesten besteht weiter das Risiko eines Wiederaufflammens von interfraktionellen Kämpfen oder Spannungen. Die Hauptakteure sind hier Jamiat-e-Islami (tadschikisch), Jumbesh-e-Milli (usbekisch) und Hezb-e-Wahdat (hazaritisch).
[...]
Sicherheitslage der internationalen Gemeinschaft
Seit 2006 kommt es regelmäßig zu Übergriffen auf Mitarbeiter von internationalen Hilfsorganisationen bzw. zu Anschlägen auf ausländische Truppen. Das Risiko von Entführungen nimmt für Mitarbeiter internationaler Organisationen weiter zu. Zwischen Juli 2007 und Anfang 2008 kam es zu fünf Entführungsfällen deutscher Staatsangehöriger. Am 15. August 2007 kamen bei einem Sprengstoffanschlag auf Fahrzeuge der deutschen Botschaft zwei Personenschutzbeamte des BKA sowie ein Angehöriger der Bundespolizei ums Leben. Der Anschlag auf das Hotel Kabul Serena am 14. Januar 2008 sowie der Anschlag auf die indische Botschaft am 7. Juli 2008 sowie in der Nähe der Deutschen Botschaft am 17. Januar 2009 haben das Unsicherheitsgefühl in den Reihen der internationalen Gemeinschaft erheblich verstärkt.
[...]
Zusätzlich zum Problem der Taliban gibt es vermehrt Raubüberfälle. Bei Überfällen oder Entführungen verwenden die Täter oft Polizei- und Armeeuniformen, bzw. -material. Ein Teil der Entführungen und Überfälle werden aber tatsächlich durch einzelne Personen aus den Reihen der Sicherheitskräfte durchgeführt.
Die Taliban sind in den meisten Distrikten, in denen die Gesellschaft stammesmäßig organisiert ist, z.B. in den Provinzen Kandahar und Helmand, außer in den Provinzhauptstädten, vorherrschend. In den östlichen Provinzen, Nangarhar, Laghman, Norestan und Kunar sind sie an den Grenzgebieten zu Pakistan aktiv. In der Provinz Ghazni und Logar sind sie in den Stammesgebieten aktiv und verüben öfters Anschläge. Außerdem kontrollieren sie einige Distrikte in der Provinz Ghazni und Logar. In allen anderen afghanischen Provinzen verüben die Taliban vereinzelt Anschläge gegen die ISAF und gegen die afghanischen Behörden. Die Taliban sind nach einigen Informationen bis dato gegen die zivile Bevölkerung in den von Nichtpaschtunen bewohnten Gebieten nicht vorgegangen, außer dass sie auf den Hauptstraßen, auch im Norden oder in Zentralafghanistan die ausländischen- und Regierungskonvois gelegentlich angreifen, dabei geraten auch Zivilisten in Gefahr, die sich zufällig in der Nähe befinden.
[...]
In Afghanistan kam es zu einer Verschlechterung und Ausweitung des bewaffneten Konfliktes seit 2008. Erhöhte Unsicherheit und Gewalt sind das Ergebnis von den Kämpfen zwischen regierungsfeindlichen und regierungsfreundlichen Truppen. Außerdem führen diese zu Vertreibungen in einem bedeutenden Teil des Landes. In mindestens 170 der insgesamt 400 Distrikte in Afghanistan, ist der Zugang eingeschränkt oder unmöglich. Dies behindert die humanitären und Aufbaumaßnahmen. Der Konflikt hat sich vom Süden, Südosten und Osten des Landes auf andere Teile, darunter die zentralen Provinzen und Teile des Nordens und Westens des Landes ausgeweitet.
[...]
Auch wenn die Regierung ihre Autorität in den Provinzzentren vertiefte, konnte die Taliban oder andere Gruppen außerhalb der Kontrolle der Regierung ihre Macht über einige Gebiete ausüben.
Landminen und nicht-detonierte Munition sorgten für Todesfälle und Verletzungen, schränkten das kultivierbare Land ein und behinderten die Rückkehr von Flüchtlingen in den von Minen betroffenen Gebieten. Die am meisten verminten Gebiete befanden sich in den Provinzen an den Grenzen zum Iran und zu Pakistan. Das UN Mine Action Center for Afghanistan (UNMACA) berichtete, dass Landminen und nicht-detonierte Munition im Schnitt 57 Personen im Monat töteten oder verletzten. Minenexplosionen in den letzten zwei Jahrzehnten betrafen 4,2 Millionen Menschen mit geschätzten 1,5 Millionen Opfern. Die UNO bildete und trainierte mit Hilfe von internationalen Geldgebern Teams zur Minenentdeckung und -entschärfung aus, die landesweit arbeiteten. UNO-Organisationen und NGOs führten für Frauen und Kinder viele Erziehungsprogramme und Kampagnen zum Verhalten in verminten Gebieten in verschiedenen Landesteilen durch. HALO Trust säuberte 1,14 Milliarden Quadratfuß Land von Minen. Zu Jahresende gab es laut UNMACA noch 83,74 Milliarden Quadratfuß ungeräumtes Land.
[...]
Mindestens 5978 Zivilisten wurden im Jahr 2009 getötet oder verletzt. Das ist die höchste Zahl seit dem Fall des Taliban-Regimes. Fast die Hälfte der zivilen Opfer waren im Süden (45%) zu beklagen. Hohe Opferzahlen wurden aber auch aus dem Südosten (15%), dem Osten (10%), aus Zentralafghanistan (12%) und den westlichen Regionen (8%) berichtet.
Der Anteil an zivilen Opfern hat erneut stark zugenommen. Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung gehen weiterhin von vier Quellen aus: von regierungsfeindlich eingestellten bewaffneten Gruppierungen wie Taliban, Hezb-e-Islami von Gulbuddin Hekmatyar, Haqqani-Netzwerk und anderen; von regionalen Kriegsherren und Kommandierenden der Milizen; von kriminellen Gruppierungen; von Reaktionen der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräften im Kampf gegen regierungsfeindliche Gruppierungen, insbesondere Bombardierungen.
Der Drogenhandel machte 2008 etwa 20-30 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Obwohl die Drogenbekämpfung 2008 zu einem Rückgang des Drogenanbaus von etwa 6 Prozent führte, produziert Afghanistan noch immer rund 90 Prozent des weltweit produzierten Opiums. Für 80 Prozent der ländlichen Bevölkerung stellt der Drogenhandel die Haupteinnahmequelle dar. Die Taliban erzielen geschätzte drei Fünftel ihrer Kriegsfinanzierung aus der Drogenwirtschaft.
[...]"
Unter dem Titel "Innerstaatliche Fluchtalternative" fand sich im damals herangezogenen Länderinformationsblatt die folgende Passage:
"Innerstaatliche Fluchtalternative
UNHCR hielt im Juli 2009 fest, dass in Afghanistan kaum staatlicher Schutz vorhanden ist. In zahlreichen Fällen wurden Regierungsbeamte selber beschuldigt, Gewalt angewandt oder Verstösse gegen die Menschenrechte begangen zu haben. Nicht-staatliche Akteure können ihre Opfer auch über ihren Machtbereich hinaus verfolgen und stehen oft in Beziehung zur Regierung oder den Behörden. Zudem ist für eine rückkehrende Person ein starkes Familien-, Sozial- oder Stammesnetz von grundlegender Bedeutung. Ohne dieses kann eine Person in der heutigen Situation nicht überleben.
[...]
Die Lebensbedingungen sind landesweit schlecht. Das Risiko des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt oder einer Menschenrechtsverletzung zu werden, ist im gesamten Land gegeben. Die Sicherheitslage stellt sich regional sehr unterschiedlich dar und wirkt sich dementsprechend auf die Gefährdungssituation des Einzelnen aus. Ob eine Person sich einer möglichen Gefährdung durch ein Ausweichen im Land entziehen kann, hängt maßgeblich von dem Grad ihrer sozialen Vernetzung sowie von der Verwurzelung in Familienverband oder Ethnie ab.
[...]
Eine Ansiedlung in Kabul, Mazar-i Sharif, Jalalabad und Herat ist grundsätzlich auch für Personen ohne Beziehungen möglich, sofern sie über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Für mittellose Männer ohne persönliche Anknüpfungspunkte ist dies nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Für Frauen ohne männliches Familienoberhaupt ist dies gänzlich unmöglich. Für Frauen allgemein ist die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt.
[...]"
In Bezug auf die Versorgungslage lassen sich den damals herangezogenen Länderinformationen folgende Aussagen entnehmen:
"Rückkehrfragen
Grundversorgung
Aufgrund günstiger Witterungsbedingungen mit weit überdurchschnittlichen Niederschlägen sind die Ernteaussichten für das Jahr 2009 deutlich besser als im Dürrejahr 2008. Daraus dürfte in diesem Jahr auch eine deutlich verbesserte Ernährungssituation bzw. Versorgung der Bevölkerung mit Weizen als wichtigstem Grundnahrungsmittel resultieren. Von diesen verbesserten Rahmenbedingungen profitieren grundsätzlich auch die Rückkehrer.
Gleichwohl problematisch bleibt die Lage der Menschen in den ländlichen Gebieten, insbesondere des zentralen Hochlandes. Deren Versorgung ist oftmals, bedingt durch fehlende oder und nur sehr ungenügend ausgebaute Verkehrswege, sehr schwierig, im Winter häufig überhaupt nicht möglich. Hinzu kommt die bekannte Gefahr kriminell motivierter Überfälle auf kommerzielle und humanitäre Lebensmitteltransporte.
In den Städten ist die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen nach wie vor schwierig.
Staatliche soziale Sicherungssysteme wie Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung sind praktisch nicht existent. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen bezüglich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Von den "Zurückgebliebenen" werden sie häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert.
[...]
2008 war der Norden des Landes von einer ernsten Dürre betroffen. Im Winter 2008/2009 waren etwa 74'000 Familien äusserst knapp an Lebensmitteln. Viele Familien wurden zu intern Vertriebenen. Die Provinz Nangarhar wurde von zwei Erdbeben heimgesucht, bei denen 22 Personen ums Leben kamen, 59 Menschen verwundet und 650 Familien vertrieben wurden. Heftige Regenfälle und Überflutungen haben über 17'000 Acres Land überflutet, über 10'000 Stück Vieh getötet sowie Häuser, Besitz, aber auch Brücken und Strassen zerstört.
Die meisten AfghanInnen können die 200-250 US-Dollar, die eine Ein- oder Zweizimmerwohnung monatlich kostet, nicht aufbringen. Gemäss Angaben des Ministeriums für ländliche Entwicklung ist die Unterkunft eines der grössten Probleme der afghanischen Bevölkerung. Rund 30 Prozent der AfghanInnen verfügen über keine eigene Wohngelegenheit. Um die Wohnungsknappheit etwas zu entschärfen, hat das Ministerium geplant, an rund 150'000 Personen Land zu vergeben. Rund 55 Prozent der afghanischen Bevölkerung verfügen nicht über Elektrizität.
Rund 77 Prozent der AfghanInnen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Anhaltende Dürren haben den Zugang zu Trinkwasser noch verknappt, was zur Verbreitung von durch Wasser übertragene Krankheiten geführt hat. Die Weizenernte fiel in Afghanistan 2008 um rund 40 Prozent tiefer aus, als 2007. Die steigenden Lebensmittelpreise und die Restriktionen der Transporte von Weizen aus Pakistan führten 2008 zu einer Lebensmittelkrise.
Die Inflationsrate betrug 2008 28,7 Prozent im Vergleich zu 12,9 Prozent 2007. Geschätzte acht Millionen Personen sind in Afghanistan auf Lebensmittelhilfe angewiesen.
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Medizinische Versorgung
[...]
Die Lage von Rückkehrern
Es ist nicht bekannt, dass eine Asylantragstellung zu Sanktionen seitens der Regierung führt.
Als vordringliche Probleme, mit denen sich die Rückkehrer konfrontiert sehen, sind Land- und Grundsstücksstreitigkeiten zu nennen, die bei (i) der Zuweisung von Land durch die Regierung, (ii) der Rückforderung ihres früheren Besitzes und (iii) bei der illegalen Besetzung von Land offenkundig werden. Daneben ist die Verwirklichung anderer grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Wasser, Gesundheitsversorgung etc., häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Hinzu kommt der mangelnde Zugang zu Rechtsmitteln. Diejenigen Afghanen, die bereits in den Nachbarländern nur einen kleinen Eigenbeitrag zu ihrem Lebensunterhalt leisten konnten, sehen sich bei Rückkehr oftmals noch größeren Schwierigkeiten gegenüber, da sie über kein Startkapital verfügen und Arbeitsmöglichkeiten insbesondere in den Provinzen begrenzt sind.
Staatliche soziale Sicherungssysteme wie Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung sind praktisch nicht existent. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen bezüglich ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise gefordert werden. Von den "Zurückgebliebenen" werden sie häufig nicht als vollwertige Afghanen akzeptiert.
[...]
Die Eingliederung in eine fremdgewordene Heimat gestaltet sich dementsprechend schwierig. Viele AfghanInnen, die nach dem Sturz der Taliban nach Afghanistan zurückgekommen waren, haben das Land aus Angst vor einer Entführung wieder verlassen. Etwa 55'000 der kürzlich zurückgekehrten AfghanInnen leben in temporären und hilfsbedürftig aufgestellten Siedlungen. Zu den Gründen, die gegen eine Rückkehr sprechen, gehören die sich drastisch verschlechterte Sicherheitslage in immer weiteren Teilen des Landes, Landstreitigkeiten und die hohe Arbeitslosigkeit. Afghanistan gehört zudem zu den am stärksten verminten Ländern der Welt. Immer wieder befinden sich unter den Minenopfern RückkehrerInnen, die das Gebiet nicht gut kennen. Daneben können viele landwirtschaftliche Flächen wegen der Verminung nicht genutzt werden.
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Die traditionellen Familien- und Gemeinschaftsstrukturen des afghanischen Stammessystems stellen die hautsächlichen Schutz- und Bewältigungsmechanismen dar. Die Hilfe durch die Familien, die Großfamilien und die Stämme sind auf Gebiete begrenzt, wo Verbindungen der Familie oder der Gemeinschaft existieren - besonders am Herkunftsort oder dem gewöhnlichen Wohnort. Personen, die mit besonderen Schwierigkeiten bei ihrer Rückkehr zu rechnen haben, umfassen u. a. unbegleitete Frauen und alleinstehende Haushaltsvorstände, unbegleitete Kinder, unbegleitete ältere Personen, Opfer mit ernstzunehmenden Traumata, darunter Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung und Personen die medizinische Hilfe benötigen (sowohl in langer als auch kurzer Hinsicht), insbesondere Frauen.
Die Rückkehr zu anderen Orten als dem Herkunftsort oder dem vorherigen Wohnort könnte die Afghanen vor unüberwindbare Hindernisse stellen - nicht nur bei der Erhaltung ihres Lebensunterhalts oder bei der Wiederherstellung ihres Lebensunterhalts, sondern auch in Bezug auf Sicherheitsrisiken. Die Sicherheitsrisiken können unter anderem willkürliche Festnahmen und Haft, gezielte Ermordung basierend auf ethnische Rivalitäten und aufgrund von Konflikten zwischen Familien umfassen.
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Wohnraum
In den Städten ist die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen nach wie vor schwierig.
Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapaziert. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten. Das afghanische Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer (MoRR) bemüht sich daher um eine Ansiedlung dieser Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer (sog. "townships"). UNHCR unterstützt gemeinsam mit der "International Organisation for Migration" (IOM) das MoRR bei seiner Aufgabe, eine geordnete Rückkehr zu gewährleisten, worauf letzteres aufgrund seiner institutionellen Schwächen auch sehr angewiesen ist. Die Ansiedlung der Flüchtlinge erfolgt unter schwierigen Rahmenbedingungen: Ein Großteil der vorgesehenen "townships" ist kaum für eine permanente Ansiedlung geeignet. Oft fehlt es an der notwendigen Basisinfrastruktur (z.B. Wasserversorgung), und häufig befinden sich die vorgesehenen Ansiedlungsorte in abgelegenen Gebieten. Manche Beobachter bezeichnen daher die Ansiedlung der Rückkehrer als ein "Aussetzen in der Wüste".
Nichtregierungsorganisationen leisten hier vielfach zusätzliche Hilfe.
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Die meisten AfghanInnen können die 200-250 US-Dollar, die eine Ein- oder Zweizimmerwohnung monatlich kostet, nicht aufbringen. Gemäss Angaben des Ministeriums für ländliche Entwicklung ist die Unterkunft eines der grössten Probleme der afghanischen Bevölkerung. Rund 30 Prozent der AfghanInnen verfügen über keine eigene Wohngelegenheit. Um die Wohnungsknappheit etwas zu entschärfen, hat das Ministerium geplant, an rund 150'000 Personen Land zu vergeben.
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Die humanitäre Situation stellt das Land vor allem mit Blick auf die mehr als 5,4 Millionen - meist aus Pakistan zurückgekehrten - Flüchtlinge vor große Herausforderungen.
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Afghanistan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Gemäss Angaben der UNO beträgt die Lebenserwartung für AfghanInnen lediglich 43 Jahre. Vor allem Kinder, Frauen und ältere Personen sind am stärksten von den kumulierten Auswirkungen bewaffneter Konflikte, hoher Lebensmittelpreise, der ökonomischen Krise sowie von Umweltfaktoren wie Dürren betroffen. Gemäss Angaben des Norwegischen Flüchtlingsrats hat die afghanische Bevölkerung "nur sehr beschränkten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Gesundheit, Bildung und Lebensunterhalt ". Die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen haben sich, auch in Kabul, in den letzten beiden Jahren verschlechtert.
Ein Grossteil der afghanischen Bevölkerung hat keine Arbeit oder ist stark unterbeschäftigt, was bedeutet, dass viele Familien ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können. Nur die wenigsten AfghanInnen verdienen die 400 US-Dollar, die für die monatlichen Auslagen notwendig sind. Die hohe Arbeitslosigkeit ist zudem einer der Gründe für den Zulauf zu den Taliban: Gemäss Angaben des Instituts for War and Peace Reporting machen junge arbeitslose Männer bis zu 70 Prozent der Talibankämpfer aus. Es fehlt aber auch an technischen Schulen oder Berufsschulen, die den über 100'000 Schulabgängern eine Perspektive geben könnten. Für Frauen ist es nach wie vor schwierig, einer Arbeit ausserhalb des Hauses nachzugehen, und für viele besteht eine äusserst eingeschränkte Bewegungsfreiheit.
Gemäss Human Rights Watch gehen auch heute lediglich 74 Prozent der Knaben in die Primarschule. Bei den Mädchen liegt die Rate sogar nur bei 46 Prozent. Die Sekundarschule besuchen dagegen nur noch 18 Prozent der Jungen und nur noch 8 Prozent der Mädchen. UNICEF schätzt, dass etwa 66 Prozent der afghanischen Bevölkerung Analphabeten sind, bei Frauen beträgt die Quote sogar etwa 90 Prozent. Insbesondere auf dem Land ist der Zugang zu Bildungseinrichtungen ungenügend.
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Rückkehr
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In Iran und in Pakistan halten sich nach Angaben des UNHCR noch knapp 3,1 Millionen afghanische Flüchtlinge auf, davon knapp 2,2 Millionen in Pakistan und ca. 900.000 in Iran. Die Mehrzahl der afghanischen Flüchtlinge, die sich in Turkmenistan und Tadschikistan aufgehalten hatten, ist freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Rückkehrer erhalten vom UNHCR eine begrenzte finanzielle Beihilfe und Sachmittel.
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Der UNHCR schätzt die Zahl der freiwilligen Rückkehrer zwischen März 2002 und Juli 2009 auf rund 4,5 Millionen Menschen. Der ganz überwiegende Teil davon kehrte mit Hilfe des UNHCR zurück. Im Jahr 2008 sind 278.000 Flüchtlinge mit UNHCR-Unterstützung nach Afghanistan zurückgekehrt (davon 275.000 aus Pakistan und 3.000 aus Iran). Bis Mitte Juli 2009 sind knapp 46.700 Menschen mit Unterstützung des UNHCR zurückgekehrt (davon rund 44.500 aus Pakistan und rund 2.100 aus Iran). Dass die in den Aufnahmeländern verbliebenen Flüchtlinge zu einem großen Teil nicht (mehr) zu einer freiwilligen Rückkehr bereit sind, beruht unter anderem darauf, dass viele Personen mittlerweile einen legalen Status in ihren Zufluchtsländern besitzen, sich dort eine wirtschaftliche Existenz aufgebaut haben, z.B. ein eigenes Geschäft führen, und ein deutlich höheres Einkommen erzielen, als es ihnen in Afghanistan möglich wäre. Ein zunehmender Teil der Afghanen scheut die Rückkehr aber auch aus Furcht vor einer sich verschlechternden Sicherheitslage. Hinzu kommen ganz konkrete Rückkehrhindernisse wie etwa ungeklärte Grundstücksfragen. So gab es im Sommer 2008 in der Provinz Takhar bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen aus pakistanischen Lagern zurückgekehrten Paschtunen und den zurückgebliebenen Tadschiken, die zwischenzeitlich die verlassenen Grundstücke in Besitz genommen hatten.
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Sowohl die pakistanische als auch die iranische Regierung forcieren seit 2007 die Rückkehr afghanischer Flüchtlinge und illegaler Migranten. So wurden weite Teile Irans für Flüchtlinge gesperrt. Die in Iran in der Regel in individuellen Unterkünften lebenden Flüchtlinge wurden aufgefordert, sich neu registrieren zu lassen und in Lager umzuziehen. Der UNHCR warnte wiederholt vor einem völkerrechtswidrigen "refoulement". Neben wirtschaftlichen Gründen (vermeintliche Konkurrenz um Arbeitsplätze) werden v.a. in Pakistan Sicherheitsgründe für die Rückführungsbemühungen der pakistanischen Regierung angeführt (pakistanische Flüchtlingslager als Basis des afghanischen Aufstands gegen die Regierung). Nach Angaben des UNHCR wurden aus Iran bis Ende Juni 2009 rund 192.000 illegale Migrantinnen und Migranten abgeschoben. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet dies einen Anstieg um 28 %.
Zwischen den Regierungen von Afghanistan und Pakistan sowie dem UNHCR existiert ein Dreiparteienabkommen, das den rechtlichen und operativen Rahmen für die freiwillige und allmähliche Rückkehr von Afghanen aus Pakistan festlegt. Dem UNHCR kommt dabei die Rolle zu, die Freiwilligkeit der Rückkehr zu überprüfen und entsprechende Unterstützung zu leisten. Bis Anfang 2008 existierte ein ähnliches Abkommen auch mit Iran. Das Abkommen mit Pakistan läuft bis Ende 2009, das Abkommen mit Iran wurde nach seinem Auslaufen im Februar 2008 erstmalig nicht erneuert. Bislang scheint sich Iran jedoch an seine Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention zu halten.
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Der Asylgerichthof begründete seine den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennenden Entscheidung mit folgender einzelfallbezogener Überlegung:
"Wie bereits oben ausgeführt, hat der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides zurückgezogen; Spruchpunkt I ist daher rechtskräftig. Es ist daher nunmehr zu prüfen, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan Art. 2 oder 3 MRK oder das Protokoll Nr. 6 zur MRK verletzt würde. Solche Anhaltspunkte finden sich in den Feststellungen zur Situation in Afghanistan. Daraus geht hervor, dass die Sicherheits- und die Versorgungslage im ganzen Land prekär ist. Der Asylgerichtshof teilt nicht die Ansicht des Bundesasylamtes, das aus seinen eigenen Feststellungen einen gegenteiligen Schluss zieht. [...]
Daher kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan eine Gefahr iSd Art. 3 MRK droht, und eine Rückführung stünde im Widerspruch zu Art. 3 MRK."
1.8. Die heutige Lage in Afghanistan stellt sich wie folgt dar:
"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).
Anschläge in Kabul-Stadt
Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).
Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).
Überflutungen und Dürre
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Friedensgespräche
Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).
Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).
Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).
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Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).
Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).
Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).
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KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
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KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).
Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).
Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).
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KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul
Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).
Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).
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KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
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KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
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Zivile Opfer
Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).
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(UNAMA 10.10.2018
Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:
davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamischen Staaten - Provinz Khorasan (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).
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Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:
Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai (SIGAR 30.7.2018), Ghazni-Stadt im August (ANSA 13.8.2018) und Sar-e Pul im September (FAZ 10.9.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).
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Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] bei Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).
Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).
Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).
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Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und -prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IED um 43% (UNAMA 15.7.2018).
Wahlen
Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Millionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).
Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichnet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).
Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).
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KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Anschläge in Nangarhar 11.9.2018
Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demonstration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheliegenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).
Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).
Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018
Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan, nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).
Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i-Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).
IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018
Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).
IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018
Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).
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KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)
Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018
Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).
IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018
Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).
Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab
Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).
Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).
Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).
IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018
Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).
IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018
Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).
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Politische Lage
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).
Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).
Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9 .2016).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5 .2018).
Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).
Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).
Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).
Parteienlandschaft und Opposition
Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).
Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).
Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).
Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).
Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).
Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").
Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).
Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).
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Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).
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Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
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Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:
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Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).
Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)
Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).
Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).
Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).
Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).
Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).
Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).
Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).
Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).
Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).
Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:
Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).
Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten
Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)
Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).
Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)
Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).
Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .
Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).
Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).
Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).
Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).
Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).
In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).
Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:
Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:
Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).
Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).
Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).
Zivilist/innen
[...]
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).
Konkrete Informationen zu Zahlen und Tätern können dem Subkapitel "Regierungsfeindliche Gruppierungen" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
[...]
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).
Haqqani-Netzwerk
Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).
Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).
Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).
Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).
Al-Qaida
Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).
Drogenanbau
In den Jahren 2016 - 2017 haben sich die Flächen zum Mohnanbau für Opium um 63% vergrößert und kommen nun auf 328.000 Hektar; insgesamt verstärkte sich die Opiumproduktion um 87% und damit auf 9.000 metrische Tonnen - die größte Menge in der afghanischen Geschichte. Die stärkste Expansion der Mohanbauflächen war in der Provinz Helmand zu verzeichnen, die als Zentrum der Opiumproduktion erachtet wird: eine Fläche von 144.000 Hektar ist dort dem Mohnanbau gewidmet. Der Mohnanbau hat sich landesweit verstärkt, auch in nördlichen Provinzen, wie z.B. Balkh und Jawzjan (UNODC 11.2017).
Unterstützt von ihren internationalen Partnern führt die afghanische Regierung weiterhin Operationen zur Drogenbekämpfung durch. Im gesamten Jahr 2017 wurden von afghanischen Exekutivbehörden 445 solcher Einsätze durchgeführt. Beschlagnahmt wurden dabei: 391kg Heroin, 31kg Morphium, 8.141kg Opium, 2 kg Methamphitamine, 38.547 kg Haschisch, 1.256 kg fester Vorläuferchemikalien, 1.437 flüssige Vorläuferchemikalien und 1.590 Tabletten synthetischer Drogen (MDMA - 3,4-methylenedioxymethamphetamine); diese Beschlagnahmungen führten zu 531 Verhaftungen. Die beschlagnahmte Menge an Opiaten ist die höchste registrierte Menge seit dem Jahr 2012. Auch hat sich der Preis für Opium erheblich reduziert (-41%), was mit einer großen Ernte in Verbindung gebracht wird; reduziert hat sich auch der Heroinpreis (-7%) (UNGASC 27.2.2018).
Im letztem Quartal 2017 wurden 750 Hektar Mohnanbauflächen in den Provinzen Nangarhar, Kandahar, Badakhshan, Balkh, Kunar, Kapisa, Laghman, Ghor, Herat, Badghis, Nimroz, Takhar, und Kabul vernichtet. Der UN zufolge wurden in den letzten drei Jahren in den nördlichen Regionen keine Mohnanbauflächen vernichtet, außer in den Provinzen Sar-e Pul und Balkh im Jahr 2017 - wo insgesamt 25 Hektar zerstört wurden. Ebenso wurden im Jahr 2017 im Süden des Landes keine Mohnanbauflächen zerstört; die Ausnahme bildet Kandahar - dort wurden 48 Hektar zerstört (SIGAR 30.1.2018).
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Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).
Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).
Informationen und Beispiele zu öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage (allgemeiner Teil)" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
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Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).
Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).
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Balkh / Mazar-e-Sharif
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).
Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:
Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).
Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).
Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).
Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).
Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).
In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).
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Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Balkh
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).
Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).
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Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).
Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).
Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:
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Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Herat
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;
vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;
vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).
Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).
ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).
[...]
Erreichbarkeit
Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen (TD 5.12.2017). Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (TD 26.1.2018). Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 5.12.2017).
Verkehrsunfälle sind in Afghanistan keine Seltenheit; jährlich sterben Hunderte von Menschen bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen im ganzen Land - vor allem durch unbefestigte Straßen, hohe Geschwindigkeiten und Nachlässigkeit der Fahrer während der Fahrt (KT 17.2.2017; vgl. IWPR 26.3.2018). Die Präsenz von Aufständischen sowie Zusammenstöße zwischen letzteren und den Sicherheitskräften entlang einiger Straßenabschnitte gefährden die Sicherheit auf den Straßen. Einige Beispiele dafür sind die Straßenabschnitte Kandahar-Uruzgan (Pajhwok 28.4.2018), Ghazni-Paktika (Reuters 5.5.2018), Kabul-Logar (Tolonews 21.7.2017) und Kunduz-Takhar (Tolonews 12.5.2017).
Ring Road
Straßen wie die "Ring Road", auch bekannt als "Highway One", die das Landesinnere ringförmig umgibt, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (HP 9.10.2015; vgl. FES 2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. TG 22.10.2014, BFA Staatendokumentation 4.2018). Die Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts von 3.360 km Länge, das 16 Provinzen mit den größten Städten Afghanistans, Kabul, Mazar, Herat, Ghazni und Jalalabad, verbinden soll (Tolonews 9.12.2017). Die asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank - ADB, Anm.) genehmigte 150 Millionen USD, um die Kabul Ring Road fertig zu stellen. Die fehlenden 151 Kilometer sollen künftig den Distrikt Qaisar (Provinz Faryab, Anm.) mit Dar-e Bum (Provinz Badghis, Anm.) verbinden. Dieses Straßenstück ist der letzte Teil der 2.200 km langen Straße, welche die großen Städte Afghanistans miteinander verbindet. Mittlerweile leben mehr als 80% der Afghanen weniger als 50 km von der Ring Road entfernt. Die Fernstraße wird in diesem Projekt außerdem mit einem Entwässerungssystem ausgestattet, als auch mit weiteren modernen Sicherheitsfunktionen. Durch das Ring Road Projekt sollen regionale Verbindungen erleichtert und die Qualität der Transportdienste verbessert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Pajhwok 17.12.2017).
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USAID hat ebenso in die Errichtung und Erhaltung von mehr als 2.000 Kilometern Straße in Afghanistan investiert, um Reise- und Warenbewegung zu fördern - dies gilt insbesondere für die Ring Road (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Autobahnabschnitt Kandahar - Kabul - Herat
Die afghanische "Ring Road" verbindet große afghanische Städte wie Herat, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (TD 12.4.2018). Sie erstreckt sich südlich von Kabul und ist die Hauptverbindung zwischen der Hauptstadt und der großen südlichen Stadt Kandahar (Reuters 13.10.2015). Der Kandahar-Kabul Teil der Ring Road erstreckt sich vom östlichen und südöstlichen Teil Kandahars über die Provinz Zabul nach Ghazni in Richtung Kabul, während die Ring Road westlich von Kandahar nach Gereshk in Helmand und Delaram in Nimroz verläuft (ISW o.D.). Ein Teil der Ring Road verbindet die Provinz Kandahar mit Lashkargah, der Hauptstadt der Provinz Helmand (Xinhua 1.11.2015; vgl. UPI 1.11.2015).
Der Autobahnabschitt zwischen Kabul und Herat beträgt 1.400 km (IWPR 26.3.2018). Die an die Ring-Road anknüpfende 218 km lange Zaranj-Dilram-Autobahn (Provinz Nimroz, Anm.), auch "Route 606" genannt, soll zukünftig Afghanistan mit Chabahar im Iran verbinden (AD 15.8.2017; vgl. TET 9.8.2017, TD 24.5.2017).
Anrainer beschweren sich über den schlechten Zustand des Autobahnabschnitts Kandahar-Kabul-Herat (Tolonews 14.3.2018). Ursachen dafür sind die mangelnde Instandhaltung und ständige Angriffe durch Aufständische (IWPR 26.3.2018).
Autobahnabschnitt Baghlan-Balkh
Die Baghlan-Balkh-Autobahn ist Teil der Ring Road und verbindet den Norden mit dem Westen des Landes. Sie gilt als eine unabdingbare Transitroute zwischen der Hauptstadt der Provinz Baghlan, Pul-e Khumri, und den nordwestlichen Provinzen Samangan, Balkh, Jawjzan, Sar-e Pul und Faryab. In der Vergangenheit versuchten die Taliban mehrmals ihre Präsenz auf der Route zu verstärken (AAN 15.8.2016).
Autobahnabschnitt Gardez - Khost (NH08)
Die Gardez-Khost-Autobahn, auch "G-K-Autobahn" genannt, ist 101,2 km lang (USAID 7.11.2016; vgl.: Pajhwok 15.12.2015) und verbindet die Provinzhauptstadt der Provinz Paktia, Gardez, mit Khost City, der Provinzhauptstadt von Khost (Pajhwok 15.12.2015). Sie verbindet aber auch Ostafghanistan mit der Ghulam-Khan-Autobahn in Pakistan. Mitte Dezember 2015 wurde die sanierte Gardez-Khost Autobahn eröffnet. Ebenso wurden 410 kleine Brücken und 25 km Schutzwände auf dieser Autobahn errichtet (Pajhwok 15.12.2015; vgl. auch: USAID 7.11.2016).
Grand Trunk Road
Die Grand Trunk Road, auch bekannt als "G.T. Road", ist die älteste, längste und bekannteste Straße des indischen Subkontinentes (GS o. D.; vgl. Doaks o.D., EIPB 2006). Die über 2.500 km lange Route beginnt in der bangladeschischen Stadt Chittagong, verläuft über Delhi in Indien, Lahore und Peshawar in Pakistan, den Khyber Pass an der afghanisch-pakistanischen Grenze und endet in Kabul (Samaa 9.8.2017; vgl. Scroll 4.5.2018, EIPB 2006). Der Khyber-Pass erstreckt sich über 53 km durch das Safed-Koh-Gebirge und ist eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Afghanistan und Pakistan; er verbindet Kabul mit Peshawar (EB 30.3.2017; vgl. BL o.D., NG o.D.).
Autobahnabschnitt Jalalabad-Peshawar / Pak-Afghan-Highway
Die Torkham-Peshawar Autobahn verbindet Jalalabad mit Peshawar in Pakistan, über die afghanische Grenzstadt Torkham in der Provinz Nangarhar. Sie ist eine der am stärksten befahrenen Straßen Afghanistans. Der afghanische Teil der Straße besteht aus zwei Abschnitten: die 76 km langen Torkham-Jalalabad-Straße und die Jalalabad-Kabul-Verbindung, die sich über 155 km erstreckt (ET 27.10.2016). Die Straße, die auch als "Pak-Afghan Highway" bekannt ist, wird als Wirtschaftsroute zwischen Pakistan, Afghanistan, Usbekistan, Tadschikistan und den südasiatischen Ländern genutzt (ET 7.3.2016; vgl. Pajhwok 28.8.2015, PCQ o.D.).
Autobahnabschnitte Kabul-Bamyan und Bamyan-Mazar-e Sharif
Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Verbindung zwischen Kabul und Bamyan erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region fördern. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden (Farnesina 29.8.2016).
Ausgeführt durch ein chinesisches Unternehmen, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes "Dare-e-Sof and Yakawlang Road" gegeben. In der ersten, bereits beendeten Phase, wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden. Der zweite Teil dieses Projektes, eine 178 km lange Straße, die durch mehr als 37 Dörfer verlaufen soll, wird den Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan mit dem Distrikt Yakawlang verbinden; angedacht ist eine dritte Phase - dabei sollen die Provinzen Bamyan und Kandahar durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (Xinhua 9.1.2017).
Kabul Ring Road
Mitte September 2017 gewährte die islamische Entwicklungsbank (IDB) der afghanischen Regierung ein langfristiges Darlehen im Wert von 74 Millionen USD zum Bau der Kabul-Ring-Road, die sich über eine Strecke von 95 km erstrecken wird; die Straße soll innerhalb von fünf Jahren gebaut werden (TKT 25.9.2017).
Salang Tunnel/Salang Korridor
Der Salang-Korridor gilt als Vorzeigeobjekt des Kalten Krieges und wurde im Jahr 1964 zum ersten Mal eröffnet (TD 21.10.2015). Er ist die einzige direkte Verbindung zwischen der Hauptstadt Kabul und dem Norden des Landes (WP 22.1.2018; TD 21.10.2015). Der Salang-Tunnel ist 2.7 km (1.7 Meilen) lang und wurde für den täglichen Verkehr von 1.000 bis 2.000 Fahrzeugen gebaut. Heute befahren ihn jedoch täglich über 10.000 Transportmittel, was den Bedarf an Instandhaltungsarbeiten erhöht (WP 22.1.2018). Durch das von der Weltbank finanzierte Trans-Hindukush Road Connectivity Project soll bis 2022 u.a. der Salang-Korridor dank einer Förderung von 55 Millionen USD renoviert werden (TWB o.D.; vgl. RW 6.7.2017).
Transportwesen
Das Transportwesen in Afghanistan gilt als "verhältnismäßig gut". Es gibt einige regelmäßige Busverbindungen innerhalb Kabuls und in die wichtigsten Großstädte Afghanistans (UB 3.2016; vgl. IE o.D.). Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit (IWPR 26.3.2018; vgl. Reuters 13.6.2016, UB 3.2016). Es existieren einige nationale Busunternehmen, welche Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan miteinander verbinden; Beispiele dafür sind Bazarak Panjshir, Herat Bus, Khawak Panjshir, Ahmad Shah Baba Abdali (vertrauliche Quelle 14.5.2018; vgl. IWPR 26.3.2018).
Aus Bequemlichkeit bevorzugen Reisende, die es sich leisten können, die Nutzung von Gemeinschaftstaxis nach Mazar-e Sharif, Kabul, Herat, Jalalabad und Bamiyan (vertrauliche Quelle 14.5.2018). Der folgenden Tabelle können die Preise für besagte Reiseziele entnommen werden:
Distanz | Preis |
Kabul - Mazar | 1.500 AFN - 1.700 AFN |
Mazar - Herat | ca. 2.800 AFN (keine direkte Verbindung) |
Kabul - Jalalabad | ca. 800 AFN |
Kabul - Bamiyan | ca. 1.500 AFN |
(vertrauliche Quelle 14.5.2018)
Beispiele für Busverbindungen
Kabul-Stadt
Der Mangel an Bussen insbesondere während der Stoßzeit in Kabul-Stadt ist eine Herausforderung für die afghanische Regierung. Im Laufe der Jahre wurde versucht, dieses Problem zu lösen, indem Indien dem staatlichen Busunternehmen "Afghan Milli Bus Enterprise" Busse zur Verfügung stellte (AZ 26.7.2015). Bis Ende 2018 sollen 350 Busse durch indische Hilfsgelder instand gesetzt werden (Khaama Press 27.11.2017). Auch wird gemäß Aussagen des Bürgermeisters von Kabul ein Projekt zur Einrichtung eines Metro-Bus-Dienstes, auch Bus Rapid Transit genannt, in Kabul-Stadt geplant, der 2018 vollendet werden soll. Die erste Strecke soll 8 km abdecken und Deh Afghana mit Sara-e-Shamali verbinden, während die zweite Route vom Baraki Platz bis Deh Afghana über Kote Sangi und Deh Mazang verlaufen soll. Insgesamt sollen 111 km innerhalb der Stadt durch den Metro-Bus-Dienst abgedeckt werden (Khaama Press 12.9.2017; vgl. Tolonews 15.6.2017).
Mazar-e Sharif
Es gibt einige Busverbindungen zwischen Mazar-e Sharif und Kabul. Bis zu 50 unterschiedliche Unternehmen bieten 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, Fahrten von und nach Kabul an. Ausführende Busunternehmen sind beispielsweise Bazarak Panjshir Bus, Hesarak Panjshir Bus, Jawid Bus, Khorshid Bus und Jabal Seraj Bus. Die Preise pro Passagier liegen zwischen 400 und 1.000 Afghani und hängen stark vom Komfort im Bus ab. So kann man zum Beispiel in einem Bus der Marke Mercedes Benz mit Toiletten, Kühlschränken und Internet reisen. Busreisen gelten als relativ günstig (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Ahmad Shah Baba Abdali Bus Service
Gemäß einem Sprecher des Verkehrsministeriums gehörte das Busunternehmen Ahmad Shah Baba Abdali im Jahr 2017 zu den führenden Transportunternehmen des Landes. In den letzten Jahren war das Busunternehmen in zahlreiche Verkehrsunfälle auf der Kandahar-Kabul-Herat-Route involviert. Verschiedenen Quellen zufolge wurden zu hohe Geschwindigkeit, Drogenkonsum der Fahrer, Angst vor Angriffen und die schlechten Straßenbedingungen als Gründe für die hohe Anzahl an Verkehrsunfällen angeführt (IWPR 26.3.2018). Laut einem offiziellen Vertreter der Firma ist Ahmad Shah Baba Abdali das größte Busunternehmen Afghanistans. Die Busse dieser Firma transportieren Passagiere von Kandahar nach Kabul, Helmand, Nimroz, Herat und in andere Provinzen (Pajhwok 18.3.2015).
Beispiele für Buspreise
Distanz | Preis |
Kabul - Mazar | 400 AFN - 600 AFN |
Mazar - Herat | 1.500 AFN - 2.000 AFN (keine direkte Verbindung; zuerst Mazar - Kabul und dann Kabul - Herat z.B.) |
Kabul - Jalalabad | 300 AFN - 600 AFN |
Kabul - Bamiyan | ca. 1.000 AFN - 1.500 AFN |
(vertrauliche Quelle 14.5.2018)
Flugverbindungen
Der folgenden Karte können Informationen über aktive Militär-, Regional- und internationale Flughäfen in den verschiedenen Städten Afghanistans entnommen werden.
Anmerkung der Staatendokumentation: Zu beachten ist, dass es innerhalb von kurzer Zeit zu Änderungen der Flugverbindungen kommen kann und in der Karte ausschließlich jene Flughäfen eingetragen sind, die laut Quellen am 8.5.2018 Linienverbindungen für Passagiere oder eine geplante Flugbewegung im Zeitraum bis sieben Tage nach der Abfrage aufwiesen.
[...]
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).
Internationaler Flughafen Kabul
Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).
Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Internationaler Flughafen Kandahar
Der internationale Flughafen Kandahar befindet sich 16 km von Kandahar-Stadt entfernt und ist einer der größten Flughäfen des Landes (MB o.D.). Er hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge (Pajhwok 3.6.2015). Der Flughafen ist Ziel nationaler sowie internationaler Flüge z.B. aus Indien, Iran, Dubai und anderen Abflugsorten (Pajhwok 3.6.2015; vgl. Pajhwok 16.9.2017). Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbasis für einen Teil des afghanischen Heeres ist dort ebenso zu finden, wie Gebäude für Firmen (Pajhwok 3.6.2015; LCA 5.1.2018).
Internationaler Flughafen Herat
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).
Zugverbindungen
In Afghanistan existieren insgesamt drei Zugverbindungen: Eine Linie verläuft entlang der nördlichen Grenze zu Usbekistan (von Hairatan nach Mazar-e Sharif, Anm.) und zwei kurze Strecken verbinden Serhetabat in Turkmenistan mit Torghundi (in der Provinz Herat, Anm.) und Aqina (in der Provinz Faryab, Anm.) in Afghanistan (RoA 23.2.2018; vgl. RoA o.D.a, RFE/RL 29.11.2016; vgl. vertrauliche Quelle 16.5.2018). Alle drei Zugverbindungen sind für den Transport von Fracht gedacht, wobei sie prinzipiell auch Passagiere transportieren könnten (vertrauliche Quelle 16.5.2018). Die afghanischen Machthaber lehnten lange Zeit den Bau von Eisenbahnen in Afghanistan ab, aus Angst, ausländische Mächte könnten ihre Unabhängigkeit gefährden (RoA o.D.a).
Im Laufe des Jahres 2017 fanden verschiedene Treffen zwischen Repräsentanten Afghanistans und seiner Nachbarstaaten u.a. zur Förderung und Vertiefung bestehender Projekte zur Implementierung von Zugverbindungen wie dem Five-Nation Railway Corridor und dem Afghanistan Rail Network statt (TD 26.1.2018). Das Five-Nation Railway Corridor Projekt soll China mit dem Iran verbinden und Kirgisistan, Tadschikistan und Afghanistan über eine Länge von insgesamt 2.100 km durchqueren. Mehr als 1.000 km des Eisenbahnkorridors werden durch die afghanischen Provinzen Herat, Badghis, Faryab, Jawzjan, Balkh und Kunduz verlaufen und sollen zum Teil von der Asian Development Bank (ADB) finanziert werden (MoFA o. D.a; vgl. Tolonews 14.2.2018). Der Afghanistan Rail Network Plan (ANRP) hat das Ziel, den Transport in den Bereichen Landwirtschaft, Fertigung, Bergbau und anderen Branchen zu fördern. Die Afghanistan Railway Authority (ARA) ist verantwortlich für den ANRP. Bereits gebaut wurde die 75 km lange Eisenbahnstrecke zwischen Hairatan und Mazar-e Sharif in Balkh (MoFA o.D.b; vgl. RoA o.D.b). Die Bauarbeiten zur Errichtung einer Eisenbahnverbindung zwischen der iranischen Stadt Khaf und dem afghanischen Herat sind im Gange (RoA 23.1.2018; vgl. ID 11.4.2018). Im November 2017 wurde zwischen Afghanistan und weiteren fünf Staaten das sogenannte Lapislazuli-Korridor-Abkommen unterzeichnet, das u.a. den Bau von Eisenbahnverbindungen im Land vorsieht (SIGAR 4.2018).
[...]
Rechtsschutz / Justizwesen
Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. (Casolino 2011). Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat (Afghan Ulama Council - AUC, Shura-e ulama-e afghanistan, Anm.), eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat (USDOS 15.8.2017; vgl. AB 7.6.2017, AP o.D.).
Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:
Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (NYT 26.12.2015; vgl. AP o.D.).
Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (AP o.D.; vgl. vertrauliche Quelle 10.4.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden (AP o.D.).
Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt (USDOS 20.4.2018). In Afghanistan existieren keine Strafverteidiger nach dem westlichen Modell; traditionell dienten diese nur als Mittelsmänner zwischen der anklagenden Behörde, dem Angeklagten und dem Gericht. Seit 2008 ändert sich diese Tendenz und es existieren Strafverteidiger, die innerhalb des Justizministeriums und auch außerhalb tätig sind (NYT 26.12.2015). Der Zugriff der Anwälte auf Verfahrensdokumente ist oft beschränkt (USDOS 3.3.2017) und ihre Stellungnahmen werden während der Verfahren kaum beachtet (NYT 26.12.2015). Berichten zufolge zeigt sich die Richterschaft jedoch langsam respektvoller und toleranter gegenüber Strafverteidigern (USDOS 20.4.2018).
Gemäß einem Bericht der New York Times über die Entwicklung des afghanischen Justizwesens wurden im Land zahlreiche Fortbildungskurse für Rechtsgelehrte durch verschiedene westliche Institutionen durchgeführt. Die Fortbildenden wurden in einigen Fällen mit bedeutenden Aspekten der afghanischen Kultur (z. B. Respekt vor älteren Menschen), welche manchmal mit der westlichen Orientierung der Fortbildenden kollidierten, konfrontiert. Auch haben Strafverteidiger und Richter verschiedene Ausbildungshintergründe: Während Strafverteidiger rechts- und politikwissenschaftliche Fakultäten besuchen, studiert der Großteil der Richter Theologie und islamisches Recht (NYT 26.12.2015).
Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll (USIP 3.2015; vgl. USIP o.D.). Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.).
Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. USIP o.D., NYT 26.12.2015, WP 31.5.2015, AA 5 .2018). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 5 .2018).
Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. Bei Angelegenheiten, wo keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht (welches auch nicht einheitlich ist, Anm.) durch (USDOS 20.4.2018).
Gemäß dem "Survey of the Afghan People" der Asia Foundation (AF) nutzten in den Jahren 2016 und 2017 ca. 20.4% der befragten Afghan/innen nationale und lokale Rechtsinstitutionen als Schlichtungsmechanismen. 43.2% benutzten Schuras und Jirgas, währed 21.4% sich an die Huquq-Abteilung [Anm.: "Rechte"-Abteilung] des Justizministeriums wandten. Im Vergleich zur städtischen Bevölkerung bevorzugten Bewohner ruraler Zentren lokale Rechtsschlichtungsmechanismen wie Schuras und Jirgas (AF 11.2017; vgl. USIP o.D., USDOS 20.4.2018). Die mangelnde Präsenz eines formellen Rechtssystems in ruralen Gebieten führt zur Nutzung lokaler Schlichtungsmechanismen. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 3.3.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles auf der Scharia basierendes Rechtssystem um (USDOS 20.4.2018).
Die Unabhängigkeit des Justizwesens ist gesetzlich festgelegt; jedoch wird die afghanische Judikative durch Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquate Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert (USDOS 20.4.2018). Rechtsstaatliche (Verfahrens‑)Prinzipien werden nicht konsequent angewandt (AA 9 .2016). Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Fähigkeit die hohe Anzahl an neuen und novellierten Gesetzen einzugliedern und durchzuführen. Der Zugang zu Gesetzestexten wird zwar besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt aber für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben, erhöht sich weiterhin (USDOS 3.3.2017). Im Jahr 2017 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit auf 1.000 geschätzt (CRS 13.12.2017), davon waren rund 260 Richterinnen (CRS 13.12.2017; vgl. AT 29.3.2017). Hauptsächlich in unsicheren Gebieten herrscht ein verbreiteter Mangel an Richtern und Richterinnen. Nachdem das Justizministerium neue Richterinnen ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen in unsichere Provinzen versetzen wollte und diese protestierten, beschloss die Behörde, die Richterinnen in sicherere Provinzen zu schicken (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin, Anisa Rasooli, als erste Frau zur Richterin des Obersten Gerichtshofs ernannt, jedoch wurde ihr Amtsantritt durch das Unterhaus [Anm.: "wolesi jirga"] verhindert (AB 12.11.2017; vgl. AT 29.3.2017). Auch existiert in Afghanistan die "Afghan Women Judges Association", ein von Richterinnen geführter Verband, wodurch die Rechte der Bevölkerung, hauptsächlich der Frauen, vertreten werden sollen (TSC o.D.).
Korruption stellt weiterhin ein Problem innerhalb des Gerichtswesens dar (USDOS 20.4.2017; vgl. FH 11.4.2018); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen (FH 11.4.2018), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 20.4.2017). Wegen der Langsamkeit, der Korruption, der Ineffizienz und der politischen Prägung des afghanischen Justizwesens hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in die Judikative (BTI 2018). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das "Anti-Corruption Justice Center" (ACJC), um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (AB 17.11.2017; vgl. Reuters 12.11.2016). Der afghanische Generalprokurator Farid Hamidi engagiert sich landesweit für den Aufbau des gesellschaftlichen Vertrauens in das öffentliche Justizwesen (BTI 2018). Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).
[...]
Sicherheitsbehörden
In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS) (USDOS 20.4.2018). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist (USDOD 6.2017).
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte (CIA 2018). Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA-Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018, SIGAR 30.4.2018a, Tolonews 6.11.2017). Auch das NDS ist Teil der ANDSF (USDOS 3.3.2017).
Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen (USDOD 6.2017; vgl. USDOD 2.2018).
Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat (SIGAR 30.4.2018b). Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt (USDOD 6.2017).
Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats." (AA 5 .2018). Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt (TG 26.5.2018; vgl. E1 2.12.2017).
Weiterführende Informationen über Angriffe auf Einrichtungen der Streitkräfte können dem Kapitel 3. "Sicherheitslage" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF
Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).
Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden US-amerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen (SIGAR 30.4.2018a). Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF-Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden (NATO o. D.).
Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei (SIGAR 30.4.2018a). Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich (USDOD 6.2017). Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf (SIGAR 30.4.2018a). Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020 (USDOD 6.2017).
Reformen der ANDSF
Die afghanische Regierung versucht die nationalen Sicherheitskräfte zu reformieren. Durch die Afghanistan Compact Initiative sollen u.a. sowohl die ANDSF als auch ihre einzelnen Komponenten ANA und ANP reformiert und verbessert werden. Ein vom Joint Security Compact Committee (JSCC) durchgeführtes Monitoring der afghanischen Regierung ergab, dass die für Dezember 2017 gesetzten Ziele des Verteidigungs- und des Innenministeriums zum Großteil erreicht wurden (SIGAR 30.4.2018a). Das Aufstocken des ANASOC, der Ausbau der AAF, die Entwicklung von Führungskräften, die Korruptionsbekämpfung und die Vereinheitlichung der Führung innerhalb der afghanischen Streitkräfte sind einige Elemente der 2017 angekündigten Sicherheitsstrategie der afghanischen Regierung. Auch soll diese im Rahmen der neuen US-amerikanischen Strategie für Südasien Beratung und Unterstützung bei Lufteinsätzen bekommen (TD 1.4.2018).
Mit Unterstützung der RS-Mission implementieren und optimieren das MoI und das MoD verschiedene Systeme, um ihr Personal präzise zu verwalten, zu bezahlen und zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist das Afghan Human Resource Information Management System (AHRIMS), welches alle Daten inklusive Namen, Rang, Bildungsniveau, Ausweisnummer und aktuelle Position des ANDSF-Personals enthält. Auch ist das Afghan Personnel Pay System (APPS), das die AHRIMS-Daten u.a. mit Vergütungs- und in Lohndaten integrieren wird, in Entwicklung (SIGAR 30.4.2018a; vgl. NATO 21.7.2017).
Frauen in den ANDSF
Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans besonders herausfordert (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 3.7.2014; vgl. BFA Staatendokumentation 4.2018).
Die Aufnahme afghanischer Frauen in die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANA, ANP und NDS) wurde immer von zahlreichen Herausforderungen begleitet. Die traditionelle afghanische Gesellschaft und patriarchalische Mentalität machen es Frauen schwer, am öffentlichen Leben teilzuhaben, insbesondere in Verteidigungs- und Sicherheitsorganisationen. Aus diesen Gründen erlauben die meisten Familien ihren Töchtern und Frauen nicht, sich den Verteidigungs- und Sicherheitskräften anzuschließen. Auch Unsicherheit ist wahrscheinlich ein starker Grund für das Fehlen von Frauen in den Verteidigungs- und Sicherheitsinstitutionen (AIHRC 9.12.2017).
Frauen sind Diskriminierung in verschiedenen Bereichen ausgesetzt, zum Beispiel in Hinsicht bestimmter Rechte und Privilegien, Weiterbildungsmöglichkeiten und den Zugang zu beruflichen Fortbildung im In- und Ausland. Einer Befragung der AIHCR zufolge, an der 648 Frauen teilnahmen (579 in der ANP, 60 in der ANA und zwölf im NDS), gaben die befragten Frauen an, dass in den drei Institutionen Diskriminierung gegen Frauen stattfindet. Einige Gründe, warum Frauen im Verteidigungs- und Sicherheitssektor nicht die gleichen Möglichkeiten zur beruflichen Fortbildung und zur Weiterbildung erhalten, liegen in den Institutionen selbst; andere hängen mit Familie und Gesellschaft zusammen. Ein Anteil der befragten Frauen (17%) in den Provinzen (Kabul, Parwan, Kapisa und Panjshir) gaben gegenüber AIHCR an, keinen Zugang zu geschlechtergetrennten, geeigneten Toiletten und Umkleidebereichen zu haben. Das Fehlen von Umkleidebereichen bietet eine Grundlage für Missbrauch und Belästigung von Frauen und führt dazu, dass viele Frauen den Arbeitsplatz aufgeben. Auch gaben 13,2% der Befragten an, sexuell belästigt worden zu sein. Die Unterschiede beim Ausmaß der Belästigungen in den drei Verteidigungs- und Sicherheitsorganisationen (ANP, ANA und NDS) sind gering, jedoch in der ANP höher als in ANA und NDS (AIHRC 9.12.2017).
Im letzten Quartal des Jahres 2017 errichtete das afghanische Innenministerium ein Komitee zur Prävention von sexueller Belästigung und Gewalt; auch wurde eine Arbeitsanweisung dafür errichtet und die Aufgaben der bestellten Mitglieder erarbeitet - Berater/innen der Koalitionspartner sollen dem Komitee zur Seite stehen, um sicherzustellen, dass die Bemühungen gegen sexuelle Belästigung und Gewalt stark und effektiv sind (SIGAR 30.1.2018). Die AIHRC, in Kooperation mit dem afghanischen Verteidigungsministerium und dem Innenministerium erarbeitet derzeit ein Programm für den Ombudsmann, um externe Berichterstattung, Kontrolle und Opferunterstützung für weibliche Mitarbeiter der beiden Ministerien errichten. Dieses Programm soll Mitgliedern der ANDSF und der afghanischen Bevölkerung die Möglichkeit geben, geschlechtsspezifische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen gefahrlos der AIHRC melden zu können (USDOD 12.2017; vgl. AIHRC 9.12.2017).
Im Allgemeinen verbesserte sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte seit 2001, wenngleich sexuelle Belästigung und Gewalt sowie geschlechtsspezifische Gewalt die erfolgreiche Integration und Verbleib von Frauen in der ANDSF bedrohen. Um dieses Risiko zu minimieren, hat das Verteidigungsministerium außerdem ein Gender Integration Office gegründet, welches aktiv Leitlinien und Prozesse errichtet, um sexuelles Fehlverhalten zu vermeiden und zu melden. Außerdem bietet das Büro Unterstützung für männliche und weibliche Opfer sexuellen Fehlverhaltens an (USDOD 12.2017).
Ein Dutzend Frauen arbeiten in der Crisis Response Unit der afghanischen Polizei. Diese Einheit ist die Ersthelfer bei großen Angriffen. Die konkrete Mitgliederanzahl dieser Einheit ist unbekannt, wird landesweit auf 5.000 Mitglieder geschätzt; von den 254 Planstellen, die für Frauen vorgesehen sind, sind 83 tatsächlich besetzt. Die Frauen nehmen - so wie Männer auch - an den Operationen dieser Einheit teil und sind nicht nur für die Sicherheitskontrolle von Frauen zuständig. Eine der Mitarbeiterinnen dieser Einheit berichtet davon, monatlich 640 USD Grundgehalt zu erhalten (zusätzlich kommen noch kleine Belohnungszahlungen für Kampfoperationen hinzu); sie könne damit ihre Mutter, ihren Bruder und drei junge Kinder versorgen, die bei Verwandten leben, während sie manchmal monatelang auf Einsatz ist (LAT 3.3.2017).
Die türkische Polizeiakademie Sivas Police Vocational School hat bisher 1.956 afghanische Männer und 1.027 Frauen polizeilich in der Türkei ausgebildet. Die sechste Ausbildungsklasse für Frauen der afghanischen Nationalpolizei läuft mit Anfang des Jahres 2018; an dieser nehmen derzeit 243 Kandidatinnen teil (HDN 15.2.2018). Auch in Indien wurden bereits 4.000 Mitglileder der afghanischen Nationalpolizei und Nationalarmee in der Vergangenheit ausgebildet. Zum ersten Mal wird in Indien auch weibliches Militärpersonal an der Offiziersakademie in Chennai (Anm.: Bundesstaat Tamil Nadu) zu Offizierinnen ausgebildet. 17 Frauen entstammen der afghanischen Armee selbst, drei aus der Luftwaffe und eine nicht bekannte Anzahl aus Spezialeinheiten sowie weiteren Bereichen des afghanischen Verteidigungsministeriums (NDTV 6.12.2017).
Nachdem das von der afghanischen Regierung und der NATO angestrebte Ziel, den Frauenanteil in den ANDSF von 2010 bis 2020 auf 10% zu bringen, nicht realisierbar scheint, setzte sich die Regierung ein neues Ziel: Bis 2025 sollen 5.000 Frauen in die nationale Armee und 10.000 Frauen in die nationale Polizei eintreten (TD 30.4.2018). Nichtsdestotrotz lag am 3. März 2018 der Frauenanteil in den ANDSF bei 4.335, was einen Rückgang um 297 Frauen im Vergleich zum vergangenen Quartal ausmacht. Insgesamt arbeiteten 3.040 Frauen für die ANP, 1.295 für die ANA, 72 für die ASSF und 98 für die AAF.
1.504 waren Offiziere, 1.551 Unteroffiziere, 1.305 einberufenes Personal und 145 Kadetten. Aktuell ist das Women's Participation Program (WPP) im Laufen, eine Initiative zur Steigerung und Förderung des weiblichen Anteils innerhalb der afghanischen Sicherheitsinstitutionen. Das Programm fördert sichere und geschützte Einrichtungen, angemessene Ausrüstung, Ausbildung usw. (SIGAR 30.4.2018a).
Geheimdienstliche Tätigkeiten
Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anm.) und das Nasrat, auch National Threat Intelligence Center, unter dem NDS, tauschen sich regelmäßig aus (USDOD 6.2017). Obwohl der Austausch von geheimdienstlichen Informationen als Stärke der ANDSF gilt, blieb Mitte 2017 die geheimdienstliche Analyse schwach (USDOD 6.2017). Gemäß einem Bericht von SIGAR finden Ausbildungen zur Verbesserung der geheimdienstlichen Fähigkeiten des MoI und des MoD im Rahmen der Resolute Support Mission statt (SIGAR 30.4.2018a).
Das National Directorate for Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist für die Untersuchung von Strafsachen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul (USDOS 20.4.2018). Die Bush- und die Obama-Administration konzentrierten sich auf den Ausbau des ANA- und ANP-Personals und vernachlässigten dadurch den afghanischen Geheimdienst. Die Rekrutierungsmethode für NDS-Personal war mit Stand Juli 2017 sehr restriktiv und der Beitritt für Bewerber ohne Kontakte fast unmöglich (TD 24.7.2017).
Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)
Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert (SIGAR 30.4.2018b).
Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren (DB 23.3.2010). Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind (GRIPS 1.2010). Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben (USIP 5.2014). Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern (MoI o.D.).
Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorftältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden (SIGAR 30.4.2018a). Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen (AAN 5.7.2017; vgl. AAN 22.5.2018). Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen (AAN 22.5.2018; vgl. AAN 5.7.2017). Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel (SIGAR 30.4.2018a; vgl. AAN 31.1.2017).
Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden (SIGAR 30.4.2018a). Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw. (AAN 5.7.2017).
Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3% (SIGAR 30.4.2018a).
Afghanische Nationalarmee (ANA)
Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte (USDOD 6.2017). Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen (USDOS 20.4.2018).
Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen (SIGAR 30.4.2018b). Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2% (SIGAR 30.4.2018a).
Quellen zufolge beginnt die Grundausbildung der ANA-Soldaten am Kabul Military Training Center (KMTC) und beträgt zwischen sieben und acht Wochen (RSIS 1.6.2007; vgl. JCISFA 3.2011). Anschließend gibt es verschiedene weiterführende Ausbildungen für Unteroffiziere und Offiziere (JCISFA 3.2011).
Resolute Support Mission (RS)
Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). NATO-Generalsekräter Jens Stoltenberg verlautbarte am 9. November 2017, dass sie zukünftig auf 16.000 Mann angehoben werden soll (NATO o.D.). Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z. B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw. (SIGAR 30.4.2018a).
Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e-Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten (NATO o.D.). Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert (SIGAR 30.4.2018a; vgl. AJ 16.5.2018). Korruption, Vetternwirtschaft, schwache Führung usw. sind einige der Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit der ANDSF unterminieren. Einer Quelle zufolge ist der Einsatz von ausländischen Sicherheitskräften ein wirksames Mittel für die Verbesserung von einigen Bereichen wie die Institutionalisierung einer meritokratischen Anwerbung, Beförderungen im afghanischen Sicherheitsbereich und die Entpolitisierung der ANDSF (TD 24.7.2017).
[...]
Folter und unmenschliche Behandlung durch den afghanischen Staat
Laut den Artikeln 29 und 30 der afghanischen Verfassung ist Folter verboten. Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt wurden, sind ungültig (AA 9 .2016; vgl. MPI 27.1.2004, AA 5 .2018). Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) (UNAMA 15.2.2018). Am 22. April 2017 genehmigte die afghanische Regierung ein neues Anti-Folter-Gesetz und erweiterte das im ursprünglichen Strafgesetzbuch enthaltene Folterverbot. Das neue Gesetz bezieht sich jedoch nur auf Folterungen, die im Rahmen des Strafrechtssystems erfolgt sind, und nicht eindeutig auf Misshandlungen, die von militärischen sowie anderen Sicherheitskräften verübt werden (USDOS 20.4.2018). Fehlende Regelungen zur Entschädigung von Folteropfern wurden im August 2017 durch ein entsprechendes Addendum ergänzt (HRW 7.8.2017; vgl. HRW 18.1.2018).
Trotz dieser Vorgaben gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Gefängnispersonal und Polizei. Quellen zufolge wenden die Sicherheitskräfte weiterhin exzessive Gewalt an, einschließlich Folter und Gewalt gegen Zivilisten (USDOS 20.4.2018). Personen, die im Rahmen des bewaffneten Konflikts festgenommen wurden, werden insbesondere während des ersten Verhörs gefoltert, um Geständnisse zu erhalten, (USDOS 20.4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 4.2017).
Im Zuge einer Befragung gaben für den Zeitraum 1.1.2015 - 31.12.2016 181 (39%) von 469 befragten Personen an, von den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) gefoltert worden zu sein. Auch 38 (45%) von 85 befragten Kinder gaben an im Berichtszeitraum Opfer von Folter oder Missbräuchen geworden zu sein. Die meisten Misshandlungen fanden unter der Obhut des National Directorate of Security (NDS) und der afghanischen Nationalpolizei statt (ANP) (UNAMA/OHCHR 4.2017).
Zwei Jahre nach der Verlautbarung des Nationalplans von 2015 zur Eliminierung der Folter durch die afghanische Regierung, hat diese einige dauerhafte Fortschritte gemacht, insbesondere auf der Gesetzesebene. Zahlreiche im Nationalplan eingegangene Hauptverpflichtungen wurden jedoch nur teilweise verwirklicht (UNAMA/OHCHR 4.2017) .
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Korruption
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International, belegt Afghanistan von 180 Ländern den 177. Platz (TI 21.2.2018). Einer Umfrage zufolge betrachten 83,7% der Afghanen die Korruption als ein Hauptproblem des Landes. Die Provinzen mit der höchsten Korruptionswahrnehmung sind Kabul mit 89,6%, Uruzgan mit 87,9%, Nangarhar mit 87,8% und Helmand mit 86,9% (AF 2017).
Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für amtliche Korruption vor, jedoch setzt die Regierung diese Vorschriften nicht effektiv um. Berichten zufolge gehen Beamte oft ungestraft korrupten Praktiken nach. Korruption ist in der afghanischen Gesellschaft verbreitet und die Geldflüsse des Militärs, der internationalen Geldgeber und des Drogenhandels verschärfen das Problem zusätzlich. Verschiedene Bereiche sind von Korruption betroffen. Zahlreiche staatliche Infrastrukturprojekte der letzten 15 Jahre wurden auf Basis von Günstlingswirtschaft vergeben. Auch im Justizsystem ist Korruption weit verbreitet, insbesondere im Strafrecht und bei der Anordnung von Haftentlassungen. Es wird auch von illegaler Aneignung von Land durch staatliche und private Akteure berichtet (USDOS 20.4.2018).
Bestechung bleibt im öffentlichen Sektor weiterhin verbreitet und Schmiergeldzahlungen können direkt oder indirekt von Beamten gefordert oder auch von den Bürgern und Bürgerinnen selbst angeboten werden. Afghanen zahlen in den folgenden Bereichen Bestechungsgelder: Rechtswesen, Arbeitsmarkt, an administrativen Behörden auf Provinz- und Distriktebene, Sicherheitsbehörden (ANA und ANP) sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen (AF 2017). Trotz der Bemühungen der Geldgeber und der afghanischen Regierung Mechanismen zur Förderung von Verantwortlichkeit und Transparenz zu entwickeln, wurde ein erheblicher Teil der Hilfsgelder für Afghanistan durch Korruption und Fehlleitung veruntreut (AAN 17.5.2018).
Die afghanische Regierung bekennt sich zur Korruptionsbekämpfung mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft. Am 25. August 2008 ratifizierten die damaligen afghanischen Führungskräfte die United Nations Convention against Corruption (UNCAC). Die 2014 gewählte Einheitsregierung (NUG) ist Teil des Self-Reliance through Mutual Accountability Framework (SMAF), einem Abkommen zwischen der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft u. a. zur Bekämpfung von Korruption (UNAMA 4.2017; vgl. UNAMA 5.2018, USDOS 3.1.2017). Im Jahr 2017 und Anfang 2018 war die Korruptionsbekämpfung weiterhin ein prioritäres Anliegen der afghanischen Machtträger. Wichtige Entwicklungen sind unter anderem die Annahme der Government's Anti-Corruption Strategy am 28. September 2017, die Verabschiedung und das Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs jeweils am 4. März 2017 und am 14. Februar 2018, die Erweiterung der Tätigkeiten des High Council on Rule of Law and Anti-Corruption, die Genehmigung des reformierten Haushaltsplans usw. (UNAMA 5.2018). Mit Stand April 2017 gab es in Afghanistan insgesamt 18 Korruptionsbekämpfungsbehörden wie das High Office of Oversight and Anti-Corruption (HOOAC), das High Council on Rule of Law and Anti-Corruption usw. (UNAMA 4.2017).
Im Juni 2016 unterzeichnete Präsident Ashraf Ghani ein Dekret zur Einrichtung des Anti-Corruption Justice Center (ACJC), einer unabhängigen Korruptionsbekämpfungsbehörde, die für die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionsfällen auf hoher Ebene zuständig ist (USDOS 20.4.2018). Seit der Eröffnung des ACJC im August 2016 verhandelte dieses 21 Fälle gegen 83 Angeklagte und verhängte annähernd 47 Mrd. USD in Form von Geldstrafen, Geldeinziehungen und Beschlagnahmungen sowie lange Gefängnisstrafen für die Verurteilten. Elf Angeklagte wurden freigesprochen. Beobachtern zufolge waren die Verfahren ordnungsgemäß, fair, systematisch und professionell (USDOS 20.4.2018).
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NGOs, internationale Menschenrechtsorganisationen und Zivilgesellschaft
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) spielen eine wichtige Rolle in Afghanistan, insbesondere in städtischen Gebieten, wo Tausende Kultur-, Wohlfahrts- und Sportverbände mit geringer Einmischung seitens der staatlichen Behörden arbeiten (FH 11.4.2018). Insgesamt sind 4.338 lokale und 445 internationale NGOs registriert (ICNL 5.1.2018).
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Nationale und internationale Menschenrechtsgruppen arbeiten generell ohne Einschränkungen durch die Regierung; sie untersuchen und veröffentlichen ihre Ergebnisse über Menschenrechtsfälle. Regierungsbeamte sind einigermaßen kooperativ und reagieren auf ihre Ansichten. Menschenrechtsaktivisten äußern weiterhin Besorgnis darüber, dass Menschenrechtsverletzer ihre Machtpositionen innerhalb der Regierung beibehalten (USDOS 20.4.2018). Auch sind nationale und internationale Menschenrechtsgruppen regelmäßig Behinderungen bei der Informationsbeschaffung ausgesetzt; ihre Beteiligung an wichtigen Vorhaben (Gesetzesentwürfe, Ratsversammlungen/Jirgas) wird nicht selten nur auf internationalen Druck ermöglicht. Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 5 .2018). Einem Bericht der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 zufolge ist der Bereich mit den bedeutendsten Diskrepanzen bei der geschlechtsspezifischen Zustimmung zu Frauenarbeit unter den Befragten die Beschäftigung bei NGOs. 54,3% der befragten Frauen sind der Ansicht, dass das Arbeiten bei einer NGO eine akzeptable Beschäftigung für Frauen sei, verglichen mit 39% der Männer (AF 11.2017).
Korruption in den Behörden, bürokratische Meldepflichten und Bedrohungen durch militante Gruppierungen behindern manchmal die Aktivitäten der NGOs. Im Jahr 2017 musste das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) wegen einiger erlittener Angriffe auf Personal und Gesundheitseinrichtungen seine Tätigkeiten in bestimmten Gegenden im Norden Afghanistans einstellen (FH 11.4.2018). Ein weiteres Beispiel für die Gewalt gegenüber Menschenrechtsorganisationen ist der Angriff auf das Büro von Save The Children in Jalalabad im Jänner 2018 (vgl. Kapitel 3. "Allgemeine Sicherheitslage"). NGO-Personal und Mitarbeiter von internationalen Menschenrechtsorganisationen sind in der Regel Ziele aufständischer Gruppierungen (vertrauliche Quelle 13.12.2017; vgl. AA 5 .2018). Zwischen Jänner und Februar 2018 wurden 31 Gewaltvorfälle gegenüber NGOs registriert. 30% dieser Vorfälle waren Einschüchterungen und Drohungen (INSO o.D.).
Am 31. Mai 2016 hat das afghanische Wirtschaftsministerium unter Beteiligung von NGOs eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um das NGO-Gesetz zu überarbeiten (AA 9 .2016). Nach einigen Treffen übermittelte die Arbeitsgruppe einige Änderungsvorschläge an das Justizministerium (MoJ); diese müssen vom MoJ genehmigt und dann dem Ministerrat und dem Parlament übermittelt werden (ICLN 5.1.2018).
[...]
Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen (AA 5 .2018).
Zu den bedeutendsten Menschenrechtsfragen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen (USDOS 20.4.2018). Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (AI 22.2.2018).
Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 5 .2018). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 5 .2018). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren in der Regel ohne staatliche Einschränkungen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbedienstete sind in dieser Hinsicht einigermaßen kooperativ und ansprechbar (USDOS 20.4.2018). Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Afghanistan Independent Human Rights Commission AIHRC bekämpft weiterhin Menschenrechtsverletzungen. Sie erhält nur minimale staatliche Mittel und stützt sich fast ausschließlich auf internationale Geldgeber. Innerhalb der Wolesi Jirga beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit Menschenrechtsverletzungen: der Ausschuss für Geschlechterfragen, Zivilgesellschaft und Menschenrechte, das Komitee für Drogenbekämpfung, berauschende Drogen und ethischen Missbrauch sowie der Jusitz-, Verwaltungsreform- und Antikorruptionsausschuss (USDOS 20.4.2018).
Im Februar 2016 hat Präsident Ghani den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).
Seit 1.1.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.2.2018).
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Religionsfreiheit
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5 .2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5 .2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).
Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).
Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
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Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).
Tadschiken
Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte (CRS 12.1.2015; vgl. LIP 5.2018); und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (LIP 5.2018). Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (LIP 5.2018). Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Der Hauptführer der "Nordallianz", einer politisch-militärischen Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist (CRS 12.1.2015). Trotz seiner gemischten Abstammung, sehen ihn die Menschen als Tadschiken an (BBC 29.9.2014). Auch er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war (CRS 12.1.2015). Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015); ein Amt, das speziell geschaffen wurde und ihm die Rolle eines Premierministers zuweist (BBC 29.2.2014).
Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
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Bewegungsfreiheit
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 20.4.2018; vgl. MPI 27.1.2004).
In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Gesellschaftliche Sitten schränken die Bewegungsfreiheit von Frauen ohne männliche Begleitung ein (USDOS 20.4.2018).
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Meldewesen
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege, um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf, aus dem jemand stammt, ist der naheliegende Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (BFA/EASO 1.2018; vgl. EASO 2.2018).
Das afghanische Bevölkerungsgesetz von 2014 beinhaltet u. a. Regelungen zur Bürgerregistrierung. Gemäß Artikel 9 des Gesetzes sollen nationale Personalausweise [Anm.: auch Tazkira genannt. Eine Tazkira gilt sowohl als Personenstandsregisterauszug als auch als Personalausweis] zum Zwecke des Identitätsnachweises und der Bevölkerungsregistrierung ausgestellt werden (NLB/NA 2014). Das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist jedoch kaum entwickelt. Ein Personenstandsregisterauszug (Tazkira) wird nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem Afghanen ausgestellt. Er gilt sowohl als Nachweis für die Staatsangehörigkeit, sowie als Geburtsurkunde. In der Tazkira sind Informationen zu Vater und Großvater, jedoch nicht zur Mutter enthalten. Tazkiras können sowohl in der Hauptstadt Kabul als auch am jeweiligen Geburtsort, nicht jedoch von afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellt werden. Sie können jedoch über eine afghanische Auslandsvertretung beim afghanischen Innenministerium beantragt werden (AA 5 .2018). Allein die Auslandsvertretungen im Iran haben Ausnahmeregeln und können eine Tazkira vor Ort ausstellen. Es gibt Pläne dafür, dieselben Befugnisse auch afghanischen Auslandsvertretungen in Pakistan zu erteilen (BFA/Migrationsverket 10.4.2018). In der Regel erfolgt der Nachweis der Abstammung durch die Vorlage der Tazkira eines Verwandten 1. Grades oder durch Zeugenerklärungen in Afghanistan (AA 5 .2018). Einer Quelle zufolge können Frauen Tazkiras und Pässe für sich und ihre Kinder ohne die Anwesenheit eines männlichen Zeugen beantragen (vertrauliche Quelle 9.5.2018).
Eintragungen in der Tazkira sind oft ungenau. Geburtsdaten werden häufig lediglich in Form von "Alter im Jahr der Beantragung", z. B. "17 Jahre im Jahr 20xx" erfasst, genauere Geburtsdaten werden selten erfasst und wenn, dann meist geschätzt (AA 5 .2018). Insgesamt sind in Afghanistan im Moment sechs Tazkira-Varianten im Umlauf (AAN 22.2.2018). Die Vorlage einer Tazkira ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses. Es sind Fälle bekannt, in denen afghanische Auslandsvertretungen Reisepässe nach nur oberflächlicher Prüfung ausstellten, ohne Vorlage einer Tazkira und ggf. aufgrund der Aussage zweier Zeugen. Ein derart ausgestellter Reisepass stellt daher im Gegensatz zur Tazkira nur bedingt einen Nachweis der Staatsangehörigkeit dar (AA 5 .2018). Nicht jeder afghanische Bürger besitzt eine Tazkira (AAN 27.5.2018).
Über die Einführung von elektronischen Personalausweisen, auch e-Tazkiras genannt, wurde lange Zeit diskutiert. Am 15.2.2018 beantragten Präsident Ghani, seine Ehefrau, Vizepräsident Muhammad Sarwar Danesh und weitere 200 Familien in Afghanistan die ersten elektronischen Personalausweise (AAN 22.2.2018).
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Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge
Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs) (UN GASC 27.2.2018). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen (IOM/DTM 26.3.2018).
Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).
(UN OCHA 15.5.2018)
Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya (IOM 8.5.2018; vgl. IOM/DTM 26.3.2018). Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt (USAID 30.4.2018).
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Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz (USDOS 20.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung (UN OCHA 12.2017).
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 5 .2018).
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden (USDOS 20.4.2018).
Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe (USAID 30.4.2018). Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw. (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018, UN OCHA 21.1.2018).
Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an (UN OCHA 27.5.2018; vgl. UN OCHA 20.5.2018).
Flüchtlinge in Afghanistan:
Die afghanischen Gesetze sehen keine Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus vor und es existiert kein staatliches System zum Schutz von Flüchtlingen aus anderen Ländern (USDOS 20.4.2018).
In Afghanistan leben pakistanische Flüchtlinge, die 2014 aus Nord-Waziristan in die Provinzen Khost und Paktika geflüchtet sind.
42.262 dieser Flüchtlinge sind in der Provinz Khost registriert: Das Gulan-Flüchtlingslager in Khost beherbergt 13.167 pakistanische Flüchtlinge und der Rest lebt in anderen Distrikten der Provinz Khost. In der Provinz Paktika wurden 2016 35.949 pakistanische Flüchtlinge registriert (UNHCR 4.2018; vgl. UNHCR 6.6.2018). In den Provinzen Khost und Paktika wurden ca. 76.925 pakistanische Flüchtlinge aus Nord-Waziristan registriert und verifiziert. In den urbanen Zentren leben ungefähr 505 Asylwerber, die auf die Verabschiedung eines Asylgesetzes warten. Ihre lokale Integration ist aus rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und anderen Gründen derzeit unmöglich; auch bleiben die Umsiedlungsmöglichkeiten eingeschränkt (UNHCR 4.2018).
Weiterführende Informationen und Zahlen zu Rückkehrern und Rückkehrerinnen nach Afghanistan können dem Kapitel 23. "Rückkehr" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.
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Grundversorgung und Wirtschaft
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).
Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).
Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).
Projekte der afghanischen Regierung
Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.
a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).
Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).
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UN GASC - United Nations General Assembly (27.2.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security: report of the Secretary-General, http://undocs.org/S/2018/165 , Zugriff 30.5.2018
WB - The World Bank (10.4.2018): Afghanistan - Overview, http://www.worldbank.org/en/country/afghanistan/overview , Zugriff:
30.5.2018
WB - The Worldbank (10.10.2016): Afghanistan Government Inaugurates Citizens' Charter to Target Reform and Accountability, http://www.worldbank.org/en/news/feature/2016/10/10/government-inaugurates-citizens-charter-to-target-reform-and-accountability , Zugriff 30.5.2018
Pensionssystem
Staatliches Pensionssystem in Afghanistan
Ein öffentliches Pensionssystem ist in Afghanistan etabliert. Personen, die in Afghanistan berufstätig waren, haben Zugang zu Pensionszahlungen. Die Person muss bei Pensionsantritt lediglich mehr als 32 Jahre gearbeitet haben und zwischen 63 und 65 Jahre alt sein - die Altersvoraussetzung kann jedoch von Fall zu Fall variieren. Staatsbedienstete/Regierungsbedienstete mit einem unbefristeten Vertrag können im Alter von 55 Jahren um Frühpension ansuchen. Vor kurzem wurde ein biometrischer Prozess bei Beantragung der Pension eingeführt. Der/die zu pensionierende Staatsbedienstete erhält die Pension jährlich auf ein Bankkonto überwiesen.
Die Pension eines Regierungsangestellten kann von seinen/ihren
Familienmitgliedern geerbt werden:
Ehepartner: der/die Ehepartner/in kann die Pension des verstorbenen Regierungsangestellten erben, sofern diese/r nicht wieder geheiratet hat oder selbst erwerbstätig ist.
Kinder: Kinder beiderlei Geschlechts können die Pension erben und bis zum Zeitpunkt ihrer Heirat oder einer Arbeitsaufnahme weiter beziehen.
Diese Pensionsübernahme ist altersunabhängig und kann auch zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise in einem hohen Alter, oder nach Scheidung (gilt für Kinder) noch bezogen werden - Voraussetzung ist die Verwandtschaft ersten Grades (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Der Antrag zur Pensionsübernahme durch die Familie muss in Kabul eingebracht werden. Dieses Verfahren ist sehr komplex. Sobald die Pensionsübernahme eingerichtet wurde, kann der Betreffende alle weiteren Verfahrensschritte von der Heimatprovinz aus erledigen. Die Familie kann selbst entscheiden, ob die Pension jährlich oder halbjährlich etc. ausbezahlt werden soll. Der Einschätzung eines NGO-Vertreters zufolge ist die Pension nicht besonders hoch; Familien können davon nicht das ganze Jahr leben. Der Pensionsbetrag wird nicht auf Basis des Lebensstandards kalkuliert (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Alternative Pensionssysteme in Afghanistan
Arbeitnehmer/innen müssen nicht in das staatliche Pensionssystem einzahlen (BFA Staatedokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017). Private Firmen in Afghanistan sind nicht verpflichtet, ihren Angestellten eine Pension zu bezahlen. Manche Organisationen/Firmen haben sich dafür entscheiden, dies zu tun und ein Pensionskonto für ihre Angestellten eröffnet. Beispielsweise zahlt der/die Angestellte einen Anteil seines/ihres Gehaltes auf das Pensionskonto ein, während der Arbeitgeber dem einen Betrag hinzufügt. Manche Arbeitgeber zahlen ihren Angestellten Abfertigungen, welche die Angestellten sich nach einem gewissen Zeitraum ausbezahlen lassen können (BFA Staatendokumentation 4.2018).
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Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5 .2018).
In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).
Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsversorgung wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren liegen die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin unter dem Durchschnitt der einkommensschwachen Länder. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (TWBG 10.2016). In den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesserungen: Während die Müttersterblichkeit früher bei 1.600 Todesfällen pro 100.000 Geburten lag, belief sie sich im Jahr 2015 auf 324 Todesfälle pro 100.000 Geburten. Allerdings wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer berichtet. Bei Säuglingen liegt die Sterblichkeitsrate mittlerweile bei 45 Kindern pro 100.000 Geburten und bei Kindern unter fünf Jahren sank die Rate im Zeitraum 1990 - 2016 von 177 auf 55 Sterbefälle pro 1.000 Kindern. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen weiterhin kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt (AA 5 .2018). Weltweit sind Afghanistan und Pakistan die einzigen Länder, die im Jahr 2017 Poliomyelitis-Fälle zu verzeichnen hatten; nichtsdestotrotz ist deren Anzahl bedeutend gesunken. Impfärzte können Impfkampagnen sogar in Gegenden umsetzen, die von den Taliban kontrolliert werden. In jenen neun Provinzen, in denen UNICEF aktiv ist, sind jährlich vier Polio-Impfkampagnen angesetzt. In besonders von Polio gefährdeten Provinzen wie Kunduz, Faryab und Baghlan wurden zusätzliche Kampagnen durchgeführt (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Krankenkassen und Gesundheitsversicherung
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).
Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5 .2018).
Beispiele für Behandlung psychischer erkrankter Personen in Afghanistan
In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017).
Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (BFA Staatendokumentation 4.2018).
Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben (AA 9 .2016; vgl. AP 18.8.2016). Beispielweise wurde in der Provinz Badakhshan durch internationale Zusammenarbeit ein Projekt durchgeführt, bei dem konventionelle und kostengünstige e-Gesundheitslösungen angewendet werden, um die vier häufigsten psychischen Erkrankungen zu behandeln: Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Erste Evaluierungen deuten darauf hin, dass in abgelegenen Regionen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden konnte. Auch die gesellschaftliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter konnte reduziert werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NCBI 12.2016).
Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (AA 5 .2018).
Krankenhäuser in Afghanistan
Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).
Es folgt eine Liste einiger staatlicher Krankenhäuser:
Ali Abad Krankenhaus: Kart-e Sakhi, Jamal Mina, Kabul University
Road, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2510 355 (KUMS o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
Antani Krankenhaus für Infektionskrankheiten: Salan Watt, District 2, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2201 372 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
Ataturk Kinderkrankenhaus: Behild Aliabaad (in der Nähe von der Kabul University), District 3, Kabul, Tel.: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.a, MoPH 11.2012)
Istiqlal/Esteqlal Krankenhaus: District 6, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500674 (LN o.D.; vgl. AB 20.1.2016, MoPH 11.2012)
Ibne Sina Notfallkrankenhaus: Pull Artal, District 1, Kabul, Tel.:
+93 (0)202100359 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.b, MoPH 11.2012)
Jamhoriat Krankenhaus: Ministry of Interior Road, Sidarat Square,
District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375 (LN o.D.; HPIC o.D.c, MoPH 11.2012)
Malalai Maternity Hospital: Malalai Watt, Shahre Naw, Kabul, Tel.:
+93(0)20 2201 377 (LN o.D.; vgl. HPIC o.D.d, MoPH 11.2012)
Noor Eye Krankenhaus: Cinema Pamir, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2100 446 (LN o.D.; vgl. IAM o.D., MoPH 11.2012)
Rabia-i-Balki Maternity Hospital: Frosh Gah, District 2, Kabul,
Tel.: +93(0)20 2100439 (LN o.D.; vgl. MoPH 11.2012)
Wazir Akbar Khan Krankenhaus: Wazir Akbar Khan, Kabul, Tel.: +93 (0)78 820 0419 (MoPH 11.2012; vgl. Tolonews 1.6.2017)
Herat Regionalkrankenhaus: Khaja Ali Movafaq Rd, Herat (MoPH 2013; vgl. Pajhwok 3.8.2017)
Mirwais Nika Krankenhaus in Kandahar, Tel.: +93 (0)79 146 4237 (ICRC 28.1.2018; vgl. ICRC 3.2.2017)
Es gibt zahlreiche private Kliniken, die auf verschiedene medizinische Fachbereiche spezialisiert sind. Es folgt eine Liste einiger privater Gesundheitseinrichtungen:
Amiri Krankenhaus: Red Crescent, 5th Phase, Qragha Road, Kabul,
Tel.: +93 (0)20 256 3555 (IOM 5.2.2018)
Shfakhanh Maljoy Frdos/Ferdows: Chahr Qala-e-Chahardihi Road, Kabul,
Tel.: +93 (0)70 017 3124 (Cybo o.D.)
Khair Khwa Medical Complex: Qala Najar Ha, Kabul, Tel.: +93 (0)72 988 0850 (KMC o.D.)
DK - German Medical Diagnostic Center: Ansari Square, 3d Street,
Shahr-e Nau, Kabul, Tel.: +93 (0)70 606 0141 (MK o.D.)
French Medical Institute for Mothers and Children: Hinter der Kabul
University, Aliabad, Kabul, Tel.: +93 (0)20 2500 200 (FMIC o.D.)
Luqmah Hakim: Bagh-e Azadi Ave, Herat, Tel.: +93 (0)79 232 5907 (IOM 5.2.2017; vgl. LHH o.D.)
Alemi Krankenhaus: Mazar-e Sharif (BFA Staatendokumentation 4.2018)
Beispiele für Nichtregierungsinstitutionen vor Ort
Ärzte ohne Grenzen (MSF)
Médecins sans Frontières (MSF) ist in verschiedenen medizinischen Einrichtungen in Afghanistan tätig: im Ahmad Shah Baba Krankenhaus und im Dasht-e Barchi Krankenhaus in Kabul, in der Entbindungsklinik in Khost, im Boost Krankenhaus in Lashkar Gah (Helmand) sowie im Mirwais Krankenhaus und anderen Einrichtungen in Kandahar (MSF o. D.).
Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)
Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Für den Zeitraum von Dezember 2017 bis März 2018 wurden Berichten zufolge insgesamt 48 Zwischenfälle in 13 Provinzen registriert. Nach mehreren Angriffen mit Todesfolge auf Mitarbeiter des ICRC, hat das Internationale Komitee des Roten Kreuzes 2017 einen erheblichen Teil seines Personals im Land abgezogen (AA 5 .2018). Trotzdem blieb im Laufe des Jahres 2017 das ICRC landesweit aktiv. Tätigkeiten des Komitees zur Förderung der Gesundheitsfürsorge waren z.B. der Transport von Kriegsverwundeten in nahe liegende Krankenhäuser für weitere medizinische Versorgung, die Bereitstellung von Medikamenten und medizinischer Ausstattung zur Unterstützung einiger staatlicher Krankenhäuser, die Bereitstellung von medizinischer Unterstützung für das Mirwais Krankenhauses in Kandahar, die Unterstützung von Gesundheitsdienstleistungen in zwei Gefängnissen (Kandahar und Herat) usw. (ICRC 28.1.2018).
International Psychosocial Organization (IPSO) in Kabul
IPSO bietet landesweit psychosoziale Betreuung durch Online-Beratung und Projektfeldarbeit mit insgesamt 280 psychosozialen Therapeuten, wovon die Hälfte Frauen sind. Die Online-Beratung steht von 8-19 Uhr kostenfrei zur Verfügung; angeboten werden ebenso persönliche Sitzungen in Beratungszentren der Krankenhäuser. Einige der Dienste dieser Organisation sind auch an Universitäten und technischen Institutionen verfügbar. Unter anderem ist IPSO in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Herat, Bamyan, Badakhshan, Balkh, Jawzjan und Laghman tätig (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IPSO Cultural Containers o.D.).
Medica Afghanistan in Kabul
Medica Afghanistan bietet kostenfreie psychosoziale Einzel- und Gruppentherapien an. Die Leistungen sind nur für Frauen zugänglich und werden in Kabul in unterschiedlichen Frauenhäusern und -gefängnissen sowie Jugendzentren angeboten. Auch werden die Leistungen der Organisation in drei Hauptkrankenhäusern, im "Women's Garden, im Ministeirum für Frauenangelegenheiten (MoWA) und an weiteren Standorten in Kabul angeboten (BFA Staatendokumentation 4.2018).
PARSA Afghanistan
Parsa ist seit 1996 als registrierte NGO in Afghanistan tätig. Die Organisation spezialisiert sich u.a. auf psychologische Leistungen und Ausbildung von afghanischem Fachpersonal, das in sozialen Schutzprogrammen tätig ist und mit vulnerablen Personen arbeitet. Zu diesen Fachkräften zählen Mitarbeiter in Zentren für Binnenvertriebene, Frauenhäusern und Waisenhäusern sowie Fachkräfte, die in lokalen Schulen am Projekt "Healthy Afghan Girl" mitarbeiten und andere Unterstützungsgruppen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. PARSA o.D.).
Weitere Projekte
Das Telemedizinprojekt des Mobilfunkanbieters Roshan, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialisten im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden mittellose Patienten auf dem Land von Fachärzten diagnostiziert. Unter anderem bietet die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie afghanischen Ärzten die Möglichkeit, ihre medizinischen Kenntnisse zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen (GI 17.12.2016; vgl. NCBI 23.3.2017).
[...]
Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).
Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).
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Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA Staatendokumentation; vgl. AAN 19.5.2017). Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten (BFA Staatendokumentation 4.2018; IOM 6.2012). Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 18.4.2018).
Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:
IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM Belgium o. D.). IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 25.1.2018). ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IRARA o. D., IOM 25.1.2018). AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. FB o.D.). Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).
NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an (BFA Staatendokumentation 4.2018). Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein.
Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt (BFA Staatendokumentation 4.2018). Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl UNHCR 13.12.2017).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) - alle Leistungen sind kostenfrei (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Info Migrants 2.1.2018). Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung
Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).
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Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).
Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Landinfo 19.9.2017). Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).
Afghanische Flüchtlinge in Pakistan
Die pakistanische Regierung hat die Gültigkeit der PoR-Cards (Proof of Registration Cards) für die 1.4 Millionen afghanische Flüchtlinge im Land bis 30.6.2018 verlängert - vorbehaltlich der Prüfung nach den bevorstehenden Bundeswahlen in Pakistan und der Ernennung des neuen Kabinetts. Zusätzlich hat NADRA (National Database and Registration Authority) damit begonnen, die sogenannte Afghan Citizen Card (ACC) an 878.000 nicht registrierte Afghanen zu verteilen, die sich seit 16.8.2017 in 21 Registrierungszentren in Pakistan haben registrieren lassen; bis 28.2.2018 wurden der Registrierungsprozess für die ACC abgeschlossen, die Zentren bleiben nach wie vor offen, um die Karten zu verteilen. Die Karten sind bis 30.6.2018 gültig; deren Besitzer sind verpflichtet bis dahin nach Afghanistan zurückzukehren, um Dokumente zu beantragen (einen afghanischen Pass und ein Visum für Pakistan) bevor sie nach Pakistan zurückkehren. Die restlichen rund 200.000 nicht-registrierten Afghan/innen könnten möglicherweise einer Deportation ausgesetzt sein. Bis 12.3.2018 erhielten 175.321 ihre ACC (IOM 20.3.2018).
Afghanische Flüchtlinge im Iran
Die letzten zwei bis drei Jahre zeigen doch auf eine progressivere Entwicklung für Afghanen im Iran, wo sich die Maßnahmen der iranischen Behörden auf einen höheren Integrationsgrad der Afghanen zubewegen. Die freiwillige Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge ist immer noch das Hauptziel der iranischen Flüchtlingspolitik, aber man hat eingesehen, dass dies im Moment nicht in größerem Maße geschehen kann. Deshalb versucht man Maßnahmen zu ergreifen, die die Situation für die Afghanen verbessern, während man darauf wartet, dass eine Rückkehr stattfinden kann. Es gibt heute einen politischen Willen, die Fähigkeit der Afghanen, sich besser selbst zu versorgen und selbstständiger zu werden, zu unterstützen, aber gleichzeitig sind die Ressourcen des Iran begrenzt und dies bedeutet eine große Herausforderung für die iranischen Behörden. Es gibt auch von den iranischen Behörden nicht zuletzt aus sicherheitsmäßigen Aspekten Interesse daran, mehr Kenntnisse über die Anzahl der sich illegal im Land aufhaltenden Staatsbürger zu erhalten. Dieses hatte zur Folge, dass die iranischen Behörden im Jahr 2017 mit einer Zählung (headcount) und der Registrierung der Afghanen, die sich illegal im Land aufhalten, begonnen haben. In dieser ersten Runde hat man einige ausgewählte Kategorien priorisiert, beispielsweise nicht-registrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind und Kinder in der Schule haben (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).
Trotz aller Kritik sind sich UNHCR und NGOs einig, dass dem Iran im Umgang mit afghanischen Flüchtlingen mehr Anerkennung zusteht, als ihm zuteil wird (AN 17.3.2018). So haben sich die Zugangsmöglichkeiten für afghanische Flüchtlinge zum Gesundheits- und Bildungswesen sowie zu sozialen Absicherungsmaßnahmen in Iran verbessert (BFA/Migrationsverket 10.4.2018; vgl. AN 17.3.2017, EN 26.10.2017, DW 22.9.2017). Der Iran hat einen Präzedenzfall geschaffen, indem allen Flüchtlingen im Land Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversicherung Salamat Universal Public Health Insurance (UPHI) eröffnet wurde; diese Versicherung ist jenen Versicherungsleistungen ähnlich, zu denen iranische Staatsbürger/innen Zugang haben (UNHCR 17.10.2017; vgl. GV 3.1.2015).
Im Gegensatz zu Pakistan leben nur 3% der afghanischen Flüchtlinge in Iran in Camps (BFA/Migrationsverket 10.4.2018; vgl. UNHCR 17.10.2017). Auch wenn die Flüchtlingslager für Amayesh-registrierte ("Amayesh" ist die Bezeichnung für das iranische Flüchtlingsregistrierungssystem, Anm.) Personen vorgesehen sind, leben dort in der Praxis auch nicht-registrierte Afghanen (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).
Die Mehrheit der Afghanen, die sich sowohl legal als auch illegal im Land aufhalten, wohnen in von Afghanen dominierten urbanen und halb-urbanen Gebieten. Schätzungen zufolge leben circa 57% der Afghanen im Iran in der Provinz Teheran, Isfahan sowie Razavi-Chorsan (mit Maschhad als Hauptort). Um die 22% leben in den Provinzen Kerman, Fars und Ghom, während die Übrigen in den anderen Provinzen verteilt sind. Die afghanische Flüchtlingspopulation im Iran besteht aus einer Anzahl unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Schätzungen über die registrierten Afghanen zufolge gehört die Mehrheit von ihnen der Ethnie der Hazara an, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Belutschen und Usbeken. Es fehlen Zahlen zur nicht-registrierten Gemeinschaft, dennoch stellen auch hier die Hazara und die Tadschiken eine Mehrheit dar (BFA/Migrationsverket 10.4.2018).
[...]"
1.10. Es besteht für den Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, sich in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif aufzuhalten - keine reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr einer Tötung (einschließlich der Verhängung und/oder Vollstreckung der Todesstrafe) durch den Staat oder tödlicher Übergriffe durch Dritte.
Eine mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene reale (über die bloße Möglichkeit hinausgehende) Gefahr, der Folter ausgesetzt zu sein oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu sein, besteht nicht, insbesondere nicht im Hinblick auf eine drohende Kettenabschiebung, im Hinblick auf eine drohende Todesstrafe, im Hinblick auf den Gesundheitszustand in Verbindung mit einer Unzulänglichkeit der medizinischen Bedingungen im Herkunftsstaat, im Hinblick auf die allgemeinen humanitären Bedingungen im Herkunftsstaat in Verbindung mit der persönlichen Lage des Beschwerdeführers (etwa im Sinne einer existenzgefährdenden Notlage oder des Entzugs der notdürftigsten Lebensgrundlage) oder im Hinblick auf psychische Faktoren, auf Haftbedingungen oder aus anderen Gründen.
Eine solche mit der Rückkehr in den Herkunftsstaat verbundene Gefahr besteht auch nicht im Hinblick auf eine etwaige ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den persönlichen Eigenschaften und Verhältnissen (Familienangehörige, Gesundheitszustand, Berufstätigkeiten usw.) des Beschwerdeführers konnten - soweit unbestritten - weitestgehend aus dem Bescheid übernommen werden (zB zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers) und sind zudem auch aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der Verhandlung hervorgekommen (zB zu seinen Sprachkenntnissen, Berufstätigkeiten in Österreich, Familienverhältnisse der Ehefrau) oder ergeben sich aus seinen Aussagen bei Einvernahmen durch die belangte Behörde (zB dazu, dass er sich den Drogenkonsum abgewöhnt hat) oder den ebenfalls aktenkundigen Aussagen seiner Ehefrau bei ihrer Einvernahme. Dass ein Onkel des Beschwerdeführers in Österreich lebt, hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorgebracht; plausibel ist dies auch angesichts der Liste der Personen, die den Beschwerdeführer in der Haftanstalt besucht haben, sowie der dazu abgegebenen Erklärungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer von Österreich aus mehrere Male nach Afghanistan bzw. Pakistan gereist ist, beruhen auf seinen Aussagen in den Einvernahmen durch die belangte Behörde.
Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verfehlungen des Beschwerdeführers entstammen der im Akt liegenden Ausfertigung des strafgerichtlichen Urteils, die bereits in die entsprechenden Feststellungen des angefochtenen Bescheides gemündet sind und in der Beschwerde unbestritten blieben. Auch die näheren Tatumstände wie zB, dass der Beschwerdeführer Suchtgift auch an Minderjährige überlassen hat, ergeben sich aus dem Urteil und den diesbezüglichen Feststellungen des angefochtenen Bescheides, die in der Beschwerde unbestritten geblieben sind.
Die Feststellung zu den Grundlagen der Entscheidung vom 25.10.2011, mit der dem Beschwerdeführer des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, stützen sich auf das entsprechende Erkenntnis des Asylgerichtshofes.
Die Feststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Die Aussagen des aktuellen Länderinformationsblattes wurden bereits in den angefochtenen Bescheid als Feststellungen aufgenommen und blieben in der Beschwerde weitestgehend unbestritten. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu Verwandten und/oder Bekannten in Afghanistan wiederherstellen kann, beruht auf der allgemeinen Lebenserfahrung im Zusammenhang mit den Möglichkeiten moderner Telekommunikationsmittel und den Informationen aus dem Länderinformationsblatt sowie darauf, dass der Beschwerdeführer den Kontakt bis zu seiner Inhaftierung aufrecht halten konnte und seither zumindest noch zu in Österreich aufhältigen afghanischen Bekannten/Verwandten Kontakt hält, die ihrerseits wiederum Kontaktmöglichkeiten zur Familie im Herkunftsstaat haben (vgl. auch zur Annahme, dass der Kontakt in der Regel nicht abreißt das Dokument "COI Report: Afghanistan Networks" [Februar 2018]). Der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, der Beschwerdeführer habe "zu seinen Verwandten außerhalb Österreichs keinen Kontakt mehr", kann in dieser Allgemeinheit daher nicht beigetreten werden. Die weitere Beschwerdebehauptung, dass in Afghanistan der Rückhalt durch ein familiäres bzw. soziales Netzwerk sehr wichtig sei, entspricht ohnehin den Feststellungen zur Lage in Afghanistan. Durch die in der Verhandlung vorgelegten Dokumente werden die Grundaussagen der hier verwendeten Länderinformationen nicht entscheidend in Frage gestellt. Das Vorbringen auf Seite 5-7 der Beschwerde zur Lage in Kabul nimmt auf die Aussagen des Länderinformationsblattes Bezug und bestreitet diese sohin nicht, das Gleiche gilt für die Ausführungen zur Lage in Herat und Mazar-e Sharif auf Seite 7 und 8 der Beschwerde. Auch die weiterführend im Beschwerdevorbringen (Seite 8 und 9) zitierten Berichte (UN-OCHA-Bericht und SFH-Bericht) stellen die dem Länderinformationsblatt enthaltenen Aussagen nicht entscheidend in Frage. Soweit die Beschwerde (S. 9 u 10) auf ein Gutachten einer deutschen Afghanistan-Gelehrten vom 28.3.2018 verweist, in dem "Quellen bis März 2018 ausgewertet" worden seien, bezieht sie sich auf die darin enthaltene Aussage, wonach "die Gefahr, allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen
Unversehrtheit zu erleiden, ... im gesamten Staatsgebiet [bestehe]"
und wonach "das Gesamtniveau der Gewalt [...] sich aus einer Kombination von Gewaltformen [konstituiere], die grundsätzlich landesweit drohen ...". Dazu ist zu erwähnen, dass dieses Gutachten zusätzlich ausgesagt, dass "die Gefahren in ihrer Gewichtung von den jeweils akut vor Ort herrschenden Machtverhältnissen abhängig seien, etwa weil sich manche Kampfstrategien graduell je nachdem unterscheiden würden, ob Gebiete akut unter Kontrolle der Taliban oder andere aufständische stehen oder sich offiziell und Regierungskontrolle befinden, wobei sich die Machtverhältnisse auch kurzfristig ändern können". Dazu weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die in der Beschwerde zitierte Schlussfolgerung (schon die zugrunde liegende Fragestellung verlangt von der Gutachterin im Ergebnis eine Würdigung) letztlich auf eine Beweiswürdigung und rechtliche Schlussfolgerung auf Basis von Berichten hinausläuft, nämlich erkennbar in dem Sinn, dass anhand von Berichten belegbare Geschehen laut Meinung der Autorin jene Schwelle erreicht habe, bei der schon allein bei Anwesenheit einer Person in Afghanistan mit einer relevanten Gefahr (eines ernsthaften Schadens) auszugehen ist. Eine solche letztlich als rechtliche Beurteilung zu wertende Schlussfolgerung ist als solche nicht geeignet, als Beweismittel zum Beweis bestimmter tatsächlicher Umstände ins Treffen geführt zu werden (im Ergebnis ebenso die deutsche Rechtsprechung wie zB VG München, 04.05.2018 - M 26 K 17.35220; VG Augsburg, 18.06.2018 - Au 5 K 17.31949; VG Augsburg, 18.06.2018 - Au 5 K 17.32551; alle unter Hinweis auf die das von der vorliegenden Stellungnahme zitierte Gutachten würdigende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg 11.04.2018 - A 11 S 1729/17). Im Übrigen verwertet das zitierte Gutachten eine Mehrzahl an Quellen, ebenso wie das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (oder andere vergleichbare objektiv recherchierte Berichte über die Gesamtlage, wie etwa einschlägige EASO-Berichte): Die darauf Bezug nehmende Stellungnahme des Beschwerdeführers lässt nicht erkennen, welche konkreten Aussagen des Länderinformationsblattes sie durch welche gegenteiligen Berichte aus welchen der im Gutachten berücksichtigten Quellen als widerlegt ansehen will (und aus welchen Gründen). Für den Beschwerdeführer, der in den letzten Jahren mehrere Male in der Region war, darunter einmal für ein Monat in Kabul, und der über direkte und indirekte Kontaktmöglichkeiten dorthin verfügt, ist vor allem auch das Zitat jener Stelle des angeführten Gutachtens nicht einschlägig, in der behauptet wird, dass die Gefahr für Personen ohne Afghanistan-Erfahrung erhöht sei.
Die zusammenfassende Feststellung dazu, dass eine (für die Gewährung von subsidiären Schutz) relevante Gefährdung nicht besteht (Pkt. 1.10.) ergibt sich aus einer Gesamtschau aus den zitierten Länderinformationen in Verbindung mit den persönlichen Charakteristika des Beschwerdeführers. Soweit er sich im Verfahren (in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht) auf die Stellung seines potentiell bereits verstorbenen Vaters bezog und dazu entsprechende Unterlagen (Schriftstücke betreffend seinen Vater) vorlegte, ist darauf zu verweisen, dass auf dieses Vorbringen bereits im abweisenden Bescheid vom 27.07.2010 eingegangen wurde und das darauf gestützte Vorbringen zum Antrag auf internationalen Schutz mit Spruchpunkt I. dieses Bescheides rechtskräftig abgewiesen wurde. Davon abgesehen hat der Beschwerdeführer ein diesbezügliches Vorbringen und die Beweismittelvorlage im vorliegenden Aberkennungsverfahren nicht bereits vor der belangten Behörde (und auch nicht in der Beschwerde) erstattet, weshalb diese durch das Neuerungsverbot präkludiert sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Beschwerdeabweisung mit Maßgabe einer Änderung des Spruchpunktes VIII.
3.1.1. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ordnet an, dass einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen ist, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 leg.cit.) nicht oder nicht mehr vorliegen.
Zu dieser Bestimmung führen die parlamentarischen Materialien aus, dass diese die Aberkennung beispielsweise ermöglicht, "wenn der Fremde in einen sicheren Staat weiter gezogen ist, die Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr vorliegen - etwa weil sich die Lage im Herkunftsstaat des Fremden entsprechend gebessert hat - oder er gar die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat" (RV 952 BlgNR 22. GP ).
3.1.2. Zur Aberkennung ist die Behörde einerseits berechtigt, wenn die Voraussetzungen insofern "nicht mehr" vorliegen, als nach Bescheiderlassung wesentliche Änderungen im entscheidungsrelevanten Sachverhalt oder in den entscheidungsrelevanten Rechtsvorschriften eingetreten sind. Dazu kann auf die - Vergleichbares betreffende - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, wonach "mit einer Refoulement-Beurteilung in Bezug auf den
Herkunftsstaat eines Fremden ... eine zu beachtende
Rechtskraftwirkung einher[geht], deren Durchbrechung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich nach Erlassung der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert haben, also eine neue Sache vorliegt, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gilt" (VwGH 07.03.2019, Ro 2019/21/0002; vgl. auch VwGH 24.01.2018, Ro 2018/21/0011; 07.03.2019, Ra 2018/21/0238).
Für die Frage, inwieweit diese Bestimmung über diese Fallkategorie hinaus - unionrechtskonform - auch in Fällen eine Aberkennung ermöglicht, in denen zwar keine wesentliche Sachverhaltsänderung, jedoch eine Änderung des behördlichen Erkenntnisstands eingetreten ist, hat der Verwaltungsgerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet. In Beantwortung dieses Ersuchens hat der EuGH im Urteil vom 23.05.2019, C-720/17 , Rs. Bilali, ausgesprochen, dass "ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen muss, wenn er diesen Status zuerkannt hat, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt waren, indem er sich auf Tatsachen stützte, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen haben, und obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werden kann, sie habe den Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt". Dies gilt jedoch nur, soweit die neuen Informationen, über die der Aufnahmemitgliedstaat verfügt, zu einer Änderung seines Kenntnisstands führen, die hinsichtlich der Frage, ob die betreffende Person die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hinreichend bedeutsam und endgültig ist (EuGH aaO, Rz. 50).
Ein geänderter Kenntnisstand kommt daher grundsätzlich als Grundlage der Aberkennung von subsidiärem Schutz in Betracht.
3.1.3. Die bescheidmäßige Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter entfaltet Rechtskraftwirkungen. Dasselbe gilt für zeitlich darauf folgende "im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen" zu erlassende Bescheide über die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155). Diese Rechtskraftwirkungen können nur unter den gesetzlich normierten Bedingungen durchbrochen werden. Für den Beschwerdefall sind hiefür insb. die in § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG normierten Voraussetzungen von Bedeutung.
3.1.4. Bei der Beurteilung des Umfangs der Rechtskraftwirkungen ist der Inhalt des Vorbescheides (der Vorbescheide) maßgeblich. Die Behörde hat die entschiedene Sache anhand des im Vorbescheid angenommenen Sachverhalts im Lichte der darauf angewendeten (insb. materiellrechtlichen) Rechtsvorschriften zu beurteilen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz. 24 [Stand 1.3.2018, rdb.at]).
Identität der Sache iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt grundsätzlich auch dann vor, wenn die Behörde die Rechtsfrage aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens (oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung) entschieden hat (VwGH 08.04.1992, 88/12/0169; 25.04.2003, 2000/12/0055; 31.07 2006, 2006/05/0158). Bei nach Erlassung des Bescheides hervorgekommenen Umständen, welche dessen Unrichtigkeit dartun, handelt es sich nicht um eine Änderung des Sachverhalts; sie bilden allenfalls unter den Voraussetzungen des § 69 AVG (inkl. der Dreijahresfrist nach § 69 Abs. 2 und 3 AVG) einen Wiederaufnahmegrund (vgl. Hengstschläger/Leeb aaO Rz. 25).
Zusätzlich zu diesen allgemeinen verfahrensrechtlichen Normen ist die spezielle Regelung des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG zu beachten, in der - unabhängig von den Voraussetzungen des § 69 AVG - eine Abänderungsbefugnis nicht nur für den Fall einer neuen Sache, sondern, im Lichte des Urteils vom 23.05.2019, C-720/17 , Rs. Bilali, auch eines (bloß) "geänderten Kenntnisstandes" der Behörde vorsieht (die Möglichkeit, eine solche Befugnis zur Rechtskraftdurchbrechung über die §§ 68 ff AVG hinaus, ohne Bindung an Schranken des Art. 11 Abs. 2 B-VG zu normieren, ergibt sich aus § 68 Abs. 6 AVG [vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 135, Stand 1.3.2018, rdb.at]).
3.1.5. Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass die Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des AsylGH vom 25.10.2011 auf Grundlage von Informationen des Länderinformationsblattes aus dem Jahr 2010 erfolgt ist. Die mit Bescheiden vom 15.10.2012, 18.10.2013, 14.10.2015 und 09.11.2016 ausgesprochenen Verlängerungen der Aufenthaltsberechtigungen erfolgten ausschließlich aufgrund des (inhaltlich nicht näher substantiierten) Antrags des Beschwerdeführers und ohne inhaltliches Eingehen auf weitere Ermittlungsschritte (dazu näher sogleich), sohin ebenfalls auf Basis (und in Fortschreibung) jenes Kenntnisstandes, der dem Erkenntnis vom 25.10.2011 zugrunde liegt.
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides vorgefundene Bescheid- bzw. Erkenntnislage Bindungswirkungen nur in dem Umfang entfalten konnte, der sich aus dem Inhalt dieser Bescheide und des AsylGH-Erkenntnisses ergibt. Rechtskraftwirkungen erzeugt grundsätzlich nur der Spruch des Bescheides (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO Rz 17). Die Begründung der Erledigungen hat Rechtskraftrelevanz zum einen in Zweifelsfällen als Auslegungsbehelf für den Spruch sowie zum anderen hinsichtlich der "Identität der Sache", da sich aus ihr iVm. dem Spruch der Sachverhalt ergibt, welcher von der Behörde als maßgeblich angenommen und der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO). Identität der Sache iSd. § 68 Abs 1 AVG liegt auch dann vor, wenn die Behörde die Rechtsfrage aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens (oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung) entschieden hat.
Im vorliegenden Fall lagen zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auf Ebene individuell-normativer Erledigungen zum Status des Beschwerdeführers folgende bindenden Entscheidungen vor:
- Zum Einen das Erkenntnis des AsylGH vom 25.10.2011, in dem ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Afghanistan getroffen wurden und daraus der Status als subsidiär Schutzberechtigter für den Beschwerdeführer abgeleitet wurde.
- Zum Anderen die im Vergleich dazu inhaltlich (zur Lage in Afghanistan bzw. zur individuellen Lage des Beschwerdeführers) nichts weiter aussagenden Bescheide vom 15.10.2012, 18.10.2013, 14.10.2015 und 09.11.2016, in denen der Fortbestand der Voraussetzungen festgestellt und jeweils die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigungen angeordnet wurde.
Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich zwar, dass die belangte Behörde im Jahr 2014 eine neuere Fassung des Länderinformationsblattes der BFA-Staatendokumentation ausgedruckt und zum Akt genommen hatte. Darauf gestützte Feststellungen erhob sie jedoch auch in den Bescheiden vom 14.10.2015 und vom 09.11.2016 nicht zum Bescheidinhalt, so dass aus dem Inhalt dieser Bescheide nichts in die Richtung entnommen werden könnte, dass die Identität der Sache nunmehr auch Einzelheiten der Berichtslage aus 2014 erfassen würde. Vielmehr kann aus den Bescheiden vom 15.10.2012, 18.10.2013, 14.10.2015 und 09.11.2016 in normativer Hinsicht nur abgeleitet werden, dass die Behörde (ob zu Recht oder zu Unrecht ist hier nicht erheblich) gegenüber den bisherigen Annahmen noch keine wesentlichen Änderungen erkennen konnte und infolgedessen weiterhin vom Vorliegen jener Voraussetzungen ausgegangen ist, die im Zeitpunkt des Erkenntnisses des AsylGH vom 25.10.2011 angenommen wurden und mit diesem Erkenntnis durch Aufnahme in die einschlägigen Feststellungen zumindest soweit Eingang in die individuell-normative Rechtslage gefunden haben, dass dieser damalige Stand weiterhin für die Beurteilung der Identität der Sache heranzuziehen ist.
Diese behördliche Vorgangsweise und der daraus abzuleitende (inhaltlich nur den Stand von 2011 fortschreibende) Aussagegehalt der Bescheide vom 15.10.2012, 18.10.2013, 14.10.2015 und 09.11.2016 ist auch im Sinne der zugrundeliegenden Gesetzessystematik zu deuten, zu der der Verwaltungsgerichtshof in Rn 100 des Erkenntnisses vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, ausgeführt hat:
"[v]or dem unionsrechtlichen Hintergrund (vgl. Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie - RL 2011/95/EU ; EuGH 23.5.2019, Bilali, C- 720/17 , Rn. 49 und 50) darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dem Gesetz nicht unterstellt werden kann, es hätte im Fall jedes Antrages auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 neuerlich ein die ursprünglichen Gründe umfassend prüfendes Verfahren stattzufinden. Insoweit dürfen die Ermittlungspflichten der Behörde nicht überspannt werden. Hat die Behörde keine konkreten Hinweise dafür, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung die für dessen Bewilligung notwendigen Voraussetzungen nicht mehr bestehen könnten, also die diesbezüglich maßgeblichen Umstände sich nicht im Sinn der unionsrechtlichen Vorgaben in hinreichend bedeutsamer und endgültiger Weise geändert haben, werden insoweit weitere Ermittlungen unterbleiben können."
Im zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof weiters festgehalten, dass bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 "nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen [sind], die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben".
Daraus ergibt sich im vorliegenden Beschwerdefall einerseits, dass die Bescheide vom 15.10.2012, 18.10.2013, 14.10.2015 und 09.11.2016 hinsichtlich der Voraussetzungen (insb. in Ansehung der Ländersituation in Afghanistan) nur als Fortschreibung des Stands nach dem Erkenntnis vom 25.10.2011 zu deuten sind und andererseits, dass für die Frage, ob die Aberkennung im vorliegenden Fall zu Recht erging, die Berichtslage, die dem AsylGH-Erkenntnis vom 25.20.2011 zugrunde lag, mit jener zu vergleichen ist, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorzufinden ist. Dabei ist es unerheblich, ob sich bei diesem Vergleich eine Änderung der Tatsachenlage hervortritt (nova producta), oder bloß - bei in Wahrheit unveränderten Tatsachen - eine Änderung des nunmehrigen Kenntnisstands der Behörde (des Verwaltungsgerichts) über bereits im Jahr 2011 gegebene Umstände (nova reperta), weil die Aberkennung gem. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG sowohl bei wesentlich geändertem Sachverhalt als auch (im Lichte des Urteils des EuGH in der Rs. Bilali) bei bloß geändertem Kenntnisstand über für die Zuerkennung relevante Tatsachen zu erfolgen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof bereits sowohl zur Gefährdungsprognose nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155) als auch zur Anwendung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153) festgehalten, dass es der Asylbehörde im Aberkennungsverfahren nicht verwehrt ist, auch vor der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. vor Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetretene Umstände in ihre Gesamtbeurteilung einfließen zu lassen. Ausgehend davon ist es der Behörde (und dem BVwG) nicht verwehrt, beim Vergleich zwischen jenen Tatsachen, die der Entscheidung im Jahr 2011 zugrunde gelegt wurden und jenen, die nunmehr aktenkundig sind, alles im Rahmen einer Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen, was seither bekannt geworden ist, auch wenn Teile davon bereits vor Ergehen von Bescheiden über die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung eingetreten oder bekannt geworden sein mögen.
3.1.6. Verglichen mit dem Stand, der dem Erkenntnis vom 25.10.2011 zugrunde lag, bewirken die nunmehr der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Länderinformationen eine Änderung (zumindest) des Kenntnisstands, die hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hinreichend bedeutsam und endgültig ist (vgl. EuGH Rs. Bilali Rz. 51):
Zur Stadt Herat (bzw. zur Provinz Herat) führt das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende, aktuelle Länderinformationsblatt aus, dass diese in der größten Provinz im Westen Afghanistans liegt, dass es sich um eine relativ entwickelte Provinz handelt (Beispiele von wirtschaftlichen Aktivitäten und Arbeitsplätzen werden genannt) und dass die Provinz (ungeachtet von Talibanaktivitäten in abgelegenen Distrikten der Provinz) als "eine der relativ friedlichen Provinzen" gewertet wird. Zur Stadt Mazar-e Sharif (bzw. zur Provinz Balkh) führt das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende, aktuelle Länderinformationsblatt aus, dass es sich um eine geostrategisch wichtige Provinz handelt, die als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten bekannt sei, dass sich die Region wirtschaftlich gut entwickle und es sich nach wie vor um eine der sichersten Provinzen Afghanistans bzw. eine der relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan handle.
Bereits in diesen Punkten unterscheidet sich die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Erkenntnislage deutlich und in relevanter Weise von jener, die dem Erkenntnis vom 25.10.2011 (und damit auch den Bescheiden vom 15.10.2012, 18.10.2013, 14.10.2015 und 09.11.2016) zugrunde lag: Unter dem Titel "Sicherheitslage" wurden in der von 2010 datierenden Version des Länderinformationsblattes vor allem diverse besonders problematische Gebiete erwähnt, während zu Landesteilen, für die die heutige Version des Länderinformationsblattes Hinweise der oben zitierten Art liefert, wonach diese vergleichsweise sicher und/oder weniger problematisch sind, keine Erwähnung fanden. Es fand sich vielmehr sogar eine pauschal eher negativ einschätzende der "Sicherheitslage im Norden und Westen des Landes".
Zur Versorgungslage und Niederlassungsmöglichkeit von Rückkehrern
bei innerstaatlicher Fluchtalternative enthielt der den bisherigen
Erledigungen zugrunde liegende Kenntnisstand die Aussage, dass "die
Lebensbedingungen landesweit schlecht" seien und dass "das Risiko
des Einzelnen, zu einem Opfer von Gewalt oder einer
Menschenrechtsverletzung zu werden, ... im gesamten Land gegeben"
sei (wobei das Ausmaß dieses Risiko nicht näher bewertet wurde).
Ferner fand sich die pauschale Aussage, dass die Möglichkeit einer
Person, sich "einer möglichen Gefährdung durch ein Ausweichen im
Land entziehen kann, ... maßgeblich vom Grad ihrer sozialen
Vernetzung sowie der Verwurzelung in Familienverband und Ethnie" abhänge, weiters, dass "eine Ansiedlung in Kabul, Mazar-i Sharif, Jalalabad und Herat grundsätzlich auch für Personen ohne Beziehungen möglich sei", dies allerdings "sofern sie über die nötigen finanziellen Mittel verfügen". Demgegenüber finden sich in dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Länderinformationsblatt (2019) Ausführungen zu Unterstützungsmöglichkeiten und Reintegrationsprogrammen für Rückkehrer und die zusammenfassende Aussage, dass ein Netzwerk für das Überleben in Afghanistan wichtig bzw. ein Mangel an Netzwerken eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer sei, dass jedoch kompensierend die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Anspruch genommen werden könne.
Vor dem Hintergrund der so dargestellten Änderungen im Kenntnisstand der belangten Behörde gegenüber dem Kenntnisstand, auf dem das Erkenntnis vom 25.10.2011 und die Bescheide vom 15.10.2012, 18.10.2013, 14.10.2015 und 09.11.2016 beruhen, ist die Beurteilung zulässig, dass für den Beschwerdeführer nicht die damals relevante Situation gegeben ist, nämlich dass für ihn "die Sicherheits- und die Versorgungslage im ganzen Land prekär ist" und daher "nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden [kann], dass [ihm] in Afghanistan eine Gefahr iSd Art. 3 MRK droht".
Vielmehr scheidet die weitere Zuerkennung von subsidiärem Schutz - wie im Folgenden näher darzulegen ist - vor dem Hintergrund einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative (§ 11 AsylG) aus (zur Relevanz des Anspruchshindernisses der innerstaatlichen Fluchtalternative s die Rn 110 ff des bereits zitierten Erkenntnisses des VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
3.1.7. § 11 AsylG normiert unter dem Titel "Innerstaatliche Fluchtalternative", dass der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen ist, wenn "Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden [kann], und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden [kann]". Schutz ist nach dieser Bestimmung gewährleistet, "wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind". Bei dieser Prüfung ist "auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen".
Dies entspricht der Rechtsprechung des EGMR, der eine Verletzung von Art. 3 EMRK verneint, wenn eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative aufgezeigt werden kann. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist Voraussetzung einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Lichte von Art. 3 EMRK, dass der Betroffene nicht nur sicher in das angesprochene Gebiet reisen und sich dort sicher aufhalten kann, sondern auch, dass er dort "aufgenommen wird und sich niederlassen kann" ("the person to be expelled must be able to travel to the area concerned, gain admittance and settle there, failing which an issue under Article 3 may arise" so wörtlich der EGMR im Urteil vom 29.06.2011, Sufi u Elmi gg. Vereinigtes Königreich, Beschw. Nr. 8319/07 und 11.449/07, § 266).
3.1.8. Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen bereits die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gg. Schweden, Beschw.Nr. 61204/09). In dem zitierten Beschluss (Ra 2015/01/0134) hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die jüngere Rechtsprechung des EGMR hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. die Entscheidungen des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Beschw.Nr. 8161/07; A. G. R., Beschw.Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Beschw.Nr. 25 077/06; S. S., Beschw.Nr. 39 575/06; M. R. A. u. a., Beschw.Nr. 46 856/07; vgl. zum Ganzen auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255).
Auch wenn in manchen Provinzen Afghanistans die Sicherheits- und Versorgungslage nicht ausreichend sein mag, lässt sich festhalten, dass der Beschwerdeführer zumindest zumutbare Schutzalternativen in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif vorfinden kann. Die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, die sich unter Regierungskontrolle befinden, können - ungeachtet des Umstandes, dass dort unbestrittenermaßen Anschläge, in erster Linie auf Einrichtungen mit Symbolcharakter oder Bezug zum Staat oder internationalen Akteuren, stattfinden, die immer auch Zivilisten zum Opfer haben - nicht als Orte angesehen werden, in denen eine derartige Gefährdung herrscht, dass der Beschwerdeführer dort auf Grund der Sicherheitslage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre. Diese Orte sind für den Beschwerdeführer im Fall einer Abschiebung nach Afghanistan auch hinreichend sicher erreichbar. Bei diesen Orten liegt keine Sicherheitslage der Art vor, dass jeder dorthin Zurückkehrende der realen Gefahr unterläge, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 MRK garantierten Rechte ausgesetzt zu sein oder die ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt zu erwarten wäre. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer etwa in einen Stadtteil zurückkehren würde, für den die Möglichkeit besteht, dass an einem öffentlichen Platz ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, begründet noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 MRK garantierten Rechte (vgl. zum rechtlichen Prüfungsmaßstab auch das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN, - dort bezogen auf die Sicherheitslage bei Rückkehr in die von Terroranschlägen betroffene Stadt Bagdad; zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung unter dem Blickwinkel von Art. 3 EMRK vgl. jüngst auch VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).
Die Sicherheitslage ist freilich nicht der einzige relevante Gesichtspunkt für die Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative ohne Verletzung von Art. 3 (und 2) EMRK in Frage kommt. Neben der politischen Lage bzw. Sicherheitslage im Herkunftsland kann auch das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit einer Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevant sein (vgl. VfSlg 19.602/2011 mwN). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist Voraussetzung einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Lichte von Art. 3 EMRK, dass der Betroffene nicht nur sicher in das angesprochene Gebiet reisen und sich dort sicher aufhalten kann, sondern auch, dass er dort "aufgenommen wird und sich niederlassen kann" ("the person to be expelled must be able to travel to the area concerned, gain admittance and settle there, failing which an issue under Article 3 may arise" so wörtlich der EGMR im Urteil vom 29.06.2011, Sufi u Elmi gg. Vereinigtes Königreich, Beschw. Nr. 8319/07 und 11.449/07, § 266), ohne dass er in eine mit Art. 3 EMRK unvereinbare Lage gerät. Eine solche Lage kann also in dem als Alternative zu prüfenden Gebiet nicht nur durch Angriffe auf die körperliche Sicherheit durch staatliche Organe oder Dritte entstehen, sondern auch durch zahlreiche andere Faktoren, wie etwa eine besonders prekäre humanitäre Versorgungslage, Kriminalität etc. (siehe die Ausführungen des EGMR in Rz. 291 und 292 des zitierten Urteils). Relevant ist, ob der Betroffene im angebotenen Zufluchtsgebiet voraussichtlich in der Lage sein wird, für seine grundlegendsten Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Obdach zu sorgen, weiters ob er verletzlich ist und ob Aussicht auf Besserung seiner Lage in angemessener Zeit besteht (wörtlich verlangt der anzuwendende Maßstab nach dem EGMR-Urteil im Fall Sufi u. Elmi, § 283 "to have regard to an applicant's ability to cater for his most basic needs, such as food, hygiene and shelter, his vulnerability to ill-treatment and the prospect of his situation improving within a reasonable time-frame"). Auf einfachgesetzlicher Ebene hat der Gesetzgeber dieses durch Art. 3 EMRK und die einschlägige Rechtsprechung geforderte Kriterium in Form der gem. § 11 AsylG normierten Voraussetzung der "Zumutbarkeit" geregelt ("kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden"). Dabei handelt es sich um eine Umsetzung von Art. 8 der Statusrichtlinie (RL 2004/83/EG "und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält"; RL 2011/95/EU "dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt").
Mit diesen Prinzipien in Einklang geht auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon aus, dass es, um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, nicht ausreicht, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat, sondern es muss ihm möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mit Hinweisen u.a. auf das bereits zitierte Erkenntnis VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).
Speziell bezogen auf Afghanistan gehen sowohl der EGMR und der VfGH zur Beurteilung einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative in Afghanistan auf Grundlage der einschlägigen Passage der UNHCR-Richtlinien (insofern den Vorversionen entsprechend: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, letzter Stand 30. August 2018,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1449845/90_1542006632_unhcr-2018-08-30-afg-richtlinien.pdf ) davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans möglich sei, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder Stamm am Zielort verfügbar sei; "alleinstehende[n], leistungsfähige[n] Männer und verheiratete[n] Paare[n] im
erwerbsfähigen Alter ohne ... besondere Gefährdungsfaktoren" sei es
unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben (UNCHR 30.8.2018, S. 125). Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden sei, sei aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (EGMR 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Beschw.Nr. 10.611/09, Rz. 96; 09.04.2013, H. und B. gg. Vereinigtes Königreich, Beschw.Nr. 70.073/10 und 44.539/11, Rz. 45 und 114; darauf Bezug nehmend zB VfGH 13.09.2013, U 1513/2012; 06.06.2014, U 2643/2013; zur Indizwirkung von UNHCR-RL VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).
Die gebotene Einzelfallprüfung ergibt hier nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es dem Beschwerdeführer, der grundsätzlich gesund, jung, erwachsen, männlich, arbeitswillig und arbeitsfähig ist, der tadschikischen Volksgruppe angehört, dem sunnitischen Islam anhängt, in der Vergangenheit Berufserfahrungen in einer Konditorei und (in Österreich) als Bäcker gesammelt hat, über Kontakte zu afghanischen Staatsangehörigen verfügt und Kontakte zu Bekannten und Angehörigen, allenfalls auch zur Familie seiner Ehefrau wieder herstellen könnte, zumutbar ist, in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif einen Neubeginn zu setzen. Darüber hinaus bestehen entsprechende Angebote der Rückkehrhilfe. Insgesamt erscheint es möglich und zumutbar, dass der Beschwerdeführer bei einer Neuansiedelung mittelfristig Fuß fasst und in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif ein Leben ohne unbillige Härten führt, wie es auch andere Landsleute führen können. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass die Lage in Afghanistan sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt ist, dass aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert, davon zu unterscheiden ist (vgl. VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0205, 18.10.2017, Ra 2017/19/0420). Eine schwierige Lebenssituation bei einer Rückkehr nach Afghanistan bedeutet für sich genommen keine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; 18.10.2017, Ra 2017/19/0157, mwN). Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle festgehalten, dass auch der Umstand, dass ein Rückkehrer nicht über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten verfügt, für den Fall der Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht ausreichend wäre (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).
3.1.9. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten war dem Beschwerdeführer daher abzuerkennen und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides folglich zu bestätigen.
3.2. Als Rechtsfolge daraus ist auch die im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides verfügte Entziehung der befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter nicht zu beanstanden.
3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides
3.3.1. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt (i.e. Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem Titel der Art. 2 oder 3 EMRK bzw. 6. oder 13. ZPEMRK in Fällen des Vorliegens von Aberkennungsgründen) vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
3.3.2. Zum Ausspruch gem. § 57 AsylG ist im Wesentlichen auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheides zu verweisen, die in der Beschwerde nicht hinterfragt wurden.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen: 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer diese Voraussetzungen verwirklicht (Z 1: Duldung seit mind. einem Jahr; Z 2:
Erforderlichkeit der Anwesenheit zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder Anspruchsdurchsetzung; Z 3: Eigenschaft als Opfer von Gewalt und Erforderlichkeit zum Schutz vor Gewalt) sind weder geltend gemacht worden noch im Verfahren sonstwie hervorgekommen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht der im Bescheid ausgesprochenen Nichtzuerkennung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht entgegentreten kann.
3.3.3. zu Spruchpunkt IV. - Rückkehrentscheidung im engeren Sinn - Rechtslage
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
§ 9 Abs. 1 BFA-VG normiert, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1-9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
3.3.4. Rechtsprechung
Stellt die Maßnahme der Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar, ist zu unterscheiden, ob daraus gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung auf Dauer resultiert (wovon dann aus-zugehen ist, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- oder Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind) oder ob dabei Umstände vorliegen, welche die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung wegen einer drohenden Verletzung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nur vorübergehend befürchten lassen, in welchem Fall die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorübergehend für unzulässig zu erklären ist, wodurch der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet "geduldet" (§ 46a Abs. 1c FPG) wird (vgl. VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146).
Stellt eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar, dann folgt daraus nicht nur deren Zulässigkeit im Grunde des § 9 BFA-VG, sondern auch, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels (oder die Duldung) zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten ist (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweis auf die zur früheren Rechtslage ergangenen Erkenntnisse VwGH 22.10.2009, 2009/21/0293 und VwGH 27.05.2010, 2010/21/0142).
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in seiner ständigen Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (vgl. VwGH 28.04.2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 22.07.2011, 2009/22/0183).
Das persönliche Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036; VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, mwN; zur Übertragbarkeit der zu früher geltenden Rechtslagen des FPG ergangenen Rechtsprechung zur Interessenabwägung bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf die seit 01.01.2014 geltende Rechtslage nach dem BFA-VG vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (zB VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058).
3.3.5. Anwendung im Beschwerdefall
Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig ist und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.
Dass die hier zu beurteilende Rückkehrentscheidung unter Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nicht als rechtswidrig angesehen werden kann, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Die Erlassung der Rückkehrentscheidung liegt zur Durchsetzung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im öffentlichen Interesse, das im Lichte von Art. 8 Abs. 2 EMRK als Interesse "an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" und am "wirtschaftlichen Wohl des Landes" eingestuft werden kann. Gegen die genannten Regeln verstoßen Fremde, die nach dem negativen Ausgang des Asylverfahrens über kein weiteres (vorläufiges) Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Dem genannten öffentlichen Interesse kommt ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 mwN; zur Gewichtung des öffentlichen Interesses an der nach Abschluss eines Asylverfahrens zu verfügenden Ausweisung bzw. Rückkehrentscheidung und zur Zuordenbarkeit auch zum Eingriffstatbestand des "Schutzes der öffentlichen Ordnung" iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK s auch VfSlg. 19.086/2010 und VfSlg. 19.752/2012).
Der Beschwerdeführer war zunächst (beginnend mit 2009) als Asylwerber und dann (beginnend mit Oktober 2011) als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich aufhältig. Zu beachten ist, dass der Beschwerdeführer in der Phase seines Asylverfahrens (2009-2011) nicht von einem gesicherten Aufenthalt in Österreich ausgehen durfte (§ 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG). Unter dem Gesichtspunkt der "Art des Aufenthaltes" (§ 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG) und der Frage, ob der Beschwerdeführer auf die Dauerhaftigkeit seiner Berechtigung zum Aufenthalt vertrauen durfte (vgl. den Regelungsgedanken des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG), ist weiters von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer seit Oktober 2011 bis dato als subsidiär Schutzberechtigter aufhältig ist. Im Gegensatz zu Asylberechtigten erhalten subsidiär Schutzberechtigte nur ein vorübergehendes (aber jeweils befristet verlängerbares) Aufenthaltsrecht. Dies entspricht der Überlegung, dass jene Umstände, die typischerweise subsidiären Schutz rechtfertigen, jedenfalls in der Tendenz eher vorübergehenden Charakter haben (vgl. VfSlg. 20.177/2017). Während dieser Zeiten war der Beschwerdeführer daher zwar aufgrund von befristeten Aufenthaltsberechtigungen aufhältig, musste sich aber des Umstands bewusst sein, dass diese Berechtigungen im Wandel der Zeit einer Überprüfung unterliegen und keinen Anspruch zur dauerhaften Aufenthaltsverfestigung vermitteln. Seit dem Zeitpunkt der Begehung der festgestellten Straftat, der Verhängung der Untersuchungshaft (Oktober 2017), dem Strafverfahren und umso mehr angesichts des ab 22.08.2018 - erkennbar angesichts des anhängigen Strafverfahrens und des eingeleiteten Aberkennungsverfahrens - unerledigt gebliebenen Verlängerungsantrags durfte der Beschwerdeführer auch nicht mehr gesichert von der Wahrscheinlichkeit einer Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung ausgehen.
Bei der Abwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ist auch das tatsächliche Bestehen eines allfälligen Familienlebens in Österreich einzubeziehen. Dazu ist im vorliegenden Fall auszuführen, dass zwar Mitglieder des erweiterten Familienkreises des Beschwerdeführers (Onkel und dessen Familie) legal in Österreich leben. Allerdings leben diese in einem anderen Bundesland als der Beschwerdeführer und der Kontakt beschränkte sich auf Telefongespräche, gelegentliche Besuche und Hilfeleistung. Der Beschwerdeführer und die Betreffenden sind erwachsen und es bestehen keine Anzeichen für ein Abhängigkeitsverhältnis, eine Wirtschafts- oder Wohngemeinschaft oder eine ähnlich enge Beziehungsintensität, weshalb dieser Aspekt des (erweiterten) Familienlebens in Österreich nicht als gewichtig zu veranschlagen ist. Zur Ehe des Beschwerdeführers mit einer afghanischen Staatsangehörigen, die nunmehr in Österreich um internationalen Schutz angesucht hat, ist Folgendes festzuhalten: Der Beschwerdeführer hat diese Frau, die er seinen eigenen Angaben zufolge im Internet kennengelernt hat (über deren berufliche Situation er aber nichts weiß und deren Nachnamen ihm bei einer Einvernahme durch das BFA am 18.12.2017 zunächst nicht einfiel) nach zweimaligem Treffen anlässlich von Besuchen in Pakistan im Jahr 2016 geheiratet. Die beiden sind in weiterer Folge aber nicht zusammengezogen, sondern haben getrennt gelebt. Sie stand in Kontakt mit der erweiterten Familie des Beschwerdeführers (in Kabul und in Graz) ist in weiterer Folge nach Inhaftierung des Beschwerdeführers nach Österreich gereist und hat hier einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Schritt erfolgte somit in einer Situation, in der den Beteiligten klar sein musste, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich unsicher ist. Bereits diese Aspekte relativieren das Gewicht dieses Aspekts des Familienlebens (für Näheres zur Beleuchtung dieses Aspekts wird auch auf die Ausführungen zum Einreiseverbot verwiesen).
Für die Interessenabwägung von Bedeutung sind auch die Bindungen des Beschwerdeführers zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG), beziehungsweise - mit gleichartiger Bedeutung (die in § 9 Abs. 2 normierten Gesichtspunkte werden nur "insbesondere", also demonstrativ aufgezählt) - die Bindungen zu Personen und zur Gesellschaft in der erweiterten Herkunftsregion (einschließlich Iran und Pakistan): In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer nunmehr zwar schon ca. 10 Jahre in Österreich lebt, allerdings brach der Kontakt zur Herkunftsregion, insbesondere zu den dort lebenden Familienangehörigen, nie ab, sondern wurde regelmäßig zB über Telefon gepflegt. Ein Beleg dafür ist auch, dass der Beschwerdeführer diese Region bzw. Gesellschaft auch bei der Wahl seiner Ehepartnerin im Blickfeld behielt und mehrfach auch Reisen in diese Region, sei es zu Freunden oder zur Familie geplant und teils auch unternommen hatte (zu nennen ist etwa die geplante Reise zu Freunden in den Iran, die mehrfachen Pakistan-Aufenthalte und der Kabul-Aufenthalt bei Familienmitgliedern aus Anlass der Bestattung seiner Mutter und einer Schwester). All dies belegt eine durchaus noch lebendig aufrechte Bindung zum Herkunftsstaat und zur (erweiterten) Herkunftsregion.
Eine übermäßige Verzögerung von Verfahrenshandlungen durch die Behörden, die bei der Interessenabwägung entscheidendes Gewicht hätte, kann nicht erkannt werden (§ 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG). Festzuhalten ist freilich, dass der Beschwerdeführer während seiner nunmehr ca. 10-jährigen (aber durch mehrere Auslandsaufenthalte unterbrochenen) Aufenthaltsdauer im Inland auch Schritte gesetzt hat, die einen Bezug zur hier ansässigen Bevölkerung herstellen und für den Beschwerdeführer als persönliche Bindungsmerkmale unter dem Titel des Privatlebens veranschlagt werden können. Allerdings sind diese ihrer Art und Intensität nach nur schwach ausgeprägt. So hat der Beschwerdeführer zwar einen Deutschkurs besucht, einen solchen aber nie auf bestimmtem Niveau abgeschlossen; in der Verhandlung sind auch keine bemerkenswerten Deutschkenntnisse hervorgekommen. Der Beschwerdeführer war (als Helfer in der Gastronomie und zuletzt als Mitarbeiter einer Konditorei in XXXX ) erwerbstätig. Intensivere oder in ihrer Zahl bedeutendere Bindungen zu dauerhaft in Österreich lebenden Personen hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.
Deutlich und ausschlaggebend ins Gewicht fällt vor allem aber, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in schwerwiegender Weise straffällig geworden ist (§ 9 Abs. 2 Z 6 BFA-VG).
Wie in den Feststellungen näher ausgeführt wird, hat der Beschwerdeführer zwischen Herbst 2015 und 19.10.2017 durch eine Vielzahl von Verkaufshandlungen Cannabiskraut gewinnbringend zum Teil selbst, zum Teil durch kommissionsweise Übergabe zum Zweck des Weiterverkaufs, an zahlreiche Abnehmer veräußert, konkret insgesamt 8300 g, davon 1906 g mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 16 % Delta-9-THC (305 g Reinsubstanz, 15-fache Grenzmenge) und im Übrigen (6394 g) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 10 % Delta-9THC (639,4 g Reinsubstanz, 31,97-fache Grenzmenge). Weiters hat er zwischen 4. und 19.10.2017 im Zuge mehrerer Fahrten von Kufstein über den Grenzübergang Kiefersfelden nach Oberrohrdorf insgesamt 200 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 10 % Delta-9-THC (20 g Reinsubstanz, einfache Grenzmenge) von Österreich nach Deutschland gebracht, weiters 669,5 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 16 % Delta-9-THC (107 g Reinsubstanz, über 5-fache Grenzmenge), sohin eine die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz an 19.10.2017 besessen und am 15.10.2017 erworben, dass sie in Verkehr gesetzt werde. Wie festgestellt, hat der Beschwerdeführer während dieser Zeiträume auch Minderjährigen Suchtgift überlassen.
Es handelt sich bei dem wiederholt festgestellten Verhalten des Beschwerdeführers im Bereich der Suchtmittelkriminalität um ein besonderes Übel, das annehmen lässt, dass vom Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit (insbesondere die Gesundheit Dritter) ausgeht, die wegen der besonderen Gefährlichkeit Suchtgiftkriminalität ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. VwGH 27.03.2007, 2007/21/0081). Daran könnten selbst die Anwesenheit der Ehefrau in Österreich und eine berufliche oder soziale Integration nichts ändern (vgl. VwGH 22.05.2007, 2006/21/0115). Die Suchtgiftdelinquenz ist ein besonders verpöntes Fehlverhalten, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa VwGH 29.03.2012, 2011/23/0662; 20.08.2013, 2013/22/0082). Die im längeren Tatzeitraum wiederholte Begehung, die Mehrzahl der Tatbegehungsarten (Import, Weitergabe, Besitz) und die Mengen fallen zu Lasten des Beschwerdeführers ins Gewicht, ebenso wie der Umstand, dass Suchtgift auch an Minderjährige weitergegeben wurde, während sich hier die bisherige Unbescholtenheit, eine (zum Tatzeitpunkt noch gegebene) Suchtgiftergebenheit und die Sicherstellung von Suchtgift aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts nicht maßgeblich relativierend auswirken.
Das Gericht sieht im Beschwerdefall keinen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus dem Titel von Art. 8 EMRK geboten wäre. Vor dem Hintergrund der vorstehend dargestellten Aspekte ist bei einer Gesamtschau davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher eine Rückkehrentscheidung im Lichte des Rechts auf Achtung des Privatlebens des Beschwerdeführers jedenfalls als im Sinne des Art 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann. Auch sind sonst keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung unzulässig wäre.
Im Rahmen einer Interessenabwägung kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers bei gesamthafter Betrachtung des Falles geringeres Gewicht zu, so dass auch die Rückkehrentscheidung zu bestätigen war.
3.4. Zum Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG (Spruchpunkt V.)
Zur Beurteilung im Lichte des § 52 Abs. 9 FPG kann - zumal dazu auch nichts gesondert vorgebracht wurde und auch (iSd. § 50 Abs. 3 FPG) keine Empfehlung des EGMR vorliegt - auf die Ausführungen iZm. mit der Beurteilung des subsidiären Schutzes, insbesondere zur (der Annahme einer einschlägigen Grundrechtsverletzung entgegenstehenden) innerstaatlichen Fluchtalternative verwiesen werden (vgl. auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht.
3.5. Auch die gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt VI.) begegnet keinen Bedenken, aus der Beschwerde geht auch nicht hervor, dass dieser Spruchpunkt mitangefochten worden wäre, geschweige denn, dass Gründe zu seiner Rechtswidrigkeit vorgebracht worden wären.
3.6. Da - wie unter Pkt. II.3.3.1. ausgeführt - die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht vorliegen, erfolgte auch die mit Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Abweisung des Antrags auf Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 8 Abs. 4 AsylG zu Recht.
3.7. Zum Einreiseverbot
§ 53 FPG 2005, BGBl. I 100, lautet in der Fassung BGBl. I 56/2018 auszugsweise:
"Einreiseverbot
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ...
3. ...
4. ...
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. ...
8. ...
9. ...
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen."
Der die Grundlage der Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbots bildende Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG ist erfüllt, weil der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren (damit also: von "mehr als drei Jahren") rechtskräftig verurteilt worden ist und, wie im Folgenden näher dargelegt wird, anhand der Umstände des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, "dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt". Auch die gebotene Interessenabwägung lässt die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes gerechtfertigt (und geboten) erscheinen.
Ein mit der Rückkehrentscheidung verbundenes Einreiseverbot ist für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Auf unbestimmte Zeit (unbefristet) ist es zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Erlassung nicht vorhergesehen werden kann (VwGH 18.05.2006, 2006/18/0103; 24.09.2009, 2007/18/0825; VwGH 22.05.2013, 2011/18/0259 [=VwSlg. 18.626 A/2013]). Die Einschätzung, wie lang die vom Fremden ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist, ist nachvollziehbar zu begründen, wobei im Allgemeinen auch der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt. Bei Erstellung der zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im Gesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach - anders als bei der Frage, ob der (auf bestimmte strafgerichtliche Verurteilungen Bezug nehmende) Tatbestand erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; 20.12.2011, 2011/23/0256; 24.04.2012, 2011/23/0281; 18.10.2012, 2011/23/0417; 10.09.2013, 2013/18/0052). Darüber hinaus ist bei der Entscheidung über die Dauer des Einreiseverbots auch auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002).
Für die hier relevante Gefährdungsannahme ist zunächst ins Treffen zu führen, dass es sich - wie erwähnt - bei der vorliegenden Suchtmittelkriminalität bereits an sich um ein besonderes Übel handelt, das wegen der besonderen Gefährlichkeit Suchtgiftkriminalität ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. VwGH 27.03.2007, 2007/21/0081) und dass bei diesem besonders verpönten Fehlverhalten, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Rückfalls- bzw. Wiederholungsgefahr gegeben ist, ein besonders großes öffentliches Interesse an dessen Verhinderung besteht (vgl. etwa VwGH 29.03.2012, 2011/23/0662; 20.08.2013, 2013/22/0082). Die im längeren Tatzeitraum wiederholte Begehung, die Mehrzahl der Tatbegehungsarten (Import, Weitergabe, Besitz) und die Mengen indizieren einerseits die Schwere der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als auch die zeitliche Nachhaltigkeit der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung. In diese Richtung deuten weiters der Umstand, dass Suchtgift auch an Minderjährige und insgesamt an zahlreiche Abnehmer weitergegeben wurde. Auch unterstrich das verurteilende Landesgericht Innsbruck, dass "im Hinblick auf die Schwere der Verbrechenstatbestände" eine bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht nicht in Betracht komme und verhängte demgemäß eine relativ hohe, unbedingte vierjährige Freiheitsstrafe. Zu unterstreichen ist auch, dass der Beschwerdeführer die Taten, wie sich aus dem Strafurteil bei einer Gesamtschau ergibt, im Rahmen eines Netzwerks von mehreren Personen beging, beziehungsweise sich "über einen längeren Zeitraum in einschlägigen Suchtgiftkreisen [bewegte]". Das Bundesverwaltungsgericht hält auch fest, dass der Beschwerdeführer diese Taten über einen längeren Zeitraum nicht erst in einer Phase verübte, in der er neu oder orientierungslos in Österreich war, sondern nach einer längeren Zeit als subsidiär Schutzberechtigter, in der er Gelegenheit zur Schaffung eines geordneten Lebens gehabt hätte. Die Umstände des Falles zeigen auch, dass sich der Beschwerdeführer zu den verpönten Aktivitäten veranlasst sah, obwohl er einer gesicherten Erwerbstätigkeit nachgehen konnte (und auch nachging), die ihm ein reguläres legales Einkommen verschaffte. Angesichts dieser Umstände sieht das Bundesverwaltungsgericht keine ausreichenden Anhaltspunkte, die eine befristete Erlassung eines Einreiseverbots nahelegen würden, sondern geht vielmehr in den Worten der einleitend zitierten Rechtsprechung davon aus, dass "ein Wegfall des Grundes für seine Erlassung nicht vorhergesehen werden kann".
Bei der Entscheidung über die Dauer des Einreiseverbots ist auch auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist (ergänzend zu den bereits im Rahmen der Abwägung bei der Rückkehrentscheidung hervorgehobenen Aspekten) festzuhalten, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers afghanische Staatsangehörige ist und nach seinen Aussagen in Österreich um Asyl angesucht habe, weil seine Schwiegereltern mit der Eheschließung nicht einverstanden gewesen seien; festgestellt wurde, dass sie vorbrachte, ihr Vater habe sie angesichts der Inhaftierung des Beschwerdeführers zur Ehe mit einem anderen Mann zwingen wollen. Dazu ist anzumerken, dass die vorliegende Entscheidung (zur Verhängung und Dauer des Einreiseverbots) anhand einer Prognose für die Zeit nach der Haftentlassung des Beschwerdeführers zu treffen ist, so dass die Prämissen für diese von der Ehefrau vorgebrachte Verfolgungsproblematik in diesem Fall von vornherein relativiert wären und die Möglichkeit eines künftigen Ehelebens außerhalb Österreichs durch das erwähnte Gefährdungsvorbringen der Frau nicht völlig in Frage gestellt ist. Auch ist zu bemerken, dass es möglich und zumutbar erscheint, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau mittel- bis langfristig zur Führung des Ehelebens in eine andere Region Afghanistans oder auch in ein anderes Land begeben, wie beispielsweise nach Pakistan, wo sie sich bereits zweimal gemeinsam zum Kennenlernen und zur Eheschließung aufgehalten haben, und wo der Beschwerdeführer bereits einen Teil seines Lebens verbracht hat (als Hindernis für einen Pakistanaufenthalt berief er sich lediglich auf Diskriminierungen, im ursprünglichen Verfahren 2009 brachte er dazu nichts Näheres vor, sondern erwähnte, dass seine Familie weiterhin in Pakistan lebe). Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung auch an, Pakistan als Ort für seine Hochzeit gewählt zu haben, weil er sich dort gut auskenne. Im Übrigen werden auch unter Berücksichtigung der privaten Beziehungen (und Ehe) des Beschwerdeführers diese Interessen vor dem Hintergrund der Umstände des Falles im Rahmen einer Gewichtung durch das öffentliche Interesse an der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und der Verhinderung einschlägiger Straftaten überwogen.
Bei gesamthafter Würdigung geht das Bundesverwaltungsgericht daher davon aus, dass das Einreiseverbot unbefristet zu erlassen ist, weshalb der Bescheid in diesem Punkt abzuändern war.
3.8. Aus diesen Gründen war die Beschwerde daher insgesamt mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Einreiseverbot in ein unbefristetes Einreiseverbot abgeändert wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. insb. zur gesamthaften Betrachtung im Aberkennungsverfahren VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153 und EuGH 23.05.2019, C-720/17 , Rs. Bilali); im Übrigen erfolgte die Entscheidung zur Rückkehrentscheidung und zum Einreiseverbot auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und ist daher nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. zB VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205-0210, VwGH 17.01.2019, Ra 2017/22/0115, VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120, jeweils mwN), weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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