AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W210.2195254.1.00
Spruch:
Schriftliche Ausfertigung des am 21.05.2019 verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Gerhard MORY, Wolf Dietrich-Straße 19, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.05.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 21.05.2020 erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.11.2015, damals als Minderjähriger, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Der Beschwerdeführer wurde am 30.11.2015 von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers zu seiner Identität, seiner Reiseroute, seinem Fluchtgrund und einer allfälligen Rückkehrgefährdung befragt. Hier gab er an, am XXXX in Ghazni geboren zu sein und die letzten drei Jahre im Iran gelebt zu haben. Sein Vater habe ihn zu seinem Onkel in den Iran geschickt, damit er dort eine gute Schule besuchen könne. Im Iran habe er keine Aufenthaltsgenehmigung gehabt und sei vor der Wahl gestanden, in Syrien zu kämpfen oder auszureisen. Sein Vater habe ihm geraten, nicht zurück nach Afghanistan zu kommen und "irgendwo anders" hinzugehen.
3. Am 30.01.2018 wurde der (damals noch minderjährige) Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers und seiner gesetzlichen Vertretung niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier gab er an, dass seine Gründe aus der Erstbefragung stimmen würden, er diese aber ergänzen wolle. Er habe Afghanistan aus religiösen Gründen verlassen, da er nicht habe beten wollen und sich vom Islam unter Druck gesetzt gefühlt habe. Er habe sich diesbezüglich nicht äußern können, da er sonst sowohl von seiner Familie als auch von den Taliban bedroht worden wäre. Deshalb sei er in den Iran gegangen. Dort sei er illegal aufhältig gewesen und zudem vergewaltigt worden. Sein Vater habe dann entschieden, dass der Beschwerdeführer nach Europa reisen solle.
4. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG werde die Frist für die freiwillige Ausreise mit Erreichen der Volljährigkeit des Beschwerdeführers und ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine gesetzliche Vertretung, mit Schreiben vom 08.05.2018 vollumfängliche Beschwerde. Die Beschwerde behauptet eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten, seiner Abkehr vom Islam und seinem Interesse an westlichen Werten. Eine innerstaatliche Schutzalternative bestehe mangels aufrechtem familiärem oder sozialem Netzwerk in Afghanistan nicht, der Beschwerdeführer habe Afghanistan im Alter von zwölf Jahren verlassen und würde im Falle einer Rückkehr keine Lebensgrundlage vorfinden. Er sei zudem bereits hervorragend integriert, weshalb die erlassene Rückkehrentscheidung unzulässig sei.
6. Das BFA legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
7. Mit Eingabe vom 20.07.2018 legte der Beschwerdeführer einen Bescheid des AMS vom 19.07.2018 vor, mit welchem eine Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer für die Tätigkeit als Metalltechniker-Werkzeugbautechniker (Lehrling/Auszubildender) erteilt wurde.
8. Am 21.05.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des (damals bereits volljährigen) Beschwerdeführers, seinem gewillkürten Rechtsvertreter und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen wurde. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
9. Nach Schluss der Verhandlung verkündete die Richterin das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen. Das Verhandlungsprotokoll vom 21.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsvertretung am 21.05.2019 persönlich ausgefolgt und dem BFA mit Schreiben vom 22.05.2019 übermittelt, wo es am selben Tag einlangte.
10. Mit Eingabe vom 23.05.2019 beantragte das BFA die Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG, worüber der Beschwerdeführer mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.05.2019 informiert wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hiergerichtlichen Akt betreffend den Beschwerdeführer; insbesondere in die Befragungsprotokolle und in die durch das BFA in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.05.2019 und Einholung neuer Länderberichte, so das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis einschließlich 26.03.2019, die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender, die EASO-Country-Guidance aus Juni 2018, der EASO-Bericht aus Jänner 2018 zu Netzwerken in Afghanistan, die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 07.12.2018 zur Lage in Mazar-e Sharif, Herat und Kabul, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Christen, Konvertiten und Abtrünnigen in Afghanistan vom 12.07.2017 und die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017, a-10159, zur Situation von vom Islam abgefallenen Personen, Konvertiten, Personen, die Kritik am Islam äußern, Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und Rückkehrern aus Europa sowie durch Berücksichtigung der in der Beschwerde und der Stellungnahme vom 16.05.2019 zitierten Berichte und Judikate:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, seinem Leben und seinen Fluchtgründen:
Der im Entscheidungszeitpunkt volljährige Beschwerdeführer ist am XXXX geboren, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er ist schiitischer Moslem, übt seine Religion aber nicht aus.
Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch Farsi und mittlerweile Deutsch.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghazni, Distrikt XXXX , Dorf XXXX , auch XXXX , geboren, wo er bei seiner Familie aufwuchs. Er besuchte dort fünf Jahre die Schule und hat in Afghanistan - außer auf der familieneigenen Landwirtschaft - noch nicht gearbeitet.
Im Jahr 2012 wurde der Beschwerdeführer von seinem Vater in den Iran geschickt, um dort die Schule zu besuchen und bei seinem Onkel mütterlicherseits zu leben. Er besuchte im Iran drei Jahre die Schule.
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2015 auf Anraten seines Vaters aus dem Iran aus und stellte am 29.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Eltern und die vier (allesamt jüngeren) Geschwister des Beschwerdeführers haben Afghanistan aus wirtschaftlichen Gründen im Jahr 2016 ebenfalls verlassen und leben jetzt im selben Stadtteil wie der Onkel des Beschwerdeführers mütterlicherseits im Iran. Der Beschwerdeführer hat wöchentlichen Kontakt mit seinen Eltern, diesen und seinen Geschwistern geht es gut.
In Afghanistan lebt noch der Großvater des Beschwerdeführers mütterlicherseits. Weitere Verwandte hat der Beschwerdeführer nicht. Es gibt weder familiäre noch soziale Anknüpfungspunkte in Mazar-e Sharif oder Herat, auch hat sich der Beschwerdeführer noch nie in Herat oder Mazar-e Sharif aufgehalten.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten, hat in Österreich Sprachzertifikate bis zum Niveau B2 erworben, bestand im Juli 2017 die Pflichtschulabschluss-Prüfung, war in den Schuljahren 2017/18 und 2018/19 Schüler einer Handelsakademie in XXXX und absolviert seit September 2018 eine dreieinhalbjährige Lehre als Metalltechniker mit Schwerpunkt Werkzeugbau bei der Firma XXXX in XXXX . In seiner Freizeit treibt er Sport und verbringt seit April 2018 Zeit mit der Familie XXXX , deren Sohn er im Rahmen seiner Schulzeit an der Handelsakademie kennengelernt hat.
Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat keine gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung, sei es durch staatliche Organe oder durch Private, aufgrund seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung (oder aus anderen Gründen), auch war er keiner derartigen Bedrohung oder Verfolgung vor seiner Ausreise ausgesetzt war.
1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - Afghanistan:
Zur Sicherheitslage allgemein:
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit letzter Kurzinformation vom 26.03.2019 - LIB 26.03.2019, S.16). Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB 26.03.2019, S.59).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 26.03.2019, S.59). Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt
23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan; für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712. Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (LIB 26.03.2019, S. 60).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 26.03.2019, S.62). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S. 16).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S.70).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 26.03.2019, S.63).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 63). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S.63.).
Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet. Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden. Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (LIB 26.03.2019, S. 47 f.).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv und zeichnete im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia, auf die Mawoud-Akademie in Dasht-e Barchi/Kabul am 15.08.2018, auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi am 05.09.2018 sowie auf eine Demonstration gegen die Übergriffe der Taliban in Ghazni und Uruzgan am 12.11.2018 und auf das Kabuler Gefängnis Pul-i-Charkhi am 31.10.2018 verantwortlich (LIB 26.03.2019, S. 17, 29, 37). Der ISKP, auch IS, hat eine eingeschränkte territoriale Reichweite und diese Übergriffe stehen zumeist mit einer vorgeworfenen Solidarität mit dem Iran und der Bekämpfung des IS in Syrien in Zusammenhang (EASO Country Guidance Notes, Seite 61 und 62).
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist kaum entwickelt. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (LIB 26.03.2019, S. 346 f.).
Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers - Ghazni:
Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet. Die Provinz besteht aus 19 Distrikten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt. Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind (LIB 26.03.2019, S.123).
Ghazni zählt zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (LIB 26.03.2019, S.124).
Regierungsfeindliche Elemente haben weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden (LIB 26.03.2019, S.124).
Im Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen Missbrauch (LIB 26.03.2019, S.125).
Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv. Für den Zeitraum 1.1.- 15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine IS-Vorfälle registriert (LIB 26.03.2019, S.126).
Zur Provinz Balkh und der Hauptstadt Mazar-e Sharif:
Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan] und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 26.03.2019, S. 102). Die Infrastruktur ist noch unzureichend, da viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, in schlechtem Zustand und in den Wintermonaten unpassierbar sind (LIB 26.03.2019, S. 103). Mazar-e Sharif ist jedoch grundsätzlich auf dem Straßenweg mittels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 26.03.2019, S.258). In Mazar-e Sharif gibt es zudem einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 26.03.2019, S. 103 und 261). Der Flughafen befindet sich 9 km östlich der Stadt (EASO Country Guidance, Seite 102), die Verbindungsroute in die Stadt ist bei Tageslicht jedenfalls sicher (EASO Country Guidance, S. 29).
Die Provinz Balkh ist ethnisch heterogen, Tadschiken bilden die größte Gruppe, daneben leben auch Paschtunen, Usbeken, Hazara, Turkmenen und Araber in Balkh. Die Siedlungsgebiete sind entlang ethnischer Trennlinien angelegt (ACCORD, Afghanistan, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, 07.12.2018, S. 24).
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften. Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 26.03.2019, S. 103 f.). Im Herbst 2018 wurde im Norden Afghanistans - darunter u.a. in der Provinz Balkh - eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden registriert; Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit (LIB 26.03.2019, S. 36).
Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer (LIB 26.03.2019, S. 104).
Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 26.03.2019, S. 105).
Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich - wie im Rest von Afghanistan - als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.
Zur Provinz Herat:
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (LIB 26.03.2019, S. 139). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler, etwa 10 km außerhalb von Herat-Stadt (LIB 26.03.2019, S. 261) und ein militärischer in Shindand (LIB 26.03.2019, S. 139), wobei die Verbindungsroute in die Stadt bei Tageslicht jedenfalls sicher ist (EASO Country Guidance, S. 29), und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (LIB 26.03.2019, S.139).
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen Afghanistans gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (LIB 26.03.2019, S. 140). Es gibt interne Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 26.03.2019, S. 142).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 26.03.2019, S. 140).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37 % im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 26.03.2019, S. 140 f.).
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 26.03.2019, S. 141). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) zählt Herat neben den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar und Uruzgan zu den Provinzen Afghanistans, in welchen bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen stattfanden (LIB 26.03.2019, S. 16).
Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen zufolge waren mit Stand 19.03.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi von der Zerstörung und Beschädigung von Häusern infolge starker Regenfällen betroffen. Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der Herat (und die Provinz Badghis) am meisten betroffen war und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren) sie es weiterhin sind. In den beiden Provinzen wurden am 13.09.2018 ca. 266.000 IDPs (afghanische Binnenflüchtlinge) vertrieben; davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (LIB 26.03.2019, S. 12).
Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich - wie im Rest von Afghanistan - als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.
Wirtschaft:
Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Dennoch ist das Land weiterhin arm und von Hilfeleistungen abhängig. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353). Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans ist nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 354, UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 19 und 20).
Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest. Kinder unter 14 Jahren dürfen unter keinen Umständen arbeiten (LIB 26.03.2019, S. 341).
Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteils aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 29 - 30).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus dem Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 26.03.2019, S. 366).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 26.03.2019, S. 367 f.)
Die Organisationen IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden. Die internationale Organisation für Migration IOM bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an. Das Norwegian Refugee Council (NRC) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die Afghanistan Independent Human Rights Commission. Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (LIB 26.03.2019, S. 369 f.). Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten Rückkehr/innen Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (LIB 26.03.2019, S. 370).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 370 f.).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 26.03.2019, S. 371).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 26.03.2019, S. 370 f.).
Zudem gibt es in Städten Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer, in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, S. 31).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken (LIB 26.03.2019, S. 314). Pashtunen sind somit die größte Ethnie Afghanistans, Tadschiken die zweitgrößte (LIB 26.03.2019, S. 319). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 26.03.2019, S. 315).
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak, Central Bihsud/Behsood und Hisa-i-Awal Bihsud. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild; andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (LIB 26.03.2019, S. 316 f.).
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 26.03.2019, S. 317).
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (26.03.2019, S. 317).
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Es existiere in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Hazara beschweren sich über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. Arbeitsplatzanwerbung erfolgt hauptsächlich über persönliche Netzwerke; Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (26.03.2019, S. 317).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangs-rekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (LIB 26.03.2019, S. 318). Dennoch existieren keine Berichte über Verfolgung durch den Staat, Angehörige der Hazara sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keiner psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt (EASO Country Guidance, Seite 61).
Religionen:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert. Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (LIB 26.03.2019, S. 304 f.).
Schiiten
Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt. Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara. Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (LIB 26.03.2019, S. 307 f.).
Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit (LIB 26.03.2019, S. 307 f.).
Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen; dennoch kommt es zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 26.03.2019, S. 307).
Angehörige der Schiiten sind in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit keiner psychischen und physischen Gewalt ausgesetzt (EASO Country Guidance, Seite 62).
Apostaten, Konvertiten
Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie (LIB 26.03.2019, S. 304). Das Strafgesetzbuch ermöglicht den Gerichten jedoch Fälle, die weder im Strafgesetz noch in der Verfassung explizit erfasst sind, darunter Blasphemie, Apostasie und Konversion, gemäß dem Scharia-Recht der Hanafi-Rechtsschule und den sogenannten "hudud"-Gesetzen, die Vergehen gegen Gott umfassen würden, zu entscheiden (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Für Männer gilt Enthauptung als angemessene Strafe, für Frauen lebenslange Haft. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (LIB 26.03.2019, S. 305).
Die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, ist eine andere als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen ist mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen sind (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017).
Für gebürtige Muslime ist ein Leben, ohne den Islam zu praktizieren oder sogar dann, wenn sie "Apostaten" bzw. "Konvertiten" sind, in der afghanischen Gesellschaft möglich. Solche Personen sind in Sicherheit, solange sie darüber Stillschweigen bewahren. Gefährlich wird es dann, wenn öffentlich bekannt werde, dass ein Muslim aufgehört habe, an die Prinzipien des Islam zu glauben (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017). Eine Person wird nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt. Auch für strenggläubige Muslime kann es legitime Gründe geben religiösen Zeremonien fernzubleiben. Personen im städtischen Raum ist es möglich, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten. Es gibt auch Unterschiede je nach ethnischer und religiöser Gruppe. So haben Schiiten mehr Freiheit zu entscheiden, zu welchem Mullah sie gehen möchten und damit auch in Bezug auf die Frage, ob sie in die Moschee gehen wollen und gegebenenfalls in welche Moschee. Bei Sunniten werde in stärkerem Ausmaß erwartet, dass sie zumindest eines der fünf Gebete am Tag in einer Moschee verrichten (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017).
Sofern sich Personen, die vom Islam abgefallen sind nicht auf Diskussionen einlassen, die den/ihren Glauben betreffen, welche zu sozialen Unruhen führen, werden staatliche Behörden keine Maßnahmen gegen sie setzen. Sollten sie aber soziale Probleme hervorrufen, indem sie sich auf Diskussionen einlassen, um ihren Abfall vom Glauben zu unterstützen, so werden die staatlichen Behörden ihnen das nicht erlauben und sie belangen (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 4).
Abtrünnige haben weiterhin Zugang zu staatlichen Leistungen, denn es existiert kein Gesetz oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 5).
Wenn Konvertiten/Atheisten jedoch ihren Glauben veröffentlichen, wird der Staat aktiv, um Chaos und Unruhe zu vermeiden (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 6). Im afghanischen Strafgesetzbuch existiert keine Definition von Apostasie (LIB 26.03.2019, S. 304).
Christen und Konversion zum Christentum
Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist offen feindlich. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. Die Taliban haben ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien. Nichtmuslimische religiöse Gemeinschaften sind weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung, Schikanierung und mitunter auch Gewalt betroffen (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017).
Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen. Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (LIB 26.03.2019, S. 307). Die religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Beschränkungen, denen Christen in Afghanistan unterworfen sind, gestalten sich nicht anders als für andere Gruppen mit Meinungen, Weltansichten, politischen Überzeugungen und Glaubensvorstellungen, die als Abfall vom Islam wahrgenommen werden könnten. Ebenso wie Personen mit säkularen Ansichten, Atheisten und nichtgläubige Afghanen müssten auch Christen ständige Selbstzensur üben und könnten sich wegen drohender Angriffe nicht zu ihrem Verhältnis zum bzw. ihrer Sicht auf den Islam äußern (Anfragebeantwortung vom 01.06.2017).
Christliche Konvertiten werden vom Staat und von Behörden ganz normal wie andere Menschen behandelt. In den meisten Fällen versuchen die Behörden sie gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potentielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 5).
Gemäß dem Gesetz haben alle Afghanen - gleich welchen Glaubens - dieselben Bürgerrechte und genießen alle Leistungen, die von staatlichen Behörden angeboten werden; keine staatliche Agentur oder Behörde fragt nach dem Glauben, bevor sie eine öffentliche Leistung anbietet. Damit werden alle Leistungen gleich sowohl an muslimische und als auch nicht muslimische Afghanen angeboten (Anfragebeantwortung vom 12.07.2017, S. 4).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Heimatprovinz, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinen sonstigen Sprachkenntnissen und zu seinem Familienstand gründen auf den gleichlautenden und daher glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (BFA-Akt, AS 1 und 87; BVwG-Akt, OZ 11, S. 3 f.).
Der im Spruch angeführte Name und das im Spruch wiedergegebene Geburtsdatum dienen mangels Vorlage eines originalen Identitätsnachweises lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei. Aus dem vom Beschwerdeführer angegebenen und auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Geburtsdatum resultiert die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers im Antragstellungszeitpunk, im Zeitpunkt seiner Erstbefragung und im Zeitpunkt der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA. Der Beschwerdeführer ist nach diesem Geburtsdatum im Entscheidungszeitpunkt jedoch jedenfalls volljährig.
Die Feststellungen zur Ausreise des Beschwerdeführers in den Iran im Jahr 2012 gründen ebenfalls auf dessen gleichlautenden Angaben im Verfahren (BFA-Akt, AS 86; BVwG-Akt, OZ 11, S. 3). Zudem gab der Beschwerdeführer konsistent an, von seinem Vater in den Iran geschickt worden zu sein, um dort eine Schule zu besuchen (BFA-Akt, AS 11 und 87; BVwG-Akt, OZ 11, S. 7).
Dass sich seine Eltern und seine vier (allesamt jüngeren) Geschwister seit dem Jahr 2016 aus wirtschaftlichen Gründen im Iran aufhalten, entspringt den konsistenten Aussagen des Beschwerdeführers (BFA-Akt, AS 87; BVwG-Akt, OZ 11, S. 5 f.). Der Beschwerdeführer erklärte in der mündlichen Verhandlung, seit einiger Zeit wöchentlich mit seinen Eltern zu sprechen (BVwG-Akt, OZ 11, S. 5). Auch gab er stets gleichlautend an, dass in Afghanistan nur mehr sein Großvater mütterlicherseits lebe (BFA-Akt, AS 87; BVwG-Akt, OZ 11, S. 6).
Der Beschwerdeführer gab weiter glaubhaft zu Protokoll, noch nie in Herat oder Mazar-e Sharif gewesen zu sein und in diesen Landesteilen auch über keine Verwandten zu verfügen (BVwG-Akt, OZ 11, S. 9).
Zu den Feststellungen zur Schulbildung des Beschwerdeführers ist Folgendes auszuführen: Der Beschwerdeführer gab in seiner Erstbefragung an, von 2007 bis 2012 - sohin rund fünf Jahre - die Grundschule in Afghanistan und sodann von 2012 bis 2015 die Grundschule bzw. Sonderschule im Iran besucht zu haben (BFA-Akt, AS 1 f.). Dies ist glaubhaft, zumal den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299). Vermeint der Beschwerdeführer im weiteren Verfahren, die Schule bloß zwei (BFA-Akt, AS 87) bzw. vier Jahre (BFA-Akt, AS 91) besucht zu haben und dies nur unregelmäßig, wobei er in unterschiedlichen Klassen gewesen und manchmal auch zuhause unterrichtet worden sei (BFA-Akt, AS 91), können diese Angaben den Feststellungen ebenso wenig zu Grunde gelegt werden wie seine anderslautende Aussage in der mündlichen Verhandlung, wonach er die Schule in Afghanistan drei Jahre und im Iran ungefähr ein Jahr besucht habe (BVwG-Akt, OZ 11, S. 5). Vielmehr sprechen der hohe Bildungsstand des Beschwerdeführers und seine schulischen Leistungen in Österreich dafür, dass er - wie ursprünglich angegeben - sowohl in Afghanistan als auch im Iran eine fundierte Schulbildung erhalten hat.
Die Feststellungen zur Berufserfahrung des Beschwerdeführers im Iran und zur (mangelnden) Berufserfahrung in Afghanistan entspringen seinen Angaben. Der Beschwerdeführer erklärte konsistent, im Iran als Gelegenheitsarbeiter auf Baustellen und auf Hühnerfarmen gearbeitet zu haben (BFA-Akt, AS 3, 87; BVwG-Akt, AS 6). Aus seinen Angaben resultiert weiter, dass er in Afghanistan keine Berufsausbildung erhalten und dort - abgesehen von Tätigkeiten auf der familieneigenen Landwirtschaft - auch keine Berufserfahrung gesammelt hat. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund glaubhaft, als der Beschwerdeführer Afghanistan bereits im Alter von zwölf Jahren verlassen hat und Kinder unter 14 Jahren in Afghanistan gemäß den Länderfeststellungen unter keinen Umständen arbeiten dürfen (vgl. Pkt. II.1.2.)
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich zweifelsfrei aus den im Verfahren vorgelegten Dokumenten (BFA-Akt, AS 101-141; BVwG-Akt, OZ 11, Beilage ./1) in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer hierzu getätigten Angaben (BVwG-Akt, OZ 11, S. 8).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers entspringen dessen eigenen Angaben, welcher im gesamten Verfahren erklärte, gesund zu sein und keiner medizinischen Behandlung zu bedürfen (BFA-Akt, AS 89; BVwG-Akt, OZ 11, S. 3).
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft. Die dislozierte und nicht näher begründete Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich in Erscheinung getreten sei (BFA-Akt, AS 281), ist tatsachenwidrig, zumal nicht einmal ein Abschlussbericht jeglicher Art vorliegt.
2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers und seiner Rückkehrbefürchtungen:
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.03.1999, 98/20/0559); die Aussage des Asylwerbers ist dabei die zentrale Erkenntnisquelle, der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357).
Der Beschwerdeführer wurde im Laufe des Verfahrens drei Mal niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Er hatte somit ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen. Er wurde mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt. Die erkennende Richterin konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung zudem einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer gewinnen.
Im Rahmen der Beweiswürdigung ist zudem zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung sowie im Zeitpunkt seiner Erstbefragung und seiner Einvernahme vor dem BFA minderjährig war. Im Hinblick darauf bedarf es einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens (vgl. etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020, 16.04.2002, 2000/20/0200; 14.12.2006, 2006/01/0362), zumal die Dichte dieses Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden darf und das Alter sowie der Entwicklungsstand des Minderjährigen in die Bewertung eines Vorbringens mitaufzunehmen sind (vgl. dazu auch UNHCR-Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 8 - Asylanträge von Kindern vom 22.12.2009, Rz 4). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war der Beschwerdeführer bereits volljährig.
Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft zu machen:
In seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass er von seinem Vater in den Iran geschickt worden sei, um dort eine gute Schule zu besuchen. Da er im Iran aber keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen habe und deshalb nur eine afghanische Schule habe besuchen können, habe er zurück zu seiner Familie nach Afghanistan gewollt. Aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan habe ihm sein Vater jedoch geraten "irgendwo anders" hinzugehen, aber nicht nach Afghanistan zurückzukommen. Dieses Vorbringen erscheint plausibel und ist als glaubwürdig zu qualifizieren; eine asylrelevante Verfolgung ist diesem jedoch nicht zu entnehmen. Dabei wird - auch unter Berücksichtigung der damaligen Minderjährigkeit des Beschwerdeführers - nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013 ua; 27.06.2012, U 98/12). Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss vielmehr den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261 mwN). Der Beschwerdeführer wiederholte diesen Ausreisegrund auch im weiteren Verfahren, ergänzte diesen jedoch um weiteres Fluchtvorbringen bzw. weitere Rückkehrbefürchtungen:
Das Beschwerdevorbringen und die in der Erstbefragung geäußerte Rückkehrbefürchtung, wonach der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur Religionsgemeinschaft der Schiiten verfolgt werde, konnte hingegen nicht festgestellt werden. So ergibt sich aus den Länderberichten, dass in Afghanistan weder eine Gruppenverfolgung der Hazara noch eine der Schiiten vorliegt. Sowohl UNHCR als auch EASO bestätigen dies (vgl. dazu die rechtlichen Ausführungen unter Pkt. II.3.2.). Zudem verneinte der Beschwerdeführer sowohl eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als auch aufgrund seiner Religion explizit (BFA-Akt, AS 93).
Auch eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem in Afghanistan existierenden Brauch der "Bacha Bazi", wobei Buben im Alter zwischen 12 und 16 Jahren als "Tanzjungen" gehalten würden und es zu sexuellem Missbrauch komme - wie dies in der Beschwerde ausgeführt wird - konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich an, dass es neben der Außerlandesschickung durch seinen Vater zum Zweck seiner schulischen Ausbildung und abgesehen von seiner inneren religiösen Haltung keine weiteren Gründe für seine Ausreise aus Afghanistan gegeben habe (BVwG-Akt, OZ 11, S. 7). Auch ist die Gefahr einer derartigen Verfolgung insbesondere im Hinblick auf die mittlerweile eingetretene Volljährigkeit des Beschwerdeführers nicht zu gewärtigen. Zu der in diesem Zusammenhang in der Beschwerde vorgebrachte, jedoch nicht näher ausgeführten, Vergewaltigung des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung klarstellte, dass sich dieser Vorfall im Iran ereignet habe (BVwG-Akt, OZ 11, S. 4). Eine Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat ist somit auch diesem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.
Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund dessen behaupteten "Interesses an westlichen Werten" - wie dies ebenfalls in der Beschwerde ausgeführt wird - konnte im weiteren Verfahren ebenfalls nicht glaubwürdig dargelegt werden. Es kam nämlich weder hervor, dass der Beschwerdeführer "westliche" Verhaltensmuster angenommen hat, noch, dass er afghanische Gewohnheiten oder Rituale abgelegt hätte. Anhaltspunkte hierfür haben sich im gesamten Verfahren nicht ergeben, vielmehr lebt der Beschwerdeführer auch hier, wie bereits in Afghanistan und im Iran, das Leben eines durchschnittlichen Jugendlichen. Unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers im Zuge der Beschwerdeverhandlung ist zudem nicht davon auszugehen, dass dieser seit seiner Einreise im November 2015 eine derartig besondere europäische bzw. westliche Wertehaltung oder Lebenseinstellung angenommen hat.
Auch mit dem während des Beschwerdeverfahrens vorgebrachten Abfall vom schiitischen Glauben konnte der Beschwerdeführer eine Verfolgung in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft machen:
Der Beschwerdeführer gab in seiner Erstbefragung an, schiitischer Moslem zu sein (BFA-Akt, AS 1) und im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung aufgrund seiner schiitischen Religionszugehörigkeit zu befürchten (BFA-Akt, AS 11). Dass er seinen Glauben nicht ausübe oder von diesem gar abgefallen sei, erwähnte er hier nicht. In seiner Einvernahme vor dem BFA erklärte der Beschwerdeführer sodann erstmals, in Afghanistan aufgrund seiner Religion unter Druck gewesen zu sein. Es seien "viele Sachen" in seiner Religion gewesen, die gegen seinen Willen gewesen seien. Beispielsweise habe er nicht beten wollen, habe seine diesbezügliche Meinung aber nicht äußern können. Deshalb sei er in den Iran gereist (BFA-Akt, AS 90). Diese Angaben sind angesichts des damaligen (jungen) Alters des Beschwerdeführers und seinen Lebensumständen in einer streng religiösen Umgebung nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Afghanistan gerade einmal zwölf Jahre alt, es ist nicht nachvollziehbar, dass eine Person dieses Alters ein derart differenziertes und ausgeprägtes Bewusstsein der eigenen Religiosität an den Tag legt, sodass dies Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates und der eigenen Familie gibt.
In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer sodann an, dass er keiner Religionsgemeinschaft mehr angehöre und führte aus, keine Religion mehr auszuüben (BVwG-Akt, OZ 11, S. 5). Auf Nachfrage erklärte er, dass Religion ihm "egal" sei. Weitere Angaben machte er hierzu nicht. Weder vor dem BFA noch vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde ein Beharren auf den Glaubensabfall im öffentlichen Rahmen oder ein Kundtun öffentlicher Natur, das zu einer Verfolgung führen könnte, vorgebracht, noch kam Vergleichbares zutage. Aus den eingeführten Länderberichten ergibt sich aber, dass nur ein Beharren auf religiösen Standpunkten, auf Konversionen zu einer Reaktion des afghanischen Staates führen kann. Weiter ist diesen Berichten zu entnehmen, dass es eine klare Differenzierung zwischen Personen, die vom Islam "abgefallen" sind oder gar "Kritik am Islam äußern" einerseits und Personen, die sich lediglich "nicht an die Regeln des Islam halten" andererseits gibt. So wird eine Person, die nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt, gemäß den Feststellungen nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen und ist es insbesondere im städtischen Raum möglich, etwa auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten (vgl. ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zu Apostaten ua.). Die vom Beschwerdeführer geäußerten Verhaltensweisen, etwa nicht beten zu wollen, erregen in urbanen Gebieten wie Herat oder Mazar-e Sharif kein Aufsehen und werden dort toleriert. Auch mit diesem Vorbringen konnte der Beschwerdeführer somit - selbst im Falle einer Wahrunterstellung - keine Verfolgung seiner Person in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft machen.
Andere Anhaltspunkte, die eine mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen, sind im gesamten Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen.
2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan stützen sich auf objektives, im Rahmen der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebrachte und im Verfahrensgang angeführte Berichtsmaterial. Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung zudem das vorläufige Ermittlungsergebnis zur Lage in Afghanistan schriftlich zur Kenntnis gebracht, das auf den ins Verfahren eingeführten Länderberichten gründet (BVwG-Akt, OZ 11, Beilage ./3).
Diese Berichte setzen sich aus Informationen aus regierungsoffiziellen und nichtregierungsoffiziellen Quellen zusammen und sind nach wie vor als hinreichend aktuell anzusehen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer ist diesen Berichten nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:
Beschwerdegegenstand ist der Bescheid vom XXXX . Die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig.
3.2. Zu Spruchpunkt A) I. - Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wendet, ist sie nicht begründet:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist ein Flüchtling, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.).
Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 2005 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
So entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599).
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen wurde vom Beschwerdeführer nicht bzw. nicht glaubhaft dargelegt (vgl. Punkt II.2.2).
Dem Vorbringen, wonach dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung aufgrund seines Interesses an westlichen Werten drohe, war ebenfalls keine asylrelevante Verfolgungsgefahr zu entnehmen, zumal der Beschwerdeführer eine derartige Lebenseinstellung seiner Person, die zu einer Gefährdung führen könnte, nicht plausibel dargelegt hat. Aus den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen ist zudem nicht ersichtlich, dass alleine eine westliche Geisteshaltung bei Männern mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Insbesondere verneint der VwGH in seiner Judikatur auch eine Vergleichbarkeit solcher Sachverhalte mit seiner Judikatur zum "selbstbestimmten westlichen Lebensstil" von Frauen (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329). Darüber hinaus ist auch eine von individuellen Aspekten unabhängige "Gruppenverfolgung" für Rückkehrer aus Europa vor dem Hintergrund der oben angeführten Länderfeststellungen für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar.
In Ermangelung einer vom Beschwerdeführer dargelegten individuell drohenden Verfolgungshandlung ist im Hinblick auf das weitere Vorbringen und die Rechtsprechung des VwGH somit zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsland auf Grund von generalisierenden Merkmalen - wie die von ihm vorgebrachte Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.
Für das Vorliegen einer solchen Gruppenverfolgung ist es nach der Judikatur des VwGH nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Aufgrund der ins Verfahren eingeführten, aktuellen Länderberichte ist von einer Verfolgung des Beschwerdeführers allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der schiitischen Hazara jedoch nicht auszugehen, EASO legt auch dar, dass diese beiden Profile zusammen zu prüfen sind (EASO Country Guidance Notes, S. 62):
Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen sind. Festzuhalten ist aber auch, dass sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara - wie aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen ersichtlich - die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wiederaufleben. Dies entspricht auch den Ermittlungsergebnissen in den aktuellen Länderberichten. Allerdings ergibt sich aus einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials, dass diese Gefährdung insgesamt nicht jenes Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan als gegeben zu erachten. Somit ist nicht anzunehmen, dass die Zugehörigkeit einer Person zur ethnischen Minderheit der Hazara für sich alleine ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe bzw. einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre.
Auch die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 bestätigen diese Einschätzung (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 106) ebenso wie EASO Country Guidance Notes vom Juni 2018, die eine Verfolgung alleine aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit explizit verneinen (EASO Country Guidance Notes, Juni 2018, Seite 61 im englischen Original: "Not all individuals under this profile would face the level of risk required to establish will-founded fear of persecution. Being a Hazara in itself would normally not lead to a well-founded fear of persecution."). Ausschlaggebend ist nach den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, EASO und UNHCR eine Einzelfallprüfung, wobei UNHCR in seinen Richtlinien festhält, dass "zu den relevanten Erwägungen bei der Beurteilung, ob die Furcht vor Verfolgung begründet ist, [...] die Frage [gehört], ob die ethnische Gruppe eine Mehrheit oder eine Minderheit im Herkunftsgebiet bildet." (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, S. 110). EASO nennt als weitere Kriterien, die Arbeit, den Beruf, die Religionsausübung und etwaigen politischen Aktivismus, zumal tatsächlich erfolgte Entführungen oder Tötungen von Hazara in der Vergangenheit mit deren Zugehörigkeit zum afghanischen Militär, Streitigkeiten in Gemeinden, Anstellungen bei der Regierung oder bei einer NGO im Zusammenhang standen, weshalb diese Kategorien ebenso zu prüfen sind (EASO Country Guidance Notes, Juni 2018, S. 61).
Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensgemeinschaft, zu der EASO nahezu wortgleich festhält, dass eine Diskriminierung vorliegt, aber nicht alle Schiiten einer Verfolgung im Sinne der GFK unterliegen (EASO Country Guidance Notes, Juni 2018, Seite 62 im englischen Original: "Not all individuals under this profile would face the level of risk required to establish will-founded fear of persecution.") UNHCR stellt in seinen Richtlinien auf die Umstände des Einzelfalls ab (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 73). EASO spezifiziert Prüfungsparameter und hält fest, dass die Einzelfallprüfung Kriterien wie das Herkunftsgebiet der betroffenen Person, ihre Religionsausübung und etwaigen politischen Aktivismus zu berücksichtigen habe (EASO Country Guidance Notes, Juni 2018, Seite 62). Sind konkrete Diskriminierungshandlungen gegen ein Mitglied der schiitischen Glaubensgemeinschaft vorgebracht, sind diese dahingehend zu überprüfen, wie schwer die Übergriffe waren und/oder mit welcher Frequenz sie begangen wurden oder ob diese in Zusammenhang mit anderen Maßnahmen begangen wurden (EASO Country Guidance Notes, Juni 2018, Seite 62).
Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Ghazni, wo neben Paschtunen und Tadschiken hauptsächlich Hazara leben (vgl. Feststellungen zu Ghazni unter II.1.2). Der Beschwerdeführer verfügt über eine fünfjährige Schulbildung und arbeitete auf der familieneigenen Landwirtschaft, eine besondere Gefährdung hat sich im Verfahren für dieses Arbeitsumfeld nicht ergeben, über weitere Berufserfahrung in Afghanistan verfügt er nicht. Hinsichtlich der Frage der Religionsausübung ist keine außergewöhnliche Exposition im Verfahren hervorgekommen, vielmehr gab der Beschwerdeführer an, dass ihm Religion "egal" sei und er seine Religion nicht ausübe. Auch wurde eine spezifische politische Exposition des Beschwerdeführers im Verfahren weder behauptet noch kam eine derartige Stellung zutage. Somit ergibt aber auch eine Überprüfung des Einzelfalls, dass keine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Hazara und Schiiten vorliegt.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 5.7.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande). Auch der VwGH hat ausdrücklich das Vorhandensein einer Gruppenverfolgung von Hazara in Afghanistan verneint (VwGH 15.12.2016, Ra 201/18/0329).
Da eine Gruppenverfolgung - im Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer diesbezüglich auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich auch aus diesem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht ableiten.
Soweit sich das Vorbringen des Beschwerdeführers auf seine Lebensumstände im Iran bezieht, ist letztlich auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Aufgrund der afghanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers kann somit sein Vorbringen im Hinblick auf den Iran außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).
Es ist dem Beschwerdeführer somit mit seinem Vorbringen somit nicht gelungen, eine wohlbegründete, aktuelle und damit asylrelevante Verfolgungsgefahr innerhalb des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK entsprechend glaubhaft zu machen.
Zudem ist den Länderberichten zu entnehmen, dass die allgemeine Lage in Afghanistan nicht dergestalt ist, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.
Da eine Verfolgung im Sinne der GFK somit nicht glaubhaft gemacht wurde, konnte eine Auseinandersetzung mit der innerstaatliche Fluchtalternative entfallen (vgl. etwa VwGH 24.1.2017, Ra 2016/01/0338).
Damit ist die gegenständliche Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt A) II. - Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, ist sie begründet:
Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann.
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997) iVm § 57 Fremdengesetz 1997 BGBl I 75 (FrG) ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582; VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095). Das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK fordert somit für die Verletzung dieser Norm das Vorhandensein "einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen" (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;
VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0586;
VwGH 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH 21.06.2001, Zl. 99/20/0460;
VwGH 16.04.2002, Zl. 2000/20/0131).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG 1997, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).
Vor dem Hintergrund der Judikatur des EGMR zu Art. 3 MRK (vgl. zB. die Entscheidung vom 19. März 2002, Beschwerde Nr. 65538/01, Javanmardi and Ahmadi vs. Sweden) kommt es darauf an, ob die Abschiebung die betreffende Person in eine "unmenschliche Lage" versetzen würde.
Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt somit, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gegeben sind:
Wie den Länderberichten zu entnehmen ist, stellt sich die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers (Ghazni) im Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts als vergleichsweise instabil und volatil dar. Angesichts der Ermittlungsergebnisse wäre dem Beschwerdeführer - auch vor dem Hintergrund der unzulänglichen Informationslage betreffend die Erreichbarkeit der Provinz Ghazni unter sicherheitsbezogenen Aspekten - eine Rückführung in seine Heimatprovinz erschwert oder sogar verunmöglicht.
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005), es handelt sich dabei um eine Risikobewertung (EASO Guidance Notes vom Juni 2018, Seit 98 ff.). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus § 8 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 2005.
Neben der Prüfung, ob in dem betreffenden Gebiet Verhältnisse herrschen, die Art. 3 EMRK widersprechen, setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
Nach allgemeiner Auffassung soll die Frage der Zumutbarkeit danach beurteilt werden, ob der in einem Teil seines Herkunftslands verfolgte oder von ernsthaften Schäden (iSd Art. 15 Statusrichtlinie) bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann. Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).
Ob eine Flucht- oder Neuansiedlungsalternative "zumutbar" ist, muss auch gemäß den UNHCR-Richtlinien vom 30.8.2018, welche nach der jüngsten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unmittelbar einschlägig sind (vgl. VfGH 30.11.2018, E 3870/2018, mwN) und welchen auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ist (vgl. VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mit Verweis auf VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN), im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Antragstellenden beurteilt werden; maßgebliche Faktoren sind dabei Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse sowie der jeweilige Bildungs- und Berufshintergrund.
Es muss dem Beschwerdeführer möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zukomme.
Hierzu ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer zwar grundsätzlich jung, gesund und arbeitsfähig ist, seinen Herkunftsstaat aber bereits im Alter von zwölf Jahren verlassen und sich fortan bis zu seiner Ausreise nach Europa im Iran aufgehalten hat. Er besuchte in Afghanistan zwar eine Schule, verfügt dort aber aufgrund seines jungen Alters - abgesehen von Tätigkeiten in der familieneigenen Landwirtschaft - über keine Berufserfahrung, an die er im Falle seiner Rückkehr anknüpfen könnte. Im Iran besuchte der Beschwerdeführer ebenso die Schule und verfügt nur über Erfahrung in Form von Gelegenheitsarbeiten auf Baustellen und in Hühnerfarmen, hat aber keinerlei Erfahrung am freien Arbeitsmarkt in Afghanistan und mit der dortigen Arbeitssuche vorzuweisen. Er konnte sich in seinem bisherigen Leben somit keine nennenswerten Qualifikationen aneignen, die ihm im Falle einer Neuansiedelung in einem anderen Landesteil Afghanistans das Überleben sichern könnten. Aus den Länderfeststellungen geht jedoch hervor, dass die Arbeitslosigkeit insbesondere gering qualifizierte, bildungsferne Personen betrifft; diese sind auch am meisten armutsgefährdet.
Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer, der bis zu seinem Umzug in den Iran im Alter von 12 Jahren ausschließlich in seiner Heimatprovinz aufhältig war, weder in Mazar-e Sharif noch in der Stadt Herat - die aufgrund ihrer vergleichsweise stabilen Sicherheitslagen einer Prüfung als innerstaatliche Schutzalternativen grundsätzlich ebenfalls zugänglich ist - weder über familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte noch über Beziehungen oder Kontakte ebendort verfügt, mit deren Hilfe ihm in ausreichend kurzer Zeit eine Arbeitsstelle vermittelt werden könnte. Zur Sicherung seiner Existenzgrundlage wäre der Beschwerdeführer daher darauf angewiesen, ohne jegliche Unterstützung in einer ihm gänzlich fremden Stadt in kürzester Zeit einen Wohnraum und eine Arbeit zu finden, dies ohne jegliche Erfahrungen am afghanischen Arbeitsmarkt. Den Länderberichten ist jedoch zu entnehmen, dass es sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen schwierig ist, ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu bekommen.
Zwar bieten nichtstaatliche Organisationen Unterstützung bei der Reintegration, einschließlich der Suche nach einer Beschäftigung, an. Dennoch ist die Großfamilie die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Der Beschwerdeführer verfügt jedoch auch im übrigen Afghanistan - abgesehen von seinem Großvater mütterlicherseits - über keine Verwandten oder Familienangehörigen mehr. Seine Eltern, seine Geschwister und sein Onkel leben mittlerweile im Iran. Weitere Familienmitglieder hat der Beschwerdeführer nicht. Seine vier Geschwister sind allesamt jünger als der im Entscheidungszeitpunkt 18-jährige Beschwerdeführer und daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf die Versorgung durch ihre Eltern angewiesen. Ein Rückhalt von seiner im Iran lebenden Familie ist im Falle einer Neuansiedelung des Beschwerdeführers in Afghanistan somit - trotz aufrechten Kontakts - vernünftiger Weise nicht zu erwarten. Zwar ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit den kulturellen Gegebenheiten Afghanistans vertraut ist, aufgrund seiner Ausreise im Alter von zwölf Jahren - somit als unmündiger Minderjähriger - hat er jedoch einen prägenden Teil seiner Lebensphase außerhalb seines Herkunftsstaats verbracht und wäre im Falle seiner Rückkehr vor die Herausforderung gestellt, sich nach mittlerweile siebenjähriger Abwesenheit in die dortige Gesellschaft ohne jegliche Unterstützung wiedereinzugliedern. Im Gegensatz zu Rückkehrern, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, ermangelt es afghanischen Staatsangehörigen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, jedoch am notwendigen sozialen oder familiären Netzwerk sowie an den erforderlichen Kenntnissen der örtlichen Verhältnisse. Unter den Rückkehrern, aber auch unter den Binnenvertriebenen, sind daher insbesondere jene akut in ihrem Überleben gefährdet, die keine verlässliche Unterstützung durch bestehende soziale Netzwerke haben (vgl. EASO Country Guidance Notes, Juni 2018, S. 104 ff.).
Auch die UNHCR-Richtlinien zu Afghanistan vom 30.08.2018 stellen auf eine Einzelfallprüfung ("persönlichen Umstände") ab (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, S. 120 ff.) hinsichtlich der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative ab. Die von UNHCR dargelegten "bestimmten Umstände", nach welchen es alleinstehenden leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilitäten möglich sein kann, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbaner Umgebung zu leben, sind im Falle des Beschwerdeführers jedoch insbesondere aufgrund seiner mangelnden Berufserfahrung in Afghanistan und seiner langjährigen Ortsabwesenheit infolge seiner Ausreise im Kindesalter sowie des Fehlens jeglichen Netzwerkes in den als innerstaatliche Fluchtalternativen offenstehenden Städten jedenfalls nicht gegeben.
Unter Berücksichtigung der dargelegten allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und der aufgezeigten persönlichen Umstände des Einzelfalls des Beschwerdeführers erscheint es insgesamt nicht möglich, dass der Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif oder Herat Fuß fasst und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen ist zu bejahen, da der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung in diese Städte in eine ausweglose Situation geraten würde.
Dem Beschwerdeführer würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht zumutbar ist. Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK darstellen würde.
Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a in Verbindung mit § 9 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3 leg. cit.).
Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
3.4. Zu Spruchpunkt A) III. - Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung:
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
Daher ist dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
3.5. Zu Spruchpunkt A) IV. - Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides:
Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, sind die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. (vgl. dazu auch VfGH 13.09.2013, U 370/2012; VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.6. Zu Spruchpunkt B) - Zulässigkeitsentscheidung hinsichtlich der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.
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