BVwG W202 2151827-1

BVwGW202 2151827-124.4.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W202.2151827.1.00

 

Spruch:

W202 2127805-1/8E

 

W202 2127804-1/8E

 

W202 2127808-1/8E

 

W202 2127806-1/9E

 

W202 2151827-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des XXXX , geb. XXXX , der 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , 4.) mj. XXXX , geb. XXXX , sowie mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2016 bzw. 03.03.2017, Zl. 1086947702-151329526, 1086948601-151329640, 1086948710-151329666, 1086948808-151329682, 1143054110-170199755, nach Durchführung einer Verhandlung am 14.03.2017 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerden werden gemäß den § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

Verfahrensgang:

 

Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1), die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), die minderjährige Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF3) der minderjährige Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: BF4), stellten am 12.09.2015 sowie der minderjährige Fünftbeschwerdeführer (im Folgenden: BF5) am 15.02.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

 

Am 13.09.2015 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung des BF1 und der BF 2 statt.

 

Dabei gab der BF1 befragt zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er Afghanistan verlassen habe, weil dort Krieg herrsche und er Angst um ihr Leben gehabt habe. Sein Onkel sei mit seiner Familie bei einem Sprengstoffattentat ums Leben gekommen. Daraufhin sei sein Vater gekommen und habe gesagt, dass es für sie zu gefährlich sei und dass sie in den Iran flüchten sollten.

 

Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischen Bekenntnisses. Er habe von 1996 bis 2002 die Schule besucht. Zuletzt habe er als Bauarbeiter gearbeitet. Von seiner Geburt an bis zum Jahre 2007 habe er in der Provinz Ghazni gewohnt. Danach sei er in den Iran gereist.

 

Befragt, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab er an, dass sie um ihr Leben fürchten müssten. Es gebe sehr viele Unruhen und viele Sprengstoffattentate. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei sehr schwer und er könne sich eine Rückkehr auf Grund der Lage nicht vorstellen. Es gebe dort keine Sicherheit.

 

Die BF2 gab im Zuge der Erstbefragung zu Protokoll, dass sie Afghanistan wegen des Krieges verlassen habe. Weiters erlaubten die Taliban nicht, dass Mädchen die Schule besuchten. Sie habe selbst weiter in die Schule gehen wollen, aber es sei ihr nicht möglich gewesen. Im Iran seien sie illegal gewesen, da hätten sie keine Dokumente gehabt und sie hätte sich dort auch nicht weiterbilden dürfen. Für ihre Kinder würden dieselben Gründe gelten.

 

Sie gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischen Bekenntnisses. Sie habe von 1998 bis 2004 die Schule besucht. Als letzten ausgeübten Beruf gab die Beschwerdeführerin Hausfrau an.

 

Befragt, was sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte, gab sie an, dass sie Angst um ihr Leben und die Zukunft ihrer Familie habe. Sie fürchte den Tod, weil der Krieg in Afghanistan wüte. Seitens der Behörden habe sie mit keinerlei Sanktionen zu rechnen, aber seitens der Taliban bestünde immer Todesgefahr.

 

Am 20.04.2016 wurden der BF1 und die BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

 

Hiebei gab der BF1 Folgendes an:

 

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen eine der anwesenden Personen vor?

 

VP: Nein, es liegen keinerlei Einwände vor.

 

LA:: Bitte geben Sie Ihre Personendaten bekannt.

 

VP: XXXX , geb. XXXX in Ghazni, Afghanistan, verheiratet, jedoch lediglich traditionell, Moslem-Schiit, Hazara.

 

LA: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

 

A: Ich hatte noch nie einen Reisepass.

 

LA: Wo befindet sich Ihre Tazkira?

 

A: Als wir geflohen sind, ist diese dort geblieben.

 

F: Sind Sie in Ihrem Asylverfahren rechtsfreundlich vertreten?

 

A Nein

 

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten? Gibt es Gründe, die gegen eine Befragung am heutigen Tage sprechen.

 

VP: Ja, ich habe keinerlei Probleme. Ich bin gesund.

 

Anm: Der Antragsteller wird nochmals ausführlich zur verpflichtenden Mitwirkung im Verfahren (auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen, allenfalls auch der Vertretungsbehörden) sowie der Mitwirkung an der Klärung der Identität und des Alters in jedem Verfahrensstadium vor dem BFA hingewiesen. Er wurde eindringlich darüber aufgeklärt, dass den Angaben im Asylverfahren eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt.

 

LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

 

VP: Danke gut.

 

F: Haben Sie Personendokumente oder sonstige Beweismittel die Sie in Vorlage bringen möchten?

 

VP: Bestätigungsschreiben über Kindergartenbesuch meiner Kinder sowie Schreiben – Verein Mannersdorf hilft über Besuch des angebotenen Deutschkurses für mich und meine Gattin. (Schreiben werden zum Akt genommen)

 

LA: Haben Sie, abgesehen von Ihrer Gattin und Ihren beiden Kindern noch sonstige Angehörige in Österreich?

 

VP: Nein, keine. Ich kümmere mich jedoch um den Sohn meines Nachbarn namens XXXX , geb. XXXX , (IFA 1086948601) welcher gemeinsam mit uns mit seinen Eltern ausgereist ist. XXXX hat seine Eltern aber an der iranisch-türkischen Grenze verloren und so habe ich mich um das Kind bis jetzt gekümmert. Ich wäre aber dankbar, nachdem ich selbst Vater zweier Kinder bin, dass die Obsorge für das Kind einer anderen Person übertragen wird. Bis dahin kümmere ich mich weiter um XXXX .

 

LA: Geben Sie bitte die Personendaten der Eltern von XXXX sowie Angaben bekannt!

 

A: Vater: XXXX , ca. 38 bis 40 Jahre alt. Den Namen der Mutter weiß ich nicht, ich hatte mehr mit dem Vater Kontakt. Insgesamt sind es fünf 5 Geschwister, 2 Brüder und zwei Schwestern, sie haben in XXXX in Teheran gewohnt

 

LA: Welchen Beruf hat XXXX ausgeübt?

 

A: Er war selbständig und hatte eine Taschenfabrik.

 

LA: Sie sind der gesetzliche Vertreter Ihrer gemeinsam mit Ihnen ausgereisten Kinder XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX

 

VP: Meine Kinder sind seit Geburt bei mir. Meine Kinder haben keine eigenen Fluchtgründe, sondern beziehen sich deren Gründe auf die meinen.

 

LA: Sie haben bei der Erstbefragung am 13.09.2015 bei der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug die Wahrheit angegeben und es entsprechen somit die von Ihnen bei Erstbefragung angegebenen Daten zu Ihrer eigenen Person sowie den Personendaten der nächsten Angehörigen im Heimatland der Wahrheit. Sie haben dem bei Erstbefragung Angegebenen nichts hinzuzufügen und haben auch nichts abzuändern.

 

VP: Diese Angaben entsprechen der Wahrheit. Befragt ob ich etwas zu meinen

 

niederschriftlichen Angaben hinzuzufügen habe, gebe ich an, dass ich damals müde war, ich glaube aber ich habe alles gesagt.

 

F: Haben Sie in Afghanistan oder einem sonstigen Staat jemals strafbare Handlungen begangen, waren Sie in Haft?

 

A: Nein.

 

LA: Waren Sie in Afghanistan jemals politisch oder religiös tätig? Waren Sie in Afghanistan Mitglied in einem Verein oder einer Organisation?

 

A: Nein.

 

LA: Hatten Sie in Ihrer Heimat Afghanistan Probleme mit den Behörden, den

 

Sicherheitsbehörden, den Gerichten, Staatsanwaltschaft?

 

VP: Nein.

 

F: Werden Sie von afghanischen

Behörden/Polizei/Gericht/Staatsanwaltschaft oder sonstigen Behörden gesucht?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie sich jemals freiwillig, das heißt von sich aus an afghanische Behörden, Sicherheitsbehörden, Gerichte, Staatsanwaltschaft etc. gewandt?

 

A: Nein.

 

LA: Geben Sie bitte einen kurzen Lebenslauf. Welche Schulbildung haben Sie, welchen Beruf haben Sie in Afghanistan ausgeübt, wo und in welchem Zeitraum haben Sie sich zuletzt in Afghanistan aufgehalten? Welche Familienangehörigen leben nach wie vor in Afghanistan?

 

VP: Ich habe sechs Jahre die Schule in Ghazni, XXXX , im Dorf XXXX , besucht. Danach habe ich dort auch gearbeitet als Bauer. Ich habe gemeinsam mit meinen Eltern und meinem kleinen Bruder bis vor neun Jahren gewohnt, danach bin ich in den Iran geflohen. Meine Frau habe ich im Iran kennen gelernt. Ich habe sechs Jahre in Isfahan, Iran. Im ersten Jahr habe ich meine Frau dort kennen gelernt und geheiratet. Wir waren sechs Jahre in Isfahan und zwei Jahre in Teheran, XXXX , im XXXX , XXXX , aufhältig. Ich hatte keinen legalen Aufenthaltsstatus im Iran, sondern war illegal dort. Ich war als Bauarbeiter tätig.

 

F: Waren Sie in der Lage Ihren Lebensunterhalt durch Ihre berufliche Tätigkeit zu finanzieren?

 

A: Ja.

 

F: Wer von Ihren Angehörigen hält sich in Afghanistan auf und wo genau?

 

A: Als ich vor neun Jahren das Land verlassen habe bin ich gemeinsam mit meiner Familie, meinen Eltern und meinem Bruder ausgereist. Nach einem Jahr Aufenthalt im Iran wurde mein Vater aber von den Behörden angehalten und wieder nach Afghanistan zurück geschickt. Mein Vater hält sich im momentan in Afghanistan auf, er will aber in den Iran zurück. Ich weiß eigentlich nicht, wo sich mein Vater genau derzeit aufhält.

 

F: Haben Sie noch weitere Familienangehörige in Afghanistan? Tanten, Onkeln etc.?

 

A: Ich hatte nur einen Onkel väterlicherseits in Afghanistan, er und seine ganze Familie sind aber bereits vor langer Zeit im Zuge eines allgemeinen Anschlages ums Leben gekommen.

 

F: Geben Sie bitte die Personendaten Ihrer Familienangehörigen bekannt!

 

A: Die VP gibt die Personendaten bekannt und stimmen diese mit denen der Erstbefragung überein.

 

F: Haben Sie sonst noch Geschwister?

 

A: Nein, keine.

 

F: Geben Sie bitte an wann und wie und von wo Sie den Iran verlassen und nach Österreich gereist sind.

 

A: Ich bin gemeinsam mit meiner Familie vor neun Monaten von der Wohnanschrift aus Richtung Türkei illegal gereist, die Grenze haben wir zu Fuß passiert und sind wir schlepperunterstützt am Wasserweg nach Griechenland und am Landweg nach Österreich.

 

F:Wer hat Ihre Ausreise organisiert und finanziert? Wie hoch waren die Kosten?

 

A: Ich selbst, insgesamt habe ich ca. 3.700 US Dollar bezahlt. Es waren meine eigenen Ersparnisse.

 

F: Wann haben Sie den Entschluss zur Ausreise gefasst?

 

A: Vier Monate vor der Ausreise.

 

F: Hatten Sie ein Zielland?

 

A. Wir wollten unbedingt nach Europa, hatten kein eigenes Zielland.

 

F: Ihr Vater ist Ihren Angaben zufolge vom Iran nach Afghanistan von den Behörden abgeschoben worden. Ist Ihr Vater in Ihr Heimatdorf gegangen? Wo hat sich Ihr Vater niedergelassen?

 

A: Nein, er ist nicht mehr in unser Heimatdorf gegangen, wir hatten dort Probleme. Er ist nach Herat gegangen, er ist auch Bauarbeiter, hat dies im Iran gelernt.

 

FLUCHTGRUND

 

LA: Geben Sie bitte Ihre Gründe der Asylantragstellung bekannt! Warum haben Sie Afghanistan und den Iran verlassen. Schildern Sie diese bitte unter Angabe von Einzelheiten und anscheinenden Nebensächlichkeiten.

 

A: Als damals mein Onkel und seine Familie Opfer eines Anschlages wurden, ging es auch meinem Vater sehr schlecht. Es war der einzige Bruder von ihm und so musste ich damals mit der Schule aufhören und zu arbeiten beginnen, um meinen Vater zu unterstützen. Mein Vater hat für einen reichen Mann im Nachbarort namens XXXX gearbeitet und so auch ich. Dieser Mann hatte zwei Töchter. Diese Familie waren Pashtunen und wir Hazaren. Ich wollte eines der Mädchen heiraten, deren Vater hat aber nicht zugestimmt. Wir waren einige Zeit zusammen, haben dann entschieden gemeinsam in den Iran zu fliehen und dort zu heiraten. Irgendwie haben ihre Verwandten und Ihr Vater dies aber bemerkt und ihr Vater hat gesagt, er wird mich töten. Das Mädchen hat dann behauptet, ich hätte sie vergewaltigen wollen, hat unsere Beziehung abgestritten und das Leben war danach sehr schlimm für mich dort. Der Vater hat geschworen mich zu töten und deshalb bin ich nach Ghazni untergetaucht bis mein Vater einen Weg gefunden hat, dass wir alle ausreisen können. So sind wir in den Iran gegangen. Das ist alles. Andere Gründe gibt es keine.

 

F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

 

A: Ja. Das sind alle meine Gründe.

 

F: Weswegen sind Sie aus dem Iran ausgereist?

 

A: Es war sehr schwer, wir hatten keine Dokumente, waren illegal dort, sie haben auch meinen Vater nach Afghanistan wieder zurück geschickt. Wir hatten keine Arbeitsbewilligung und keine Dokumente. Bevor sie meinen Vater aufgegriffen haben, wurde ich bereits in Isfahan von den iranischen Behörden festgenommen und haben diese beabsichtigt mich nach Syrien zum Kämpfen zu schicken. Meine Frau kam jedoch mit den Kindern und hat sehr geweint und so wurde ich freigelassen. Als sie mich freigelassen haben, bin ich mit meiner Familie nach Teheran gezogen und nachdem sie meinen Vater dann nach Afghanistan abgeschoben haben, hatte ich Angst dass uns das auch passiert und so haben wir uns entschlossen den Iran nach Europa zu verlassen. Das ist alles.

 

Vorhalt

 

Anlässlich der Asylantragstellung haben Sie ausschließlich behauptet, Afghanistan aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage, den Bombenanschlägen, verlassen zu haben.

 

A: Natürlich haben wir in Afghanistan keine Sicherheit gehabt, die ganze Welt weiß das. Wir sind Hazara und es gibt dort Taliban. Ich habe auch vorher gesagt, dass wir müde waren und ich nicht weiß ob ich auch alles gesagt habe.

 

Vorhalt

 

Ihre Rechtfertigung zielt ins Leere. Gerade wenn es amtsbekannt ist, dass die Lage in Afghanistan sehr gefährlich ist, wäre es logisch gewesen, dass Sie Ihre höchstpersönlichen Fluchtgründe zuerst erzählen, auch wenn Sie etwas müde von der Reise sind. Was sagen Sie dazu?

 

A: Ich habe die Wahrheit gesagt, es stimmt das mit dem Mädchen.

 

Aufforderung

 

Sie erstatten bloß ein abstraktes Vorbringen. Im Asylverfahren ist das Aufstellen von allgemeinen Behauptungen nicht ausreichend. Sie müssen Ihr Vorbringen glaubhaft machen. Glaubhaft können Sie Ihr Vorbringen nur machen, indem Sie in allen Einzelheiten und konkret von den fluchtauslösenden Vorfällen berichten. Schildern Sie Ihr Vorbringen mit dem Mädchen unter Angabe von konkreten Personendaten, konkreten Vorfalls Ereignissen in Bezug auf Zeit und Umstände sowie beteiligter Personen und Ihre höchstpersönliche Betroffenheit. Was ist wann und wo und wie

 

A: Der Vater des Mädchens heißt XXXX , er ist Pashtune, einer der reichsten Männer der Umgebung, er hatte zwei Töchter, eine namens XXXX und die andere heißt XXXX . Als ich dort bei denen im Garten gearbeitet habe, hat sie, XXXX , auch manchmal dort gearbeitet. Wir haben uns getroffen. XXXX war hübsch, in meinem Alter, wir haben oft miteinander gesprochen. Manchmal hat sie uns immer Essen gebracht. Mit der Zeit sind wir sehr gut miteinander umgegangen, wir wurden Freunde. Wir haben dann miteinander gesprochen, dass wir uns lieben. Da wir wussten, dass wir aufgrund unserer unterschiedlichen Religion nicht heiraten können, haben wir entschieden das Land zu verlassen. Wir haben aber noch etwas zugewartet, da ich Geld sparen musste. Wir waren ungefähr sechs bis sieben Monate zusammen. Wir hatten keinen Geschlechtsverkehr, haben uns aber oft geküsst. Eines Tages hat uns jemand dabei gesehen, ich weiß nicht wer. XXXX Vater war sehr böse und auch die Mutter, das hat mir alles ihre Schwester erzählt. Diese kam zu uns nach Hause und hat meinem Vater erzählt, dass XXXX ihren Eltern erzählte, dass sie nichts von mir wissen wollte, ich aber sie vergewaltigen wollte und sie auch vergewaltigt habe. Der Vater der beiden Mädchen hat daraufhin geschworen mich zu töten und XXXX hat meinem Vater gesagt, ich soll schnell verschwinden. Das ist alles. Ich bin dann nach Ghazni und danach sind wir alle in den Iran ausgereist.

 

F: Machen Sie konkrete Angaben zur Person vom Vater Ihrer ehemaligen Freundin! (konkrete Personendaten, Wohnanschrift, Beruf etc.)

 

A: Er war XXXX der Ortschaft wo sie wohnten, er hatte eine XXXX im Ort und mehrere Grundstücke, wo Leute für ihn gearbeitet haben. Er war sehr reich.

 

F: Ist das Alles was Sie über die Person wissen?

 

A: Ja.

 

F: Konkrete Angaben zur Person Ihrer Freundin Suraia, bitte!

 

A: Sie hatte schwarze Haare, schwarze Augen, sie war damals in der Schule, wir waren sieben Monate zusammen, sie hatte helle Haut, war etwas stärker. Das ist alles.

 

F: Wann war der Vorfall?

 

A: Vor neun Jahren und sieben Monaten, sieben Monate vor der Ausreise aus Afghanistan.

 

F: Wohin haben Sie sich nach Ghazni begeben?

 

A: Ich bin zu einem Bekannten meines Vaters gefahren, die hatten aber auch Angst. Ich war dann in einem Hotel in der Nähe des Bazars und wir sind dann schlepperunterstützt in den Iran gereist.

 

F: Wie lange waren Sie in Ghazni aufhältig?

 

A: Einen Tag im Hotel und dann bin ich geflüchtet. Meine Familie ist ein paar Tage später nach mir geflohen.

 

LA: Haben Sie jemals erwogen sich in einem anderen Teil, einer anderen Stadt in Afghanistan niederzulassen um Ihren Problemen zu entgehen? Könnten Sie in einem anderen Ort, einer anderen Stadt in Afghanistan leben und arbeiten?

 

VP: Nein. Weil wir Hazara sind und in Afghanistan ist es überall schwer zu leben. Wir könnten das nicht.

 

LA: Was hätten Sie zu befürchten, wenn Sie heute nach Afghanistan zurückkehren würden?

 

VP: Ich würde erstens meine Familie in Gefahr bringen und in meinem Heimatdorf befinden sich die Taliban. Außerdem glaube ich, dass Hr. XXXX jeden gesagt hat, dass falls mich wer sieht, ich getötet werden sollte.

 

LA: Wie geht die Gesellschaft in Afghanistan mit Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, um? Was geschieht mit den Frauen?

 

A: Sie werden gesteinigt. Auch der Vergewaltiger wird gesteinigt.

 

LA: Haben Sie alle Ihre Fluchtgründe genannt? Hatten Sie genug Zeit dazu?

 

A: Ja.

 

LA: Sprechen Sie Deutsch? Besuchen Sie einen Deutschkurs?

 

VP: Kaum, ich besuche gerade einen Deutschkurs.

 

LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in einer Organisation, Verein, einer religiösen Vereinigung?

 

A: Nein.

 

LA: Haben Sie einen sonstigen Bezug (Freunde, Bekannte) zu Österreich?

 

VP: Nein, niemanden.

 

LA: Sie sind derzeit staatlich untergebracht und versorgt. Verfügen Sie über eigene Mittel um Ihren Lebensunterhalt zu finanzieren? Haben Sie private Unterstützung?

 

VP: Ich habe keine eigenen Mittel. Ich würde aber gerne hier arbeiten um meine Familie zu ernähren. Ich will lernen und auch meine Frau möchte gerne hier lernen und arbeiten.

 

LA: Hatten Sie jemals einen Aufenthaltstitel in Österreich, der nicht auf dem Asylantrag begründet?

 

VP: Nein.

 

LA: Wie haben sie den Dolmetscher verstanden?

 

VP: Danke, sehr gut.

 

F: Waren Sie in der Lage alles zu erzählen, Ihr Vorbringen umfassend vorzubringen? Hatten Sie genug Zeit dazu?

 

A: Ja. Ich habe alles gesagt was ich sagen wollte."

 

Die BF2 gab dabei Folgendes zu Protokoll:

 

"LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen eine der anwesenden Personen vor?

 

VP: Nein, es liegen keinerlei Einwände vor.

 

LA:: Bitte geben Sie Ihre Personendaten bekannt.

 

VP: XXXX , geb. XXXX in Karbagh Ibrahimhell, in der Nähe von Ghazni, Afghanistan, verheiratet, jedoch lediglich traditionell, Moslem-Schiit, Hazara.

 

F: Sind Sie in Ihrem Asylverfahren rechtsfreundlich vertreten?

 

A Nein

 

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten? Gibt es Gründe, die gegen eine Befragung am heutigen Tage sprechen.

 

VP: Ja, ich habe keinerlei Probleme. Ich bin gesund.

 

Anm: Der Antragsteller wird nochmals ausführlich zur verpflichtenden Mitwirkung im Verfahren (auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen, allenfalls auch der Vertretungsbehörden) sowie der Mitwirkung an der Klärung der Identität und des Alters in jedem Verfahrensstadium vor dem BFA hingewiesen. Er wurde eindringlich darüber aufgeklärt, dass den Angaben im Asylverfahren eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt.

 

LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

 

VP: Danke gut.

 

LA: Hatten Sie jemals einen Reisepass? Wo befindet sich Ihr Reisepass?

 

A: Ich hatte noch nie einen Reisepass.

 

LA: Wo befindet sich Ihre Tazkira?

 

A: Ich hatte nie eine, auch mein Vater hatte keine.

 

F: Haben Sie Personendokumente oder sonstige Beweismittel die Sie in Vorlage bringen möchten?

 

VP: Keine.

 

LA: Haben Sie, abgesehen von Ihrem Gatten und Ihren beiden Kindern noch sonstige Angehörige in Österreich?

 

VP: Nein, keine. Wir kümmern uns gemeinsam jedoch um den Sohn eines Nachbarn namens XXXX , geb. XXXX , (IFA 1086948601) welcher gemeinsam mit uns mit seinen Eltern ausgereist ist. XXXX hat seine Eltern aber an der iranisch-türkischen Grenze verloren und so haben wir uns um das Kind bis jetzt gekümmert. Nachgefragt gebe ich an, dass der Name der Mutter von XXXX bzw. XXXX lautet. Weitere Angaben zu den Angehörigen von XXXX , die bereits mein Mann getätigt hat, kann ich keine tätigen.

 

LA: Sie sind die gesetzliche Vertreterin Ihrer gemeinsam mit Ihnen ausgereisten Kinder XXXX , geb. XXXX und XXXX geb. XXXX

 

VP: Meine Kinder sind seit Geburt bei mir. Meine Kinder haben keine eigenen Fluchtgründe, sondern beziehen sich deren Gründe auf die meinen.

 

LA: Sie haben bei der Erstbefragung am 13.09.2015 bei der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug die Wahrheit angegeben und es entsprechen somit die von Ihnen bei Erstbefragung angegebenen Daten zu Ihrer eigenen Person sowie den Personendaten der nächsten Angehörigen im Heimatland der Wahrheit. Sie haben dem bei Erstbefragung Angegebenen nichts hinzuzufügen und haben auch nichts abzuändern.

 

VP: Diese Angaben entsprechen der Wahrheit. Befragt ob ich etwas zu meinen

 

niederschriftlichen Angaben hinzuzufügen habe, gebe ich an, dass ich mein Vorbringen aber heute noch ergänzen möchte.

 

F: Wann genau sind Sie von Afghanistan in den Iran ausgereist?

 

A: Vor sieben Jahren bin ich gemeinsam mit meinen Eltern und meinen beiden Schwestern in den Iran ausgereist.

 

F: Welche Familienangehörigen haben Sie im Iran?

 

A: Meine Mutter, mein Vater ist bereits verstorben und meine beiden Schwestern.

 

F: Welche Familienangehörigen haben Sie in Afghanistan?

 

A: Niemanden.

 

F: Ihre Eltern waren Einzelkinder?

 

A: Ja. Sie hatten keine Geschwister.

 

F: Haben Sie in Afghanistan oder einem sonstigen Staat jemals strafbare Handlungen begangen, waren Sie in Haft?

 

A: Nein.

 

LA: Waren Sie in Afghanistan jemals politisch oder religiös tätig? Waren Sie in Afghanistan Mitglied in einem Verein oder einer Organisation?

 

A: Nein.

 

LA: Hatten Sie in Ihrer Heimat Afghanistan Probleme mit den Behörden, den

 

Sicherheitsbehörden, den Gerichten, Staatsanwaltschaft?

 

VP: Nein.

 

F: Werden Sie von afghanischen

Behörden/Polizei/Gericht/Staatsanwaltschaft oder sonstigen Behörden gesucht?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie sich jemals freiwillig, das heißt von sich aus an afghanische Behörden, Sicherheitsbehörden, Gerichte, Staatsanwaltschaft etc. gewandt?

 

A: Nein.

 

F: Welche Familienangehörigen Ihres Gatten halten sich in Afghanistan auf?

 

A: Mein Schwiegervater, ich weiß nicht, ob er noch dort ist oder nicht. Wir haben gehört, dass er in Herat ist, wo genau weiß ich nicht.

 

LA: Geben Sie bitte einen kurzen Lebenslauf. Welche Schulbildung haben Sie, welchen Beruf haben Sie in Afghanistan ausgeübt, wo und in welchem Zeitraum haben Sie sich zuletzt in Afghanistan und dem Iran aufgehalten? Welche Familienangehörigen leben nach wie vor in Afghanistan?

 

VP: Ich habe sechs Jahre die Schule in Afghanistan im Dorf XXXX , in der Nähe der Dörfer XXXX und XXXX besucht. Ich ging jeden Tag zwei Stunden hin und wieder zurück.

 

F: Welche größere Stadt gibt es in der Nähe von XXXX und XXXX ?

 

A: Ich weiß es nicht.

 

F: IN welcher Provinz liegt XXXX und XXXX ?

 

A: Alle Dörfer gehören zur Provinz Ghazni. Ich bin jedoch nie aus den Dörfern herausgekommen und daher kann ich keine Angaben zu größeren umliegenden Städten machen.

 

Fahren Sie bitte fort!

 

A: Beruf habe ich keinen erlernt und war ich im Elternhaus und wurde von meinem Vater finanziert. Mein Vater wurde dann von den Taliban festgenommen, wie er lange er gefangen war, kann ich nicht sagen. Mein Vater konnte eines Tages flüchten und wir sind dann alle in die Ortschaft XXXX gezogen. Wir hatten dort aber auch mit den Taliban Schwierigkeiten und dann hat mein Vater entschieden, dass wir alle das Land verlassen und sind in den Iran geflohen. Es war vor sieben Jahren. Im Iran habe ich in Isfahan, an der Anschrift XXXX gelebt und auch nach der Hochzeit waren wir dort. Wir sind dann nach Teheran, XXXX gezogen und haben von dort die Ausreise nach Europa angetreten.

 

F: Geben Sie bitte die Personendaten Ihrer Familienangehörigen bekannt!

 

A: Die VP gibt die Personendaten bekannt und stimmen diese mit denen der Erstbefragung überein.

 

F: Haben Sie sonst noch Geschwister?

 

A: Nein, keine. Meine beiden Schwestern leben mit der Mutter in Isfahan, mein Vater ist vor einem Jahr verstorben.

 

F: Geben Sie bitte an wann und wie und von wo Sie den Iran verlassen und nach Österreich gereist sind.

 

A: Ich bin gemeinsam mit meiner Familie vor acht, neun Monaten von der Wohnanschrift aus Richtung Türkei illegal gereist, die Grenze haben wir zu Fuß passiert und sind wir schlepperunterstützt am Wasserweg nach Griechenland und am Landweg nach Österreich.

 

F:Wer hat Ihre Ausreise organisiert und finanziert? Wie hoch waren die Kosten?

 

A: Mein Gatte hat sich um alles gekümmert.

 

F: Wann haben Sie den Entschluss zur Ausreise gefasst?

 

A: Wir sind im Oktober ausgereist und es war ca. vier Monate vor der Ausreise.

 

F: Was war der Auslöser zur Ausreiseentscheidung aus dem Iran?

 

A: Erstens weil wir keine Dokumente hatten und illegal dort gelebt haben. Mein Mann hatte auch Schwierigkeiten deshalb zu arbeiten, ich ebenfalls, denn ohne Dokumente hätte ich keine Schule besuchen können. Auch meine Kinder hätten die Schule ohne Dokumente nicht besuchen können.

 

FLUCHTGRUND

 

LA: Geben Sie bitte Ihre Gründe der Asylantragstellung bekannt! Warum haben Sie Afghanistan verlassen. Schildern Sie diese bitte unter Angabe von Einzelheiten und anscheinenden Nebensächlichkeiten.

 

A: Wegen des Krieges in Afghanistan und der schlechten Sicherheitslage. Zweitens weil dort Frauen keine Rechte haben, Frauen müssen dort nur zu Hause bleiben, den Haushalt führen und Kinder bekommen. Auch weil, wie bereits erwähnt, mein Vater von den Taliban gefangen wurde. Mein Hauptgrund war damals jedoch, dass Frauen keine Rechte haben, ich die Schule besuchen möchte und selbständig sein möchte. Andere Gründe habe ich keine. Das ist alles. Ich möchte auch für meine Kinder eine gute Ausbildung und bessere Zukunft haben.

 

F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

 

A: Ja. Das sind alle meine Gründe.

 

LA: Was hätten Sie zu befürchten, wenn Sie heute nach Afghanistan zurückkehren würden?

 

VP: Ich möchte nicht zurück, habe keine gute Erinnerung an das Land. Die Frauen haben keine Rechte dort, ich bin eine Hazara, deshalb hätte ich auch große Schwierigkeiten, ich möchte keine Burkha tragen und in Freiheit leben.

 

LA: Haben Sie alle Ihre Fluchtgründe genannt? Hatten Sie genug Zeit dazu?

 

A: Ja.

 

LA: Sprechen Sie Deutsch? Besuchen Sie einen Deutschkurs?

 

VP: Kaum, ich besuche gerade einen Deutschkurs.

 

LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in einer Organisation, Verein, einer religiösen Vereinigung?

 

A: Nein.

 

LA: Haben Sie einen sonstigen Bezug (Freunde, Bekannte) zu Österreich?

 

VP: Nein, niemanden.

 

LA: Sie sind derzeit staatlich untergebracht und versorgt. Verfügen Sie über eigene Mittel um Ihren Lebensunterhalt zu finanzieren? Haben Sie private Unterstützung?

 

VP: Ich habe keine eigenen Mittel. Ich würde aber gerne hier etwas lernen und arbeiten. Ich möchte gerne auf eigenen Füssen stehen.

 

LA: Hatten Sie jemals einen Aufenthaltstitel in Österreich, der nicht auf dem Asylantrag begründet?

 

VP: Nein.

 

LA: Wie haben sie den Dolmetscher verstanden?

 

VP: Danke, sehr gut.

 

F: Waren Sie in der Lage alles zu erzählen, Ihr Vorbringen umfassend vorzubringen? Hatten Sie genug Zeit dazu?

 

A: Ja. Ich habe alles gesagt was ich sagen wollte."

 

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des BFA wurden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), und erkannte das BFA den Beschwerdeführern den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

 

Beweiswürdigend führte das BFA im abweislichen Bescheid betreffend den BF1 aus, dass es sich bei dem Vorbringen hinsichtlich der von ihm geschilderten Verfolgung durch Familienangehörigen seiner ehemaligen Freundin um ein gesteigertes und daher unglaubwürdiges Vorbringen handle. Dies deshalb, weil er anlässlich der Asylantragstellung im Zuge der Erstbefragung Gelegenheit gehabt habe, seine diesbezüglichen Probleme zu schildern, diese jedoch bei eigener Darstellung der Fluchtgründe mit keinem Wort erwähnt habe. Es werde nicht verkannt, dass die Erstbefragung zwar von Gesetzen wegen in erster Linie der Ermittlung der Identität und der Reiseroute diene, nicht aber der näheren Fluchtgründe, doch weiche sein späteres Vorbringen völlig von seinen Erstaussagen ab und daher beeinträchtige dies sehr wohl seine Glaubwürdigkeit. Es wäre zu erwarten gewesen, dass er, wenn er angehalten werde, seine Fluchtgründe möglichst kurz auszuführen, alle und insbesondere jene Fluchtgründe ins Treffen führe, die die Hauptursache für das Verlassen seines Heimatlandes darstellten. Seine Rechtfertigung, wonach er anlässlich der Erstbefragung müde gewesen wäre und deshalb nicht wüsste, ob er sämtliche Gründe genannt habe, ziele ins Leere. Zudem sei sein Vorbringen vage und unplausibel geblieben.

 

Rechtlich führte das BFA zu Spruchteil I. aus, dass der Beschwerdeführer nicht habe glaubhaft machen können, in Afghanistan einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Da in seinem Fall keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, komme auch für ihn die Zuerkennung auf Grund des vorliegenden Familienverfahrens nicht in Betracht.

 

Betreffend die angefochtenen Bescheide der BF2, der BF3, des BF4 und des BF5 führte das BFA zu Spruchteil I. aus, dass diese bzw. ihre gesetzlichen Vertreter nicht hätten glaubhaft machen können, in Afghanistan einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Da keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, komme auch für diese die Zuerkennung auf Grund des vorliegenden Familienverfahrens nicht in Betracht.

 

Gegen Spruchteil I. dieser Bescheide wurde durch die BF Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen Folgendes vorgebracht wurde:

 

Die BF2 sei nicht ledig, sie sei nicht die Lebensgefährtin des BF1, sondern die Ehegattin des BF1. Sie hätten auch zwei Kinder miteinander. Sie hätten traditionell geheiratet. Die Behörde habe den Umstand, dass es sich bei der BF2 um eine Frau aus Afghanistan handle, die einen dringenden Bildungswunsch habe, berufstätig sein möchte und auf eigenen Beinen stehen wolle, nicht berücksichtigt. Weiters wolle die BF2 keine Burka tragen und sei generell eher westlich gekleidet. Verwiesen wurde in der Folge auf Erkenntnisse des Asylgerichtshofes. Die BF2 werde auf Grund ihres Bildungswunsches und ihres selbstbewussten und selbständigen Lebensstils in Afghanistan mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Verfolgungen durch die Bevölkerung und/oder der Taliban bzw. anderer extremistischer Gruppierungen wie etwa den IS ausgesetzt sein. Weiters habe das BFA bei seinen rechtlichen Erwägungen die Tatsache, dass die BF2 ein Drittel ihres Lebens im Iran verbracht habe, nicht ausreichend berücksichtigt. Die Lebensrealität im Iran sei westlicher und liberaler. Heimkehrende Afghanen würden oft als Verräter wahrgenommen. Dies habe Ächtung und Belästigung durch die Bevölkerung als Konsequenz. Die BF2 sei dadurch auch einer besonderen Gefahr der Verfolgung durch die Taliban bzw. die in Afghanistan immer stärker werdenden Daesh ausgesetzt. Sie betrachteten die Schiiten als Abtrünnige vom Islam und deren Auslöschung sei eines ihrer größten Ziele. Dies erkläre, warum Heimkehrende, denen sowieso schon eine Verwestlichung und Verrätertum unterstellt werde, auch besondere Gefahr durch die Taliban drohe, wenn sie jahrelang im schiitischen Islam gelebt hätten und dazu noch der schiitischen Minderheit der Hazara angehörten. Verwiesen werde auf einen Bericht von ACCORD.

 

Am 14.03.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der sich im Wesentlichen Folgendes ereignete:

 

Einvernahme mit der BF1 (Anm.: XXXX ):

 

Zur heutigen Situation:

 

VR: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

 

BF: Ja. Ich bin gesund.

 

VR: Warum haben Sie Afghanistan verlassen?

 

BF: Ich wollte noch weiter lernen und ich konnte dort nicht mehr weiter lernen. Unsere Schule wurde von den Taliban zerstört. Es gab keine Möglichkeit dort weiter zu lernen.

 

VR: Gab es sonst noch Gründe für das Velassen. Wer hat das entschieden? Habe Sie von sich aus Afghanistan verlassen, weil sie dort keine Bildung erlangen konnten?

 

BF: Es gibt auch andere Gründe. Mein Vater wurde von den Taliban verschleppt. Er ist dann geflüchtet. Wir sind dann nach XXXX gezogen, wo ich sechst Jahre zur Schule gegangen bin. Es hat auch dort militärische Auseinandersetzungen gegeben und die Schule wurde zerstört. Dann musste ich in den Iran. Der Weg von mir zu Hause bis zur Schule war weit, zwei Stunden morgens und nach der Schule musste ich gehen. Es gab auch Vorschriften. Ich musste Kopftuch tragen und mein Vater hat auch Angst gehabt. Ich hatte keine Möglichkeit weiter zu lernen, deshalb musste ich weg. Seit 8 Jahren bin ich aus Afghanistan weg.

 

VR: Tragen Sie in Österreich nie Kopftuch?

 

BF: Nein. Seit ich in Österreich bin habe ich keines mehr getragen. Ich kann hier anziehen was ich will und auch kaufen was ich will. Es ist nicht wie in Afghanistan, ich kann hier in jedes öffentliche Verkehrsmittel einsteigen ohne Angst haben zu müssen. Es ist nicht das Gefühl da, dass ich wegen meiner Kleidung von jemandem angesprochen werde, hier kann ich mich frei bewegen.

 

VR: Welche Religionszugehörigkeit haben Sie?

 

BF: Ich bin Schiitin und Hazara.

 

VR: Ist es da nicht üblich ein Kopftuch zu tragen?

 

BF: Ich muss es nicht tragen. Kann sein, dass es bei Schiiten ein Gebot ist, aber ich muss es hier nicht tragen.

 

VR: Sie haben gesagt, sie konnten in Afghanistan keine weitere Bildung erlangen, was haben Sie hier in Österreich gemacht um sich weiter zu bilden?

 

BF: Solange wir den subsidiären Schutz nicht gehabt haben, hatten wir nur zwei Stunden Unterricht pro Woche. Seit ca. 7 Monaten sind wir in Wien und habe ich mit Deutsch angefangen, ich habe A1 hinter mir. Natürlich würde ich auch die Prüfung machen, aber dann ist das Kind gekommen und ich konnte nicht weiter tun.Ich werde aber in der Zukunft weiter lernen.

 

VR: Die A1 Prüfung haben Sie gemacht?

 

BF: Ja.

 

VR: Besuchen Sie derzeit einen weiteren Deutschkurs?

 

BF: Im Moment nicht wegen des Kindes, aber ich werde es tun.

 

VR: Geht Ihr Mann derzeit in Österreich einer Arbeit nach?

 

BF: Nein, er macht derzeit einen Deutschkurs.

 

VR: Wenn das Kind ein bisschen größer ist, wird sich dann Ihr Mann um das Kind kümmern, so dass sie wieder einen Deutschkurs besuchen können?

 

BF: Natürlich, ich möchte das gerne, ich möchte auf eigenen Beinen stehen und einen Job finden.

 

VR: Welche Arbeit haben Sie sich vorgestellt?

 

BF: Ich möchte gerne als Krankenschwester arbeiten.

 

VR: Haben Sie schon eine derartige Vorbildung?

 

BF: Noch nicht, nein.

 

VR: Was haben Sie sich für Ihre Kinder vorgestellt?

 

BF: Natürlich möchte ich, dass sie ein schönes Leben haben. Sie sollen zur Schule gehen, nach Möglichkeit zur Universität gehen. Ich möchte, dass sie studieren können, den Beruf müssen sie sich selbst auswählen.

 

VR: Worin unterscheidet sich Ihr Familienleben hier in Österreich von dem im Iran?

 

BF: Es gibt große Unterschiede. Hier kann ich alleine einkaufen gehen und ich darf mich anziehen wie ich möchte. Im Iran konnte ich das nicht, weil entweder meine Eltern oder mein Mann mich begleiten mussten, wenn ich rausging oder einkaufen ging.

 

VR: Wie alt waren Sie, als Sie Afghanistan verlassen haben?

 

BF: Ich weiß, dass ich seit 8 Jahren Afghanistan verlassen habe.

 

VR: Haben Sie damals noch die Schule besucht als Sie Afghanistan verlassen haben?

 

BF: Nicht bis zuletzt. Als ich Afghanistan verließ, waren zwei Jahre vorbei, dass ich mit der Schule aufgehört hatte.

 

VR: Wie war es Ihnen möglich zwei Stunden zur Schule und von dort wieder zwei Stunden nach Hause zu gehen?

 

BF: Ich bin fast gelaufen, nicht im Schritttempo gegangen.

 

VR: Könnten Sie sich ein Leben in Afghanistan noch vorstellen?

 

BF: Ich kann das nicht. Ich habe dort kein Gefühl der Sicherheit. Mir würde es dort wie ein Gefängnis vorkommen.

 

VR: Warum hat Ihr Gatte Afghanistan verlassen?

 

BF: Er hat ein Problem gehabt.

 

VR: Welches Problem?

 

BF: Ich bin nicht hundertprozentig mit der Geschichte vertraut.

 

VR: Was wissen Sie von dieser Geschichte?

 

BF: Ich weiß schon ein bisschen, aber nicht viel.

 

VR: Was wissen Sie?

 

BF: Ein Grund war der Krieg mit den Taliban. Auch hatte er eine Freundin. Die Eltern des Mädchens haben davon erfahren und dann waren diese hinter ihm her.

 

VR an BFV: Haben Sie Fragen?

 

BFV: Nein, ich habe keine Fragen. Die BF orientiert sich am allgemein als westlich zu bezeichnenden Gesellschaftsbild und will sich, eigenen Aussagen zufolge, nicht mehr in das Rollenbild der Frauen in Afghanistan einfügen. Es liegt daher ein Verfolgungsrisiko im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe vor. Ich verweise nochmals auf die UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender, wobei Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen als Risikoprofil angesehen werden.

 

BF1 verlässt den Verhandlungssaal, die Einvernahme wird mit BF2 (Anm.: XXXX ) fortgesetzt:

 

VR: Was hat Sie bewogen Ihr Heimatland zu verlassen?

 

BF: Wie ich in meinem ersten und zweiten Interview gesagt habe, habe ich wegen der Taliban mein Land verlassen. Ich bin auch ein Hazara, auch das spielt eine große Rolle. Bei der zweiten Einvernahme habe ich was dazugesprochen. Es ging darum, dass ich eine paschtunische Freundin gehabt habe. Aus diesem Grund konnte ich dort nicht mehr weiterleben und musste Afghanistan verlassen.

 

VR: Erzählen Sie mir die Geschichte mit der paschtunischen Freundin, wie war das genau?

 

BF: Ich ging in Afghanistan zuerst zur Schule. Nachdem die Familie meines Onkels getötet wurde, musste ich in der Zeit auch meinem Vater bei der landwirtschaftlichen Arbeit helfen. Der Arbeitgeber meines Vaters hatte eine Tochter. Wir haben uns kennengelernt und ca. 6 bis 7 Monate als Freund und Freundin eine Beziehung gehabt. Wir wollten natürlich auch heiraten. Aber da das Mädchen aus der Ethnie der Paschtunen gekommen ist, war ihr Vater nicht damit einverstanden. In dieser Zeit, in der wir uns getroffen haben oder telefonischen Kontakt hatten, hat uns ein Verwandter von ihr gesehen. Das hat er ihrer Familie erzählt.

 

VR: Wer war dieser Verwandte?

 

BF: Ich weiß es nicht genau wer das war.

 

VR: Warum nicht? Sie wissen ja, dass dieser Sie mit dem Mädchen gesehen hat.

 

BF: Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass uns jemand aus ihrer Familie gesehen hat und das haben wir von der Schwester meiner Freundin erfahren. Die Schwester meiner Freundin hat das auch meinem Vater erzählt und dazu auch meinem Vater gesagt, dass, wenn der Vater meiner Freundin oder jemand anderer davon erfährt, bin ich in großer Gefahr. Es wäre besser, wenn ich den Ort verlassen würde. Mein Vater hat auch gemeint, dass es besser wäre wenn ich wegfahre. Er hat ein paar Freunde um Hilfe gebeten. Diese haben mich bis nach Ghazni begleitet. Von dort aus bin ich mit einem Schlepper in den Iran gelangt.

 

VR: Hat der Vater Ihrer Freundin jemals von dieser Beziehung erfahren?

 

BF: Er hat davon nichts gewusst, besonders am Anfang nicht.

 

VR: Was soll das heißen?

 

BF: Seit dem die Schwester meiner Freundin das gesagt hat, wusste er es.

 

VR: Was hat die Schwester Ihrer Freundin alles gesagt?

 

BF: Die Schwester der Freundin hat meinem Vater gesagt, dass sein Sohn, also ich, ein Freund ihrer Schwester wäre. Dazu hat sie meinem Vater gesagt, dass ich auch meine Freundin vergewaltigt hätte. Das war der Grund. Alleine musste ich nicht rauskommen, auch meine Eltern mussten in den Iran ziehen.

 

VR: Was haben Sie bei diesem Mann gearbeitet?

 

BF: Eigentlich hat mein Vater bei ihm gearbeitet und ich habe meinem Vater manchmal geholfen.

 

VR: Wobei haben Sie Ihrem Vater geholfen?

 

BF: In der Landwirtschaft, als Bauer.

 

VR: Was haben Sie zu dieser Zeit sonst noch gemacht?

 

BF: Ich habe in der Zeit keinen bestimmten Job gehabt.

 

VR: Sie haben also nur Ihrem Vater geholfen.

 

BF: Ja. Das auch nur manchmal.

 

VR: Was haben Sie davor gemacht?

 

BF: Ich bin zur Schule gegangen.

 

VR: Wann war dieser Vorfall mit Ihrer Freundin, wie und wann haben Sie sie kennengelernt und wie lange hat diese Beziehung gedauert?

 

BF: Als ich in den Iran gegangen bin, ca. 6 bis 7 Monate davor.

 

VR: Wann sind Sie in den Iran gegangen?

 

BF: Ungefähr vor 9 oder 10 Jahren.

 

VR: Warum haben Sie bei der Erstbefragung diese Geschichte mit Ihrer Freundin nicht erzählt?

 

BF: Weil ich unter so großem Stress war. Auch, weil unser erstes Kind sehr schwer krank war. Es musste alle paar Stunden zur Toilette und ich war unter großem Druck. Dann mussten wir aus dem Grund ins Krankenhaus. Als man uns von dort zurück zur Polizei am Westbahnhof gebracht hat, wurden wir am nächsten Tag interviewt. Ich war von diesen ganzen Strapazen sehr müde, weil wir ca. ein Monat unterwegs gewesen sind. Ich muss Ihnen sage, dass wir beim ersten Mal bei der Polizei waren, so müde waren, dass wir uns manchmal sogar hinlegen mussten, weil wir zu müde zum Sitzen oder Stehen waren. Ich weiß nicht genau was ich damals gesagt habe. Ich war so müde, dass ich nicht einmal genau wusste was ich sagte.

 

VR: Warum haben Sie in Ihrem Lebenslauf angegeben, dass Sie von 2003-2006 Bauarbeiter und Maler in Ghazni waren?

 

BF: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe das im Iran gearbeitet.

 

VR zeigt den schriftlichen Lebenslauf des BF.

 

BF: Dann hat man das falsch geschrieben.

 

VR: 2003 bis 2006 waren Sie doch noch in Afghanistan?

 

BF: Ich habe meinem Berater nur gesagt, dass ich im Iran 7 oder 8 Jahre auf Baustellen gearbeitet habe. Vielleicht ist es falsch aufgeschrieben worden.

 

VR: Von wann bis wann haben Sie in Afghanistan die Schule besucht?

 

BF: Als ich in den Iran gegangen bin, bis ein Jahr davor bin ich zur Schule gegangen.

 

VR: Wie alt waren Sie, als Sie zur Schule gegangen sind?

 

BF: Ich war ca. 9 oder 10 Jahre alt.

 

VR: Als Sie mit der Schule begonnen oder aufgehört haben?

 

BF: Am Anfang der Schule.

 

VR: Wieso so spät? Beginnt in Afghanistan nicht auch mit 6 oder 7 Jahren die Schule?

 

BF: Es ist nicht ein Muss, dass man mit 6 oder 7 Jahren anfängt. Je nach Möglichkeit fängt einer früher, der andere später an.

 

VR: Wie viele Jahre haben Sie die Schule besucht?

 

BF: 6 Jahre.

 

VR: Warum haben Sie in Ihrem Lebenslauf Ihre Schulbesuchszeit von 1996 bis 2001 angegeben?

 

BF: Ich weiß nicht das genaue Datum. Ich habe nur gesagt, dass ich 6 Jahre zur Schule gegangen bin. Dann habe ich auch gesagt, dass ich 7 bis 8 Jahre im Iran gearbeitet habe. Vielleicht hat diese Person die Zeitspannen selbst ausgerechnet.

 

VR: Wollen Sie nicht die Wahrheit sagen?

 

BF: Was ich gesagt habe, ist die Wahrheit.

 

VR: In welcher Ortschaft hat Ihre Freundin gewohnt?

 

BF: Der Ort hat XXXX geheissen.

 

VR: Wie lange haben Sie sich noch in Afghanistan aufgehalten, nachdem die Schwester Ihrer Freundin bei Ihnen zu Hause war?

 

BF: Nur kurz, ein bis zwei Tage.

 

VR: Wie war es Ihnen möglich so schnell auszureisen?

 

BF: Es gibt genug Schlepper. Wenn man Ihnen zahlt ist die Ausreise jederzeit möglich.

 

VR: Wie heißt die Schwester Ihrer Freundin?

 

BF: XXXX .

 

BFV: Wie genau haben Sie Ihre Freundin kennengelernt?

 

BF: Ich half meinem Vater manchmal bei der Arbeit. Dort haben wir uns langsam kennengelernt. Im Laufe der Zeit sind wir uns als Freund und Freundin näher gekommen.

 

BFV: Können Sie genauer beschreiben, wie die Treffen mit Ihrer Freundin ausgesehen haben?

 

BF: Da ich dort manchmal geholfen und gearbeitet habe, kam das Mädchen auch zu meinem Arbeitsplatz. Dann sind wir weggegangen, an einen Ort, an dem die anderen Menschen nicht waren und haben dort alleine miteinander gesprochen.

 

BFV: Wer hat Ihnen diesen Lebenslauf geschrieben?

 

BF: Mein Lebenslauf wurde im Deutschkurs geschrieben. Da ich selbst nicht konnte, bin ich zu meinem Berater im Kurs gegangen und habe ihm meinen Ausweis gegeben. Dann habe ich ihr gesagt, dass ich 7 bis 8 Jahre im Iran gearbeitet habe und dass dazwischen ein Jahr vergangen ist. Davor bin ich 6 Jahre zur Schule gegangen.

 

BFV: Haben Sie dort genaue Daten genannt?

 

BF: Nein. Ich sollte nur mein Geburtsdatum genau sagen.

 

VR: Wie soll diese Beraterin den Lebenslauf verfassen, wenn Sie keine Daten nennen?

 

BF: Es war ein Aufttrag des Deutschkurses. Man hat uns gesagt, wir müssen zu den Beratern gehen und einen Lebenslauf schreiben lassen.

 

VR: Sie haben dort keine Daten genannt?

 

BF: Wenn ich es nicht genau weiß, kann ich es nicht sagen.

 

VR: Wie sollen dann diese Daten in den Lebenslauf kommen, wenn Sie nichts angegeben haben?

 

BF: Ich habe nur gesagt, dass ich 8 Jahre auf Baustellen im Iran gearbeitet habe.

 

VR: Warum haben Sie bei Ihrer Erstbefragung angegeben, dass Sie von 1996 bis 2002 die Schule besucht haben?

 

BF: Ich habe nur gesagt, dass ich 6 Jahre zur Schule gegangen bin.

 

BFV: Was würde Ihnen drohen, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren würden?

 

BF: Es gibt mehrere Gründe. Es gibt viele Terroristen die sich in die Luft sprengen. Natürlich würde mir vor der Familie des Mädchens eine große Gefahr drohen.

 

BFV: Als langjährige Rechtsberaterin in Traiskirchen war ich schon bei etlichen Erstbefragungen anwesend. Es ist Usus der Befragenden, sich von den Zeitangaben der Asylwerber selbstständig europäische Daten auszurechnen, obwohl keine genauen Daten von den Asylwerbern genannt werden. Dies, weil im Formular für die Erstbefragung gefordert wird, Daten anzugeben.

 

VR: Möchten Sie noch etwas vorbringen?

 

BF: Es war bei den Interviews der Druck so groß, dass man oft seinen eigenen Namen vergisst. Als ich das erste Mal mein Visum bekommen habe, hat mir die Diakonie einen Brief geschickt, dass die Antwort negativ sei und ich habe mir gedacht, weil ich wenig Informationen gehabt habe, ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht einmal dass ich ein Visum erhalten habe, waren wir so traurig, dass meine Frau ein oder zwei Tage geweint hat. Natürlich gibt es immer Druck, dass man Deutsch lernen und an die Zukunft denken muss.

 

Zum Akt genommen werden:

 

* Bericht aus der Staatendokumentation, Beilage A,

 

* Bericht des UNHCR, Beilage B,

 

* ein Gutachten, Beilage C.

 

VR: Möchten Sie eine Frist zur Stellungnahme haben?

 

BFV: Nein, auf eine Stellungnahme wird verzichtet.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Feststellungen:

 

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan, gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind schiitischen Bekenntnisses. Der BF1 und die BF2 stammen beide aus der Provinz Ghazni, sie haben sich aber erst im Iran kennengelernt, wo sie traditionell heirateten. Im Iran ist auch die BF3 und der BF4 geboren, der BF5 ist bereits im Bundesgebiet geboren. Sowohl der BF1, als auch die BF2 verließen Afghanistan auf Grund der schlechten allgemeinen Sicherheitslage.

 

Zu Afghanistan:

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

 

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).

 

Parlament und Parlamentswahlen

 

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

 

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

 

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50 % mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25 % im Parlament und über 30 % in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

 

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9 .2016).

 

Parteien

 

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

 

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016).

 

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

 

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9 .2016).

 

Friedens- und Versöhnungsprozess

 

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage:

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10 % der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2 % der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2 % gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von

 

32 % gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2 % bei Getöteten und eine Erhöhung um 6 % bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2 % gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17 % gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34 % gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61 % aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24 % regierungsfreundlichen Kräften (20 % den afghanischen Sicherheitskräften, 2 % bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2 % internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10 % ziviler Opfer, während

 

5 % der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ghazni

 

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktika und Logar im Osten liegen; Zabul grenzt gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist sie die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.249.376 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 2016).

 

Ghazni ist in folgende Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Ghazni wird aufgrund ihrer strategischen Position, als Schlüsselprovinz gewertet – die Provinz verbindet durch die Autobahn, die Hauptstadt Kabul mit den bevölkerungsreichen südlichen und westlichen Provinzen (HoA 15.3.2016).

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

39

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

952

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

140

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

155

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

4

Andere Vorfälle

2

Insgesamt

1.292

  

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden in der Provinz Ghazni 1.292 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in Ghazni festgehalten; gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Im Dezember 2016 verlautbarte der CEO Afghanistans den baldigen Beginn militärischer Spezialoperationen in den Provinzen Ghazni und Zabul, um Sympathisanten des Islamischen Staates und Talibanaufständische zu vertreiben (Khaama Press 23.1.2017).

 

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Operationen durchführen (Khaama Press 15.10.2016; Khaama Press 8.7.2016; vgl. auch: Truthdig 23.1.2017). Die Bevölkerung der Provinz kooperiere bereits mit den Sicherheitskräften. Ein Mitglied des Provinzrates verlautbarte, dass sich die Sicherheitslage verbessern könnte, wenn die Polizei mit notwendiger Ausrüstung versorgt werden würde (Pajhwok 8.1.2017). Im Gegensatz zum Jahr 2015 registrierte die UNAMA 2016 keine Entführungsfälle der Hazara-Bevölkerung in Ghazni. In vormals betroffenen Gegenden wurden Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte errichtet; dies wird als Abschreckung gewertet (UNMA 6.2.2017).

 

In der Provinz werden regelmäßig Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 15.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 8.1.2017; Tolonews 26.12.2016; Pajhwok 21.11.2016; Afghanistan Times 25.8.2016; Afghanistan Times 21.8.2016), auch in Form von Luftangriffen (Pajhwok 18.6.2017; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 8.6.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Sputnik News 30.11.2016). Unter anderem wurden Taliban Kommandanten getötet (Khaama Press 9.1.2017; Sputnik News 26.12.2016; Khaama Press 17.10.2016; Afghanistan Spirit 18.7.2016; Pajhwok 18.6.2016; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 7.6.2016).

 

Im Februar 2017 bestätigte der afghanische Geheimdienst (NDS) den Tod eines hochrangigen al-Qaida Führers: Qari Saifullah Akhtar, war vom NDS in einer Razzia im Jänner 2017 getötet worden. Berichten zufolge, war Qari Saifullah Akhtar jahrzehntelang am Aufstand beteiligt; ihm werden direkte Verbindung zu Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (LWJ 19.2.2017; vgl. auch:

ATN News 19.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen:

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80 % der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und –verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76 % der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden:

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2,4 % - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2,2 % (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1,8 % in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1,9 % (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force – AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3 %, gegenüber 2,5 % in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung:

 

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29) (AA 9 .2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 9 .2016; vgl. OHCHR 11.2.2016).

 

Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. In jüngerer Vergangenheit wurden im Zusammenhang mit Häftlingen, die im Zuge des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan festgenommen wurden, grobe Missstände aufgedeckt (AA 9 .2016).

 

Im Jänner 2015, startete Präsident Ghani einen Nationalen Aktionsplan zur Eliminierung von Folter; das dafür zuständige Komitee wurde im Mai 2015 gegründet (HRW 27.1.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Im November 2015, war das Justizministerium dabei ein neues Anti-Folter-Gesetz zu erarbeiten. Von diesem wird erwartet, weitläufige Bestimmungen zur Wiedergutmachung für Folteropfer zu enthalten (OHCHR 11.2.2016). Human Rights Watch zufolge, gab es im Jahr 2016 diesbezüglich keine weiteren Entwicklungen (HRW 12.1.2017).

 

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer gewahrt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass sich afghanische Richter/innen bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: rund 35 % der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49 % im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 9 .2016).

 

Im Juni 2015 gab der NDS wiederholt Anweisungen betreffend des Folterverbots, speziell zum Erhalt von Geständnissen (HRW 27.1.2016; vgl. auch AI 24.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage:

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9 .2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9 .2016).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

 

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet – (AI 24.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Religionsfreiheit:

 

Etwa 99,7 % der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84,7 bis 89,7 % Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10 bis 19 % der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schiiten

 

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 bis 19 % geschätzt (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9 .2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).

 

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).

 

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

 

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9 .2016).

 

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein – dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).

 

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten:

 

Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10 % der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (az?raj?t) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9 .2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10 % in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frauen:

 

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9 .2016).

 

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

 

Bildung

 

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung – auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

 

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60 %. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40 % Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zu Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

 

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015-2016 zum Vergleichszeitraum 2014 – 2015 um 2,2 % erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren

63.911 Frauen (CSO 2016).

 

Frauenuniversität in Kabul

 

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50 % erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vgl. auch:

MORAA 31.5.2016).

 

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vgl. auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

 

Berufstätigkeit

 

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9 .2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81 % der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

 

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19 %. Rund 64 % der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17 %, in manchen Provinzen sogar unter 2 % (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11 %, bei den über 65-jährigen 4,33 % (UNESCO Institute for statistics o.D.).

 

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von, Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

 

Frauen machen 30 % der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen – manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

 

Frauen im öffentlichen Dienst

 

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25 % der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9 .2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

 

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women‘s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9 .2016).

 

Frauen in den afghanischen Sicherheitskräften

 

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9 .2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).

 

Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).

 

Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).

 

Teilnahmeprogramme für Frauen in den Sicherheitskräften

 

Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vgl. auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vgl. auch:

SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Familien nichts selbständig entscheiden dürften (Sputnik News 5.12.2016). Die afghanische Nationalpolizei schuf zusätzlich neue Posten für Frauen – womit sich deren Zahl auf 5.969 erhöhte; 5.024 dieser Posten sind innerhalb der afghanischen Nationalpolizei, 175 in Gefängnissen und Haftanstalten, sowie 770 zivile Positionen (SIGAR 30.7.2016). Im Juni 2016 verlautbarten die Behörden in Kabul, bis März 2017 die Polizei mit 10.000 neuen Stellen für weibliche Polizeikräfte aufzustocken. Die Behörden möchten der steigenden Gewalt gegen Frauen in Afghanistan entgegentreten und effektiver gegen die Terrorbedrohung und den Drogenhandel im Land vorgehen (Sputnik News 14.6.2016).

 

Seit fast einem Jahrzehnt schaffen afghanische Behörden massiv Arbeitsstellen für Frauen bei der Polizei und versuchen alljährlich den Frauenanteil zu erhöhen. Das dient vor allem dazu, den Afghaninnen Schutz zu gewähren. Wenn Verdächtigte und mutmaßliche Verbrecher Frauen seien, werden Polizistinnen bevorzugt. Allerdings haben Beamtinnen wegen ihres Polizeidienstes öfter Probleme mit ihren konservativen Verwandten (Sputnik News 14.6.2016). Im Arbeitskontext sind Frauen von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen: so sind z. B. Polizistinnen massiven Belästigungen und auch Gewalttaten durch Arbeitskollegen oder im direkten Umfeld ausgesetzt (AA 9 .2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Strafverfolgung und Unterstützung

 

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 9 .2016). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten, und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 9 .2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen und nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9 .2016)

 

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 9 .2016). Gleichzeitig führt aber eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen, hatte positive Auswirkungen (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). In der patriarchalischen Gesellschaft Afghanistans trauen sich Frauen selbst oftmals nicht, an Polizisten zu wenden (Sputnik News 14.6.2016).

 

Anlässlich des dritten "Symposium on Afghan Women's Empowerment" im Mai 2016 in Kabul bekräftigte die afghanische Regierung auf höchster Ebene den Willen zur weiteren Umsetzung. Inwieweit sich dies in das System an sich und bis in die Provinzen fortsetzt, ist zumindest fraglich (AA 9 .2016).

 

Das EVAW-Gesetz wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9 .2016; UN Women 2016); und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen – inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt. Dennoch ist eine Verabschiedung des EVAW-Gesetzes durch beide Parlamentskammern noch ausständig und birgt die Gefahr, dass die Inhalte verwässert werden (AA 9 .2016). Das Gesetz kriminalisiert Gewalt gegen Frauen, inklusive Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwangsverheiratung bzw. Kinderheirat, Erniedrigung, Einschüchterung und Entzug des Erbes, jedoch war die Umsetzung eingeschränkt. Im Falle von Vergewaltigung sieht das Gesetz eine Haftstrafe von 16-20 Jahren vor. Sollte die Vergewaltigung mit dem Tod eines Opfers enden, sieht das Gesetz die Todesstrafe für den Täter vor. Der Straftatbestand der Vergewaltigung beinhaltet nicht Vergewaltigung in der Ehe. Das Gesetz wurde nicht weitgehend verstanden und manche öffentliche und religiöse Gemeinschaften erachteten das Gesetz als unislamisch. Der politische Wille das Gesetz umzusetzen und seine tatsächliche Anwendung ist begrenzt (USDOS 13.4.2016). Außerhalb der Städte wird das EVAW-Gesetz weiterhin nur unzureichend umgesetzt (AA 9 .2016). Laut Angaben von Human Rights Watch, verabsäumte die Regierung Verbesserungen des EVAW–Gesetzes durchzusetzen. Die Regierung verabsäumt ebenso die Verurteilung sogenannter Moral-Verbrechen zu stoppen, bei denen Frauen, die häuslicher Gewalt und Zwangsehen entfliehen, zu Haftstrafen verurteilt werden (HRW 27.1.2016). Die Regierung registrierte 5.406 Fälle von Gewalt an Frauen, 3.715 davon wurden unter dem EVAW-Gesetz eingebracht (USDOS 13.4.2016). Einem UNAMA-Bericht zufolge, werden 65 % der Fälle, die unter dem EVAW-Gesetz eingebracht werden (tätlicher Angriff und andere schwerwiegende Misshandlungen) durch Mediation gelöst, während 5 % strafrechtlich verfolgt werden (HRW 27.1.2016).

 

Die erste EVAW-Einheit (Law on the Elimination of Violence Against Women) wurde im Jahre 2010 durch die afghanische Generalstaatsanwaltschaft initiiert und hat ihren Sitz in Kabul (USDOS 13.4.2016). Die Generalstaatsanwaltschaft erhöhte weiterhin die Anzahl der EVAW-Einheiten. Mit Stand September 2015 existieren sie mittlerweile in 20 Provinzen. In anderen Provinzen wurde Staatsanwälten durch die Generalstaatsanwaltschaft Fälle zur Behandlung zugeteilt. Im März hielt das Büro der Generalstaatsanwaltschaft das erste nationale Treffen von EVAW-Staatsanwälten ab, um die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen EVAW-Einheiten in den Provinzen zu fördern und gemeinsame Probleme zu identifizieren (USDOS 13.4.2016). Ein im April veröffentlichter Bericht der UNAMA zu Erfahrungen von 110 rechtssuchenden Frauen im Justizsystem; zeigte, dass sich die Effektivität der Einheiten stark unterschied, diese aber dennoch Frauen, die Gewalt erlebt hatten, ermutigten ihre Fälle zu verfolgen (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: UNAMA 4.2015).

 

Der UN-Sonderberichterstatter zu Gewalt an Frauen berichtet von Frauen in Afghanistan, die das formelle Justizsystem als unzugänglich und korrupt bezeichnen; speziell dann wenn es um Angelegenheiten geht, die die Rechte von Frauen betreffen - sie bevorzugen daher die Mediation (USDOS 13.4.2016).

 

Die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission (Afghanistan Independent Human Rights Commission – AIHRC), veröffentlichte einen Bericht, der 92 Ehrenmorde auflistete (Berichtszeitraum: März 2014 – März 2015), was eine Reduzierung von 13 % gegenüber dem Vorjahr andeutete. Diesem Bericht zufolge wurden auch 67 % der Täterbei Vergewaltigung oder Ehrenmord verhaftet; 60 % wurden verurteilt und bestraft (USDOS 13.4.2016).

 

Wenn Justizbehörden das EVAW-Gesetz beachten, war es Frauen in manchen Fällen möglich angemessene Hilfe zu erhalten. Staatsanwält/innen und Richter/innen in abgelegenen Provinzen ist das EVAW-Gesetz oft unbekannt, andere werden durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt um Täter freizulassen. Berichten zufolge, geben Männer, die der Vergewaltigung bezichtigt werden, oft an, das Opfer hätte dem Geschlechtsverkehr zugestimmt, was zu "Zina"-Anklagen gegen die Opfer führt (USDOS 13.4.2016).

 

Im Juni 2015 hat die afghanische Regierung den Nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der VN-SR-Resolution 1325 auf den Weg gebracht (AA 9 .2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Dennoch war bis November 2016 kein finales Budget für den Umsetzungsplan aufgestellt worden (HRW 12.1.2017).

 

Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

 

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90 % innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzungen und Misshandlungen über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigungen und Mord (AA 9 .2016). In den ersten acht Monaten des Jahres 2016 dokumentierte die AIHRC 2.621 Fälle häuslicher Gewalt – in etwa dieselbe Zahl wie im Jahr 2015; obwohl angenommen wird, die eigentliche Zahl sei viel höher (HRW 12.1.2017). Die AIHRC berichtet von mehr als 4.250 Fällen von Gewalt an Frauen, die in den ersten neun Monaten des afghanischen Jahres (beginnend März 2015) gemeldet wurden (USDOS 13.4.2016). Diese Fälle beinhalten unterschiedliche Formen von Gewalt: physische, psychische, verbale, sexuelle und wirtschaftliche. In den ersten sechs Monaten des Berichtszeitraumes wurden 190 Frauen und Mädchen getötet; in 51 Fällen wurde der Täter verhaftet (Khaama Press 23.3.2016).

 

Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen. Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (kein Straftatbestand, aber oft als Versuch der zina gewertet) (AA 9 .2016).

 

Ehrenmorde

 

Ehrenmorde an Frauen werden typischerweise von einem männlichen Familien- oder Stammesmitglied verübt (BFA Staatendokumentation 2.7.2014). Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden. Die AIHRC gab bekannt, zwischen März 2014 und März 2015 92 Ehrenmorde registriert zu haben (USDOS 13.4.2016).

 

Afghanische Expert/innen sind der Meinung, dass die Zahl der Mordfälle an Frauen und Mädchen viel höher ist, da sie normalerweise nicht zur Anzeige gebracht werden. Der Grund dafür ist Misstrauen in das juristische System durch einen Großteil der afghanischen Bevölkerung (Khaama Press 23.3.2016).

 

Legales Heiratsalter

 

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (Girls not brides 2016). Ein Mädchen, welches jünger als 16 Jahre ist, kann mit der Zustimmung eines Vormunds oder eines zuständigen Gerichtes heiraten. Die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren ist auch weiterhin üblich (USDOS 13.4.2016). Die UN und HRW schätzen die Zahl der Zwangsehen auf 70 % (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AA 9 .2016).

 

In Fällen von Gewalt oder unmenschlicher traditioneller Praktiken laufen Frauen oft von zu Hause weg, oder verbrennen sich sogar selbst (USDOS 13.4.2016). Darüber hinaus kommt immer wieder vor, dass Frauen inhaftiert werden, wenn sie z.B. eine Straftat zur Anzeige bringen, von der Familie aus Gründen der "Ehrenrettung" angezeigt werden, Vergewaltigung werden oder von zu Hause weglaufen (AA 9 .2016).

 

Frauenhäuser

 

USDOS zählt 28 formelle Frauenhäuser- um einige Frauen vor Gewalt durch die Familien zu schützen, nahmen die Behörden diese in Schutzhaft. Die Behörden wandten die Schutzhaft auch dann an, wenn es keinen Platz in Frauenhäusern gab (USDOS 13.4.2016).

 

Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft (mit-)ursächlich für die Notlage ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre. Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte. Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden (AA 9 .2016).

 

Die Schwierigkeit für eine nachhaltige Lösung für Frauen, war der soziale Vorbehalt gegen Frauenhäuser, nämlich der Glaube, das "Weglaufen von zu Hause" sei eine ernsthafte Zuwiderhandlung gegen gesellschaftliche Sitten. Frauen, die vergewaltigt wurden, wurden von der Gesellschaft als Ehebrecherinnen angesehen (USDOS 13.4.2016).

 

Berichten zufolge, würde das MoWA, aber auch NGOs, versuchen Ehen für Frauen zu arrangieren, die nicht zu ihren Familien zurückkehren konnten (USDOS 13.4.2016).

 

Medizinische Versorgung – Gynäkologie

 

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22 % (überwiegend in den Städten und gebildetere Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten. Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 9 .2016).

 

Weibliche Genitalverstümmelung ist in Afghanistan nicht üblich (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kinder:

 

Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Mädchen waren unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen (AA 9 .2016). Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40 % Mädchen (USAID 19.12.2016). Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab. Aber auch geografisch gibt es Unterschiede. Den geringsten Mädchen-Anteil findet man im Süden und Südwesten des Landes (Helmand, Uruzgan, Zabul und Paktika) (AA 9 .2016).

 

Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Das Curriculum für angehende Lehrer beinhaltet immerhin Handreichungen zur Vermeidung eines gewaltsamen Umgangs mit Schülern (AA 9 .2016).

 

Kinderarbeit

 

Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest, erlaubt 14 -Jährigen als Lehrlinge zu arbeiten, sowie 15-Jährigen (und älter) "einfache Arbeit" zu verrichten. Ebenso dürfen 16- und 17-Jährige bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Unter 14-Jährigen ist es unter gar keinen Umständen erlaubt zu arbeiten. Das Arbeitsgesetz verbietet die Anstellung von Kindern in Bereichen, die ihre Gesundheit gefährden. In Afghanistan existiert eine Liste, die gefährliche Jobs definiert - dazu zählen:

Arbeit in Bergbau, Betteln, Abfallentsorgung und Müllverbrennung, arbeiten an Schmelzöfen, sowie großen Schlachthöfen, arbeiten mit Krankenhausabfall oder Drogen, arbeiten als Sicherheitspersonal und Arbeit im Kontext von Krieg (USDOS 13.4.2016).

 

Afghanistan hat die Konvention zum Schutze der Kinder ratifiziert. Kinderarbeit ist in Afghanistan somit offiziell verboten. Dennoch haben im Jahr 2014 laut AIHRC (Children’s Situation Summary Report vom 14. Dezember 2014) 51,8 % der Kinder auf die ein oder andere Weise gearbeitet. Viele Familien sind auf die Einkünfte, die ihre Kinder erwirtschaften, angewiesen. Daher ist die konsequente Umsetzung eines Kinderarbeitsverbots schwierig. Es gibt allerdings Programme, die es Kindern erlauben sollen, zumindest neben der Arbeit eine Schulausbildung zu absolvieren. Auch ein maximaler Stundensatz und Maßnahmen zum Arbeitsschutz (wie z. B. das Tragen einer Schutzmaske beim Teppichknüpfen) wurden gesetzlich geregelt. Der Regierung fehlt es allerdings an durchsetzungsfähigen Überprüfungsmechanismen dieser gesetzlichen Regelungen. 6,5 Millionen Kinder gelten als Gefahren ausgesetzt (AA 9 .2016). Allgemein kann gesagt werden, dass schwache staatliche Institutionen die effektive Durchsetzung des Arbeitsrechts hemmen und die Regierung zeigt nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien (USDOS 13.4.2016).

 

Kinderarbeit bleibt ein tiefgreifendes Problem. Das Arbeitsministerium verweigerte Schätzungen zu den Zahlen der arbeitenden Kinder in Afghanistan und begründete dies mit fehlenden Daten und Mängeln bei der Geburtenregistrierung. Dies schränkte, die ohnehin schwachen Kapazitäten der Behörden bei der Durchsetzung des Mindestalters für Arbeit ein. Berichten zufolge, wurden weniger als 10 % der Kinder bei Geburt registriert. In einem Bericht der AIHRC, gaben 22 % der Befragten an, arbeitende Kinder zu haben. Kinder sind bei der Arbeit einer Anzahl von Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ausgesetzt; Berichte existieren wonach Kinder sexuellem Missbrauch durch erwachsene Arbeiter ausgesetzt waren (USDOS 13.4.2016).

 

Das Gesetz besagt, dass die Verhaftung eines Kindes als letztes Mittel und nur für die kürzest mögliche Zeit vorgenommen werden soll. Berichten zufolge mangelt es Kinder in Jugendhaftanstalten landesweit an Zugang zu adäquatem Essen, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Verhafteten Kindern wurden oftmals Basisrechte wie z.B. die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, oder das Recht auf Information über die Haftgründe usw., sowie das Recht nicht zu einem Geständnis gezwungen zu werden, verwehrt. Das Gesetz sieht eine eigene Jugendgerichtsbarkeit vor, limitierte Ressourcen ermöglichten bisher aber nur Jugendgerichte in sechs Gebieten: Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Jalalabad und Kunduz. In anderen Provinzen, in denen keine speziellen Gerichte existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte. In manchen Fälle nahmen die Behörden die Opfer, als zu bestrafende wahr, da sie Schande über die Familie gebracht haben, indem sie Missbrauch anzeigten. In manchen Fällen wurden misshandelte Kinder von den Behörden verhaftet, wenn sie nicht zu ihren Familien zurückgebracht werden konnten und keine anderen Zufluchtsstätten existierten. Auch gab es Vorwürfe wonach die Behörden Kinder oft stellvertretend für verwandte Täter verhafteten (USDOS 13.4.2016).

 

Bildungssystem in Afghanistan

 

In Afghanistan gibt es zwei parallele Bildungssysteme. Religiöse Bildung liegt in der Verantwortung des Klerus in den Moscheen, während die Regierung kostenfreie Bildung an staatlichen Einrichtungen bietet. Im Alter von 7 bis 13 Jahren gehen die Schüler in die Primärschule. Darauf folgen 3 Jahre Mittelschule. Studieninteressenten müssen am Ende dieses Abschnitts ein Examen bestehen. In der Sekundarschule haben die Schüler/innen die Wahl entweder für 3 weitere Jahre den akademischen Weg einzuschlagen, welcher weiter zur Universität führen kann; oder Themen wie angewandte Landwirtschaft, Luftfahrt, Kunst, Handel etc. zu lernen. Beide Programme enden mit einem "Bacculuria"-Examen. Aus- und Weiterbildung: Bildungseinrichtungen umfassen auch Berufsschulen, technische Hochschulen und tertiäre Institute wie das Kabul Polytechnic Institute. Viele Einrichtungen, unter der Leitung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, bieten Trainings an. Auch das Ministerium für Bildung betreibt eine Abteilung für Weiterbildung (41 Schulen), die Unterstützung bieten. Diese fokussieren sich hauptsächlich auf Mechanik, Tischlerei, Sanitär, Metallarbeiten, Friseur, Schneiderei und Bürotätigkeiten. Öffentliche Schulen und Kindergärten sind bis zum Universitätslevel kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten müssen bezahlt werden.

Kinderbetreuung: Es gibt einige staatlich finanzierte und verwaltete Kindergärten. Diese gewähren Kindern von Mitarbeiter/innen kostenfreien Zugang (IOM 2016).

 

Viele Kinder sind unterernährt. Ca. 10 % (laut offizieller Statistik 91 von 1.000, laut Weltbank 97 von 1.000) der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Straßenkinder gehören zu den am wenigsten geschützten Gruppen Afghanistans und sind jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, die Regierung schränke die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 13.4.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

 

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Die Taliban verhängen nächtliche Ausgangssperren in jenen Regionen, in denen sie die Kontrolle haben – Großteiles im Südosten (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Grundversorgung und Wirtschaft:

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36 %. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90 %) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5 % geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55 %, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6 %. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels – Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig – sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1,5 bis 2 % gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung – Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens’ Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung:

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41 % der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34 % der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23 % der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

 

Medikamente

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

 

Beispiele für Behandlung psychischer Fälle in Afghanistan

 

In öffentlichen und privaten Kliniken ist beispielsweise paranoide Schizophrenie behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patient/innen nichts für ihre Aufnahme bezahlen. Die Patient/innen müssen ihre Medikamente in außenstehenden Apotheken kaufen (IOM 11.10.2016). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn Patient/innen kein unterstützendes Familienumfeld haben. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Krankenhäuser in Afghanistan

 

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

 

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).

 

Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:

 

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

 

In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, welches von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz, hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft einen Platz zu bekommen (Time 31.8.2016).

 

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

 

Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.

 

Das ICRC:

 

 

 

 

 

 

 

 

Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan

 

Das Telemedizinprojekt, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehr:

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt – um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Staatliches Pensionssystem

 

Es ist nur ein öffentliches Rentensystem etabliert. Das übliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 65 Jahren, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Personen, die in Afghanistan gearbeitet haben, haben Zugang zu Rentenzahlungen. Es gibt keine Einschränkungen, die einzige Voraussetzung ist, dass die Person mehr als 32 Jahre gearbeitet hat und zwischen 63-65 Jahren alte ist. Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen werden als vulnerabel/schutzbedürftig eingestuft. Sie können Sozialhilfe beziehen und zumindest körperlich benachteiligte Menschen werden in der Gesellschaft respektvoll behandelt. Schwierig ist es allerdings mit mental erkrankten Menschen, diese können beim Roten Halbmond und in entsprechenden Krankenhäusern (Ali Abad Mental Hospital, siehe Kontakte) behandelt werden (IOM 2016).

 

Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org ) angeboten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

Ausbildungen für Rückkehr/innen in Afghanistan

 

In Afghanistan bieten staatliche Schulen, unter Leitung des Ministeriums für Bildung, und private Berufsschulen, Trainings/Ausbildungen an. Die Einschreibung an Bildungseinrichtungen können Rückkehrer/innen beim Ministerium für Rückkehr beantragen. Diese verweisen Rückkehrer/innen an die Bildungsabteilung in Kabul (Marif Shahr); danach werden die Rückkehrer/innen in jenen Bildungseinrichtung eingeschrieben, deren nachgewiesenem Bildungsniveau sie entsprechen. Um ausländische Abschlüsse anzuerkennen, sollten relevante Unterlagen (Zeugnisse, Diploma oder Abschlüsse) an das Ministerium für ausländische Angelegenheiten geschickt werden. Unter der Bedingung, dass diese Unterlagen zuvor vom Ministerium für ausländische Angelegenheiten im Gastland geprüft wurden, wird das Ministerium die Unterlagen akzeptieren. Danach werden die Unterlagen an das Ministerium für höhere Bildung weitergeleitet. Im Anschluss werden die vom Ministerium anerkannten Kopien der Unterlagen an den Inhaber zurückversandt (IOM 2016).

 

Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen

 

Laut UNHCR handelt es sich bei afghanischen UMF allgemein um männliche unbegleitete Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, die so eine Reise auf sich nehmen – motiviert werden sie aus unterschiedlichen Gründen. Diese zusammenhängenden Faktoren inkludieren Armut, Unsicherheit, inadäquate Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, sowie Erwartungshaltung von Familie und Peergruppe. Sowohl aus Gegenden mit einer geringen Zahl an entsandten Kindern, als auch aus Gegenden mit einer hohen Zahl entsandter Kinder, waren europäische Länder typischerweise das gewünschte Ziel. Der Iran wurde teilweise als Zwischenstation ausgewählt, da dort lebende Familienmitglieder und Verwandte helfen konnten Arbeit zu finden. Die Hauptabreiseorte waren Herat, Islam Qala [Anm.: im Westen von Herat] und Nimroz. Es ist allgemein bekannt, dass Schmuggelnetzwerke für diese Reise verwendet werden (UNHCR 12.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Beilage A zum Verhandlungsprotokoll)

 

Laut UNHCR können folgende Asylsuchende aus Afghanistan, abhängig von den im Einzelfall besonderen Umständen, internationalen Schutz benötigen. Diese Risikoprofile sind weder zwangsläufig erschöpfend, noch werden sie der Rangfolge nach angeführt:

 

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

 

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;

 

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;

 

(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;

 

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;

 

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;

 

(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

 

(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;

 

(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;

 

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

 

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;

 

(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;

 

(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;

 

(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und

 

(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige).

 

(UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender, Beilage B zum Verhandlungsprotokoll)

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde Ende 2001 in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich der Hazara an der staatlichen Macht beteiligt werden müssen. So haben die Hazara und andere schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Hazara namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgehende Befehlsbefugnisse und befehligt derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara im Rahmen der staatlichen Authorität.

 

Diese Gebiete sind: Bamiyan, Daykundi, die Distrikte Jaghuri, Malistan, Nawur, Jaghatu, Teile von Qarabagh usw. in der Provinz Ghazni, die Hazara-Wohnbezirke in Mazar-e Sharif und einige Distrikte der Provinzen Samangan, wie Dara-e Suf, Hazara-Siedlungsgebiete in der Provinz Sara-e Pul und in der Provinz Balkh, sowie die von Hazara bewohnten Distrikte und Dörfer in der Provinz Maidan Wardak, vor allem Hessa-i-Awal-i Behsud, Behsud-i Markazi und Daymirdad. Die Hazara sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Sie betreiben mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Land. Sie stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes, weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitigen Möglichkeiten besser wahrnehmen.

 

Die Hazara und andere Schiiten haben in Großstädten wie in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungseinrichtungen für die schiitische Islam-Lehre. Diese werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazara als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in vollem Umfang schiitische Rituale, wie den wichtigsten Feiertag, Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozessionen auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und in anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur in ihren Moscheen unter sich gefeiert. ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazara bzw. Schiiten und sind mit den sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazara an der Staatsgewalt maßgebend beteiligt. Sie waren bis zum Sturz des Taliban-Regimes im Jahre 2001 in diesem Ausmaß in Afghanistan nie an der staatlichen Macht beteiligt.

 

Sie sind nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt, sondern sie stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in ihren Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Mit ihrer neuen Stellung, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihren Möglichkeiten befinden sich die Hazara in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle. Sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihren Möglichkeiten im Rahmen des Staates zu verteidigen. Allerdings kommt es vor, dass immer wieder Taliban auf den Hauptstraßen zwischen den Provinzen im Süden, Westen und auf dem Weg nach Maidan Wardak und Bamiyan Reisebusse anhalten und bestimmte Reisende mitnehmen. Die meisten dieser Geiseln auf diesen Strecken sind Hazara. In den Jahren 2013 bis 15 ist es mehrere Male vorgekommen, dass auf dieser Strecke Hazara aus den Reisebussen gezerrt und mitgenommen worden sind. Einige von ihnen wurden freigelassen, dutzende wurden getötet. Diese Aktionen der Taliban gegen die Hazara richten nicht nur gegen die Hazara, sondern die Taliban töten und entführen auch Paschtunen, Usbeken und Tajiken. Bei jeder dieser Aktion erwecken die Taliban den Anschein, als wäre sie nur gegen die jeweilige Volksgruppe, deren Mitglieder sie gerade entführt und getötet haben, gerichtet. Die Hauptroute von Kabul über den Salang-Pass nach Norden, Baghlan - Mazar-e Sharif - Kunduz, wird hauptsächlich von Paschtunen, Tajiken und Usbeken befahren. Die Strecke zwischen Baghlan und Kunduz ist sehr gefährlich und die Reisenden versuchen, bis 14 Uhr die Strecke Baghlan nach Kunduz zu passieren, weil nachmittags die Taliban die Route immer wieder kurzfristig unter ihre Kontrolle bringen. Sie zerren willkürlich Personen aus Reisebussen und Taxis und nehmen sie als Geiseln mit. Einige dieser Personen werden von den Taliban später getötet. Dies sind Großteils Tajiken und Usbeken. Die meisten von den Taliban kontrollierten Gebiete in Afghanistan werden von Usbeken, Paschtunen und Tajiken bewohnt. In diesen Gebieten werden die Menschen willkürlich bestraft und Personen, die einmal für die Regierung gearbeitet haben, geraten unter die Verfolgung und Unterdrückung der Taliban. Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazara wohnen, werden von diesen kontrolliert. Sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten. Aber Distrikte, wie Gisab in Uruzgan und Nirkh in Maidan Wardak, die auch von Paschtunen bewohnt werden, sowie einige Dörfer, die in den mehrheitlich von Paschtunen oder Usbeken bewohnten Gebieten liegen, werden nicht von den Hazara-Parteien kontrolliert. Manche dieser Gebiete werden immer wieder von den Taliban kurzfristig kontrolliert.

 

Die Taliban sind Anhänger der arabischen Fundamentalisten, allen voran Saudis, die gegen den Iran und damit gegen die Schiiten eingestellt sind. Daher kommt es immer wieder vor, dass die Taliban ihre Opfer, wenn sie Schiiten sind, zur Schau stellen. Aber sie bringen mehr Paschtunen und Usbeken um, deren Gebiete sie leicht unter ihre Kontrolle bringen können. In diesen Gebieten kommt es häufig vor, dass die Taliban willkürlich Menschen verfolgen, töten und die Jugendlichen, wenn sie benötigt werden, rekrutieren. Eine Zwangsrekrutierung seitens der Taliban ist dort möglich, wo sie vorherrschen.

 

Diese Gebiete liegen in den von Paschtunen und Uzbeken bewohnten Provinzen, wie Nangarhar, Kandahar, Kunar, Kunduz, Faryab, Helmand usw. Wenn die Jugendlichen sich nicht dort befinden oder sich der Zwangsrekrutierung der Taliban entziehen und in Großstädte oder ins Ausland flüchten, werden sie von den Taliban nicht weiter gesucht. Allerding können diese Jugendlichen nicht mehr in ihre Heimatregion zurückkehren, wenn die Taliban weiterhin dort vorherrschend sind. Zwangsrekrutierung ist nicht weit verbreitet, weil viele Jugendliche aus Gründen der Arbeitslosigkeit und ethnischer Solidarität sich den Taliban anschließen. Auch gibt es Regionen deren Bevölkerung aus Gründen der Paschtunwali - dem Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen - es in "Krisenzeiten" für notwendig erachtet, den Taliban freiwillig Soldaten bereit zu stellen. Die meisten Opfer der Taliban sind von 2013 bis Februar 2016 in den von Paschtunen bewohnten Provinzen, Kandahar, Nangarhar, Kunar, Helmand, Logar, Wardak und in den Provinzen Kunduz, Faryab, Baghlan und Badakhshan zu verzeichnen, wo hauptsächlich Usbeken, Tajiken und Paschtunen wohnen. Die Taliban haben im Oktober 2015 die Stadt Kunduz eingenommen und haben in wenigen Tagen den UNO-Berichten zufolge mehr als 800 Menschen getötet. Die getöteten Zivilisten waren Tajiken und Usbeken. Derzeit werden die meisten Distrikte von Nangarhar von den Taliban kontrolliert und von ihnen werden immer wieder Massaker an der Zivilbevölkerung verübt.

 

(Beilage C zum Verhandlungsprotokoll)

 

Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur jeweiligen Person der Beschwerdeführer ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des BF 1 und der BF2, zumal insoferne keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, dass diese Umstände nicht den Tatsachen entsprechen würden.

 

Die allgemeine Lage ergibt sich aus den Beilagen zum Verhandlungsprotokoll. Die Beschwerdeführer verzichteten auf die Abgabe einer Stellungnahme. Bei Beilage A zum Verhandlungsprotokoll handelt es sich zudem um einen Bericht der Staatendokumentation, der eine Vielzahl von verschiedenen Berichten zusammenfasst und daher ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Afghanistan zeigt.

 

Nicht festgestellt werden konnte hingegen, dass der BF1 eine konkrete Verfolgung auf Grund dessen, dass er mit einem paschtunischen Mädchen eine Beziehung gehabt habe, fürchten müsse, da sich dieses Vorbringen als unglaubwürdig erwies. So zeigte schon das BFA zutreffend auf, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung nicht einmal ansatzweise einen derartigen Sachverhalt geltend machte, was aber, auch unter Berücksichtigung, dass es sich bei der Erstbefragung nicht um eine tiefergehende Befragung zu den Fluchtgründen handelt, zu erwarten gewesen wäre. Erhärtet wurde dies insoferne, als der BF1 nach seinen Angaben in der Erstbefragung von 1996 bis 2002 die Schule besucht habe, er nach dem von ihm selbst im Zuge der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Lebenslauf ebenfalls von 1996 bis 2002 die Schule besucht habe, wogegen nach seiner Schilderung der Geschehnisse sein Vater beim Vater seiner Freundin gearbeitet habe und der Beschwerdeführer, nachdem er die Schule beendet habe, seinem Vater fortan dort geholfen habe, die Beziehung zu seiner paschtunischen Freundin habe ca. sechs bis sieben Monate angedauert und danach habe er sofort Afghanistan verlassen, sodass demgemäß er viel später in die Schule gegangen wäre, sodass er befragt beim Bundesverwaltungsgericht aussagte, dass er am Anfang der Schule ca. neun oder zehn Jahre alt gewesen sei, er habe bis ein Jahr vor seiner Ausreise in den Iran die Schule besucht. Ist es einerseits auch in Afghanistan nicht naheliegend, dass der Beschwerdeführer erst mit neun oder zehn Jahren begonnen habe, die Schule zu besuchen, so widerspricht diese Aussage, wie ausgeführt, eindeutig seinen Aussagen in der Erstbefragung und im Lebenslauf, sodass auch schon insoferne sein Vorbringen betreffend eine konkrete Bedrohungssituation in Afghanistan sich nicht als glaubwürdig erweist. Im Zuge der Verhandlung wurde zwar ausgeführt, dass es bei Erstbefragungen Usus der Befragenden sei, sich von den Zeitangaben der Asylwerber selbständig europäische Daten auszurechnen, obwohl keine genauen Daten von den Asylwerbern genannt worden seien, doch ist dem entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer seine Schuldaten nicht nur in der Erstbefragung von 1996 bis 2002 angab, sondern auch im vorgelegten Lebenslauf und es auch plausibler ist, dass er in dieser Zeit die Schule besucht hat, im Hinblick darauf, wann in Afghanistan grundsätzlich die Schule beginnt. Des Weiteren behauptete der Beschwerdeführer, dass er nach der Schule bloß seinem Vater beim Vater seiner paschtunischen Freundin geholfen habe, weiters habe er in Afghanistan nicht gearbeitet, wogegen er in seinem Lebenslauf anführte, dass er von 2003 bis 2006 als Bauarbeiter und Maler in Ghazni tätig gewesen sei, woran sich ebenfalls erweist, dass sein nachgeschobenes Vorbringen, dass er wegen einer Beziehung zu einer Paschtunin bedroht werde, nicht den Tatsachen entspricht. Zudem widerspricht dies auch seiner Aussage, dass er bis ein Jahr vor seiner Ausreise in den Iran die Schule besucht habe. Der Beschwerdeführer behauptete zwar, dass er seinem Berater nur gesagt habe, dass er im Iran sieben oder acht Jahre auf Baustellen gearbeitet habe, vielleicht sei es falsch aufgeschrieben worden, doch kann nicht angenommen werden, dass dies von seinem Berater erfunden worden wäre, sondern ist vielmehr davon auszugehen, dass dies der Wahrheit entspricht, wogegen sein Vorbringen zu einer konkreten Bedrohungssituation in Afghanistan demgegenüber falsch ist. Schließlich kann auch nicht angenommen werden, dass seine Freundin vor ihrem Vater behauptet, dass sie vom BF1 vergewaltigt worden sei, obwohl dies gar nicht der Fall ist, da seine Freundin diesfalls selbst mit schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen hätte (vgl. die obigen Feststellungen zu Frauen, etwa: "Mädchen unter 18 Jahren sind auch weiterhin dem Risiko eines Ehrenmordes ausgesetzt, wenn eine außereheliche sexuelle Beziehung angenommen wird, wenn sie vor Zwangsverheiratung davonlaufen oder Opfer eines sexuellen Übergriffs werden."). Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht plausibel, dass die Schwester der Freundin des BF1 die Familie des BF1 gewarnt hätte (vgl. dazu die obigen Feststellungen zu Frauen in Afghanistan).

 

Insgesamt betrachtet liegen jedenfalls derart viele Ungereimtheiten im Vorbringen des BF1 vor, sodass das Vorbringen des BF1 im Zusammenhang mit der behaupteten Beziehung zu einer Paschtunin nicht den Tatsachen entsprechen kann.

 

Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass die BF2 seit ihrer Einreise in Österreich im September 2015 eine "westliche" Lebensführung bzw. eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde.

 

So geht aus dem im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck der BF2 nicht hervor, dass diese in irgendeiner Art und Weise eine "westliche" Lebensweise bereits verinnerlicht hat.

 

Die Beschwerdeführerin hat von 1998 bis 2004 die Schule besucht, im Iran war sie zuletzt als Hausfrau tätig, im Bundesgebiet hat die Beschwerdeführerin einen Deutschkurs auf Niveau A1 besucht und bestanden, es sei dann das Kind gekommen und sie habe nicht weitertun können. Dadurch, dass die BF2 durch die Absolvierung eines Deutschkurses auf Niveau A1 bereits einen Wandel ihrer Lebensweise vollzogen hätte, kann nicht ausgegangen werden. Der behauptete Wunsch, auf eigenen Beinen stehen und einen Job finden zu wollen, der sich bislang nur im Besuch eines Deutschkurses auf Niveau A1 abbildet, lässt aber noch nicht erkennen, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich einen Wertewandel durchgemacht hätte, der es ihr unzumutbar machen würde, in Afghanistan zu leben. Die Beschwerdeführerin war auch im Iran nach eigenen Angaben bloß als Hausfrau tätig, obwohl in der Beschwerde vorgebracht wurde, dass das Leben im Iran westlicher und liberaler sei, sodass sich auch insoferne der Wunsch der BF2, ein Leben nach westlichen Werten zu führen, nicht mit den bisherigen Handlungsweisen der BF2 in Einklang bringen lässt.

 

Gemäß den Ausführungen der BF2 trägt diese seit ihrer Einreise in Österreich kein Kopftuch, doch stellt dieser Umstand für sich alleine gesehen noch kein ausschlaggebendes Motiv für eine "westliche Orientierung" dar. Auch wenn dies einen Aspekt "westlicher Lebensweise" darstellt, so stellen die oben gewürdigten Aspekte, die die tatsächlich von der BF2 gelebten Umstände widerspiegeln, bedeutsamere Merkmale einer – letztlich inneren – Geisteshaltung dar als die plakativ nach außen wahrnehmbare Art der Bekleidung.

 

Insgesamt betrachtet lässt sich jedenfalls, auch wenn die BF2 in ihren Aussagen eine westliche Orientierung dartun will, nicht ableiten, dass die BF2 tatsächlich eine derartige westliche Orientierung bereits verinnerlicht habe.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A):

 

Zuständigkeit:

 

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

 

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen Bescheide des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

 

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

§ 34 Asylgesetz lautet:

 

(1) Stellt ein Familienangehöriger von 1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; 2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder 3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn 1. dieser nicht straffällig geworden ist; 2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und 3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn 1. dieser nicht straffällig geworden ist; 2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist; 3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

 

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Asylgerichtshof.

 

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden: 1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind; 2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

 

§ 16 Abs. 3 BFA-VG lautet:

 

Wird gegen einen zurückweisenden oder abweisenden Bescheid im Familienverfahren gemäß dem 4. Abschnitt des 4. Hauptstückes des AsylG 2005 auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Beschwerde erhoben, gilt dies auch als Beschwerde gegen die die anderen Familienangehörigen (§ 2 Z. 22 AsylG 2005) betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich. Allen Beschwerden gegen Entscheidungen in Familienverfahren kommt aufschiebende Wirkung zu, sobald zumindest einer Beschwerde im selben Familienverfahren aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie für den gesetzlichen Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

Betreffend das Vorbringen des BF1, er sei in Afghanistan einer Verfolgung durch die Familie seiner damaligen Freundin ausgesetzt, ist auf die obigen Ausführungen zur Beweiswürdigung hinzuweisen, wonach dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist, weswegen es auch nicht festzustellen war, was es einer rechtlichen Beurteilung entzieht.

 

Hinsichtlich der BF2 als afghanischer Frau ist im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage von Frauen in Afghanistan festzuhalten, dass sich jedenfalls keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben haben, dass alle afghanischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würden, Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass sich – laut jüngsten Länderberichten – die Situation der Frauen seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert hat und "außer Frage" steht, dass ein gewisser Fortschritt gemacht wurde (vgl. obige Feststellungen).

 

Bezogen auf Afghanistan führt die Eigenschaft des Frau-Seins an sich gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht zur Gewährung von Asyl. Lediglich die Glaubhaftmachung einer persönlichen Wertehaltung, die sich an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert, wird als asylrelevant erachtet.

 

In diesem Zusammenhang führte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12.06.2015, Zl. E 573/2015-9, aus:

 

"Die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten hängt davon ab, mit welchen Konsequenzen die Asylwerberin aufgrund ihrer Haltung im Herkunftsstaat zu rechnen hat und ob diese als Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sind. Nach einer Stellungnahme des UNHCR von Juli 2003 sollten afghanische Frauen, von denen angenommen wird, dass sie soziale Normen verletzen oder dies tatsächlich tun, bei der Rückkehr nach Afghanistan als gefährdet angesehen werden. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden sei, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (zur Indizwirkung dieser konkreten Empfehlung VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182 mwN). Daraus leitet der VwGH ab, dass einer afghanischen Frau Asyl zu gewähren ist, wenn der von ihr vorgebrachte "westliche Lebensstil" in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommene oppositionelle Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung droht. Es komme aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf an, ob sich eine Asylwerberin den gesellschaftlichen Normen ihres Heimatstaates anzupassen hat oder nicht (VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994; 16.01.2008, 2006/19/0182)."

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH vom 28.05.2014, 2014/20/0017-0018). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer bedrohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (VwGH 22.03.2017, 2016/17/0388).

 

Wie oben ausgeführt, konnte im Fall der BF2 jedoch nicht festgestellt werden, dass diese seit ihrer Einreise nach Österreich im September 2015 eine Lebensweise angenommen habe, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde, somit eine "westliche" Lebensführung angenommen habe. Den bisherigen Aktivitäten bzw. der Lebensweise der BF2 seit ihrer Einreise ist nicht zu entnehmen, dass diese einen "westlichen", selbstbestimmten Lebensstil pflegt. Auch eine entsprechende innere Wertehaltung konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Infolgedessen verletzte die BF2 mit ihrer Lebensweise die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan nicht in einem Ausmaß, dass ihr bei einer Rückkehr (unter Beibehaltung des derzeitigen Lebensstils) eine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde. Soweit in Afghanistan vorherrschende Kleidungsvorschriften ins Kalkül zu ziehen sind, kam im Verfahren nicht hervor, dass allein die Bekleidung der BF2 wesentlicher Teil ihrer Identität geworden ist.

 

Schließlich bestehen keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für die Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass die Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten hätten.

 

Die Beschwerdeführer gaben zwar an, dass sie der Volksgruppe der Hazara angehören und schiitischen Bekenntnisses seien, doch ist nach den diesbezüglichen Feststellungen zwar eine in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara gegeben, die jedoch nicht ein Ausmaß erreicht, dass davon ausgegangen werden könnte, dass bereits jeder der dort lebenden schiitischen Hazara mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu fürchten hätte.

 

Zudem ist auf die Feststellungen zum bisherigen Erfolg der Hazara, ihre Siedlungsgebiete militärisch gegen die Taliban zu behaupten, zu verweisen. Weiters ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Hazara nach dem Sturz der Taliban, zu dem sie im Rahmen der Hezb-e Wahdat als Teil der Nordallianz einen nicht unbedeutenden militärischen Beitrag leisteten, im politischen Machtgefüge und im Militär zu den tragenden Säulen des afghanischen Staates zählen. So haben die Hazara im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Angehöriger der Hazara, welcher weitgehende Befehlsbefugnisse hat und derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban befehligt. Auch sind ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten Hazara bzw. Schiiten. Hazara stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in ihren Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Angesichts dieser umfangreichen Verankerung der zumeist schiitischen Hazara in den politischen und militärischen Machtstrukturen des Staates und der Effektivität der Hazara ihre Siedlungsgebiete militärisch gegen regierungsfeindliche Gruppierungen zu behaupten, kann eine Gruppenverfolgung, die sich gegen die schiitischen Hazara richten würde, jedenfalls in Siedlungsgebieten der Hazara, trotz woanders noch bestehender gesellschaftlicher Diskriminierung, nicht angenommen werden. (vgl. zu alldem BVwG 02.05.2016, Zl. 2012211-1/32E)

 

Schwierige Lebensbedingungen vermögen aber keine konkrete Verfolgungsgefahr betreffend die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan aufzuzeigen. Dass aber bereits jeder Hazara, der in Afghanistan wohnt, es halten sich ca. 2,8 Millionen Hazara derzeit in Afghanistan auf, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von asylrelevanter Verfolgung bedroht wäre, ergibt sich aus den Feststellungen nicht (vgl. EGMR 05.07.2016, Fall A.M. gegen die Niederlande, Nr. 29094/09, in dem er eine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan nicht erkannte).

 

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach den Feststellungen seit Jänner 2016 mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt sind (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017). Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Gefährdung von Afghanen, nur aufgrund des Umstandes, dass sie sich im Ausland aufgehalten haben, lässt sich aber den Feststellungen nicht entnehmen.

 

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.).

 

Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMAK verstoßen würde, unter Bezugnahme auf die Urteile des EGMR jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande S. D. M. Nr. 8161-07; A. G. R. Nr. 13442-08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25-077/06; S. S., Nr. 39575/06; M. R. A. ua., Nr. 46856-07. (vgl. auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096).

 

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass die Beschwerdeführer in ihrer Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wären, ist die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht zu beanstanden.

 

Zum Familienverfahren:

 

Da keinem der Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist auch im Rahmen des Familienverfahrens insoferne nichts für die Beschwerdeführer zu gewinnen.

 

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

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