BVwG W226 2126260-1

BVwGW226 2126260-121.2.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W226.2126260.1.00

 

Spruch:

W226 2126260-1/11E

W226 2126254-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX ,

2.) XXXX , geb. XXXX , alle StA: Ukraine ,gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.) 11.04.2016, Zahl:

1051469607-150142797, 2.) 11.04.2016, Zahl: 1051469705-150142805, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005, §§ 57 und 55 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die beiden Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben Staatsangehörige der Ukraine und der russischen Volksgruppe zugehörig, reisten am 06.02.2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem die Erstbeschwerdeführerin (BF1) sogleich durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt wurde.

Verkürzt wiedergegeben schilderte sie dabei ukrainische Staatsbürgerin zu sein. Sie stamme aus der Stadt XXXX , Gebiet XXXX . In der Ukraine herrsche Bürgerkrieg, die russische Armee bombardiere die Stadt ständig. Sie sei von bewaffneten Männern nach dem geschiedenen Mann gefragt worden, wo er sei und auf welcher Seite er kämpfe. Der Sohn habe ständig geweint, sie sei bedroht worden, getötet zu werden.

Am 16.02.2016 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA, Regionaldirektion Salzburg niederschriftlich einvernommen.

Die Beschwerdeführerin schilderte bei dieser Gelegenheit, dass ihre Angaben in der Erstbefragung richtig gewesen seien.

Sie sei seit dem Jahr XXXX geschieden, sie habe aber keine Unterlagen dazu, denn die Unterlagen seien am Gericht in XXXX geblieben. Sie habe zuletzt in ihrer Heimatstadt als Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft gearbeitet, die Eltern seien bereits verstorben. Sie habe in XXXX in einer Mietwohnung gelebt, sie sei Staatsbürgerin der Ukraine. Einen ukrainischen Reisepass habe sie nicht vorzulegen, sie habe nie einen gehabt. Bei der Erstbefragung habe sie gemeint, dass sie einen Inlandspass gehabt habe, dieser sei verloren gegangen. Im Fall der Rückkehr in die Ukraine könne sie nicht mehr an der Wohnadresse oder bei Verwandten wohnen, auch in Österreich habe sie aber keine Familienangehörigen. Zum Fluchtweg könne sie nichts Konkretes angeben, sie wisse nur, dass sie ein paar Mal angehalten hätten, um auf die Toilette zu gehen. Auf einem kleinen Markt in ihrer Heimatstadt hätten zwei Männer zu ihr gesagt, dass sie für 1.500 US-Dollar die Erstbeschwerdeführerin und den Sohn nach Europa bringen würden. Dann habe sie den Schmuck verkauft, mit diesem Geld und dem ersparten Geld habe sie die Flucht finanziert. Damals seien viele auf der Flucht gewesen, sie habe erfahren, dass diese Männer auf dem Markt Schleppungen durchführen würden.

Die BF1 schilderte in weiterer Folge, dass im Juni, Juli und August 2014 in der Ukraine der Krieg ausgebrochen sei, in dieser Zeit sei sie mit dem Kind immer zu einem Bunker unterwegs gewesen. Auf diesem Weg habe sie auch den Inlandspass verloren und sei es im Herbst 2014 ruhiger geworden. Im Oktober 2014 sei die neue Regierung an die Macht gekommen und diese habe gesagt, dass sie die Heimatstadt der BF1 kontrollieren werde. Polizisten und Sicherheitsbehörden seien einfach geflüchtet, die Geschäfte seien zu gewesen. Es sei weder Russland noch Ukraine gewesen, die Heimatstadt sei in der Mitte gelegen. Immer habe sie mit der Angst leben müssen und seien im November 2014 zwei Personen in Militäruniform zu ihr in die Wohnung gekommen und hätten nach dem – geschiedenen – Mann gefragt. Die Männer hätten wissen wollen, auf welcher Seite er kämpfe. Die BF1 habe den Männern gesagt, dass sie das nicht wisse und seit einem Jahr nicht mehr mit ihrem Mann zusammenlebe, dass sie geschieden seien, und dass sie nicht wisse, was der geschiedene Mann mache. Sie sei von einem dieser zwei Männer mit einer Pistole bedroht worden, er würde sie töten, sollte sie nicht die Wahrheit sagen. Dies habe sich mehrmals wiederholt und einmal hätten sie ihr sogar ins Gesicht geschlagen, vor den Augen des BF2. Bis heute habe die BF1 deshalb Angst, BF2 habe mit seinen Spielsachen nach diesen Männern geworfen. Sie habe deshalb entschieden, zu fliehen, um das gemeinsame Leben zu schützen. Sie wolle, dass ihr Kind ein ruhiges und normales Leben führe. Der BF2 habe angefangen zu stottern und sie habe befürchtet, dass es schlimmer werden könne.

Auf die Frage, warum sie nicht mit dem BF2 in einen westlicheren, sicheren Teil der Ukraine gezogen sei, dort hätte sie auch keine sprachlichen Probleme, führte die BF1 aus wie folgt: "Ich habe mich für Europa entschieden. Europa ist sicherer als die Ukraine. Ich habe alles an Goldschmuck verkauft und bin geflohen." In der Ukraine habe sie sich niemals politisch betätigt und sei auch niemals Mitglied einer Partei gewesen. Zu wem konkret die beiden uniformierten Männer gehört hätten, das wisse sie nicht, sie habe auch nicht danach gefragt, dies sei zu gefährlich gewesen. Abgesehen von den bisherigen Schilderungen habe sie keine weiteren Befürchtungen.

Darüber hinaus führte die Beschwerdeführerin zu ihrem sozialen Umfeld in Österreich aus, sie würde gerne in der Altenpflege arbeiten. Dies deshalb, weil sie die verstorbenen Eltern sehr vermisse, diese Arbeit würde ihr helfen, über diesen Schmerz hinwegzukommen.

Die BF1 führte nochmals aus, sich niemals in der Ukraine politisch betätigt zu haben, sie sei auch niemals strafgerichtlich verurteilt worden, habe niemals mit Verwaltungsbehörden Probleme gehabt. Es hätten auch keine Übergriffe gegen ihre Person stattgefunden, sie sei auch niemals wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer gezielten Verfolgung ausgesetzt gewesen. Auch sonst habe sie niemals Probleme mit ukrainischen Behörden oder der Polizei gehabt.

Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des BFA vom 11.04.2016 wurde jeweils unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 06.02.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Ukraine abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Im Bescheid betreffend BF1 wurde die Identität der Beschwerdeführerin nicht festgestellt, sie sei jedoch Staatsbürgerin der Ukraine.

Die belangte Behörde traf umfangreiche Feststellungen zur Ukraine. Bezüglich der Person der Erstbeschwerdeführerin stellte die belangte Behörde fest, dass diese geschieden und die Mutter des BF2 sei. Sie sei gesund und leide weder an einer psychischen noch an einer lebensbedrohlichen Erkrankung.

Sie sei eine arbeitsfähige Frau und habe eine Schulausbildung. Den Lebensunterhalt könne sie durch eigene Arbeitsleistung bestreiten.

Die belangte Behörde zweifelte an den Angaben der BF1, hätte die BF1 doch innerhalb der Ukraine den Wohnsitz ändern können.

In rechtlicher Hinsicht vermeinte die belangte Behörde, dass eine asylrelevante individuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin nicht vorliege. Spruchpunkt II. wurde dahingehend begründet, dass in der gesamten Ukraine derzeit keine extreme Gefährdungslage herrsche, durch die praktisch jeder Bewohner im Falle einer Rückkehr einer Verletzung der durch Artikel 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Die Beschwerdeführerin sei gesund und arbeitsfähig. Zu Spruchteil III. führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin keine Verwandten in Österreich habe, somit sei kein Eingriff in das Familienleben gegeben. Sie sei erst kurze Zeit im Bundesgebiet, sei illegal eingereist, habe den Großteil des Lebens in der Ukraine verbracht.

Auf Grund einer Gesamtabwägung der Interessen ergebe sich, dass der Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin gerechtfertigt sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Bezüglich des BF2 erging eine gleichlautende Entscheidung im Familienverfahren.

Gegen diesen Bescheid hat die Erstbeschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 20.10.2016 wurde die BF1 im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung neuerlich zu den Fluchtgründen befragt, Länderberichte zur Ukraine wurden dabei erörtert und erstattete die BF1 über die nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung eine abschließende Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Beschwerdeführer, beinhaltend die niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA, die vorgelegten Dokumente bzw. Unterlagen und die Beschwerde vom 09.05.2016, sowie die Beschwerdeverhandlung vom 20.10.2016 und die Stellungnahme vom 11.11.2016.

1. Feststellungen:

Feststellungen zu den Beschwerdeführern:

Die Beschwerdeführer sind nach eigenen Angaben Staatsangehörige der Ukraine. Sie sind Angehörige der russischen Volksgruppe. Genauere Feststellungen sind in Ermangelung irgendwelcher personenbezogener Dokumente nicht möglich.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht infolge des Fehlens unbedenklicher Dokumente nicht fest.

Nicht festgestellt werden kann, dass den Beschwerdeführern in der Ukraine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität – oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität – in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet wären, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer – auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Beeinträchtigungen – an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche eine Rückkehr in die Ukraine iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Derartiges wurde auch nicht behauptet.

Die Beschwerdeführer halten sich nach illegaler Einreise seit Februar 2015 durchgehend im Bundesgebiet auf, beziehen Leistungen aus der Grundversorgung.

Eine Mitgliedschaft in einem Verein, Aus-, Fort- oder Weiterbildungen oder eine ehrenamtliche Tätigkeit wurden nicht vorgetragen.

Die Beschwerdeführer sind unbescholten.

Im Herkunftsstaat hat die BF1 bis zur Ausreise gearbeitet, sie verfügt über eine Ausbildung.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer (laut aktuellem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation):

1. Politische Lage

Die Ukraine befindet sich in einer schwierigen Umbruchsituation, die einerseits durch die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland und den Konflikt in der Ost-Ukraine, andererseits durch Reformbemühungen geprägt ist. Die Präsidentschaftswahlen am 25.05.2014 konnten mit Ausnahmen von Teilen der Ostukraine und der Krim in der ganzen Ukraine ohne nennenswerte Auffälligkeiten durchgeführt werden. Petro Poroschenko ging mit 54,7% im ersten Wahlgang als klarer Sieger hervor. Julia Tymoschenko erreichte mit 12% den zweiten Platz. Am 07.06.2014 wurde Petro Poroschenko als Präsident vereidigt, am 26.10.2014 das Parlament neu gewählt. Ministerpräsident Jazenjuk führt seitdem eine Regierungskoalition aus fünf Parteien (AA 05.2015).

Am 27.11.2014 trat das neugewählte Parlament erstmals in Kiew zusammen. Der neuen Regierungs-Koalition gehören unter anderem der Block von Präsident Petro Poroschenko und die Volksfront von Jazenjuk an. Neuer Parlamentspräsident ist der bisherige VizePremier Wolodimir Groisman. In der Obersten Rada säßen vorerst nur 418 von ursprünglich 450 Abgeordneten. Die übrigen Plätze blieben frei, weil Teile der umkämpften Ostukraine sowie die im März von Russland einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim an der Wahl nicht teilnehmen konnten (Presse 27.11.2014).

Die Ukraine-Beauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Heidi Tagliavini, legt ihr Amt nieder. Zu den konkreten Beweggründen der Schweizer Spitzendiplomatin, die zwischen den Konfliktparteien vermittelte, machten die OSZE und das Außenministerium in Bern keine Angaben. In diplomatischen Kreisen wurde auf den bisher schwersten Bruch der im März 2015 vereinbarten Waffenruhe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und pro-russischen Rebellen in der zurückliegenden Woche verwiesen. Zudem sei eine weitere Gesprächsrunde zwischen den Konfliktgegnern ergebnislos beendet worden (Standard 7.6.2015).

In Kiew kommt es immer wieder zu Protesten vor allem mit sozialen Forderungen. Die prowestliche Führung, die nach gewaltsamen Massenprotesten auf dem Maidan im vergangenen Jahr an die Macht gekommen war, wirft den Demonstranten vor, von russischen Geheimdiensten gesteuert und bezahlt zu sein. Auf Flugblättern war von einem "Maidan 3.0" die Rede - nach den beiden prowestlichen Massenprotesten 2004/2005 und 2013/2014 (Standard 8.6.2015).

Präsident Poroschenko ficht in Kiew allerdings bei weitem nicht nur mit Kremlchef Putin, sondern auch gegen aktuelle und ehemalige Mitglieder der eigenen Führungsspitze. Dabei spitzt sich hinter den Kulissen derzeit besonders der Konflikt mit dem Oligarchen und ExGouverneur von Dnepropetrowsk Ihor Kolomoisky zu. Nachdem Poroschenko zuletzt dessen Vertrauten Igor Paliza als Gouverneur von Odessa entlassen und den Posten mit Michail Saakaschwili besetzt hatte, revanchierte sich Kolomoisky mit einem Überfall rechter Schläger auf die Gay-Parade in Kiew, um Poroschenko im Westen zu diskreditieren (Standard 10.6.2015).

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik node.html, Zugriff

10.6.2015

http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen152.pdf

Premier,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4606103/Ukrainisches-

Parlament-waehlt-erneut-Jazeniuk-zum-Premier?from=suche.intern.portal.

Zugriff

10.6.2015

http://derstandard.at/2000017079596/Ukraine-Beauftragte-der-0SZE-gibt-auf?ref=rec , Zugriff 10.6.2015

11.6.2015

11.6.2015

2. Sicherheitslage

Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 rissen pro-russische Separatisten in einigen Gebieten der Ost-Ukraine die Macht an sich und riefen unterstützt von russischen Staatsangehörigen die "Volksrepublik Donezk" und die "Volksrepublik Luhansk" aus. Der ukrainische Staat begann daraufhin eine sogenannte Antiterroroperation (ATO), um die staatliche Kontrolle wiederherzustellen. Bis August 2014 erzielten die ukrainischen Kräfte stetige Fortschritte, seitdem erlitten sie jedoch zum Teil schwerwiegende Verluste bedingt durch militärische Unterstützung der Separatisten aus Russland (AA 05.2015a).

Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU- Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützte die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine. Diese Unterstützung wird bis in die Gegenwart fortgesetzt (AA 05.2015b).

Mit seiner Unterschrift kündigte Präsident Poroschenko die letzten bilateralen Sicherheitsabkommen mit Russland auf. Beendet werden damit per sofort ein Verteidigungsbündnis, zwei Verträge über die Zusammenarbeit der Militärgeheimdienste sowie zwei Transitverträge für russische Truppen. Besonders die Auflösung des Vertrags über den Landtransport russischer Soldaten und von deren Familien in die Republik Moldau wiegt für Moskau schwer. Der Vertrag regelte die Versorgung der 14. Russischen Armee, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Tiraspol, der «Hauptstadt» der selbsternannten Republik Transnistrien, stationiert ist (NZZ 9.6.2015).

Auf der russisch besetzten Krim und in den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Ostukraine waren Entführungen und Misshandlungen von Gefangenen an der Tagesordnung und betrafen Hunderte von Menschen. Besonders gefährdet waren Vertreter lokaler Behörden, pro-ukrainische politische Aktivisten, Journalisten und internationale Beobachter. Bis Ende 2014 waren im Zuge des Konflikts in der Ostukraine mehr als 4.000 Menschen getötet worden. Zahlreiche Zivilpersonen starben durch wahllosen Beschuss von Wohngebieten, insbesondere durch den Einsatz von ungelenkten Raketen und Mörsergranaten (AI 25.2.2015, vgl. HRW 29.1.2015).

Quellen:

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik node.html, Zugriff

11.6.2015

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik node.html, Zugriff

11.6.2015

https://www.amnesty.de/iahresbericht/2015/ukraine , Zugriff 15.6.2015

3.1. Krimhalbinsel

Die EU und die USA hatte die Annexion der Krim vor einem Jahr als Völkerrechtsbruch verurteilt und Strafmaßnahmen verhängt. Auf der Krim hatten die Menschen in einem international nicht anerkannten Referendum am 16. März (2014) für den Beitritt zu Russland gestimmt. Am 18. März wurde in Moskau die Aufnahme der Halbinsel in die Russische Föderation vertraglich besiegelt (Presse 18.3.2015).

Nach der Annexion der Krim im März 2014 fanden dort russische Gesetze Anwendung, die das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit unterdrückten. Zivilgesellschaftliche Organisationen mussten ihre Arbeit einstellen, weil sie die rechtlichen Anforderungen Russlands nicht erfüllten. Die einheimische Bevölkerung wurde zu russischen Staatsbürgern erklärt. Wer die ukrainische Staatsbürgerschaft behalten wollte, musste die Behörden darüber informieren (AI 25.2.2015).

Quellen:

https://www.amnestv.de/iahresbericht/2015/ukraine , Zugriff 15.6.2015

3.2. Lagebild Ostukraine:

(Quelle: IAC 10.6.2015)

Schwer bewaffnete pro-russische Separatisten kämpfen in der Ost-Ukraine gegen offizielle ukrainische Kräfte und haben sich in den nicht anerkannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk konstituiert. Die Opferzahlen betrugen laut VN-Zählungen im Mai 2015 über 6.100; daneben führte der Konflikt bisher zu rund 1,25 Mio. Binnenflüchtlingen. Unter dem Eindruck einer erneuten Verschärfung des Konflikts und nach langwierigen Verhandlungen auf oberster Ebene im sogenannten Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland) verständigte sich die Kontaktgruppe am 12. Februar 2015 auf das sogenannte Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Absprachen. Der Rückzug schwerer Waffen von der Kontaktlinie kam daraufhin in Gang, wurde jedoch nach OSZE-Beobachtung bisher von keiner Seite vollständig umgesetzt (AA 05.2015).

In der Ostukraine ist trotz des Waffenstillstandsabkommens keine Ruhe eingekehrt, seit Anfang Juni wird wieder mit schweren Waffen gekämpft. Am Dienstag berichteten die Konfliktparteien über Gefechte entlang fast der gesamten Frontlinie. Die aktivsten Kampfhandlungen wurden aus Awdejewka, Horliwka, Krymskoje, Marjinka und Schirokino. gemeldet. Diplomatisch gibt es immerhin eine vorsichtige Annäherung:

Die Rebellen haben neue Vorschläge zur Verfassungsänderung der Ukraine an die Kontaktgruppe geschickt. Einzelne Gebiete mit Sonderstatus oder ihre Vereinigungen sollen unveräußerlicher Bestandteil der Ukraine bleiben. Die Macht in der Region sollen laut diesem Vorschlag aber weiterhin Sachartschenko und das Oberhaupt der "Luhansker Volksrepublik" Igor Plotnizki ausüben (Standard 10.6.2015, vgl. BBC 3.6.2015).

Nach den jüngsten Kämpfen im Donbass hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine massive Aufrüstung im Osten des Landes angekündigt. Mehr als 50.000 Soldaten seien derzeit im Kampfgebiet im Einsatz. Bis zum Jahresende soll die Kampfstärke auf insgesamt 250.000 erhöht werden. Nach einem Angriff prorussischer Separatisten wurde in den vergangenen Tagen auch wieder schweres Kriegsgerät in die Region gebracht. Während sich Kiew und Moskau gegenseitig für die neuerliche Eskalation verantwortlich machen, warnt die EU vor einer Gewaltspirale. Brüssel forderte die Konfliktparteien zum wiederholten Male auf, das Minsker Waffenruheabkommen umzusetzen (Presse 4.6.2015).

Angesichts des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine hat die Regierung in Kiew die Europäische Menschenrechtskonvention in den betroffenen Regionen teilweise ausgesetzt. Eine entsprechende Benachrichtigung traf beim Europarat in Straßburg ein. Demnach garantiert die Regierung in den Regionen Donezk und Luhansk, wo sich die Rebellen Kämpfe mit Regierungstruppen liefern, mehrere Grundrechte nicht mehr. Dazu gehören das Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf ein faires Gerichtsverfahren und auf Schutz des Familienlebens. Kiew begründet die Aussetzung mit einer "bewaffneten Aggression" Russlands gegen die Ukraine. Eine Aussetzung der Menschenrechtskonvention ist vorgesehen, wenn die Sicherheit eines Landes etwa durch einen Krieg oder andere Notsituationen gefährdet ist. Der betroffene Staat muss diese Maßnahme begründen und auch angeben, welche Paragrafen des Abkommens und welche Gebiete davon betroffen sind (Standard 10.6.2015).

Quellen:

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik node.html, Zugriff

11.6.2015

10.6.2015

11.6.2015

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4746993/Ostukraine Kiew-plant-massive- Aufrustung?from=suche.intern.portal, Zugriff 11.6.2015

garantieren,

http://derstandard.at/2000017283292/Kiew-will-in-Kriegsgebiet-

Menschenrechte-nicht-mehr-garantieren, Zugriff 11.6.2015

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, in der Praxis war diese jedoch Gegenstand von politischem Druck, Korruption, Ineffizienz und Mangel an Vertrauen der Öffentlichkeit. In manchen Fällen wirkte der Ausgang von Prozessen vorbestimmt. Korruption ist in Exekutive, Legislative und Judikative und in der Gesellschaft allgegenwärtig. Richter beschwerten sich weiterhin über Verschlechterungen bei der Gewaltenteilung, einige beklagten Druck durch hochrangige Politiker. Lange Verfahrensdauern, speziell vor Verwaltungsgerichten, unzureichende Finanzierung, Mängel bei der Rechtsberatung und die Unfähigkeit der Gerichte Urteile durchzusetzten, waren ebenfalls ein Problem. Die neue Strafprozessordnung vom November 2012 schränkte die Verwendung der Untersuchungshaft ein, reduzierte die Anreize zum Erzwingen von Geständnissen und gab der Verteidigung mehr Verfahrensrechte.

Verfassung und Gesetze garantieren das Recht auf Regress für Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Organe. Allerdings behindert eine ineffiziente und korrupte Justiz die Ausübung dieses Rechts. Einzelpersonen können sich an den parlamentarischen Ombudsmann für Menschenrechte wenden. Nach Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe steht auch der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen. In den ersten 11 Monaten 2013, erließ der EGMR 60 Urteile gegen die Ukraine. Die meisten betrafen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, unangemessen lange Verfahren, Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit, sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (USDOS 27.2.2014).

Der während der Präsidentschaft Janukowitsch zu beobachtende Missbrauch der Justiz als Hilfsmittel gegen politische Mitbewerber und kritische Mitglieder der Zivilgesellschaft hat sich unter den neuen politischen Voraussetzungen nach den revolutionären Entwicklungen des EuroMaidan vom Winter 2013/14 nicht prolongiert. An den strukturellen Unzulänglichkeiten im ukrainischen Justizwesen vermochte aber auch das neue politische Umfeld bislang nichts zu ändern. Richter haben in der Ukraine eine fünfjährige Probezeit zu durchlaufen, bevor sie auf Lebenszeit ernannt werden. Die erstmalige Ernennung zum Richter erfolgt durch den Staatspräsidenten auf Vorschlag des Obersten Justizrats, die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit durch das Parlament. Angesichts der Abhängigkeit des Obersten Justizrats von der Präsidialadministration ist die politische Abhängigkeit von Richtern zumindest während ihrer Probezeit evident. Besondere Besorgnis ruft die gängige ukrainische Haftpraxis sowie die umfassende Abhängigkeit der Richter von der Staatsanwaltschaft hervor. Ukrainische Richter kommen beinahe ausnahmslos den Haftanträgen und den Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Untersuchungshaft nach.

Die Justiz ist selektiv und unfair und verletzt Artikel 18 der Europäischen Menschenrechtskonvention". Richter und Staatsanwälte in der Ukraine hätten kein Verständnis für die Prinzipien der Unschuldsvermutung und der Gleichheit der Parteien vor Gericht. "Nur 0,2% aller Personen, die von der Staatsanwaltschaft angeklagt werden, werden von Gerichten freigesprochen. Das bedeutet, dass die Unschuldsvermutung im wirklichen Leben nicht besteht und das die Rechtsprechung nicht als unparteiische und unabhängige Kontrollinstanz der Exekutive funktioniert." Das Rechtsverständnis ukrainischer Richter und Staatsanwälte sei von sowjetischer Tradition geprägt (ÖB 09.2014).

Im April 2014 wurde seitens des Parlaments ein Gesetz zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Justiz verabschiedet, demzufolge die bisherige Praxis der weitgehenden Unterstellung der Richter unter die Gerichtspräsidenten abgeschafft wurde und diese in weiterer Folge unabhängig von politischen Einflüssen machte. Ein Entwurf einer Justizreformstrategie wurde gemeinsam mithilfe der EU entwickelt (EC 25.3.2015).

Mit der Reform der ukrainischen Strafprozessordnung eng einhergehend ist die Umsetzung des am 2. Juni 2011 verabschiedeten und mit 1. Jänner 2013 in Kraft getretenen Gesetzes über den unentgeltlichen Rechtsbeistand, welches die Liste der potenziellen Nutznießer bedeutend ausweitete und einen umgehenden Rechtsbeistand nach Inhaftierung nach besten europäischen Standards gewährleistet. Seit Inkrafttreten des Gesetzes stehen dafür über 3.000 auf Basis eines Auswahlverfahrens rekrutierte Rechtsanwälte zur Verfügung. Die Strafverfolgungsbehörden haben von sich aus für einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu sorgen, sollte der Inhaftierte außerstande sein, die Kosten seines Rechtsbeistands selbst zu tragen. Sie selbst belastende Aussagen von Inhaftierten, die in Abwesenheit eines Rechtsbeistands getroffen wurden, können im folgenden Gerichtsverfahren nicht gegen sie verwendet werden (ÖB 09.2014)

Quellen:

Neighbourhood Policy in Ukraine Progress in 2014 and recommendations for actions http://www.ecoi.net/file upload/1226 1427898393 ukraine-enp-report-2015-en.pdf, Zugriff 12.6.2015

4. Sicherheitsbehörden

Nach dem Sturz von Wiktor Janukowytsch versprach die neue Regierung öffentlich, man werde diejenigen strafrechtlich verfolgen, die für Tötungen und Misshandlungen von Protestierenden auf dem Maidan verantwortlich seien. Doch abgesehen von Anklagen gegen die ehemalige politische Führungsriege wurden so gut wie keine konkreten Schritte unternommen. Nur zwei Angehörige der Sicherheitskräfte mussten sich vor Gericht für Folter und andere Misshandlungen im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten verantworten. Es handelte sich dabei um Rekruten niedrigen Ranges aus einer dem Innenministerium unterstellten Einheit. Sie wurden am 28. Mai 2014 wegen "Überschreitung von Befugnissen oder Vollmachten" (Artikel 365 des Strafgesetzbuchs) zu Bewährungsstrafen von drei bzw. zwei Jahren verurteilt (AI 25.2.2015).

Die EU errichtete eine "EU Advisory Mission for Civilian Security Reform Ukraine (EUAM Ukraine)", um die Ukraine bei der Reform ihres zivilen Sicherheitssektors zu unterstützen, insbesondere bei der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und im Bereich der Polizei. Eine diesbezügliche notwendige Polizeireformstrategie, insbesondere im Zusammenhang mit den gewaltsamen Übergriffen bei den Euromaidan-Protesten Mitte Februar 2014 und der Rolle illoyaler Polizisten am Anfang der Destabilisierungsphase in der Ostukraine, wurde seitens der Regierung angenommen. Auch mit einer Reform der Militärischen Kräfte wurde noch vor der Annexion der Krim begonnen, sie befindet sich aber noch in einem frühen Stadium (EC 25.3.2015).

Mit Präsidentendekret Nr. 252 vom 6. April 2012 wurde ein Komitee zur Reform der Strafverfolgungsbehörden eingerichtet. Sollte dieses Komitee bereits einschlägige Vorschläge ausgearbeitet haben, sind sie bislang nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Von einem Pilotprojekt zur Einrichtung kommunaler Polizeitruppen in Lemberg im Sommer 2014 erwartet man sich Erfahrungen für eine dezentralere Organisation des Polizeiwesens (ÖB 09.2014).

Quellen:

12.6.2015

https://www.amnesty.de/iahresbericht/2015/ukraine , Zugriff 12.6.2015

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Ukraine hat den Ombudsmann als Nationalen Präventiven Mechanismus (NPM) gegen Folter im Sinne des UN- Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe installiert. Zusammen mit der neuen Strafprozessordnung, das die Gründung eines unabhängigen Untersuchungsbüros für Folterfälle vorsieht, sollte das die Fälle von Folter erheblich reduzieren (EC 20.3.2013; vgl. AI 23.5.2013).

Folter wird von der Verfassung verboten. Nach der neuen Strafprozessordnung dürfen unter Folter erzwungene Geständnisse auch nicht mehr als Beweis im Verfahren verwendet werden. Es gibt aber Berichte, dass weiterhin Beamte solcherart Geständnisse erpressen. Nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums gab es 2013 bis August, also noch unter der Präsidentschaft Janukowitsch, 9.878 Beschwerden wegen Folter und unerlaubter Gewaltanwendung durch Polizisten. Die Behörden untersuchten demnach 231 dieser Fälle und es gab bis November 5 Verurteilungen von Polizisten wegen Folter und disziplinäre Maßnahmen gegen 45 weitere. Laut Büro des Generalstaatsanwalts gab es 2013 bis Oktober 2.857 offene Verfahren wegen Folter durch Polizisten. 820 Misshandlungsfälle (950 Beamte betreffend) wurden den Gerichten übergeben, davon 54 ausdrückliche FolterVorwürfe. Folter ist vor allem in Gefängnissen ein Problem (USDOS 27.2.2014).

Nach wie vor kommt es zu Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei, darunter Folter und andere Misshandlungen, sowie zur exzessiven Anwendung von Gewalt bei Demonstrationen. Die dafür Verantwortlichen bleiben größtenteils straflos, und Untersuchungen dieser Vorfälle führen zu keinem Ergebnis. Es gibt Entführungen von Einzelpersonen, insbesondere durch pro-russische paramilitärische Kräfte auf der russisch besetzten Halbinsel Krim. Aber auch in den umkämpften Gebieten der Ostukraine kommt es zu Entführungen durch beide Konfliktparteien. Beide Seiten sind für Verletzungen des Kriegsrechts verantwortlich. Auf der Krim sind die russischen Beschränkungen der Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit eingeführt worden. Pro-ukrainische Aktivisten und Krimtataren geraten ins Visier paramilitärischer Kräfte und werden von den De-facto-Behörden verfolgt (AI 25.2.2015).

Quellen:

https://www.ecoi.net/local link/248072/374321 de.html, Zugriff 12.6.2015

https://www.amnestv.de/iahresbericht/2015/ukraine , Zugriff 12.6.2015

Neighbourhood Policy In Ukraine,

http://www.ecoi.net/file upload/1226 1364374550 2013-progress-report-ukraine-en.pdf, Zugriff 12.6.2015

6. Korruption

Korruption ist in Exekutive, Legislative und Judikative und in der Gesellschaft allgegenwärtig. Obwohl Korruption öffentlich Bediensteter strafbar ist, werden die Gesetze nicht effektiv umgesetzt und korrupte Beamte bleiben oft straflos. Trotzdem gab es 2013 Schritte der Regierung zur Stärkung der Antikorruptionsgesetzgebung. Kritiker meinen aber, diesen Gesetzen fehle es an Durchsetzungsmechanismen. Die Offenlegungspflicht für das Einkommen von Regierungsvertretern sieht keine Strafen bei Nichtbefolgung vor. Gesetzesänderungen aus dem Jahre 2012 machten außerdem öffentliche Beschaffungsprozesse intransparenter.

Bis Juni 2013 hatte der Generalstaatsanwalt Korruptionsanklagen gegen 340 niedere Beamte an die Gerichte weitergeleitet. Vorwürfe gegen höhere Regierungsbeamte wurden hingegen nicht untersucht, obwohl Korruption höherer Ebenen gemeinhin als großes Problem empfunden wird, speziell im Beschaffungswesen. Bis Juni 2013 hatte der Generalstaatsanwalt Korruptionsanklagen gegen 11 Richter an die Gerichte weitergeleitet (USDOS 27.2.2014).

Seitens der Regierung, des Parlaments und der Präsidialverwaltung wurden einige neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption unternommen. In der AntiKorruptionsgesetzgebung wurden u.a. die Strafen erhöht, alle Formen von Korruption kriminalisiert und die Zeugenschutzregelung gestärkt. Im Korruptionswahrnehmungsindex 2014 von Transparency International rangiert die Ukraine am 142. von 175 Plätzen (2013: 144. von 177) (EC 25.3.2015, vgl. FH 28.1.2015).

Am 14. Mai 2013 verabschiedete das ukrainische Parlament ein neues Antikorruptionsgesetz, nicht zuletzt aufgrund einer im Aktionsplan zur Liberalisierung des Visaregimes für die Ukraine vorgesehen Vorgabe. Das Gesetz fordert unter anderem verstärkte Berichtspflichten für (Neben‑)Einkünfte und Aufwendungen von öffentlich Bediensteten und von Bediensteten staatlicher Betriebe sowie ihrer Familien. Das Gesetz sieht außerdem den Schutz von Personen vor, die Korruption anzeigen. Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Gesetzes lassen jedoch auf sich warten. Das Versprechen der aktuellen Regierung Jazenjuk, ein nationales Anti-Korruptionsbüro einzurichten, scheiterte bislang an der Ablehnung der entsprechenden Gesetzesinitiativen im Parlament. Als positiver Schritt wird die Verabschiedung eines neuen Gesetzes "Über öffentliche

Auftragsvergaben" am 10. April 2014 gewertet. Insbesondere die neuen Publizitätskriterien sollen den Vergabeprozess transparenter und damit kontrollierbarer machen (ÖB 09.2014).

Quellen:

Neighbourhood Policy in Ukraine, Progress in 2014 and recommendations for actions http://www.ecoi.net/file upload/1226 1427898393 ukraine-enp-report-2015-en.pdf, Zugriff 12.6.2015

7. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Das neue Gesetz über zivile Organisationen trat am 1.1.2013 in Kraft und ist ein wichtiger Schritt nach vorne für die Vereinigungsfreiheit. Wenn es gut umgesetzt wird, wird es NGOs die Registrierung erleichtern und Probleme wie Gebietsbeschränkungen ihrer Tätigkeit angehen (EK 20.3.2013).

Erhöhter Druck auf die Zivilgesellschaft, NGOs und Aktivisten war ein Problem, zumindest unter der Präsidentschaft Janukowitschs. Verfassung und Gesetze garantieren jedenfalls Vereinigungsfreiheit. Die Regierung respektierte dieses Recht generell, es blieben aber Einschränkungen. Es existieren Registrierungsauflagen, aber es liegen keine Berichte vor, dass die Regierung sie benutzt hätte um bestehende Organisationen aufzulösen oder die Bildung neuer zu verhindern. Das neue Gesetz über zivile Organisationen trat am 1.1.2013 in Kraft. Es vereinfacht die Registrierung und hebt Beschränkungen ihrer Tätigkeit auf (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file upload/1226 1364374550 2013-progress-report-ukraine-en.pdf, Zugriff 12.6.2015

8. Ombudsmann

Die Ukraine ratifizierte im Jahr 2006 das "Optional Protocol to the Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment" und verpflichtete sich, innerhalb eines Jahres einen "national preventive mechanism (NPM)" zu etablieren. Dies fand letztendlich durch die Verabschiedung eines Gesetzes am 2. Oktober 2012 statt, welches den "Ukraine’s Parliament commisioner for Human Rights" (Ombudsmann) als NPM namhaft machte. Unter dem NPM werden regelmäßige und unangekündigte Besuche von Haftanstalten durchgeführt. Der NPM bedient sich hierfür etablierter Menschenrechtsorganisationen. Die Verwaltungen der Haftanstalten zeigten sich bei derartigen Besuchen bislang kooperativ (ÖB 09.2014).

Die Verfassung sieht eine Ombudsmann-Institution vor, offiziell der Parlamentarische Kommissär für Menschenrechte. Im April 2012 wurde Valeriya Lutkovska in dieses Amt gewählt. Im November 2012 begann der parlamentarische Ombudsmann für Menschenrechte in Kooperation mit Gruppen der Zivilgesellschaft mit der Umsetzung des Nationalen Präventiven Mechanismus (NPM) gegen Folter im Sinne des UNFakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, um Fälle von Folter und Misshandlung in Gefängnissen zu reduzieren. Der Ombudsmann kann Untersuchungen (Probleme, Missbrauch) bei den Sicherheitsbehörden initiieren. Er steht für Beschwerden über Gerichtsverfahren auch nach Ausschöpfung des Instanzenzuges zur Verfügung. Seit Mai 2013 gibt es einen Repräsentanten des Ombudsmanns für Kinderrechte, AntiDiskriminierung und Genderfragen. Das Büro des Ombudsmanns arbeitet oft mit NGOs zusammen, vor allem in beratenden Bürgerräten in Projekten zur Beobachtung der Menschenrechtspraxis (USDOS 27.2.2014, vgl. UPCHR o.D.).

Quellen:

15.6.2015

12.6.2015

9. Wehrdienst

Mit dem Erlass "Über Maßnahmen zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit des Landes" ist die Wehrpflicht nun mit sofortiger Wirkung wieder in Kraft getreten. Ziel sei es, der "Gefahr für die territoriale Einheit und der Einmischung in innere Angelegenheiten der Ukraine" zu begegnen. In der Ukraine müssen Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren wieder ihren Wehrdienst leisten (ORF 1.5.2014, vgl. BBC 2.5.2014).

Das ukrainische Parlament erhöhte das obere Alterslimit für die Wehrpflicht von 25 auf 27 Jahre.

Das Gesetz sieht vor, dass männliche Staatsbürger, die älter als 18 Jahre und nicht älter als 27 Jahre und die nicht vom Wehrdienst befreit sind, zum Wehrdienst eingezogen werden (GS 20.3.2015).

Die derzeitige Mobilmachung in der Ukraine aufgrund der Entwicklungen in der Ostukraine bezieht sich auf den zu Mobilmachung vorgesehenen Personenkreis (Männer wie Frauen) ohne weitere Spezifizierung. Es handelt sich in der nicht bloß um die Mobilmachung von Schlüsselpersonal oder ausschließlich Spezialisten.

Alle wehrpflichtigen Männer zwischen 25 und 60 Jahren (Reihenfolge:

Freiwillige, Reservisten, Wehrpflichtige [Freiwillige, vorzugsweise jene die Wehrpflichterfahrung haben; Reservisten und Wehrpflichtige wiederum vorzugsweise jene die zum Zeitpunkt der Einberufung Arbeitslos bzw. nicht erwerbstätig sind.]); 50-60-Jahrige jedoch nur auf freiwilliger Basis. Frauen zwischen 25 und 50 Jahre können einberufen werden (ÖB 20.2.2015).

Quellen:

http://www.bbc.com/news/world-europe-27247428 , Zugriff 12.6.2015

http://www.globalsecuritv.org/militarv/world/ukraine/personnel.htm , Zugriff 12.6.2015

9.1. Wehrersatzdienst

Ukrainische Staatsbürger, die einer laut ukrainischer Gesetzgebung aktiven religiösen Gemeinschaft angehören, deren religiöse Überzeugung keinen Waffengebrauch zulässt, können einen Ersatzdienst ableisten. Der Ersatzdienst kann bei Unternehmen, Einrichtungen und Organisationen, die staatliches Gemeindeeigentum sind, absolviert werden. Die Tätigkeit muss im Zusammenhang mit dem sozialen Schutz der Bevölkerung, der Gesundheitsvorsorge, Umweltschutz, Baumaßnahmen oder der Landwirtschaft bzw. mit Organisationen des Roten Kreuzes in Verbindung stehen. Der Ersatzdienst dauert 1% mal länger als der Militärdienst (IOM 08.2013).

Wehrpflichtige haben das verfassungsmäßig grundgelegte Recht einen Wehrersatzdienst zu leisten. Dieses Recht ist im entsprechenden Gesetz über den Wehrersatzdienst spezifiziert und auf religiöse Gründe eingeschränkt. Das heißt, dass in der Ukraine nur Personen Wehrersatzdienst leisten dürfen, die einer entsprechend anerkannten Religionsgemeinschaft angehören (UK 2006, vgl. IRB 2006).

Quellen:

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698622

/16391428/16800762/Ukraine -Country Fact Sheet 2013%2C deutsch.pdf?nodeid=16801302&vernum=-2, Zugriff

12.6.2015

http://www.unhcr.org/refworld/type ,QUERYRESPONSE„UKR,45f147b811,0.html, Zugriff

12.6.2015

http://www.ecoi.net/file upload/1329 1200308262 ukraine-060706.pdf, Zugriff 12.6.2015

9.1. Wehrdienstverweigerung

Wehrdienstverweigerung bzw. Nichtfolgeleistung der Einberufung während einer Mobilmachung wird gemäß den Artikeln 335-337 des Strafgesetzbuches der Ukraine folgendermaßen bestraft:

Artikel 335. Die Strafe für die Nichtfolgeleistung der Einberufung zum Wehrdienst sieht eine Inhaftierung bis zu 3 Jahren vor.

Artikel 336. Die Strafe für die Nichtfolgeleistung der Einberufung während einer Mobilmachung sieht eine Inhaftierung von 2 bis zu 5 Jahren vor.

Von einer tatsächlichen Strafverfolgung ist in der Praxis auszugehen - inwieweit der Strafumfang völlig ausgeschöpft wird ist jedoch der ÖB nicht bekannt (ÖB 20.2.2015).

Quelle:

10. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtsabkommen des Europarates und der Vereinten Nationen. Eine Reihe von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen ist in der Ukraine aktiv. Ihr Engagement wird deutlich wahrgenommen. Problematisch bleiben die stark verbreitete Korruption, die Zustände in den Gefängnissen sowie schleppende Gerichtsverfahren.

Die Bürgergesellschaft entwickelte sich nach der "Orangenen Revolution" deutlich lebendiger als zuvor. Es entstand außerdem eine pluralistische Medienlandschaft, die allerdings unter der Präsidentschaft von Janukowytsch zunehmenden Einschränkungen ausgesetzt war (AA 05.2015).

Die gravierendsten Menschenrechtsprobleme 2013 waren erhöhte Einmischung der Regierung in und Druck auf Medien; erhöhter Druck auf NGOs und die Zivilgesellschaft; sowie die politisch motivierte Strafverfolgung von Exponenten der Regierung Timoschenko (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik node.html, Zugriff

12.6.2015

12.6.2015

11. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in ukrainischen Gefängnissen sind Gegenstand wiederkehrender massiver Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Am 29. April 2013 verabschiedete das Ministerkabinett der Ukraine das "National Target Programme to Reform the State Penal Service of Ukraine. Das Programm setzt seinen Schwerpunkt auf die Regelung der Arbeitsbedingungen in ukrainischen Haftanstalten, wobei nicht so sehr der soziale Aspekt des Erlernens von Fähigkeiten für die Zeit nach Verbüßung der Haft als vielmehr die Nutzung der Arbeitskraft der Häftlinge zur Mitfinanzierung des ukrainischen Haftsystems im Vordergrund steht. Bezüglich der medizinischen Betreuung von Häftlingen trifft das Programm lediglich allgemeine Aussagen über die Ausstattung von Gefängnisambulanzen und fordert eine Strategie im Umgang mit Tuberkulose in ukrainischen Haftanstalten (ÖB 09.2014)

Der Präsident unterzeichnete eine neue Strafprozessordnung, die eine deutliche Verbesserung gegenüber der vorherigen darstellt. In ihr ist klar formuliert, dass eine Haft im Augenblick der Festnahme durch die Polizei beginnt und Häftlinge von diesem Moment an Anspruch auf einen Anwalt und einen unabhängigen medizinischen Experten haben. Sie legt außerdem eindeutig fest, dass Untersuchungshaft nur bei außergewöhnlichen Umständen angeordnet werden soll, entsprechend den Empfehlungen des Europarats. Außerdem ist vorgesehen, dass alle zwei Monate automatisch geprüft wird, ob die Untersuchungshaft weiterhin gerechtfertigt erscheint. Anlass zu Bedenken gab, dass ein Anwalt nur bei besonders schweren Delikten, die mit einer Gefängnisstrafe von mehr als zehn Jahren geahndet werden können, Pflicht ist. Prozesskostenhilfe ist ebenfalls nur in diesen Fällen vorgesehen (AI 23.5.2014).

Die Haftbedingungen entsprechen nicht internationalen Standards und sind manchmal sogar eine Gefahr für Leib und Leben der Gefangenen. Schlechte Hygiene, Missbrauch und ungenügende medizinische Versorgung sind Probleme. Gemäß staatlicher Gefängnisbehörde waren 2013 bis November 128.512 Personen in Haft, davon 22.483 in Untersuchungshaft. Ca. 7.977 waren Frauen und 927 Jugendliche. Diese Gruppen werden in der Regel getrennt untergebracht, es gibt aber Berichte über Untersuchungsgefängnisse, wo keine Trennung Jugendlicher und Erwachsener stattfinden soll. 830 Insassen starben im og.

Zeitraum, davon 77 durch Selbstmord. Die Zustände in den temporären Polizeigefängnissen und Untersuchungsgefängnissen sind härter als in normalen Gefängnissen der niedrigen und mittleren Sicherheitsstufe. Haft in temporären Polizeigefängnissen ist stark rückläufig. Die Regierung erlaubt unabhängiges Monitoring der Hafteinrichtungen durch nationale und internationale Menschenrechtsgruppen. Im November 2012 begann der parlamentarische Ombudsmann für Menschenrechte in Kooperation mit Gruppen der Zivilgesellschaft mit der Umsetzung des Nationalen Präventiven Mechanismus (NPM) gegen Folter im Sinne des UNFakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, um Fälle von Folter und Misshandlung in Gefängnissen zu reduzieren. Bis November 2013 führte ein gemischtes Beobachterteam 266 Besuche von Hafteinrichtungen usw. in der Ukraine durch. Der Ombudsmann veröffentliche einen Bericht darüber, in dem er systemische Probleme wie Nichtbeachtung von Grundrechten, schlechte Hygiene, physische und psychische Misshandlung anspricht (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

weltweiten Lage der Menschenrechte - Ukraine,

https://www.ecoi.net/local link/248072/374321 de.html, Zugriff 12.6.2015

12.6.2015

12. Todesstrafe

Die Todesstrafe wurde in der Ukraine 1999 offiziell abgeschafft (AI o. D.).

Quelle:

http://www.amnestv.org/en/death-penaltv/abolitionist-and-retentionist-countries , Zugriff

12.6.2015

13. Frauen/Kinder

Vergewaltigung ist gesetzlich verboten, jedoch erwähnt das Gesetz nur indirekt die Vergewaltigung in der Ehe. Gemäß ukrainischer Generalstaatsanwaltschaft gab es in den ersten 9 Monaten d.J. 2013 447 angezeigte Fälle von Vergewaltigung oder versuchter Vergewaltigung. Es gab Anklagen in 231 dieser Fälle. Häusliche Gewalt gegen Frauen war weiterhin ein ernstes Problem. Vergewaltigung in der Ehe ist verbreitet. Im November 2013 standen

88.162 Personen wegen häuslicher Gewalt unter polizeilicher Überwachung. 2012 waren es 117.400 gewesen. Im ersten Halbjahr 2013 wurden beim Sozialministerium 65.797 Beschwerden wegen häuslicher Gewalt registriert, davon 58.039 von Frauen, 412 von Kindern. Die Polizei sprach in den ersten 11 Monaten 2013 95.329 Verwarnungen aus und verhängte 108.467 Strafen wegen Gewalt bzw. Nichtbeachten von Schutzanordnungen. Diese Strafen beinhalteten Bußgelder und gemeinnützige Arbeit (USDOS 27.2.2014).

Alleinstehenden (unverheirateten) Frauen und alleinerziehenden Adoptivvätern/-müttern von Adoptivkindern, deren Geburtsurkunde keine Informationen zu Mutter oder Vater enthält, steht Unterstützung zu. Die Leistungen stehen auch Witwen/Witwern mit Kindern zu, die vor dem Todesfall geschieden wurden, die keine Rente wegen des Ausfalls des Hauptversorgers der Familie oder andere Sozialleistungen erhalten. Alleinstehende Frauen mit Kindern, die nicht verheiratet sind, aber mit einem Mann zusammenleben, haben keinen Anspruch auf diese Leistungen. Eine Bescheinigung des Standesamtes ist Voraussetzung für den Erhalt der Leistungen. Die Leistungen betragen pro Kind mindestens 10 % des monatlichen Mindesteinkommens der Familie (seit 1. Januar 2007, 30 %) (IOM 08.2013).

Quellen:

12.6.2015

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698622 /16391428/16800762/Ukraine -

Country Fact Sheet 2013%2C deutsch.pdf?nodeid=16801302&vernum=-2, Zugriff

12.6.2015

13.1 Kinder

Seit Mai 2013 gibt es einen Repräsentanten des Ombudsmanns für Kinderrechte, AntiDiskriminierung und Genderfragen. Er erhielt bis Dezember 601 Beschwerden bezüglich Kinderrechte und besuchte 112 Einrichtungen für Kinder. Der daneben existierende Ombudsmann des Präsidenten für Kinderrechte erhielt mehr als 1.000 Beschwerden. Die ukrainische Staatsbürgerschaft wird durch Geburt in der Ukraine (jus soli) oder über die Eltern erworben (jus sanguinis). Ein Kind das staatenlosen Eltern in der Ukraine geboren wird ist Ukrainer. Kinder müssen innerhalb einen Monats aber der Geburt registriert werden. In den ersten 11 Monaten 2013 wurden 1.164 Kinder Opfer von Verbrechen, darunter 77 Fälle sexueller Vergehen (USDOS 27.2.2014).

Alle Bürger der Ukraine können, ungeachtet ihrer Hautfarbe, politischen und religiösen Überzeugung, ihres Geschlechts, ihrer ethnischen und sozialen Herkunft, ihres Besitztums, Wohnortes, sprachlicher und anderer Eigenschaften eine kostenlose weiterführende Schulbildung an staatlichen und kommunalen Bildungseinrichtungen erhalten. Für Kinder, die körperlich oder geistig gefördert werden müssen, gibt es spezielle Schuleinrichtungen der

Klassen 1-3 sowie entsprechende Einrichtungen für Kinder, die eine Langzeitförderung benötigen (IOM 08.2013).

Für Minderjährige gibt es staatliche Unterstützungen in Form von Familienbeihilfen, die an sozial schwache Familien vergeben werden. Hinzu kommt ein nicht unbeträchtlicher Zuschuss bei der Geburt oder bei der Adoption eines Kindes sowie eine Beihilfe für Alleinerziehende (ÖB 09.2014).

Quellen:

12.6.2015

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698622 /16391428/16800762/Ukraine -

Country Fact Sheet 2013%2C deutsch.pdf?nodeid=16801302&vernum=-2, Zugriff

12.6.2015

14. Bewegungsfreiheit

Die Verfassung und Gesetze garantieren die Freiheit für innerstaatliche Bewegungen, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereingliederung. Die Regierung respektierte allgemein diese Rechte (USDOS 27.2.2014).

Am 11. Dezember 2003 trat in der Ukraine das Gesetz Nr. 1382-IV der Ukraine über das Recht auf Bewegungsfreiheit und die Wahl des Wohnorts in der Ukraine in Kraft. Darin ist vorgesehen, dass Bürger der Ukraine, sowie legal aufhältige Staatenlose und Fremde die im Titel genannten Rechte genießen und eine Registrierung oder Nicht-Registrierung keine Vorbedingung für die Ausübung oder Grund für die Aberkennung verfassungsmäßiger Rechte sein kann. Das Gesetz definiert den Ort des dauerhaften Aufenthalts (Place of permanent residence) als territoriale Verwaltungseinheit, in der eine Person mehr als sechs Monate im Jahr lebt. Demgegenüber ist der Ort des zeitweiligen Aufenthalts (Place of temporary residence) jene territoriale Verwaltungseinheit, in der eine Person weniger als sechs Monate im Jahr lebt. An einem neuen dauerhaften Aufenthaltsort muss man sich innerhalb von 10 Tagen ab Ankunft registrieren. Änderungen des Aufenthalts innerhalb derselben territorialen Verwaltungseinheit müssen der Behörde innerhalb von sieben Tagen gemeldet werden. Die Registrierung am Ort des zeitweiligen Aufenthalts muss innerhalb von sieben Tagen ab Ankunft erfolgen.

Artikel 6 des Gesetzes der Ukraine über das Recht auf Bewegungsfreiheit und die Wahl des Wohnorts in der Ukraine sieht vor, dass Daten bezüglich des Aufenthalts nur in Ausnahmefällen gemäß den Gesetzen der Ukraine oder mit

Einverständnis der betroffenen Person weitergegeben werden. Außer von der betreffenden Person, können diese Daten nur vom Geheimdienst, der Polizei oder den Gerichten eingesehen werden. In der Praxis soll es aber nicht unmöglich sein, sich auf illegalem Weg mit Meldeinformation zu versorgen, etwa durch korrupte Polizisten. Soziale Rechte sowie Zugang zu Renten, medizinischen und kommunalen Leistungen sind in der Ukraine nach wie vor eng mit dem Ort der Meldung verbunden. Trotzdem ist es möglich an einem anderen Ort zu wohnen und zu arbeiten ohne sich umzumelden und trotzdem weiterhin Zugang zu medizinischer Notversorgung in der gesamten Ukraine zu haben. Überhaupt sei es durchaus möglich, auch bei längerer Abwesenheit an einer Adresse gemeldet zu bleiben, da es in der Ukraine keine behördlichen Überprüfungen in Meldeangelegenheiten gibt (BAA 23.2.2010).

Quellen:

15. Binnenflüchtlinge

Rund 20.000 Menschen, die wegen der russischen Besetzung der Krim geflohen waren, erhielten staatliche Hilfen zur Umsiedlung in andere Regionen. Durch den Konflikt in der Ostukraine wurden Schätzungen zufolge fast eine Million Menschen vertrieben. Etwa die Hälfte von ihnen blieb im Land, die übrigen gingen überwiegend nach Russland. Die Binnenvertriebenen in der Ukraine erhielten zumeist eine begrenzte staatliche Unterstützung und waren ansonsten auf eigene Mittel, familiäre Netzwerke und die Hilfe von Freiwilligenorganisationen angewiesen. Im Oktober 2014 wurde ein Gesetz zu Binnenvertriebenen verabschiedet, das ihre Lage jedoch bis zum Jahresende noch nicht merklich verbessert hatte (AI 25.2.2015).

Rund 1,15 Millionen sogenannte "Binnenvertriebene" (Internally Displaced Persons, IDP) sollen sich derzeit in der Ukraine aufhalten, weitere 670.000 sind in andere Länder geflohen

Quellen:

https://www.amnesty.de/iahresbericht/2015/ukraine , Zugriff 15.6.2015

16. Grundversorgung/Wirtschaft

Die Ukraine ist eine offene, bislang wenig diversifizierte und stark modernisierungsbedürftige Volkswirtschaft. Die ukrainische Wirtschaft ist 2014, vor allem infolge der Auswirkungen der Kampfhandlungen im Osten des Landes, um 7% geschrumpft. Die gegenwärtige ukrainische Regierung hat sich einem umfassenden Reformprogramm verschrieben, dessen Umsetzung die Wettbewerbsfähigkeit der ukrainischen Wirtschaft deutlich erhöhen dürfte (AA 05.2015).

Laut dem Bericht zur sozioökonomischen Lage der Ukraine im ersten Halbjahr 2013 waren 21,84 Millionen Personen (15-70 Jahre) wirtschaftlich aktiv, die Zahl der beschäftigten arbeitsfähigen Personen lag bei 20,08 Millionen (Gesamtbevölkerung der Ukraine im Juni 2013: 45.480,300 Menschen). Der Anteil der arbeitenden Bevölkerung betrug am 1. Juli 2013 59,3%, wovon 22% im informellen Sektor beschäftigt waren. Die Arbeitslosigkeit lag bei 8%. Die Regionen mit der höchsten Beschäftigung sind Kiew, Donezk, Dnjepropetrowsk, Charkow (östliche Ukraine). Die Regionen mit der niedrigsten Beschäftigung sind Lwow, Iwano-Frankowsk und Ternopil (westliche Ukraine). Der durchschnittliche Monatsverdienst eines Arbeitnehmers lag im Mai 2013 bei 3253 UAH. Arbeitnehmer und andere Versicherte (z.B. Unternehmer), die arbeitslos gemeldet sind und für 12 Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit nicht weniger als 26 Wochenstunden gearbeitet und Rentenbeitragszahlungen geleistet haben, können staatliche Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Beihilfe wird ab dem achten Tag nach der Meldung der versicherten Person beim staatlichen Arbeitsamt ausbezahlt und richtet sich nach der Anzahl der Arbeitsjahre. Nicht versicherte Personen (keine Rentenbeitragszahler) sind nicht anspruchsberechtigt. Die durchschnittliche Zahl der Arbeitslosenhilfeempfänger im Juni 2013 betrug 398.500 Personen. Die durchschnittliche Höhe der Arbeitslosenhilfe lag bei 1087 UAH (IOM 08.2013).

Das monatliche Mindesteinkommen für alle Branchen liegt bei UAH

1.218 (USD 150), basierend auf dem monatlichen Existenzminimum, das die Regierung festgelegt hat (USDOS 27.2.2014). Der Durchschnittslohn lag im Jahr 2013 bei UAH 3.265 (entspricht zum Stand 12. August 2014 rund EUR 186) (ÖB 09.2014).

Der Ukrainische Statistische Dienst weist für 2013 in der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Bevölkerungsgruppe der Männer zwischen 15 und 59 und der Frauen zwischen 15 und 55 Jahren eine Arbeitslosenquote von 7,7% aus (erfasst nach der Methodologie der International Labour Organization). Im Vorjahr hatte die Arbeitslosenquote 8,1 % betragen. In der Altersgruppe von 15 bis 70 Jahren waren im Jahr 2013 65,0% erwerbstätig (USDOS 27.2.2014).

Quellen:

amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Wirtschaft node.html, Zugriff

12.6.2015

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698622 /16391428/16800762/Ukraine -

Country Fact Sheet 2013%2C deutsch.pdf?nodeid=16801302&vernum=-2, Zugriff

12.6.2015

12.6.2015

16.1. Sozialbeihilfen

Ukrainische Staatsbürger, Ausländer, Staatenlose und Flüchtlinge, die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in der Ukraine haben, haben Anspruch auf soziale Unterstützung seitens des ukrainischen Staates. Es gibt zahlreiche Rechtsvorschriften, die diejenigen Personengruppen definieren, die Unterstützung erhalten können. Die gewährten sozialen Leistungen sind in der Regel unzureichend. Es gibt zwei Hauptformen der staatlichen Unterstützung:

a) Materielle Unterstützung (Geld, Nahrung, Kleidung, Schuhe, Brennstoff etc.) - Die Höhe der finanziellen Unterstützung wird entsprechend dem monatlichen Einkommen der betreffenden Person festgelegt, und b) Soziale Dienstleistungen (Essen, Transportdienste, Lieferung von Medikamenten etc.). Die Voraussetzungen für die Gewährung sozialer Unterstützung sind sehr verschieden und richten sich nach der Art der beantragten Leistung. In der Regel muss der Antragsteller die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe nachweisen, z.B. nach: dem Verlust des Arbeitsplatzes, Arbeitsunfall bzw.

Arbeitsunfähigkeit. Es gibt Leistungen im Falle von Schwangerschaft und Mutterschaft, für Senioren und Hinterbliebene. Verschiedene NGOs unterstützen ebenfalls Menschen in sozialen Notlagen (IOM 08.2013, vgl. ÖB 09.2014).

Das Existenzminimum für eine alleinstehende Person wurde im Jahr 2013 mit UAH 1.218 festgelegt (entspricht zum Stand 12. August 2014 rund EUR 70). Im Jahr 2010 galten 26,4% der ukrainischen Bevölkerung als arm, wobei 23% der Stadtbewohner, jedoch 38% der Landbewohner mit einem Einkommen unter dem Existenzminimum auszukommen hatten. Nur 56,8% der als arm Qualifizierten können sich auf Hilfe aus dem Sozialsystem stützen (ÖB 09.2014).

Quellen:

https://milQ.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698622 /16391428/16800762/Ukraine -

Country Fact Sheet 2013%2C deutsch.pdf?nodeid=16801302&vernum=-2, Zugriff

12.6.2015

17. Medizinische Versorgung

Das ukrainische Gesundheitssystem ist in seinen Grundzügen nach wie vor das ehemals sowjetische Modell. Krankenhäuser und Fachärzte spielen eine zentrale Rolle, Allgemeinmediziner gibt es kaum. Eine gesetzliche Krankenversicherung wurde trotz jahrelanger Diskussionen in der Ukraine bislang nicht eingeführt. Vielmehr besteht ein in der Verfassung verankerter universeller Anspruch der Bevölkerung auf Gesundheitsleistungen, die aus Steuermitteln finanziert sein sollen (ÖB 09.2014, vgl. IOM 08.2013).

In der Ukraine gibt es über 7.000 Gesundheitszentren (26 Wissenschaftliche Forschungszentren, 40 Krankenhäuser und besondere Gesundheitszentren, 6 Ambulante Kliniken, 150 Sanatorien und Erholungseinrichtungen. Die Wirtschaftskrise hatte erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Infrastruktur. Die Bedingungen in den Krankenhäusern verschlechtern sich. In den Städten ist die Situation im Allgemeinen besser als in den ländlichen Gebieten. Auf dem Land lebenden Personen mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen wird empfohlen, das jeweilige Gebietskrankenhaus aufzusuchen. Um in einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung versorgt zu werden, müssen Patienten ihre Ausweisdokumente (Personalausweis) und die Krankenversicherungskarte vorweisen (in privaten Kliniken ist dies nicht notwendig. Um in einer staatlichen Klinik versorgt zu werden, muss der Patient in der jeweiligen Region registriert sein (IOM 08.2013).

In den Spitälern sind Zuzahlungen der Patienten für die Behandlung üblich. Im Zeitraum 2003-2008 wurden rund 40% der Kosten von den Patienten selbst abgedeckt. Der Großteil dieser Eigenmittel wurde für Medizinprodukte und Medikamente ausgegeben (ÖB 09.2014).

Medikamente sind in den meisten Fällen erhältlich, müssen jedoch von den Patienten selbst gekauft werden. Importierte Medikamente sind teurer als solche, die in der Ukraine hergestellt werden. Aspirin (20 Tabletten), das in der Ukraine hergestellt wurde kostet ca. UAH 12,00, wenn es aus der Schweiz stammt ca. UAH 42,00. In der Ukraine gibt es ein Netzwerk von psychiatrischen Kliniken, die entsprechend dem Schweregrad der psychischen Erkrankung aufgeteilt sind. Organtransplantationen werden in bestimmten Transplantationskliniken in Kiew und Charkow sowie in normalen Krankenhäusern in Kiew,

Donezk, Saporoschje, Lwow, Odessa, Iwano-Frankiwsk, Kirowograd, Lutsk, Mariupol, Mykolajiw, Cherson, Tscherkassij und Tschernowzij durchgeführt (IOM 08.2013).

Schätzungen zufolge sind zumindest 10% aller Geldflüsse im ukrainischen Gesundheitswesen unter dem Begriff "informelle Zahlungen" zu subsumieren. In der Regel werden derartige Zuwendungen vor der entsprechenden Behandlung geleistet. Die Höhe der Zuwendung bestimmt in der Folge die Qualität und die Schnelligkeit der Behandlung. Glaubwürdigen Schätzungen zufolge setzt sich das Gehalt eines Bediensteten im Medizinbereich im Schnitt zu 20% aus derartigen "informellen Zuwendungen" zusammen, die nicht selten - zumal auf dem Land - auch aus Naturalien bzw. bereitgestellten Dienstleistungen bestehen können. Während die medizinische Versorgung in Notsituationen in den Ballungsräumen als befriedigend bezeichnet werden kann, bietet sich auf dem Land ein differenziertes

Bild: jeder zweite Haushalt am Land hat keinen Zugang zu medizinischen Notdiensten (ÖB 09.2014).

Quellen:

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698622 /16391428/16800762/Ukraine -

Country Fact Sheet 2013%2C deutsch.pdf?nodeid=16801302&vernum=-2, Zugriff

12.6.2015

18. Behandlung nach Rückkehr

Seitens der ukrainischen Regierung gibt es keine gesonderte Unterstützung für die Wiedereingliederung in die Ukraine heimkehrender Staatsbürger. Die Unterstützung bei der Unterbringung für Obdachlose jedoch gilt auch für ukrainische Heimkehrer. Das Zentrum für die Wiedereingliederung obdachloser ukrainischer Staatsbürger beim Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik unterstützt obdachlose Menschen. Es gibt derzeit keine gesonderte Unterstützung für allein heimkehrende Frauen und Mütter, die nicht zu Ihrer Familie zurückkehren können bzw. wollen (IOM 08.2013).

Quelle:

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698622 /16391428/16800762/Ukraine -

Country Fact Sheet 2013%2C deutsch.pdf?nodeid=16801302&vernum=-2, Zugriff

12.6.2015

Ergänzend ist auf den aktuellen Länderbericht des AUSWÄRTIGEN AMTS Berlin, vom 11. Februar 2016 Gz.: 508-516.80/3 UKR, zu verweisen:

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine

(Stand: Januar 2016)

Grundsätzliche Anmerkungen:

1. Auftrag: Das Auswärtige Amt erstellt Lageberichte in Erfüllung seiner Pflicht zur Rechts- und Amtshilfe gegenüber Behörden und Gerichten des Bundes und der Länder (Art. 35 Abs.1 GG, §§ 14, 99 Abs. 1 VwGO). Insoweit wird auf die Entscheidung des BVerfG vom 14.5.1996 zu sicheren Herkunftsstaaten besonders hingewiesen, in der es heißt: "Angesichts der Tatsache, dass die Verfassung dem Gesetzgeber die Einschätzung von Auslandssachverhalten aufgibt (...), fällt gerade den Auslandsvertretungen eine Verantwortung zu, die sie zu besonderer Sorgfalt bei der Abfassung ihrer einschlägigen Berichte verpflichtet, da diese sowohl für den Gesetzgeber wie für die Exekutive eine wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden." Das Auswärtige Amt erstellt daher Lageberichte ausschließlich in eigener Verantwortung.

2. Funktion: Lageberichte sollen also vor allem dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und den Verwaltungsgerichten als Entscheidungshilfe in Asylverfahren, aber auch den Innenbehörden der Länder bei ihrer Entscheidung über die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer dienen. In ihnen stellt das Auswärtige Amt asyl- und abschiebungsrelevante Tatsachen und Ereignisse dar. Wertungen und rechtliche Schlussfolgerungen aus der tatsächlichen Lage haben die zuständigen Behörden und Gerichte vorzunehmen.

3. Ergänzende Auskünfte: Über Lageberichte hinausgehende Anfragen von Behörden und Gerichten wird das Auswärtige Amt beantworten, insoweit die Anfragen einen konkreten tatsächlichen Sachverhalt zum Gegenstand haben. Die Beantwortung von Fragen, die bereits in der Fragestellung eine rechtliche Wertung enthalten (z.B. "Besteht für den Kläger das Risiko einer politischen Verfolgung?"), fällt in die Zuständigkeit der Gerichte bzw. Innenbehörden, nicht aber des Auswärtigen Amts.

4. Quellen: Die Auslandsvertretungen sind angewiesen, sämtliche vor Ort zur Verfügung stehenden Erkenntnisse auszuwerten. Dies gilt insbesondere für Erkenntnisse lokaler Menschenrechtsgruppen und vor Ort vertretener Nichtregierungsorganisationen. Weitere Erkenntnisquellen sind Oppositionskreise, Rechtsanwälte, Botschaften westlicher Partnerstaaten, internationale Organisationen wie z.B. UNHCR oder IKRK, Regierungskreise sowie abgeschobene Personen. Darüber hinaus tauscht das Auswärtige Amt regelmäßig mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und dem UNHCR Informationen über die Lage in einzelnen Herkunftsländern aus. Dadurch sowie durch stets mögliche schriftliche Stellungnahmen erhalten die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen und des UNHCR die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse zu den in den Lageberichten dargestellten Sachverhalten einzubringen.

5. Aktualität: Lageberichte berücksichtigen die dem Auswärtigen Amt bekannten Tatsachen und Ereignisse bis zu dem jeweils angegebenen Datum der Erstellung, es sei denn, es ist ausdrücklich anders angegeben. Die Aktualisierung der Lageberichte erfolgt in regelmäßigen Zeitabständen. Dabei geht das Auswärtige Amt auch Hinweisen auf evtl. in den Lageberichten enthaltene inhaltliche Unrichtigkeiten nach. Bei einer gravierenden, plötzlich eintretenden Veränderung der Lage erstellt das Auswärtige Amt einen Ad-hoc-Bericht. Wenn dies nicht möglich ist, werden die Empfänger darauf hingewiesen, dass der betreffende Lagebericht nicht mehr der aktuellen Lage entspricht. Bei Anhaltspunkten für eine Veränderung der Lage, die den Empfängern bekannt geworden sind, steht das Auswärtige Amt darüber hinaus den Empfängern jederzeit für – auch telefonische – Auskünfte zur Verfügung.

6. Einstufung: Lageberichte sind als "Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft. Nur dieses restriktive Weitergabeverfahren stellt sicher, dass die Berichte ohne Rücksichtnahme auf außenpolitische Interessen formuliert werden können. Die Schutzbedürftigkeit ist auch aus Gründen des Quellenschutzes und in Einzelfällen sogar im Interesse der persönlichen Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amts geboten. Das Auswärtige Amt weist darauf hin, dass die Lageberichte nicht an Dritte, die selbst weder verfahrensbeteiligt noch verfahrensbevollmächtigt in einem anhängigen Verfahren sind, weitergegeben werden dürfen. Die unbefugte Weitergabe dieser Informationen durch verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwälte stellt einen Verstoß gegen berufliches Standesrecht dar (§ 19 der anwaltlichen Berufsordnung) und kann entsprechend geahndet werden. Das Auswärtige Amt hat keine Einwände gegen die Einsichtnahme in diesen Lagebericht bei Verwaltungsgerichten durch Prozessbevollmächtigte, wenn die Bevollmächtigung in einem laufenden Verfahren nachgewiesen ist. Aus Gründen der Praktikabilität befürwortet das Auswärtige Amt, dass die Einsichtnahme unabhängig von örtlicher und sachlicher Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, bei dem der Prozessbevollmächtigte im Einzelfall Einsicht nehmen möchte, möglich ist.

7. Besondere Hinweise zum Lagebericht: Der Bericht beruht auf Erkenntnissen, die die deutsche Botschaft in Kiew im Rahmen ihrer

Kontakte und Recherchen gewonnen hat, sowie auf folgenden Quellen:

8. Anlage: Landkarte von United Nations Department of Field Support Cartographic Section, Stand: März 2014 ( http://www.un.org/Depts/Cartographic/english/htmain.htm )

Das Auswärtige Amt übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit des Inhalts der Karte. Es ist beabsichtigt, den Bericht jährlich zu aktualisieren.

Inhaltsverzeichnis I. Allgemeine politische Lage 6

II. Asylrelevante Tatsachen 7

1. Staatliche Repressionen 7

1.1 Politische Opposition 7

1.2 Versammlungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit 7

1.3 Minderheiten 7

1.4 Religionsfreiheit 7

1.5 Strafverfolgungs- und – Zumessungspraxis 7

1.6 Militärdienst 8

1.7 Handlungen gegen Kinder 9

1.8 Geschlechtsspezifische Verfolgung 9

1.9 Exilpolitische Aktivitäten 9

2. Repressionen Dritter 10

3. Ausweichmöglichkeiten 10

4. Konfliktgebiete 10

III. Menschenrechtslage 11

1. Schutz der Menschenrechte in der Verfassung 11

2. Folter 12

3. Todesstrafe 12

4. Sonstige menschenrechtswidrige Handlungen 12

5. Lage ausländischer Flüchtlinge 12

IV. Rückkehrfragen 14

1. Situation für Rückkehrerinnen und Rückkehrer 14

1.1 Grundversorgung 14

1.2 Rückkehr und Reintegrationsprojekte im Herkunftsland 14

1.3 Medizinische Versorgung 14

2. Behandlung von Rückkehrern 15

3. Einreisekontrollen 15

4. Abschiebewege 15

V. Sonstige Erkenntnisse 15

1. Echtheit der Dokumente 16

1.1 Echte Dokumente unwahren Inhalts 16

1.2 Zugang zu gefälschten Dokumenten 16

2. Zustellungen 16

3. Feststellung der Staatsangehörigkeit 16

4. Ausreisekontrollen und Ausreisewege 16

Zusammenfassung

• Nach dem "Euromaidan" im Winter 2013/14 und dem Sturz von Präsident Janukowytsch gelang nach Übergangsregierung, Neuwahlen von Präsident und Parlament und nach der Regierungsbildung im weiteren Jahresverlauf 2014 eine relative Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und sich im Osten der Ukraine illegale "Volksrepubliken" durch Separatisten etablierten. Seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen sind über 9.000 Menschen umgekommen. 1,4 Mio. Binnenflüchtlinge sind innerhalb der Ukraine registriert, etwa 900.000 Ukrainer sind in Nachbarländer geflohen. Die Regierung verabschiedete Reformgesetze (Wirtschaft, Energie und Justiz, Korruptionsbekämpfung, Lustration) und ratifizierte das Assoziie- rungsabkommen mit der EU.

• Das Parteiensystem ist plural. Bei den Parlamentswahlen vom 26.10.2014 scheiterten rechts- wie linksradikale Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Arbeit von Nicht- regierungsorganisationen, die Aktivitäten von Oppositionsparteien und -gruppen sowie die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit unterliegen keinen staatlichen Restriktionen. Eine staatliche Diskriminierung von Minderheiten findet nicht statt, die Religionsfreiheit wird respektiert.

• Der Schutz der Menschenrechte durch die Verfassung ist gewährleistet. Die Ukraine ist Mitglied der UN-Anti-Folter-Konventionen. Die Todesstrafe ist abgeschafft. Der Schutz ausländischer Flüchtlinge ist verbessert worden. Abschiebungen anerkannter Flüchtlinge und Asylbewerber finden nicht statt.

• Homosexualität ist in der Ukraine seit 1991 nicht mehr strafbar, jedoch bestehen in der Gesellschaft generell deutliche Vorbehalte gegen LGBTTI-Personen.

• In den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Die Einwohner der Krim wurden nach Russland eingebürgert, die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblich Restriktionen durch die russischen Vertreter. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. In den Oblasten Donezk und Luhansk kam es in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Der VN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCHR) spricht von einem "vollständigen Zusammenbruch von Recht und Ordnung". Auch in Gebieten, in denen ukrainische "Freiwilligen-Bataillone" gegen Separatisten vorgehen, kam es zu schweren Menschenrechtsverletzungen.

• Die Grundversorgung für Rückkehrer ist (wie für die meisten Menschen in der Ukraine) knapp ausreichend. Die medizinische Versorgung ist laut Gesetz kostenlos und flächendeckend, qualitativ höherwertige Leistungen sind jedoch von privaten Zuzahlungen abhängig.

• Auf Grund der aktuellen Situation ist von einem erhöhten Migrationspotenzial auszugehen, das sich nicht nur auf Personen beschränkt, die durch den Konflikt vertrieben wurden.

I. Allgemeine politische Lage

Nach der versuchten gewaltsamen Niederschlagung des "Euromaidans" mit 130 Toten flüchtete der damalige Präsident Janukowytsch nach Russland. Das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, erklärte ihn für abgesetzt und bestellte einen Übergangspräsidenten. Neuer Ministerpräsident wurde Arseni Jazenjuk. Am 21.02.2014 setzte das Parlament die Verfassung von 2004 wieder in Kraft. Sie schreibt Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Gerichte fest. In der Praxis werden diese Grundsätze durch die grassierende Korruption häufig durchbrochen. Die Ukraine liegt auf Rang 142 des Korruptionsindex von Transparency International und gilt damit als das korrupteste Land Europas.

Die Annexion der Krim durch Russland und die militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine überschatten weiterhin die innenpolitische Entwicklung: Nach VN-Angaben sind seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 9.000 Menschen umgekommen; die Flüchtlings- zahlen sind auf 1,4 Mio. Binnenflüchtlinge und über 900.000 Flüchtlinge in Nachbarländern, insbesondere Russland, angestiegen. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt: Zwar hat sich die Sicherheitslage seit Ende August 2015 verbessert, auch wenn Waffenstillstandsverletzungen an der Tagesordnung bleiben. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt jedoch trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers bleibt neben den Lokalwahlen im besetzten Donbass der Dezentralisierungsprozess, den die Rada noch nicht abgeschlossen hat. Die Regierung Jazenjuk II hält am euroatlantischen Integrationskurs fest und hat bisher trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen erste Fortschritte im Kampf gegen die Korruption, in der Reform des Justizsektors und in der "Deoligarchisierung" erzielt. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt. Die Wirtschaftslage bleibt – in erster Linie wegen der fortgesetzten Konfliktlage in der Ostukraine – desolat: Für 2015 wird ein (weiterer) Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um ca. 11% prognostiziert. Die Jahresinflation lag im April bei 60%, Ende 2015 bei bis zu 50%; das Realeinkommen der Bevölkerung sank im Jahresvergleich um ca. 30%. Ohne internationale Finanzhilfen durch IWF und andere wäre die Ukraine vermutlich insolvent. Regierung und Nationalbank bemühen sich ernsthaft und bislang erfolgreich, die harten Auflagen, die mit den IWF-Krediten einhergehen, zu erfüllen (u.a. Sparhaushalt, Abbau der Verbraucherpreissubventionen für Energie, Konsolidierung des Bankensektors, marktwirtschaftliche Reformen).

Die Lokalwahlen im November 2015 verliefen im Großen und Ganzen regelkonform. Die Parteienlandschaft ist plural und reflektiert alle denkbaren Strömungen von nationalkon- servativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis kommunistisch wieder. Noch ist der Programmcharakter der Parteien wenig entwickelt, die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren. Bei den Parlamentswahlen vom 26.10.2014 scheiterten rechts- wie linksradikale Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Möglichkeit von Nichtregierungsorganisationen, sich im Bereich Menschenrechte zu betätigen, unterliegt keinen staatlichen Restriktionen.

Die Sicherheitsbehörden haben sowjetische Traditionen noch nicht abgestreift. Reformen werden von Teilen des Staatsapparats abgelehnt. Miliz (mittlerweile umbenannt und reorga- nisiert als nationale Polizei), Staatsanwaltschaft und Sicherheitsdienst (SBU) waren jahr- zehntelang Instrumente der Repression; im Bereich von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gibt es noch überlappende Kompetenzen.

II. Asylrelevante Tatsachen

1. Staatliche Repressionen

1.1 Politische Opposition

Aktivitäten von Oppositionsparteien oder -gruppen unterliegen keinen staatlichen Restrik- tionen.

1.2 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit

Die Versammlungsfreiheit wurde im Euromaidan 2013/2014 unter erheblichen Opfern ver- teidigt. Sie ist seither unangefochten. Auch Meinungs- und Pressefreiheit unterliegen keinen staatlichen Restriktionen, leiden jedoch unter der wirtschaftlichen Schwäche des unab- hängigen Mediensektors und dem Übergewicht von Medien, die Oligarchen gehören oder von ihnen finanziert werden.

1.3 Minderheiten

Eine Zunahme des Antisemitismus in der Ukraine seit den politischen Umwälzungen 2013/2014 ist nicht erkennbar. Ukrainische Wissenschaftler, NRO-Vertreter und religiöse Würdenträger der jüdischen Gemeinden sind sich weitgehend darin einig, dass sich zwar die allgemeine Sicherheitslage verschlechtert habe. Hiervon seien aber die Bürger insgesamt betroffen; eine spezifische Bedrohungslage der jüdischen Gemeinden und ihrer Mitglieder bestehe nicht. Der ukrainische Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses Jossyf Sissels wies im November 2014 in einer Analyse antisemitischer Vorfälle der letzten Jahre in der Ukraine darauf hin, dass deren Zahl sogar signifikant abgenommen habe.

Roma stellen eine schwer quantifizierbare Minderheit dar. Nach offizieller Zählung umfasst sie 48.000 Personen, nach Schätzungen von Roma-NROs im Lande sollen es 400.000 sein. Diese Diskrepanz ist nur zum Teil erklärbar durch das Bedürfnis vieler sozial integrierter Roma, sich nicht zu erkennen zu geben. Unstreitig ist, dass große Teile der Roma-Bevölke- rung sozial marginalisiert und benachteiligt sind (z. B. führt wie andernorts fehlende Geburtsregistrierung zu Benachteiligungen bei der Gesundheitsversorgung und Schulbildung). Es liegen keine Erkenntnisse für eine staatliche Diskriminierung vor. In der Bevölkerung bestehen teilweise erhebliche Vorurteile gegen Roma.

Klagen von Vertretern der ungarischen und rumänischen Minderheit, diese Gruppen würden überproportional zum Wehrdienst herangezogen, sind mittlerweile entkräftet und werden nicht mehr wiederholt.

1.4 Religionsfreiheit

Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der ungestörten Religionsausübung wird von der Verfassung garantiert (Art. 35) und von der Regierung in ihrer Politik gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften respektiert.

1.5 Strafverfolgungs- und Zumessungspraxis

Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis orientieren sich zunehmend an westeuro- päischen Standards. Untersuchungshaft wird nach umfassender Reform des Strafverfahrens- rechts (mit Unterstützung der Internationalen Stiftung für Rechtliche Zusammenarbeit und ausgerichtet an deutschen Vorbildern) erkennbar seltener angeordnet als früher. Sippenhaft wird nicht praktiziert.

1.6 Militärdienst

Die Pflicht zur Ableistung des Grundwehrdienstes besteht für Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren. Er dauert grundsätzlich eineinhalb Jahre, für Wehrpflichtige mit Hochschul- qualifikation (Magister) 12 Monate. Am 01.05.2014 wurde die früher beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht widerrufen. Danach erfolgten insgesamt sechs Mobilisierungs- wellen, die hauptsächlich Reservisten, aber auch Grundwehrdienstleistende (letztere zu einer sechsmonatigen Ausbildung) erfassen sollte. Merkmale wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung spielen bei der Heranziehung keine Rolle.

Angesichts der andauernden militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine sollen die Streitkräfte um mehr als ein Drittel (66.000) auf 250.000 aufwachsen (204.000 Soldaten und 46.000 Zivilangestellte). Diese ambitionierte Personalerhöhung wurde vermutlich trotz weiterer Teilmobilisierungsmaßnahmen für Reservisten nicht erreicht.

Für 12 Monate wird der Arbeitsplatz garantiert, das Gehalt ist in dieser Zeit (zusätzlich zum Dienstgrad-entsprechenden Sold) weiterzuzahlen.

Während der sechsmonatigen Ausbildungen werden Wehrpflichtige nicht im ATO-Gebiet (Teil der Ostukraine, in denen es zu Kämpfen mit den Separatisten kommt) eingesetzt. Ob und wann sie danach dort zum Einsatz kommen, ist hier nicht bekannt. Richter, Vollzeitstudenten, Post-Graduate-Studenten, Priester, Väter mit drei und mehr minderjährigen Kindern, Parlamentsabgeordnete und Straftäter sind freigestellt.

Bei der derzeitigen Teilmobilisierung ergeht an den Wehrpflichtigen ein Einberufungs- bescheid des Militärkommissariats (entspricht dem deutschen Kreiswehrersatzamt). Zunächst wird versucht, den Bescheid dem Einberufenen persönlich zuzustellen. Bei Unzustellbarkeit wird der Bescheid an die Arbeitsstätte gesandt, ggf. wird der Einberufene direkt an der Arbeitsstätte abgeholt. Es findet Wehrüberwachung statt: Wehrpflichtige habe einen Wohnortwechsel binnen einer Woche anzuzeigen. Sollte künftig Vollmobilisierung erfolgen, wäre ein Wohnortwechsel durch die Wehrüberwachungsbehörde vorab zu genehmigen.

Ermittlungen, ob eine Person einberufen wurde (z. B. durch Anfragen über die Botschaft an das Außen- und Verteidigungsministerium), könnten dazu führen, dass die Wehrüber- wachungsbehörden erst durch diese Nachfrage darauf aufmerksam werden, dass eine Person bisher ihrer Überwachung entgangen ist. Ohnehin wäre mit einer langen Bearbeitungszeit zu rechnen.

Der Ersatzdienst hat in der Ukraine kaum Tradition und ist in der Gesellschaft noch wenig verankert. Über die Zahl der Verweigerer macht das ukrainische Verteidigungsministerium keine offiziellen Angaben. NRO-Vertreter gehen von bislang 7.500 Anträgen aus. Für aktive Soldaten ist eine Verweigerung nicht vorgesehen. Das Gesetz über den Ersatzdienst vom 12.12.1991 (Nr. 1975-XII) regelt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und die Möglich- keit, den Ersatzdienst unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abzuleisten. Die Wehrpflichtigen durchlaufen bei der Musterung sämtliche Untersuchungen im jeweils zuständigen Militärkommissariat (Kreiswehrersatzamt). Spätestens zwei Monate vor dem Einberufungs- termin muss der Wehrpflichtige bei der für den jeweiligen Wohnort zuständigen Behörde einen begründeten Antrag einreichen.

Eine Verweigerung kann nur auf die religiöse Überzeugung und die entsprechende Zuge- hörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Gemeinschaft gestützt werden. Bei Kriegs- oder Ausnahmezustand kann das Recht der Wahl zwischen Wehr- und Ersatzdienst gesetzlich für bestimmte Zeit eingeschränkt werden. Der Ersatzdienst dauert 27 Monate, für Hochschul- absolventen (Magister) 18 Monate. Er wird in staatlichen Sozial-, Gesundheits- und Kommu- naleinrichtungen oder beim Roten Kreuz abgeleistet.

Strafrechtliche Verfolgung: Die Entziehung vom Wehrdienst wird nach Art. 335 ukr. StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Eine Mobilisierungsentziehung kann gemäß Art. 336 ukr. StGB mit bis zu fünf Jahren bestraft werden. Für Entziehung von der Wehrerfassung sieht Art. 337 eine Geldstrafe bis zu 50 Mindest-Monatslöhnen oder Besserungsarbeit bis zu zwei Jahren oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monaten vor, für Entziehung von einer Wehrübung Geldstrafe bis zu 70 Mindest-Monatslöhnen oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monaten.

1.7 Handlungen gegen Kinder

Zwangsarbeit und Zwangsrekrutierungen finden staatlicherseits nicht statt. In den von Separa tisten kontrollierten Landesteilen soll es zum Einsatz von Jugendlichen in militärischen Ver- bänden gekommen sein.

1.8 Geschlechtsspezifische Verfolgung

Artikel 24 der Verfassung schreibt die Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus- drücklich vor. Auch im Übrigen gibt es keine rechtlichen Benachteiligungen. Nach ukrai- nischem Arbeitsrecht genießen Frauen die gleichen Rechte wie Männer. Tatsächlich werden sie jedoch häufig schlechter bezahlt und sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert. Die Ukraine ist noch immer Herkunftsland für grenzüberschreitenden Frauen- und Mädchen- handel.

1.8.1 Situation für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTTI)

Homosexualität ist in der Ukraine seit 1991 nicht mehr strafbar. Dennoch bestehen in der Gesellschaft weiterhin generelle Vorbehalte gegen LGBTTI-Personen. Mit abnehmender politischer Instrumentalisierung scheint auch die Zahl von Übergriffen zurückzugehen. Aller- dings berichten LGBTTI-Organisationen von gelegentlichen Angriffen auf Homosexuelle in den von den Separatisten kontrollierten Konfliktgebieten der Ostukraine, wo Einschüchterung und Terrorisierung Betroffener durch die allgemeine Brutalisierung des Alltags zugenommen haben. Die LGBTTI-Kundgebung der "Kyiv Pride" ("Equality March") konnte im Juni 2015 stattfinden, nachdem der Widerstand der Kiewer Stadtpolizei und Bürgermeister Klitschkos durch Intervention von Präsident Poroschenko (ausdrücklich unter Bezug auf die Versammlungsfreiheit) überstimmt worden war. Dabei wurde ein Polizist durch einen Explosionskörper von Seiten homophober Gegendemonstranten lebensgefährlich verletzt. Das Parlament verabschiedete am 04.11.2015 (im Rahmen des Gesetzespakets für den Visaliberalisierungsaktionsplan) ein allgemeines Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht, das auch explizit Diskriminierung aufgrund geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung umfasst.

1.9 Exilpolitische Aktivitäten

Eine große Zahl von Ukrainern lebt im Ausland. Viele sind nach Kanada, in die USA, nach Israel und nach Deutschland ausgewandert. Repressionen gegen Personen, die sich im Ausland exilpolitisch betätigt haben, nach deren Rückkehr in die Ukraine, oder Rückkehrverbote für solche Personen sind nicht bekannt.

2. Repressionen Dritter

Über Repressionen Dritter, für die der ukrainische Staat mittelbar die Verantwortung trägt, indem er sie anregt, unterstützt oder hinnimmt, liegen keine Erkenntnisse vor. Wegen der Konfliktgebiete in den Oblasten Donezk und Luhansk vgl. Nr. 4.

3. Ausweichmöglichkeiten

Die Zahl der registrierten Binnenflüchtlinge (Internally Displaced Persons – IDPs) ist bis November 2015 auf 1,4 Mio. gestiegen, weitere 900.000 Menschen sind in Nachbarländer geflohen. Das ukrainische Parlament hat ein lange gefordertes IDP-Gesetz erlassen, das am 19.11.2014 vom Präsidenten unterzeichnet wurde. Damit wurde eine Rechtsgrundlage für die Registrierung, Versorgung und Unterbringung von IDPs geschaffen.

4. Konfliktgebiete

In den Gebieten außerhalb der staatliche Kontrolle, namentlich in den von Separatisten kontrollierten Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, staatliche Befugnisse wahrzunehmen.

Auf der Krim werden seit März 2014 staatliche Aufgaben von russischen De-facto-Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim zurückreisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Medien geraten zunehmend unter Druck, dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr, Auskunftspersonen haben die Krim verlassen. Religiöse Literatur gilt den Behörden als extremistisch. Ein Bericht von ODIHR vom Juli 2015 hat eine erhebliche Verschlechterung der Menschenrechtslage auf der Krim zum Gegenstand, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht.

In den Oblasten Donezk und Luhansk ist zu differenzieren zwischen Gebieten, die sich unter Kontrolle der pro-russischen Separatisten befinden, befriedeten Gebieten unter voller Kontrolle staatlicher ukrainischer Stellen, und Gebieten, in denen ukrainische Militäreinheiten, auch die sog. Freiwilligen-Bataillone, zum Einsatz kommen.

Berichte der OSZE-Beobachtermission, von Amnesty International sowie weiteren NROs lassen den Schluss zu, dass es nach Ausbruch des Konflikts im März 2014 in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Dazu zählen extralegale Tötungen auf Befehl örtlicher Kommandeure ebenso wie Freiheitsberaubung, Erpressung, Raub, Entführung, Scheinhinrichtungen und Vergewalti- gungen. Auch im jüngsten Bericht (09.12.2015) spricht der VN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCHR) - trotz zwischenzeitlicher Beruhigung der Lage - von einem "Zusammenbruch von Recht und Ordnung" auf dem Gebiet der selbstproklamierten "Republiken". Die Zivilbevölkerung ist der Willkür der Soldateska schutzlos ausgeliefert, Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit sind faktisch suspendiert.

In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten wird die staatliche Ordnung erhalten oder wieder hergestellt, um Neuaufbau sowie humanitäre Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen.

Problematisch sind die Gebiete, in denen nicht die ukrainischen Streitkräfte selbst, sondern sog. "Freiwilligen-Bataillone" gegen Separatisten vorgehen. Diese Einheiten nehmen offiziell an der sog. "Anti-Terror-Operation" teil; fast alle sind dem Verteidigungsministerium und der Nationalgarde (Innenministerium) unterstellt. Teilweise handelt es sich um Einheiten, die von privater Seite finanziert werden, z. B. vom Dnipropetrowsker Oligarchen Kolomojsky (bis Ende März 2015 im Amt als Gouverneur). Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hat zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, evtl. auch zu extralegalen Tötungen.

Meldungen über die Entdeckung von Massengräbern können nicht bewertet werden. Funde in Gebieten, die zuvor unter der Kontrolle ukrainischer Einheiten standen (der russische Außenminister Lawrow sprach von 400 entdeckten Leichen), werden von Amnesty International, OSZE und UNHCR als übertrieben bewertet; sie bestätigten den Fund von drei Gräbern mit insgesamt 10 Leichen. Eine unabhängige forensische Untersuchung zur Todes-ursache war bislang nicht möglich. Die ukrainische Regierung bestreitet jede Verantwortung und veröffentlichte ihrerseits eine Karte mit einer großen Zahl von angeblichen Massen-gräbern, die von Separatisten angelegt worden sein sollen. Auch hier ist eine Bewertung der-zeit nicht möglich.

Mittlerweile scheint das Bewusstsein dafür zu wachsen, dass Disziplinlosigkeit der Frei- willigen-Bataillone sowohl die Bevölkerung in den Einsatzgebieten gefährdet, als auch in andere Regionen ausstrahlt und dort zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führt. Der ukrainische Staat scheint gewillt, nach einer Beruhigung der militärischen Lage das staat- liche Gewaltmonopol wieder herzustellen.

III. Menschenrechtslage

1. Schutz der Menschenrechte in der Verfassung

Der Grundrechtskatalog der Verfassung (in Abschnitt II, Art. 21 bis 63, über Rechte, Frei- heiten und Pflichten) enthält neben den üblichen Abwehrrechten eine große Zahl von Ziel- bestimmungen (z. B. Wohnung, Arbeit, Erholung, Bildung). Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtskonventionen (Internationaler Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte, Internatio nales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, Überein- kommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, UN-Anti-Folter-Konvention, UN-Kinderrechtskonvention, Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Europäische Menschenrechtskonvention).

2. Folter

Folter sowie grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafungen, die gegen die Menschenwürde verstoßen, sind gemäß Artikel 28 der ukrainischen Verfassung verboten. Die Ukraine ist seit 1987 Mitglied der UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) und seit 1997 Teilnehmerstaat der Anti-Folter-Konvention des Europarats. Bei der Umsetzung bestehen vor allem im Strafvollzug weiterhin Defizite. Menschenrechtswidrige Verhör- methoden mit Schlägen und Tritten, überfordertes, unterbezahltes Personal, chronische Überbelegung, schlechte hygienische Verhältnisse und schlechtes Essen führen nach Einschätzung der Menschenrechtsbeauftragten des Parlaments in einigen Haftanstalten und Polizeistationen zu Zuständen, die nicht konventionskonform sind.

3. Todesstrafe

Die Todesstrafe wurde 1999 vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, im Jahr 2000 abgeschafft und durch lebenslange Haft ersetzt. Die Ukraine ist Vertragsstaat des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK.

4. Sonstige menschenrechtswidrige Handlungen

Extralegale Tötungen sind nach den Ereignissen auf dem Euromaidan zwischen November 2013 und Februar 2014 außerhalb der Konfliktgebiete im Osten des Landes nicht mehr bekannt geworden. Die Aufklärung der Tötungsfälle im Zusammenhang mit dem Euromaidan und den Zwischenfällen in Odessa am 02.05.2014 mit insgesamt über 160 Getöteten kommen nur äußerst schleppend voran. Fälle von willkürlichen Festnahmen sowie Verschwindenlassen wurden aus den von Separatisten kontrollierten Gebieten sowie von der Krim gemeldet.

Die Haftbedingungen in ukrainischen Untersuchungshaftanstalten und Gefängnissen ver- bessern sich nur langsam und in den verschiedenen Anstalten nur sehr ungleichmäßig. Fort- schritte in einigen Vollzugseinrichtungen kontrastieren mit unerträglichen Zuständen in einigen U-Haft- und psychiatrischen Einrichtungen. Immerhin ist die Zahl der Insassen – nach einer Reform der StPO - deutlich rückläufig. Nach Angaben des Leiters des nationalen Justizvollzugsdienstes vom August 2014 gibt es derzeit noch ca. 94.000 Häftlinge, ein erheblicher Rückgang im Vergleich zu 2002 (215.000). Schlecht bezahltes und unzureichend ausgebildetes Wachpersonal, überbelegte Großraumzellen, mangelhafte Ernährung, unzu- reichende medizinische Betreuung, unzulängliche hygienische Verhältnisse sowie unverhält- nismäßig starke Beschränkungen von Kontakten zur Außenwelt sind immer noch die Regel.

5. Lage ausländischer Flüchtlinge

Die Ukraine hat die Genfer Konvention von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und das Zusatzprotokoll von 1967 ratifiziert. Der Schutz ausländischer Flüchtlinge ist auch durch ein neues nationales Flüchtlingsrecht verbessert worden. Abschiebungen anerkannter Flücht- linge oder anerkannter Asylbewerber finden nicht statt.

Die Ukraine hat sich zu einem wichtigen Transitland von Migranten aus Asien und den GUS-Staaten entwickelt. Die Zustände in den Aufnahmelagern haben sich verbessert, ent- sprechen aber noch nicht überall den dafür geltenden Standards. Nach Auskunft des Staatlichen Migrationsdienstes bewegt sich die Zahl der Asylanträge im niedrigen vierstelligen Bereich (2010: 1.500; 2011: 890; 2012. 1.860; 2013: 1.310; 2014: 1.173; 2015: 630; Stand: 30. Juni 2015). Hauptherkunftsländer waren Afghanistan (35%), Somalia (11%), Syrien (9,5%) und Irak (4,1%). In der Hauptsache handelt es sich bei den Antragstellern um geschleuste irreguläre Migranten.

Am 14.12.2015 wurde ein neues Migrant Accommodation Center in Martynivske (Oblast Mykolajiw, etwa 400 Kilometer südlich von Kiew) eröffnet. Die Langzeiteinrichtung für irreguläre Migranten wurde unter finanzieller Beteiligung der EU errichtet, die durch verschiedene Programme das ukrainische Flüchtlingsmanagement finanziell unterstützt. Auf- nahme bzw. Unterbringung von Ausländern erfolgt anhand der ausländerrechtlichen Einord- nung in zwei unterschiedlichen Einrichtungstypen: Einerseits Aufenthaltseinrichtungen für sich unerlaubt aufhaltende Ausländer und Staatenlose mit Überwachung in Tschernihiw und Wolyn (Gebiet Luzk). Die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments attestierte dem Aufnahmezentrum in Wolyn annehmbare Lebensbedingungen. Ein Zentrum in Donezk soll im Laufe der dortigen Kämpfe zerstört worden sein. Andererseits gibt es Aufnahmestellen für die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen in Jahodyn (Gebiet Kiew), Odessa und im Gebiet Transkarpatien. Die Aufnahmekapazität in diesen modern eingerichteten Zentren soll bei jeweils 200 Personen liegen. Zu angeblichen Misshandlungen von Flüchtlingen durch Aufsichtspersonal liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor.

Der UNHCR hält an seiner früheren Bewertung fest: Rückführungen von Drittstaatern sollten mit Behutsamkeit ("caution") erfolgen.

Die Ukraine ist für die illegale Migration von Drittausländern aus Asien und dem Nahen Osten in Richtung Westeuropa von zunehmender Bedeutung. Die illegalen Grenzübertritte werden häufig durch Schleusernetzwerke organisiert. Die landesweite Ermittlungsarbeitet konzentriert sich dabei auf den Nachweis operierender Schleuserorganisationen. Nur ein geringer Teil der migrationsrelevanten Feststellungen werden an den Westgrenzen zu den EU- und Schengenstaaten getroffen. Die West- und Schengen-Außengrenzen - hier die Grenz- dienstinspektion Lemberg (Polen), Tschop (Dreiländereck Ukraine-Ungarn-Slowakei), Ushgorod (Slowakei) sowie Tysa (Ungarn) - bleiben jedoch Schwerpunkte relevanter Fest- stellungen im Bereich der Ausschleusungen über die grüne Grenze.

Bis zum Abschluss der Strafverfahren bleiben irreguläre bzw. geschleuste Migranten in Ein- richtungen zur vorläufigen Aufnahme, die sie häufig bald verlassen. Nachdem es lange Zeit so aussah, als verhindere der Ukraine-Konflikt den Transit für irreguläre Migranten, scheinen sich die Schleuser mit den Verhältnissen arrangiert zu haben. Vor allem Personen aus Asien werden weiterhin über Russland (insbesondere über die unter ukrainischer Kontrolle stehenden Oblaste Charkiw und Sumy) auf dem Weg durch die Ukraine nach Europa ge- schleust. Die Ostukraine wird dabei aus Sicherheitsgründen von der unorganisierten irregu- lären Migration eher gemieden, wogegen gut vernetzte Schleuserorganisationen sie sogar bevorzugen. Für die Schleusung von Migranten aus Zentralasien oder dem Nahen Osten sollen inzwischen Zahlungen zwischen 10.000 und 15.000 US-Dollar geleistet werden. Neben meist ausweislosen irregulären Migranten aus Afghanistan, Somalia und Syrien wird auch vielen russischen Staatsangehörigen an den unterschiedlichen Grenzübergangsstellen die Einreise in die Ukraine häufig verwehrt.

Es ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der illegal in der Ukraine lebenden Flüchtlinge die rasche Weiterreise nach Westeuropa anstrebt.

IV. Rückkehrfragen

1. Situation für Rückkehrerinnen und Rückkehrer

1.1 Grundversorgung

Die Existenzbedingungen sind im Landesdurchschnitt knapp ausreichend. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gesichert. In Teilen des Landes stehen Strom, Gas und warmes Wasser nicht ganztägig zur Verfügung. Die Situation gerade der auf staatliche Ver- sorgung angewiesenen älteren Menschen, Kranken, Behinderten und Kinder bleibt daher karg.

Die ukrainische Währung Hrywnja (UAH) verlor von Anfang 2014 bis Frühjahr 2015 etwa die Hälfte ihres Außenwerts, in kurzfristigen Spitzen auch deutlich mehr. Seither ist der Wechselkurs weitgehend stabil (Anfang Dezember 2015 bei gut 25 Hrywnja pro Euro, knapp 24 Hrywnja zum Dollar). Die Inflation bleibt jedoch hoch: sie lag 2015 in der Spitze bei knapp 60%, soll zum Jahresende bei ca. 50% liegen und 2016 auf 12% zurückgehen (IWF- und Nationalbankprognose). Der gesamtukrainische, sektorübergreifende Durchschnittslohn betrug Mitte 2015 3.870 UAH (bei starken sektoralen und regionalen Unterschieden); die Durchschnittsrente dürfte bei weniger als der Hälfte dieses Betrags liegen. Die Realein- kommen der Bevölkerung sind 2015 im deutlich zweistelligen Bereich zurückgegangen. Ohne zusätzliche Einkommensquellen bzw. private Netzwerke ist es alten Menschen kaum möglich, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Es gibt infolge der Wirtschaftskrise und der damit einhergehenden Probleme von Unternehmen und Staat gewisse Lohn- und Gehaltsrückstände (derzeit etwa 5% der monatlichen Lohnsumme), aber so gut wie keine Rückstände bei Renten, mit Ausnahme der von Separatisten besetzten Kreise in den Gebieten Donezk und Luhansk.

1.2 Rückkehr und Reintegrationsprojekte im Herkunftsland

Die Bundesregierung unterstützt mit dem Programm "Rückkehrende Fachkräfte" gezielt die Einbindung rückkehrinteressierter Fachkräfte, die in Deutschland z. B. ein Studium oder eine Ausbildung absolviert haben, in die Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit in der Ukraine. 2015 wurden über das Centrum für internationale Entwicklung und Migration (CIM) neun rückkehrende Fachkräfte gefördert.

1.3 Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist kostenlos und flächendeckend. Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebenswichtige Maßnahmen durchgeführt und chronische, auch innere und psychische Krankheiten behandelt werden können, existieren sowohl in der Hauptstadt Kiew als auch in vielen Gebietszentren des Landes. Landesweit gibt es ausgebildetes und sachkundiges medizinisches Personal. Dennoch ist gelegentlich der Beginn einer Behandlung korruptionsbedingt davon abhängig, dass der Patient einen Betrag im Voraus bezahlt oder Medikamente und Pflegemittel auf eigene Rechnung beschafft. Neben dem öffentlichen Gesundheitswesen sind in den letzten Jahren auch private Krankenhäuser beziehungsweise erwerbswirtschaftlich geführte Abteilungen staatlicher Krankenhäuser gegründet worden. Die Dienstleistungen der privaten Krankenhäuser sind jedoch für den größten Teil der ukrainischen Bevölkerung nicht bezahlbar. Fast alle gebräuchlichen Medikamente werden im Land selbst hergestellt. Die Apotheken halten teilweise auch importierte Arzneien vor.

2. Behandlung von Rückkehrern

Es sind keine Berichte bekannt, wonach in die Ukraine abgeschobene oder freiwillig zurückgekehrte ukrainische Asylbewerber wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland behelligt worden wären. Um neue Dokumente zu beantragen müssen sich Rückkehrer an den Ort begeben, an dem sie zuletzt gemeldet waren. Ohne ordnungsgemäße Dokumente können sich – wie bei anderen Personengruppen auch – Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder der Inanspruchnahme des staatlichen Gesundheitswesens ergeben.

3. Einreisekontrollen

Grundsätzlich ist die Einreise eines ukrainischen Staatsangehörigen verfassungsmäßig garantiert (Art. 33 Absatz 2). Ob eine Rückkehr in die Ukraine erfolgen kann und wie sich Rückkehr, Einreise und Wiedereingliederung gestalten, hängt deshalb von der Staatsangehörigkeit des Rückkehrers ab. Vor einer Abschiebung oder zwangsweisen Rückkehr ist ein Nachweis der Staatsangehörigkeit zu führen. Dies setzt, soweit die Person nicht im Besitz eines gültigen ukrainischen Reisepasses ist, eine entsprechende Prüfung durch eine Auslands vertretung der Ukraine voraus. Im Normalfall wird ein vom Betroffenen auszufüllen-der Antrag zur Ausstellung von Passersatzpapieren an das Außenministerium in Kiew mit der Bitte weitergeleitet, die ukrainische Staatsangehörigkeit festzustellen. Möglich ist auch die Überprüfung aufgrund eines von der ukrainischen Auslandsvertretung selbst gestellten Ersuchens an das Außenministerium. Ist der Betroffene nicht zur Mitwirkung an der Beschaf- fung von Heimreisedokumenten bereit, so haben die ukrainischen Auslandsvertretungen in der Vergangenheit mitunter deutsche Behörden gebeten, unmittelbar mit dem Innenminis- terium der Ukraine in Kontakt zu treten und die Modalitäten einer zwangsweisen Rückkehr zu vereinbaren. Nur ukrainische Dokumente sind anerkennungsfähig. Heimreisedokumente der EU oder der Bundesrepublik Deutschland werden nicht anerkannt. Die Ukraine stellt seit dem 01.01.2016 einen neuen Personalausweises im Kartenformat aus. Im Zeitraum von fünf Jahren wird die neue ID-Karte den "historischen" sog. Nationalpass (Inlandspass) ablösen. Antragsberechtigt sind ukrainische Staatsangehörige ab 14 Jahren.

4. Abschiebewege

Westliche Staaten ohne gemeinsame Grenze mit der Ukraine (z.B. Frankreich und Nieder- lande) nehmen Rückführungen illegal Eingereister in erster Linie entsprechend den Regeln des Internationalen Zivilluftfahrt-Übereinkommens von Chicago (ICAO) vor. Auch aus Deutschland finden Abschiebungen statt. Das Rücknahmeübereinkommen zwischen der EU und der Ukraine ist am 01.01.2008 in Kraft getreten.

V. Sonstige Erkenntnisse

1. Echtheit der Dokumente

Gefälschte Dokumente und echte nichtamtliche Dokumente mit unwahrem Inhalt werden in zunehmendem Maße verwendet. Teilweise wird der Inhalt falscher Dokumente bis in Gerichtsverfahren hinein vorgetragen. Die Vorlage falscher Dokumente gilt verbreitet als Kavaliersdelikt.

1.1 Echte Dokumente unwahren Inhalts

Nach hiesigen Erfahrungen ist die Verwendung von echten Dokumenten ukrainischer Behörden mit unwahrem Inhalt nicht häufig. Ausstellung von nichtbehördlichen Bescheini- gungen mit unwahrem Inhalt (z. B. Arbeitsbescheinigungen) ist ein verbreitetes Phänomen.

1.2 Zugang zu gefälschten Dokumenten

Die Verfälschung echter Dokumente kommt gelegentlich vor und betrifft in erster Linie Personenstandsurkunden sowie gerichtliche Beschlüsse und Urteile.

2. Zustellungen

Rechtshilfe in Strafsachen, etwa die Zustellung von Gerichtsentscheidungen, Verfahrens- urkunden und Zeugenladungen, wird auf der Grundlage des Europäischen Übereinkommens vom 20.04.1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen in Verbindung mit dem Zusatzprotokoll vom 17.03.1978 gewährt, das die Ukraine am 11.03.1998 ratifiziert hat. Rechtshilfeersuchen werden zwischen dem Bundesamt für Justiz oder den Justizministerien der Länder (Landesjustizverwaltungen) der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem ukrainischen Justiz- ministerium (bei Ersuchen einer gerichtlichen Instanz) oder der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine (bei Ersuchen einer Ermittlungsbehörde) andererseits, in dringenden Fällen unmittelbar zwischen den Justizbehörden übermittelt. Die Bearbeitung durch die zuständigen ukrainischen Behörden nimmt häufig viel Zeit in Anspruch.

3. Feststellung der Staatsangehörigkeit

Die ukrainische Staatsangehörigkeit wird durch das Staatsbürgerschaftsgesetz vom 18.01.2001 geregelt. Ukrainischer Staatsangehöriger ist danach, wer zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine (24. August 1991) beziehungsweise zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsangehörigkeitsgesetzes (13. November 1991) auf dem Territorium der Ukraine seinen ständigen Wohnsitz hatte. Es gilt der Grundsatz der ausschließlichen Staatsbürgerschaft, gesetzliche Regelungen sind daher deutlich auf die Vermeidung mehr-facher Staatsangehörigkeit ausgerichtet. Soweit zur Gewährleistung von Menschenrechten geboten oder in Fällen des Geburtserwerbs wird diese jedoch geduldet. Die Erwerbstat-bestände entsprechen weitestgehend internationaler Praxis (ius sanguinis sowie eingeschränkt ius soli, z.B. in Fällen sonst drohender Staatenlosigkeit). Eine Ausbürgerung mit der Folge der Staatenlosigkeit ist nicht möglich. Ein von den ukrainischen Behörden anerkannter Flüchtling kann bereits nach drei Jahren mit ununterbrochenem Wohnsitz in der Ukraine die ukrainische Staatsangehörigkeit erwerben. Bei Personen, die als ständig im Ausland wohnhaft gelten, sind die ukrainischen Auslandsvertretungen und das ukrainische Außenministerium befugt, Anträge auf Erwerb oder Entlassung aus der ukrainischen Staatsangehörigkeit entgegenzu nehmen.

4. Ausreisekontrollen und Ausreisewege

Die Ausreisefreiheit wird (vorbehaltlich gesetzlicher Einschränkungen) von der Verfassung jedermann garantiert (Art. 33 Absatz 1). Ausreisewillige ukrainische Staatsangehörige müssen über einen Auslandsreisepass verfügen, der auf Antrag und gegen Gebühr ausgestellt wird. Bei Ausreise zur ständigen Wohnsitznahme im Ausland wird darüber hinaus anlässlich der Abmeldung von den Ordnungsämtern geprüft, ob noch Schulden oder andere rechtliche Verpflichtungen (z.B. Unterhalts- oder Steuerschulden) bestehen.

Die ukrainischen Grenzschutzbehörden kontrollieren an der Grenze, ob ein gültiger Auslands- reisepass und gegebenenfalls ein Visum des Ziellandes vorliegen, der Ausreisende in der Ukraine zur Fahndung ausgeschrieben ist oder andere Ausreisehindernisse bestehen. Ausgereist wird vornehmlich auf dem Landweg. Derzeit liegen keine Erkenntnisse vor, dass bei männlichen Reisenden an der Grenze der Status ihrer Wehrpflicht überprüft wird.

2. Beweiswürdigung:

Wie bereits die belangte Behörde hat auch das erkennende Gericht massive Zweifel an der Identität der beiden Beschwerdeführer. Die BF1 hat sowohl vor der belangten Behörde, als auch vor dem erkennenden Gericht keinerlei Dokumente vorgelegt, welches die tatsächliche Identität belegen würde. Für das erkennende Gericht ist es jedoch nicht nachvollziehbar, warum der BF1 in Zeiten moderner Telekommunikation die Vorlage irgendwelcher Bescheinigungs- oder Beweismittel, um zumindest die eigene Identität glaubhaft machen zu können, nicht möglich sein sollte.

Sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem erkennenden Gericht beharrt die BF1 darauf, dass sie zum Vater des BF2, dem angeblich geschiedenen ehemaligen Ehegatten, seit der Scheidung vor einem Gericht in der Stadt XXXX Anfang 2014 keinerlei Kontakt mehr haben will. Unabhängig davon, dass dies auch in der Ostukraine im Jahr 2014 eine seltsame Vorgangsweise ist, mit dem einzigen Verwandten des eigenen Kindes keinerlei Abmachungen zu treffen, wie dessen Unterhalt gesichert wird bzw. wie in dringenden Fällen Kontakt zum Kindesvater aufgenommen werden könnte, ist evident, dass die BF1 sämtliche Angaben zur Verifizierbarkeit relativ stereotyp beantwortet: So führt die BF1 aus, dass sowohl der Vater, als auch die Mutter bereits verstorben sein sollen, dazu kommt, dass sie das einzige Kind aus dieser Ehe gewesen sein will und sollen auch die beiden Elternteile angeblich beide Waisenkinder gewesen sein, dies ohne jegliche Geschwister. Dies mag im Ergebnis eine denkbare Konstellation sein, dass die BF1 die Eltern bereits verloren hat und die Eltern selbst keinerlei Verwandte hatten, zu dieser seltsamen Konstellation, die das Fehlen jeglicher Kontaktaufnahme zu anderen Verwandten bewirken würde, kommt jedoch, dass auch zum Kindesvater, somit zum Vater des BF2, angeblich überhaupt kein Kontakt bestehen soll und verweigert die Beschwerdeführerin auch alle Fragen, ob sie nicht beispielsweise nach einem jahrzehntelangen Aufenthalt in der Ostukraine Freunde oder Berufskollegen haben könnte damit, dass diese nicht mehr erreichbar seien, weil sie ebenfalls die Ukraine verlassen hätten.

Auffallend ist weiters, dass die BF1 die Frage nach Dokumenten im Zuge der Beschwerdeverhandlung dahingehend zurückweist, dass sie angeblich alle Dokumente "gleichzeitig verloren" haben will, sie somit überhaupt kein einziges Dokument habe, welches ihre Identität belegen würde. Auf nähere Nachfrage schildert die Erstbeschwerdeführerin dann jedoch, dass diese Dokumente alle gleichzeitig bei einem "Durcheinander" verloren gegangen seien, sie jedoch heute nicht mehr wisse, ob diese Dokumente von ihr in einem Luftschutzbunker in der Ostukraine zurückgelassen worden sein sollen, ob diese Dokumente zu Hause gelassen wurden oder ob sie diese Dokumente möglicherweise "unterwegs" verloren hätte. Diese Angaben erscheinen dem erkennenden Gericht höchst konstruiert, genauso die Angaben zur Reisebewegung.

Für das erkennende Gericht ist nicht zur Gänze nachvollziehbar, dass man im Februar 2015 in der von der BF1 geschilderten Art und Weise von einem Markt in einer ostukrainischen Stadt mit einem Schlepper bis Österreich gelangen könnte, ohne bei dieser Fahrt auch nur eine einzige Grenzüberquerung, Grenzkontrolle etc. wahrgenommen zu haben. Gerade vor dem Hintergrund, dass es im Februar 2015 zwischen den Separatistengebieten und der West-Ukraine eine gut bewachte Waffenstilsstandslinie gegeben haben muss, ist eine Reisebewegung aus dem östlichsten Teil der Ukraine bis Österreich nur dahingehend zu erklären, dass entweder über den Umweg über die Russische Föderation oder aber durch die Westukraine der Weg in die Europäische Union gewählt wurde. Dabei müssen jedoch jedenfalls entweder zahlreiche militärische Kontrollpunkte passiert worden sein oder aber – davon ausgehend, dass die Reise tatsächlich in einem Kleinbus stattgefunden hat – Fahrten über diverse Anrainerstaaten und anschließend etwa über Polen etc. stattgefunden haben.

Zu all diesen Aspekten hat die Beschwerdeführerin einzig stereotyp geantwortet, keine Kontrollen bemerkt zu haben, nur wegen der Toilette fallweise das Auto verlassen zu haben.

Als Zwischenergebnis ist somit festzustellen, dass die Beschwerderführerin jeglichen Nachweis für ihre eigene Identität schuldig geblieben ist, ebenso für den BF2, wobei nicht zur Gänze nachvollziehbar ist, warum beispielsweise sämtliche Dokumente für beide Personen bei allfälligen kriegerischen Handlungen in einen Luftschutzbunker mitgenommen werden müssten bzw. warum die BF1 nicht wissen will, ob sie nicht vielleicht doch sämtliche Dokumente zu Hause zurückgelassen hat. Es ist somit höchst fraglich, ob die BF die von ihnen angegebene Identiät besitzen und tatsächlich aus einem umkämpften Teil der Ost-Ukraine stammen, wie im Asylverfahren behauptet wurde.

Diese Zweifel werden auch dadurch bestärkt, als die BF1 beispielsweise im Zuge der Erstbefragung, somit im Februar 2015, die Behauptung aufstellt, dass ihre Heimatstadt, welche sich seit Sommer 2014 durchgehend unter der Kontrolle der aufständischen Separatisten befand, "ständig von der russischen Armee bombardiert wurde."(AS 13).

Ihre Heimatstadt XXXX werde bis zum heutigen Tag bombardiert und hätten sie somit bis Februar 2015 in den Schutzbunker fliehen müssen. Dieses Vorbringen erscheint dem erkennenden Gericht nicht nachvollziehbar, zumal nicht erklärbar ist, warum die russische Luftwaffe bzw. Armee die Grenzstadt XXXX noch im Februar des Jahres 2015 unter Beschuss nehmen sollte, haben sich doch ab Sommer 2014 ukrainische Sicherheitskräfte aus dieser Region längst zurückgezogen. Die Angaben der BF1 würden bedeuten, dass die russische Armee gegen russische Separatisten in der Ost-Ukraine in einem dauerhaften Konflikt wären und werden die Zweifel an den diesbezüglichen Angaben auch dadurch bestärkt, als die BF1 im Zuge der Beschwerdeverhandlung ausführt, dass sie im Herbst 2014 nicht einmal erkannt hätte, ob die Männer, die nach dem geschiedenen Ehegatten zu Hause gesucht haben sollen, Russen oder Ukrainer waren. Warum jedoch im Spätherbst 2014 in einer Grenzstadt zur Russischen Föderation eine Einheimischer Zweifel darüber haben sollte, ob es sich bei Personen, die uniformiert durch XXXX marschieren, um russische Separatisten oder um Mitglieder der ukrainischen Armee handelt, dies ist nicht nachvollziehbar, sind doch ukrainische Sicherheitskräfte wie dargestellt zu diesem Zeitpunkt sicher seit längerer Zeit nicht mehr in jenen Teilen der Region XXXX aufhältig gewesen, können demzufolge auch niemals im Herbst 2014 nach dem geschiedenen Gatten gefragt haben.

Auch die sonstigen Angaben der BF1 zu ihrem Aufenthalt in der im Osten der Ukraine gelegenen Region XXXX bzw. zur Stadt XXXX selbst waren höchst allgemein und im Ergebnis solche, die jeder ukrainische Staatsbürger tätigen könnte, der jemals in seinem Leben etwa in einem Buch oder Einträge im Internet über diese Region gelesen hat. Die BF1, die nach Angaben in der Erstbefragung in der Stadt XXXX eine Ausbildung in einem College absolviert haben will, konnte im Zuge der Beschwerdeverhandlung beispielsweise zu ihrem dortigen Vorleben weder angeben, warum gerade in der Stadt XXXX sie geschieden worden sein soll, bzw. vor welcher Gerichtsabteilung dies in XXXX passiert sein soll und wie der entscheidende Richter geheißen hätte. Die BF1 war weiters nicht in der Lage, den zweiten Fluss zu nennen, der durch XXXX fließt bzw. sind auch die vier von der BF1 genannten Bezirksteile der Stadt XXXX bei einem Vergleich mit den Angaben in WIKIPEDIA nicht zutreffend. Da die BF1 im Zuge der Beschwerdeverhandlung angegeben hat, sich gerne Sehenswüedigkeiten von Salzburg anzusehen und sich sehr für Kirchen zu interessieren, wurde sie beispielsweise weiters gefragt – erneut nach Studium von WIKIPEDIA –Einträgen - wie denn die bekanntesten orthodoxen Kirchen in XXXX heißen würden und konnte die BF1 auch diese Angaben nicht tätigen. Wenn die BF1 aber von ihrer Bezirksstadt, in der sie angeblich auch gelebt haben will im Zuge der Ausbildung, bei welcher sie auch bestimmte Behördenwege wahrgenommen haben will, nicht einmal die imposantesten und wichtigsten Gebäude nennen kann und auch sonstige Sehenswürdigkeiten (Gorki-Bücherei etc.), die für die Stadt XXXX im Internet die Sehenswürdigkeiten angepriesen werden, schlichtweg nicht erkannt hat, dann ist im Ergebnis nicht mit der erforderlichen Gewissheit anzunehmen, dass die BF1 und ihr Sohn tatsächlich aus diesem Teil der Ostukraine stammen.

Im Ergebnis kann zur Person der beiden Beschwerdeführer somit einzig festgehalten werden, dass diese angesichts ihrer Sprachkenntnisse möglicherweise der russischen Volksgruppe aus der Ukraine angehören, scheinbar stammen sie jedoch nicht aus der Region XXXX , sondern aus einem anderen Landesteil, den sie nicht preisgeben wollen.

Führt man sich nunmehr das etwas stereotyp anmutende Vorbringen der BF1 vor Augen, ist evident, dass ein vergleichbares Vorbringen praktisch von jedem Bewohner der Ukraine erstattet werden könnte, dass er nämlich aus einem Teil der Ostukraine stammt, in dem Separatisten die Staatsgewalt vertrieben haben und dass diese unbedingt wissen wollen, auf welcher Seite der eigene ehemalige Ehegatte lebt. Wie bereits die belangte Behörde hat auch das erkennende Gericht an die BF1 die logische Frage gestellt, warum sie die angeblich erschienenen bewaffneten Männer nicht danach gefragt hat, warum sie nicht einfach die Nachbarn befragen, um herauszufinden, dass der eigene Ehegatte seit längerer Zeit nicht mehr an dieser Adresse aufhältig ist. Der BF1 wäre bei Zutreffen ihrer Angaben auch möglich gewesen, die erschienenen Männer darauf hinzuweisen, dass bei einem Bezirksgericht in XXXX (bei welchem angeblich eine Scheidung im Frühjahr 2014 erfolgt sein soll) nähere Angaben zum geschiedenen Gatten und Kindesvater des BF2 aufscheinen müssten, sodass im Bereich der Rebellen, nämlich in der Stadt XXXX , schriftliche Unterlagen über die Person des verschwundenen Ehegatten existieren müssten. Warum vor diesem Hintergrund die BF1 dies nicht gesagt hat bzw. warum die uniformierten Männer mehrmals mit immer der gleichen Fragestellung erschienen sein sollen, dies erscheint dem erkennenden Gericht nicht sehr nachvollziehbar.

In Summe kommt das erkennende Gericht somit zum klaren Ergebnis, dass die BF1 – möglicherweise nach einer Trennung und damit einhergehenden privaten Problemen vom Kindesvater – beschlossen haben könnte, durch Ausreise in die Europäische Union bzw. nach Österreich einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, wobei sie sich eines Vorbringens bedient haben dürfte, der in der vorgetragenen Form keinesfalls der Wahrheit entspricht. Das erkennende Gericht kommt somit zum klaren Ergebnis, dass die BF1 aus guten Gründen die Vorlage irgendwelcher Dokumente verweigert. Dies wird auch durch die ursprünglichen Angaben der BF1 verstärkt, als diese eine eher zufällige Entscheidung zur Abreise aus der Ukraine schildert (Erstbefragung, Seite 11: "Ich bin in XXXX zum Markt gegangen. Dort standen zwei Männer, die den Menschen die Reise nach Europa angeboten haben. Ich stimmte zu und diese Männer organisierten die weitere Reise.")

Wenn die BF1 jedoch eher zufällig auf einem Markt ihrer Heimatstadt auf die Möglichkeit angesprochen worden sein will, für den Preis von 1.500 Euro in die Europäische Union zu gelangen und wenn sie in weiterer Folge noch die Organisation dieser Ausreise durch Verkauf von Schmuck etc. in Angriff genommen haben will, dann sind in weiterer Folge die Angaben der BF1, dass sie gar nicht mehr weiß, wann und wo bzw. bei welcher Gelegenheit alle personenbezogenen Dokumente verschwunden sind, nicht nachvollziehbar. Bei Zutreffen der Angaben der BF1 über die Umstände der Kontaktaufnahme zu den Schleppern wäre vielmehr davon auszugehen, dass die BF1 nach Hause zurückkehrt, dort die finanziellen Dinge regelt und sich auch mit der Frage befasst, ob im Februar 2015 Dokumente existieren, die sie für die Reise nach der Europäischen Union für sich und den Sohn mitnehmen sollte oder nicht. Wie die BF1 dann in weiterer Folge im Verfahren behaupten kann, dass sie gar nicht weiß, ob im Februar 2015 Dokumente noch existiert haben, bzw. ob sie diese Dokumente erst später auf der Reise mit den Schleppern verloren hätte, dies alles erscheint höchst konstruiert.

Wenn man den Beschwerdeführern jedoch nicht glaubt, dass sie aus einem Teil der von Separatisten besetzten Region in der Ostukraine stammen und wenn man auch das individuelle Vorbringen der BF1 nicht glaubt, dann gibt es keinen vernünftigen Grund, warum die BF1 nicht gemeinsam mit dem Sohn in den Herkunftsstaat Ukraine zurückkehren sollte. Die BF1 wurde nämlich – abgesehen von den behaupteten Problemen mit uniformierten Männern in der Ostukraine – auch mehrfach danach befragt, ob sie andere Probleme hätte, seien es politische oder Probleme mit Polizei aus anderen Gründen. All diese Fragen hat die BF1 wie dargestellt mehrfach verneint, sie will niemals mit ukrainischen Behörden, Gerichten oder Polizei mit Ausnahme der Ereignisse in der Ostukraine nach Kriegsbeginn irgendwelche Probleme gehabt haben.

Da die Beschwerdeführer auch nach den Angaben in der Beschwerdeverhandlung darüberhinaus auch keinerlei schwerwiegenden Krankheiten behauptet haben, kann im Ergebnis nicht erkannt werden, dass die BF1 und der Sohn, der BF2, im Fall der Rückkehr in die Ukraine, fernab der umkämpften Gebiete in der Ostukraine, somit den Regionen XXXX und XXXX , in eine ausweglose Situation geraten würden. Die BF1 spricht die in der Ukraine weit verbreitete Sprache Russisch, kann sich somit jedenfalls in jenen Gebieten niederlassen, in denen eine große russische Bevölkerungsgruppe aufhältig ist, etwa in Großstädten wie XXXX oder XXXX etc. bzw. auch in Landesteilen, in denen eine namhafte russische Volksgruppe aufhältig ist.

Auch angesichts der im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erörterten Rückkehrerprojekte, etwa dargestellt in "UNHCR-Operational Update, September 2016", ist davon auszugehen, dass die BF1 und der Sohn – unabhängig vom Wahrheitsgehalt ihrer Angaben über ihren tatsächlichen Herkunftsort – in der Lage sein werden, zumindest vorübergehend in zahlreichen "Collective-Centres" Unterkunft zu nehmen, die nach den eingesehenen Dokumenten in größerer Anzahl für Binnenvertriebene existieren und von staatlichen, nicht staatlichen Organisationen und UNHCR geführt und betrieben werden. Dass der völlig unpolitischen BF 1 aus individuellen Gründen eine jedenfalls existierende Notversorgung in temporären Unterkünften sowie die Ausstellung von Dokumenten verwehrt würde, ist nicht zu Tage getreten, solches wurde auch nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Anzuwendendes Verfahrensrecht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

Zu I.:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH v. 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH v. 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; VwGH v. 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH v. 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vgl. auch VwGH v. 16.02.2000, Zl. 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH v. 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH v. 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH v. 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; VwGH v. 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; VwGH v. 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

Eine Verfolgung, dh. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH vom 27.01.2000, 99/20/0519, VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256, VwGH vom 04.05.2000, 99/20/0177, VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203, VwGH vom 21.09.2000, 2000/20/0291, VwGH vom 07.09.2000, 2000/01/0153, u.a.).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Aus den Gesamtangaben der Beschwerdeführer ist nicht ableitbar, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt bzw. in Zukunft im Herkunftsstaat Ukraine konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätten.

Diskriminierungen allein aufgrund des Umstandes, der Russischen Volksgruppe anzugehören, haben sich aus den Länderinformationen nicht ergeben.

Den Beschwerdeführern ist es sohin nicht gelungen, eine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, darzulegen. Für die Beschwerdeführer war dementsprechend auch keine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, fassbar.

Zudem existiert eine inländische Fluchtalternative, haben die BF im Verfahren doch nicht dargetan, warum ihnen eine zumindest vorübergehende Wohnsitznahme in anderen Landesteilen in "Collective Centres" unmöglich sein sollte.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Wird einem Fremden der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.

§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates des Antragstellers, in dem für den Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG 2005 an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königsreich).

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht entscheidend.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Den Fremden trifft somit eine Mitwirkungspflicht, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und dieses zumindest glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer derartigen Gefahr ist es erforderlich, dass der Fremde die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und, dass diese Gründe objektivierbar sind.

Weder aus den Angaben der Beschwerdeführer zu den Gründen, die für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat maßgeblich gewesen sein sollen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.8.2001, Zl. 2000/01/0443).

Ausgehend von den dargestellten allgemeinen Länderberichten zum Herkunftsstaat besteht kein Grund davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsangehörige der Ukraine einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Eine völlige Perspektivenlosigkeit für die Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat kann somit schlichtweg nicht erkannt werden. Die BF1 hat bis zur Ausreise gearbeitet, hat keine gesundheitlichen Einschränkungen, ebensowenig der BF2.

Für den erkennenden Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes haben sich unter diesen Aspekten keine Hinweise ergeben, dass die Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Situation geraten würden.

Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr in die Ukraine sein wird, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben. Weiters gilt es zu bedenken, dass die Beschwerdeführer im Herkunftsstaat über Jahre gelebt haben, dort bis vor 2 Jahren noch aufhältig waren, sie die Sprache beherrschen und mit den dort herrschenden Gepflogenheiten vertraut sind (jedenfalls BF1). Unter Verweis auf die zitierten Länderinformationen und jene im angefochtenen Bescheid kann für die Ukraine zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlichtweg nicht festgestellt werden, dass dort eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat iSd. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen ließe.

Wie beweiswürdigend dargelegt, waren auch keine schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen festzustellen.

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes übersieht nicht, dass das ukrainische Gesundheitssystem österreichischen Standards nicht entsprechen mag. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat jedoch – aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK – im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfGH 6.3.2008, B 2400/07).

Eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat wurde nicht vorgebracht und ist eine solche aufgrund adäquater Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat überhaupt nicht fassbar.

Der Beschwerdeführerin ist es daher nicht gelungen, darzulegen, dass sie im Falle einer Abschiebung in die Ukraine in eine "unmenschliche Lage" versetzt würden. Daher verstößt eine allfällige Abschiebung nicht gegen Art. 2, Art. 3 EMRK oder gegen die Zusatzprotokolle zur EMRK Nr. 6 und Nr. 13 und auch nicht gegen Art. 15 lit. c StatusRL.

Eine andere generelle Sichtweise würde im Übrigen den exzeptionellen Ausnahmecharakter des Zuspruchs subsidiären Schutzes bei nichtstaatlicher Verfolgung in nicht vertretbarer Weise relativieren, als diesfalls wohl Personen, die an leicht behandelbaren Erkrankungen ohne akuten oder lebensbedrohlichen Verlauf leiden, wenn Sie in die Europäische Union einreisen, ein Schutzstatus zu gewähren wäre.

Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des BFA abzuweisen, wobei nochmals darauf hinzuweisen ist, dass die BF erkennbar über ihre tatsächliche Herkunft in der Ukraine keine wahrheitskonformen Angaben tätigten.

Im Beschwerdeverfahren wurde wie dargestellt der Existenz von temporären Unterkünften, so sei es von staatlichen Institutionen, sei es von privaten Institutionen unter Beihilfe des UNHCR nicht widersprochen. Für das erkennende Gericht ist in Ermangelung eines diesbezüglichen Vorbringens daher auch nicht nachvollziehbar, dass ein, zumindest temporärer Aufenthalt in solchen Übergangsquartieren für sich allein genommen bereits Artikel 3 EMRK berühren könnte. Aus den eingesehenen Berichten und aus dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht ableiten, dass Personen, die in solchen Übergangsquartieren Unterkunft nehmen, beispielsweise Hunger leiden müssten oder sonst massiv am Leben oder der Gesundheit bedroht wären. Da die BF keine wie immer gearteten gesundheitlichen Probleme geschildert haben, können selbst prekäre Wohnsituationen für eine Übergangszeit die Schwelle des Artikel 3 EMRK nicht erreichen. Dabei ist wie dargestellt zu berücksichtigen, dass nach der festen Überzeugung des erkennenden Gerichtes die BF1 zur eigenen familiären Situation und zur Existenz von Freunden und Bekannten, sowie zum tatsächlichen Aufenthaltsort in der Ukraine vor der Ausreise nicht die Wahrheit angegeben hat. Eine besondere Verletzbarkeit gerade der beiden Beschwerdeführer kann demzufolge nicht angenommen werden (vgl. dazu etwa auch VwGH vom 16.07.2003, Zahl: 2003/01/0059).

Zur Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag sowohl hinsichtlich des Status von Asylberechtigten als auch von subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Beschwerdeführer befinden sich nach ihrer Antragstellung im Juli 2014 durchgehend im Bundesgebiet. Ihr Aufenthalt ist jedoch nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet. Sie sind auch nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch nicht Opfer von Gewalt geworden. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführer sind als Staatsangehörige der Ukraine keine begünstigte Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd. Art 8 MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziff 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziff 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts auf Familienleben und Privatleben statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim Bundesamt als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff aufgrund der bereits zitierten gesetzlichen Bestimmungen gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die beiden BF sind gleichzeitig von der Rückkehrentscheidung betroffen, andere familiäre Bindungen zu Österreich bestehen nicht.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Allerdings ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 17.12.2007, 2006/01/0126, mit weiterem Nachweis).

Die Beschwerdeführer halten sich 2 Jahren im Bundesgebiet auf. Sie haben ihren Aufenthalt auf einen letztlich unbegründet gebliebenen Asylantrag gestützt (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 26.06.2007, 2007/01/0479, "... der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte..." und zu diesem Erkenntnis: Gruber, "Bleiberecht" und Artikel 8 EMRK, in Festgabe zum 80. Geburtstag von Rudolf MACHACEK und Franz MATSCHER

(2008) 166," ... Es wird im Ergebnis bei einer solchen (zu kurzen)

Aufenthaltsdauer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zur "Bindung zum Aufenthaltsstaat" als nicht erforderlich gesehen...").

Gemäß der aktuellen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Integration von Asylwerbern stärker zu berücksichtigen, wenn – anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte – diese während eines einzigen Asylverfahrens erfolgt ist und von den Asylwerbern nicht schuldhaft verzögert wurde (vgl. VfGH 7.10.2010, B 950/10 u.a., wonach es die Verantwortung des Staates ist, die Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung – ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass den nunmehrigen Beschwerdeführer die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre – 7 Jahre verstreichen). Diese Judikatur wurde durch die Einführung der lit. I in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 im Rahmen der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 umgesetzt und findet sich nunmehr in § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG.

Es wurde nicht behauptet, dass die Dauer des bisherigen – im Licht der Judikatur kurzen – Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet liegt. Derartiges war auch dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Die Beschwerdeführer haben in der kurzen Zeit ihres Aufenthaltes keine nennenswerte Integration und keinesfalls eine fortgeschrittene Integration dargelegt.

Im Fall Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ausweisung einer ugandischen Asylwerberin aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK als zulässig, obwohl die Beschwerdeführerin, die erfolglos Asyl begehrt hatte, in der Zwischenzeit bereits fast 10 Jahre in Großbritannien aufhältig gewesen war: Ihrem Hinweis auf ihr zwischenzeitlich begründetes Privatleben, nämlich dass sie sich mittlerweile an einer Kirchengemeinschaft beteiligt habe, berufstätig geworden und eine Beziehung zu einem Mann entstanden sei, hielt der Gerichtshof entgegen, dass die Beschwerdeführerin keine niedergelassene Einwanderin und ihr vom belangten Staat nie ein Aufenthaltsrecht gewährt worden sei. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich während der Anhängigkeit ihrer verschiedenen Asylanträge und Menschenrechtsbeschwerden sei immer prekär gewesen, weshalb ihre Abschiebung nach Abweisung dieser Anträge durch eine behauptete Verzögerung ihrer Erledigung durch die Behörden nicht unverhältnismäßig werde (EGMR 8.4.2008, 21.878/06, NL 2008, 86, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich).

Im Fall Omoregie u.a. gegen Norwegen, der die Ausweisung eines ehemaligen (nigerianischen) Asylwerbers betraf, erkannte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl der Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens eine Lebensgemeinschaft mit einer norwegischen Staatsangehörigen gegründet hatte und Vater einer gemeinsamen Tochter geworden war, da sich der Beschwerdeführer, der seine Lebensgefährtin (nach Abweisung des Asylantrages) geehelicht hatte, über die Unsicherheit seines fremdenrechtlichen Aufenthaltsstatus in Norwegen bereits zu Beginn der Beziehung im Klaren sein habe müssen (EGMR 31.7.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. v. Norwegen). In derartigen Fällen könne die Ausweisung eines Fremden nach Ansicht des Gerichtshofes (wie er im Fall da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande hervorhob) nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen (EGMR 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer gegen Niederlande mwN).

Unter Berufung auf diese Judikatur hatte der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 18.224/2007 keine Bedenken gegen die Ausweisung eines kosovarischen Staatsangehörigen trotz seines 11-jährigen Aufenthaltes, da sich der Aufenthalt (zunächst) auf ein für Studienzwecke beschränktes Aufenthaltsrecht gegründet hatte und vom Beschwerdeführer nach zwei Scheinehen schließlich durch offenkundig aussichtslose bzw. unzulässige Asylanträge verlängert wurde.

Keine Verletzung von Art. 8 EMRK erblickte auch der Verwaltungsgerichtshof in der Ausweisung eines ukrainischen (ehemaligen) Asylwerbers, der im Laufe seines rund sechseinhalbjährigen Aufenthaltes durch den Erwerb der deutschen Sprache, eines großen Freundeskreises sowie der Ausübung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen (sowie mit seiner Unbescholtenheit) seine Integration unter Beweis gestellt hatte, da – wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausführte – die integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthaltes erworben wurden, der "auf einem (von Anfang an) nicht berechtigten Asylantrag" gegründet gewesen sei (VwGH 8.7.2009, 2008/21/0533; vgl. auch VwGH 22.1.2009, 2008/21/0654). Auch die Ausweisung eines unbescholtenen nigerianischen (ehemaligen) Asylwerbers, der beinahe während seines gesamten und mehr als 9-jährigen Aufenthaltes in Österreich einer legalen sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen war, über sehr gute Deutschkenntnisse verfügte und nie öffentliche Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen hatte, beanstandete der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK nicht, wobei er auch dem Argument des Beschwerdeführers, dass über seine Berufung in seinem Asylverfahren ohne sein Verschulden erst nach 7 Jahren entschieden worden war, keine entscheidende Bedeutung zugestand: Vielmehr vertrat er die Ansicht, dass der Fremde spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages – auch wenn er subjektiv berechtigte Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende gehabt haben sollte – im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen habe müssen (VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085). Keine außergewöhnlichen Umstände iSd Art. 8 EMRK, die es unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen, erkannte der Verwaltungsgerichtshof auch bei der Ausweisung eines (ehemaligen) chinesischen Asylwerbers, der in den letzten sieben Jahren seines rund achteinhalb Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen war und über eine österreichische Lebensgefährtin verfügte (VwGH 29.6.2010, 2010/18/0209; vgl. ähnlich auch VwGH 13.4.2010, 2010/18/0087). Zum selben Ergebnis gelangte der Verwaltungsgerichtshof bei der Ausweisung eines georgischen (ehemaligen) Asylwerbers, der sich schon fast 8 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte, über gute Deutsch-Kenntnisse verfügte und selbständig erwerbstätig war: Der Verwaltungsgerichtshof wies darauf hin, dass eine Reintegration des Beschwerdeführers (nicht zuletzt auch aufgrund seines Schulbesuchs in seiner Heimat) trotz behaupteter Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche in Georgien weder unmöglich noch unzumutbar erscheine (VwGH 6.7.2010, 2010/22/0081).

Unter Berücksichtigung der Angaben der BF1 ergibt sich Folgendes:

Die BF1 hat im Zuge des Beschwerdeverfahrens ein Zertifikat des ÖSD über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 erbracht. Darüber hinaus lernt sie nach eigenen Angaben weiterhin die deutsche Sprache und bereitet sich auf die nächsten Deutschprüfungen vor, der BF2 besucht derzeit die erste Klasse einer Volksschule, ist darüberhinaus auch in einem lokalen Sportverein (Fußball und Judo) tätig. Darüber hinaus hat die BF1 einzig die Vision, irgendwann in der Altenpflege arbeiten zu wollen, eine konkrete Zusicherung und Einstellungszusage wurde diesbezüglich jedoch nicht vorgelegt, sodass im Ergebnis nicht nachvollziehbar ist, wie die BF1 dauerhaft den Unterhalt für sich und den minderjährigen Sohn bestreiten können sollte.

Darüber hinaus reduzieren sich die Angaben in der Beschwerdeverhandlung und die vorgelegten Dokumente darauf, dass die BF1 bei einer befreundeten Frau Sprachunterricht nimmt und dafür in deren Betreuung mithilft. Sonstige intensive Bindungen zu Österreich, sei es die Teilnahme am Vereinsleben, sei es eine intensive Fortbildung etc., all das wurde im Verfahren nicht vorgetragen. Dem steht gegenüber, dass die BF1, die bis vor knapp zwei Jahren den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Ukraine verbracht hat, mag sie auch den konkreten Aufenthaltsort nicht nennen wollen. Dem steht weiters entgegen, dass nach der festen Überzeugung des erkennenden Gerichtes die BF1 sehr wohl wesentlich größere Bindungen zur Ukraine hat, als sie im Verfahren preisgeben wollte. Auch der Vater des BF2 lebt offensichtlich unverändert in der Ukraine, bestreitet die BF1 auch jeglichen Kontakt zum Kindesvater.

Unter Hinweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs – zuletzt etwa VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247 – sind die Beschwerdeführer darauf zu verweisen, dass ihnen immer bewusst sein musste, dass ihr Aufenthaltsstatus als unsicher anzusehen war, da sie einzig wegen des Asylverfahrens über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht verfügten. Es konnte für sie daher kein ausreichender Grund zur Annahme bestehen, sie werden dauerhaft in Österreich bleiben dürfen.

Wie dargestellt hat die BF1 im Herkunftsstaat bis zur Ausreise gelebt und dort hat sie ihr gesamtes Lebens bis zur Ausreise, verbunden mit der Schulausbildung und beruflichem Werdegang, verbracht. Die Beschwerdeführer haben darüber hinaus zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgetragen, mit welchen Mitteln sie den Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten könnten, wobei diesbezüglich auszuführen ist, dass aus den Angaben der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung, auf Jahre hinaus von keiner Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen ist.

Angesichts des vom Grunde auf unberechtigten Asylbegehrens überwiegen somit die öffentlichen Interessen an einer Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführer und an einer Rückkehr in den Herkunftstaat.

Im Lichte der kurzen Ortsabwesenheit von gerade 2 Jahren kann auch nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführer ihrem Kulturkreis völlig entrückt wären und sich in ihrer Heimat überhaupt nicht mehr zu Recht finden würden.

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

Die Unbescholtenheit der BF1 fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ins Gewicht. Laut Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen. (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Im Übrigen ist die BF1 mit dem Sohn illegal eingereist und hat einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Bei einer Zusammenschau all dieser Umstände überwiegen im vorliegenden Fall jene Umstände, die für eine Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat sprechen.

Den privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH v. 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, u. v.a.).

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes des österreichischen Arbeitsmarktes die privaten Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet (vgl. dazu VfSlg. 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07), wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich.

Zusammengefasst ist deshalb davon auszugehen, dass die Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, jedenfalls in den Hintergrund treten.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die Beschwerdeführer erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen, bzw. nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes entsprechen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Verhängung seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe dass der angefochtene Bescheid einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine ist gegeben, da nach den die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige besondere Umstände wurden nicht dargelegt, weshalb die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen festzulegen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu

A) wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die

zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung der Höchstgerichte übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 ergeben sich aus der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, jene für den Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids an.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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