BVwG W147 1261630-2

BVwGW147 1261630-210.4.2015

AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W147.1261630.2.00

 

Spruch:

W147 1261630-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Russische Föderation gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. August 2013, Zl. 04 08.712-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass diese lauten wie folgt:

"I. Der XXXX mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. April 2007, Zl: 261630-0/9E-XII/36/05, zuerkannte Status des Asylberechtigten wird ihm gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, wird festgestellt, dass XXXX die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.

II. Gemäß § 8 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt."

II. Gemäß § 75 Abs. 20 1. Satz, 2. Fall und 2. Satz Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer gelangte als Minderjähriger gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern illegal in das Bundesgebiet und ersuchte, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertretung am 24. April 2004 um Gewährung von Asyl.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Juni 2005, 04 08.712-BAG, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt und gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 dessen Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet verfügt. Bescheide gleichen Inhalts ergingen an die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat erhoben. Mit mündlich verkündeten Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. April 2007, 261.630/0/9E-XII/36/05, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Asylgesetz 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Unabhängige Bundesasylsenat hielt in seiner Entscheidung fest, dass der Vater des Berufungswerbers der tschetschenischen Volksgruppe angehört. Er lebte bis zum Jahr XXXX im Dorf XXXX. Danach lebte er in XXXX, aber auch in anderen Teilen Tschetscheniens (z. B. in Grosny). Zirka Ende XXXX wurde er von Kadyrow mit der Aufgabe betraut, XXXX wieder instand zu setzen und das Feuer zu löschen. Im Herbst XXXX wurde er zusammen mit seinem Bruder XXXX festgenommen und in das Filtrationslager Tschernokosovo gebracht. Im XXXX wurden er und sein Bruder freigelassen. Laut einem von ihm vorgelegten Gerichtsurteil wurde er vom Vorwurf freigesprochen, XXXX, doch wurde er wegen "Überschreitung der Befugnisse" verurteilt. Die Strafe galt mit der Entlassung aus dem Filtrationslager Tschernokosovo als verbüßt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Verurteilung des Vaters tatsächlich ein strafbares Verhalten, etwa eine Überschreitung der Befugnisse zugrunde lag. Zirka im XXXX wurde am Haus des Vaters ein Drohbrief angebracht, wonach seine gesamte Familie getötet würde, falls er seine Anzeige wegen des Verschwindens seines Bruders nicht zurückziehen sollte. Er. übergab diesen Drohbrief der Polizei zur Untersuchung. Der Bruder des Vaters nämlich XXXX "verschwand" im XXXX und wurde im XXXX ermordet. Sein Leichnam wurde zusammen mit anderen Leichen am XXXXaufgefunden. Ein weiterer Bruder des Vaters XXXX wurde am XXXX erschossen. Die genauen Umstände seines Todes können nicht festgestellt werden. Ein weiterer Bruder des Vaters namens XXXX kam ebenfalls zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt ums Leben. Der Vater engagierte sich nach seiner Entlassung aus dem Filtrationslager Tschernokosovo in der XXXX, wobei er die Funktion eines "XXXX" hatte. Er sah seine Aufgabe darin, auf Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien hinzuweisen und bei der Suche nach verschollenen Tschetschenen behilflich zu sein. Zu diesem Zweck verfasste er im Jahr XXXX mehrere an höhere Parteifunktionäre gerichtete Schreiben. Seit ca. Ende XXXX hatte er die Funktion eines stellvertretenden Direktors XXXX. Diese Verwaltung war jedoch erst im Aufbau. Dem Vater gelang es, zunächst seine Familie in die Ukraine zu bringen. In der Folge reiste er mit einer Bestätigung, wonach er in der Funktion des stellvertretenden Direktors XXXX in der Ukraine Verhandlungen zu führen habe, ca. Ende XXXX in die Ukraine. Tatsächlich waren jedoch keine dienstlichen Gespräche in der Ukraine vorgesehen, der Vater gab lediglich vor, solche führen zu wollen. In der Folge gelangte der Vater zusammen mit seinen Familienangehörigen auf einem nicht näher feststellbaren Reiseweg nach Österreich. Der Vater fürchtet, ebenso wie seine Brüder wegen seines Engagements für die tschetschenische Bevölkerung von Sondereinheiten getötet zu werden. Der nunmehrige Berufungswerber war bisher keinen unmittelbar gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen ausgesetzt; er fürchtet jedoch, wegen des politischen Engagements des Vaters ebenso wie dessen Brüder ermordet zu werden.

In seiner rechtlichen Würdigung führte der Unabhängige Bundesasylsenat insbesondere aus:

"Der Ehemann bzw. Vater der Berufungswerber befand sich bereits im Jahr XXXX im Lager Tschernokosovo XXXX lang in Haft, wobei nicht festgestellt werden kann, ob der Inhaftierung und Verurteilung tatsächlich eine strafbare Handlung zugrunde liegt, sodass eine versteckte ethnische und politische Verfolgung nahe liegt. Drei seiner Brüder kamen ums Leben, wobei zwei der Brüder nach den vorliegenden Beweismitteln ermordet wurden. Da der Ehemann und Vater selbst schriftlich bedroht wurde und sich obendrein in kritischer Art und Weise (XXXX) über Menschenrechtsverletzungen geäußert und Aufklärung über das Verschwinden von Menschen gefordert hat, erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass er selbst Verfolgung von staatlicher Seite zu befürchten hat. Im Hinblick darauf, dass bereits Verwandte gewaltsam ums Leben kamen, war er nicht gehalten, weitere Verfolgungsmaßnahmen abzuwarten. Dasselbe gilt sinngemäß auch für die nunmehrigen Berufungswerber. Zwar waren sie selbst nicht politisch aktiv, doch lässt sich daraus, dass bereits andere Verwandte des Ehemannes bzw. Vaters gewaltsam ums Leben kamen darauf schließen, dass auch sie Verfolgung, allenfalls auch die Ermordung im Sinne einer so genannten Sippenhaftung zu befürchten haben.

Die den Berufungswerbern drohenden Verfolgungsmaßnahmen beruhen auf den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Gründen. Die Verfolgung des Ehemannes bzw. Vaters erfolgt nämlich aufgrund seiner Rasse (ethnischer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tschetschenen) und aus Gründen der politischen Gesinnung, nämlich der gegenüber den staatlichen Behörden kritischen Haltung, was die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und das "Verschwinden-Lassen" von Menschen anbelangt. Die Berufungswerber haben im Sinne einer so genannten Sippenhaftung ebenfalls Verfolgung zu befürchten, wobei es sich nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung um eine Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der "Familie" handelt (VwGH 26.02.2002, 2000/20/0517, VwGH 03.07.2003, 2001/20/0219).

Zwar mag es zutreffen, dass die Berufungswerber außerhalb seiner im Nordkaukasus gelegenen Heimatregion (in anderen Teilen der russischen Föderation) nicht unmittelbar Verfolgungsmaßnahmen seitens der Behörden ausgesetzt wären, sodass keine "landesweite Verfolgung" vorliegt. Doch ergibt sich aus den Feststellungen, dass die Niederlassung in anderen Teilen der Russischen Föderation aus faktischen Gründen nicht möglich bzw. zumutbar ist, dies im Hinblick darauf, dass die so genannte Registrierung, von welcher die legale Wohnsitznahme, der Zugang zur Beschäftigung und zu Sozialleistungen abhängig ist, im Regelfall verweigert wird und aufgrund der im Allgemeinen fremdenfeindlichen Haltung der Behörden und der Bevölkerung (Verdächtigung ethnischer Tschetschenen, an terroristischen Aktivitäten beteiligt zu sein) eine Wohnsitznahme außerhalb des Nordkaukasus nicht zumutbar ist. Da es den Berufungswerbern solcherart nicht zumutbar ist, außerhalb ihrer Heimatregion Aufenthalt zu nehmen, liegt eine so genannte "inländische Fluchtalternative" nicht vor (siehe zum Kriterium der Zumutbarkeit der inländischen Fluchtalternative insbesondere VwGH 08.09.1999, 98/01/0614 und VwGH 06.10.1999, 98/01/0535)."

2. Mit Urteil des XXXX, rechtskräftig mit XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 3. Fall, § 142 Abs. 1, §§ 127, 129 Z 1 und 3, 130 4. Fall sowie § 15 iVm §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 und 7 StGB in Anwendung der Jugendstrafbestimmungen zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. Dezember 2011, Zl. 04 08.695-BAG, wurde der dem Vater des Beschwerdeführers mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. April 2007, Zl. 261.636/0/15E-XII/36/05, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 2 und 1 iVm § 6 Abs. 1 Ziffer 2 und 3 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass dem Vater des Beschwerdeführers die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Unter einem wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG nicht zuerkannt und der Vater des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Als maßgebliche Gründe für die Aberkennung wurde ausgeführt, dass der Vater des Beschwerdeführers sich am XXXX einen russischen Reisepass mit der XXXX, gültig bis XXXX, ausstellen habe lassen und diesen wiederholt im Rechtsverkehr, so zB. bei den Ein- und Ausreisen am XXXX sowie nach seinen eigenen Angaben etwa im XXXX, verwendet habe. Er habe sich mehrfach für längere Zeiten nachweislich in seinem Herkunftsland aufgehalten und sei dort seinen eigenen Angaben nach tatsächlich keiner Bedrohung ausgesetzt gewesen. Er habe sich, seinen eigenen Angaben nach, im Jahr XXXX zwei Wochen auf Einladung der tschetschenischen Regierung, welche Reise- und Aufenthaltskosten übernommen habe, in Grosny aufgehalten und an Gesprächen über den Frieden und zumindest einer Fernsehdiskussion, an welcher auch Präsident Kadyrov teilgenommen habe, teilgenommen. Von XXXX habe er sich auf Einladung der tschetschenischen Regierung als Teilnehmer an einem Friedenskongress in Tschetschenien, insbesondere in Grosny aufgehalten. Die Einladung sei vom XXXX ausgesprochen und alle Reise- und Aufenthaltskosten übernommen worden. Am XXXX sei der Vater des Beschwerdeführers in Begleitung seines unehelichen Sohnes XXXX über Terespol und Weißrussland nach Tschetschenien und ohne seinen Sohn am XXXX über Terespol wieder eingereist. Darüber hinaus bestehe der Verdacht, dass sich der Vater des Beschwerdeführers im Jahr XXXX mehrere Wochen in Tschetschenien aufgehalten habe. Aufgrund des vom Vater des Beschwerdeführers angegebenen "Verlustes" seines russischen Reisepasses vor seiner Vorladung zur Polizei könne diese Reise aber nicht aus den Grenzstempeln nachvollzogen und daher auch nicht festgestellt werden. Die vom Vater des Beschwerdeführers angegebenen Verfolgungsgründe, die im Jahr 2007 zu seiner Anerkennung als Flüchtling geführt haben, seien aufgrund der geänderten politischen Situation nicht mehr gegeben. Die allgemeine politische Situation habe sich, wie unter den Länderfeststellungen dargestellt, wesentlich verbessert. Er habe keine Verfolgung von staatlicher Seite zu befürchten, wie seine wiederholten Reisen nach Tschetschenien, noch dazu auf Einladung der tschetschenischen Regierung, welche auch alle Reise- und Aufenthaltskosten übernommen habe, seine selbst zugegebenen engen Beziehungen zu den politischen Führungspersönlichkeiten, XXXX, sein gemeinsamer Fernsehauftritt sowie die Teilnahme an öffentlichen Diskussionen, und sein Auftreten in Österreich XXXX beweisen würden. Er stehe darüber hinaus sogar unter dem Schutz der tschetschenischen Regierung. Sofern er sich von anderen Kräften, welche auch seine Brüder getötet hätten, verfolgt fühlen würden, wäre dies als eine Verfolgung durch Dritte zu klassifizieren, und würden hier die Feststellungen zu Tschetschenien zeigen, dass der Staat nicht nur willig, sondern auch fähig sei, Übergriffe zu verhindern bzw. das Risiko zu reduzieren. XXXX

Dieser Bescheid wurde dem Vater des Beschwerdeführers am 18. Jänner 2012 persönlich ausgefolgt und erwuchs dieser mangels Erhebung eines Rechtsmittels am 2. Februar 2012 in Rechtskraft.

4. Mit Urteil des XXXX vom XXXX, rechtskräftig mit XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 1. Satz 2. Fall und § 15 iVm §§ 142, 143 1. Satz 2. Fall StGB in Anwendung der Jugendstrafbestimmungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. In Einem wurde die Probezeit zur bedingt ausgesprochenen Strafe zu 162 HV 190/2010I auf fünf Jahre verlängert.

5. Am 11. April 2012 brachte der Vater des Beschwerdeführers einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Vater des Beschwerdeführers an, dass in der österreichischen Zeitung "XXXX" ein Artikel über ihn veröffentlicht worden sei, wonach er das Haupt einer Killerorganisation von 300 Mördern des Kadyrovs sei. In Tschetschenien werde nunmehr angenommen, dass er mit den österreichischen Behörden zusammenarbeite und gegen die Regierung von Kadyrov sei. Deshalb sei es für ihn zu gefährlich in sein Heimatland zurückzukehren. Es sei möglich, dass gegen ihn ein Haftbefehl existiere, er wisse es allerdings nicht. Seit diesem Zeitungsartikel XXXX habe er überall Probleme zu erwarten, nicht nur hier in Österreich, sondern in jedem Land, da er nach diesem Artikel von seinen Landmännern als Mörder bzw. als Verbrecher angesehen werde. Am 24. April 2012 wurde der Vater des Beschwerdeführers von einer Organwalterin des Bundesasylamtes, XXXX, niederschriftlich einvernommen, wobei er seine früheren Aussagen aufrecht hielt und zusätzlich angab, Österreich am XXXX verlassen zu haben und in der Slowakei, in Litauen, in Weißrussland und in der Russischen Föderation aufhältig gewesen zu sein. In der Slowakei und in Moskau habe er versucht in der österreichischen Botschaft ein Visum für Österreich zu beantragen, dieses habe er jedoch nicht erhalten. Während seines Aufenthaltes hätte die Polizei bei ihm seinen österreichischen Konventionsreisepass gefunden, diesen hätten sie mehrere Stunden überprüft. Nachdem er eine Bestätigung über seine Namensänderung vorgewiesen hätte, habe man ihn wieder gehen lassen. Nach Österreich sei er gekommen um erneut um Asyl anzusuchen. Er beantrage deshalb erneut Asyl, weil XXXX geschrieben habe, dass er angeblich ein Auftragsmörder oder Agent von Kadyrov sowie der Anführer von 300 Auftragsmördern sei. Zuhause in Tschetschenien würde Kadyrov glauben, dass er mit den österreichischen Behörden zusammenarbeite und gegen ihn vorgehe. Er habe daher in Tschetschenien größere Probleme zu erwarten. Alles beziehe sich auf den Presseartikel. Sein Bruder sei mehrmals mitgenommen worden und es sei Druck auf seine Verwandten ausgeübt worden. Es sei in diversen Zeitungen darüber berichtet worden, dass der Vater des Beschwerdeführers ein Agent von Kadyrov und ein FSB-Mitarbeiter sei, obwohl dies nicht stimme. Der Kongress, an dem er teilgenommen habe, habe am XXXX in Tschetschenien stattgefunden. Aufgrund der Berichterstattung der österreichischen Medien über ihn werde er ebenso wie seine Familie von Bekannten sowie allen Tschetschenen gemieden. Von seiner in Österreich lebenden Ehefrau und seinen Kindern lebe er getrennt, es würden zudem noch drei Brüder und eine Schwester in Österreich leben.

Am 26. April 2012 wurde der Vater des Beschwerdeführers im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters von einer Organwalterin des Bundesasylamtes, XXXX, erneut niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er weiters ergänzend an, dass im besagten Zeitungsartikel seine unterschiedlichen Namen (vor und nach der Änderung) angeführt seien und somit für jedermann ersichtlich sei, dass es sich dabei um seine Person handle. Auch zwei Abgeordnete einer österreichischen Partei seien bei Kadyrov gewesen und hätten über diesen Zeitungsartikel gesprochen. Kadyrov sei daher wütend auf ihn, weil dieser der Meinung sei, dass er zusammen mit den österreichischen Behörden gegen ihn vorgehe. Es wurde darauf verwiesen, dass der Ehefrau des Vater des Beschwerdeführers, die mit diesem seit XXXX verheiratet sei, sowie den vier gemeinsamen Kindern mit Bescheid des UBAS vom 20. April 2007 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde. Der Antragsteller habe bis Ende XXXX ebenfalls mit seiner Ehefrau und den Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Es wurde erneut darauf verwiesen, dass der Antragsteller aufgrund eines hetzerischen Artikels der Tageszeitung "XXXX" vom XXXX als Anführer der berüchtigten "XXXX" bzw. als "XXXX" Tschetscheniens bezeichnet werde. Dieser Zeitungsartikel habe natürlich sofort innerhalb der tschetschenischen Gemeinschaft in Österreich die Runde gemacht und sei natürlich im Internet auch in Tschetschenien abrufbar. Der Zeitungsartikel sei auf Russisch übersetzt und auf "kavkazenter.ru" veröffentlicht worden. Auf dieser Internetseite würden alle Tschetschenen die Nachrichten nachlesen, weshalb Tschetschenen aus ganz Europa den Artikel lesen könnten. Aufgrund dieses Artikels sei es für den Antragsteller undenkbar, nach Tschetschenien zurückzukehren, weil er dort mit dem Tod bedroht würde. Das nunmehrige Asylverfahren ist derzeit im Stadium der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

6. Mit Urteil des XXXX vom XXXX, rechtskräftig mit XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 15 iVm § 299 Abs. 1 und § 288 Abs. 2 StGB verurteilt. Unter Bedachtnahme auf das Urteil des XXXX, wurde über den Beschwerdeführer eine bedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, als Zusatzstrafe verhängt.

7. Mit Urteil des XXXX, rechtskräftig mit selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 127, 129 Z 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

8. Im Zuge des nunmehr verfahrensgegenständlichen Aberkennungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 31. Juli 2013 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab zu Beginn der Befragung an, der deutschen Sprache mächtig und einverstanden zu sein, dass er in dieser Sprache einvernommen wird. Er habe keinerlei gesundheitlichen Probleme, stehe in keiner ärztlichen Behandlung und nehme keine Arzneimittel ein. Er sei seit dem Jahr 2004 in Österreich und wurde ihm mit Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates am 20. April 2007 Asyl gewährt. Derzeit "wohne" er in der Justizanstalt, davor habe er gemeinsam mit seinen Eltern und seinen minderjährigen Geschwistern zusammengelebt. Befragt nach allfälligen Erwerbstätigkeiten führte der Beschwerdeführer aus, seit seiner letzten Haftentlassung von 27. August 2012 bis zu seiner nunmehrigen Haft, dem XXXX, als Reinigungskraft in einer Personalleasingfirma des Freundes seiner Tante gearbeitet zu haben, wobei er monatlich zwischen € 900,- und €

1 000,- verdient hätte; Unterstützungen würde er keine erhalten. Mit seinen Verwandten in Tschetschenien, darunter seine Oma und eine weitere Tante, stehe er per Internet monatlich in Kontakt. In Tschetschenien habe er die ersten zwei oder drei Jahre der Grundschule besucht, dann sei seine Familie nach Österreich gereist; in Österreich selbst habe er keinerlei Ausbildung absolviert, die ihm eine Beschäftigung ermöglichen würde. Er habe hier Freunde unterschiedlichster Herkunft, darunter auch Österreicher, sei in keinem Verein aktiv tätig. Derzeit verbüße er eine Strafhaft bis voraussichtlich Ende November, er hoffe auf eine bedingte Entlassung, reguläres Haftende sei XXXX. Bisher sei er zu 24 Monaten, 12 Monaten, zehn und nochmals 12 Monaten verurteilt worden. Drogen und Spielautomaten hätten ihm den Kopf verdreht, anders könne er sich nicht erklären, wiederum straffällig geworden zu sein. Nach seiner Haft beabsichtige er wieder in die Schule zu gehen und die Hauptschule zu absolvieren. Bei guten Noten würde er eine weitere schulische Ausbildung absolvieren, sonst wieder in der Personalleasingfirma arbeiten. Seit seiner Einreise in Österreich sei er nicht wieder in Tschetschenien gewesen, auch besitze er keinen russischen Reisepass. Im Falle einer Rückkehr wisse er nicht, was geschehen würde, er kenne dort niemanden außer seiner Familie, er spreche in seinem Familien- und Freundeskreis tschetschenisch. Befragt nach den ursprünglichen Gründen der Ausreise seiner Familie antwortete der Beschwerdeführer, wegen des Krieges, drei seiner Onkel seien getötet worden. Näheres wisse er nicht, auch über eine behauptete Blutrache könne er keine Angaben tätigen.

9. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. August 2013, Zl. 04 08.712-BAG, wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. April 2007, Zahl:

261628-0/9E-XII/36/05, rechtskräftig mit 20. April 2007, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt und in Einem gemäß § 7 Absatz 4 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Mit Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Absatz 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, der Beschwerdeführer sei nach Anerkennung als Flüchtling im Jahre 2007 mehrfach straffällig geworden, weshalb ein Verfahren zur Aberkennung seines Status als Asylberechtigter eingeleitet worden sei. Die von ihm in seinem Asylverfahren angegebenen Verfolgungsgründe, die im Jahr 2007 zur Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, seien auf Grund der geänderten politischen Situation nicht mehr gegeben. Die allgemeine politische Situation habe sich, wie unter den Länderfeststellungen dargestellt, wesentlich verbessert. Der Beschwerdeführer selbst habe angegeben, nicht zu wissen, ob er gefahrlos nach Tschetschenien zurückkehren könne. Auf die Frage, ob er wüsste, weshalb seine Familie 2003/2004 aus Tschetschenien geflohen sei, habe dieser angegeben, dies sei wegen des Krieges gewesen, drei seiner Onkel seien wegen des Krieges getötet worden. Von einer Blutrache wisse er nichts. Auch seine beiden Schwestern hätte in ihren Einvernahmen eine konkrete Bedrohung der Familie durch die längst beendenden Streitigkeiten und auch das Bestehen einer Blutrache klar in Abrede gestellt. Im Falle einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer keine Bedrohung durch die Regierung zu erwarten. Der Beschwerdeführer verfüge über eine Grundschulausbildung in Tschetschenien, spreche tschetschenisch und sei arbeitsfähig; auch würden Angehörige in Tschetschenien leben, mit denen er nach eigenen Angaben in Kontakt stehe.

10. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 18. August 2013 durch persönliche Übernahme zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und führte im Wesentlichen aus, die politische Situation in Tschetschenien habe sich weder grundlegend noch wesentlich verändert. Würde die belangte Behörde die eigenen Länderfeststellungen aus dem Jahre 2007 mit denen des Jahres 2013 vergleichen, so ließen sich kaum Unterscheide oder Verbesserungen feststellen; schon gar keine grundlegenden und dauerhaften Veränderungen. Soweit die Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, dass seine drei Onkel wegen des Krieges getötet wurden, so hätte dies angesichts des amtsbekannten Umstandes, dass zum Zeitpunkt des Todes der Onkel bereits seit längerem keine offenen Kampfhandlungen mehr stattfanden, hinterfragt werden müssen. Aus den vorgelegten Sterbeurkunden und den Aussagen des Vaters des Beschwerdeführers sei amtsbekannt, dass nicht nur drei Onkel sondern mehrere Verwandte getötet worden seien und zwar nicht bei offenen Kampfhandlungen während des Krieges. Es sei jedenfalls offensichtlich, dass die Familie des Beschwerdeführers in Tschetschenien mächtige Feinde habe und bereits mehrere Familienmitglieder in den vergangen Jahren getötet worden seien. Nunmehr habe der Vater des Beschwerdeführers vorgebracht, in den Medien öffentlich beschuldigt worden zu sein, dass er Spion von Kadyrow sei. Der Beschwerdeführer halte dies für eine Lüge. Auch ein weiterer Onkel sei zwischenzeitlich nach Österreich geflüchtet und mehrfach abgeholt und gefoltert worden. Weiters folgen Ausführungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers.

11. Mit Urteil des XXXX, rechtskräftig mit selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 2 Z 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

12. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurden in weiterer Folge die Strafurteile den Beschwerdeführer betreffend eingeholt.

13. Am 10. März 2015 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der aus der Strafhaft vorgeführte Beschwerdeführer neuerlich zu allfälligen Fluchtgründen, seinem Familien- und Privatleben und allfälligen Integrationsaspekten sowie zu seinem Gesundheitszustand befragt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte schriftlich mitgeteilt, keinen Vertreter zu entsenden. Im Rahmen der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass infolge seiner strafrechtlichen Verurteilungen ua. wegen schweren und bewaffneten Raubes auch diesbezüglich eine Aberkennung seines Status eines Asylberechtigten geprüft werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, den eingeholten Strafurteilen, der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts Folgendes festgestellt:

1.1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, ist Staatsangehöriger der russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe sowie Moslem, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und brachte, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertretung, am 24. April 2004 einen Antrag auf Gewährung von Asyl ein.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Juni 2005, 04 08.712-BAG, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt und gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 dessen Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet verfügt. Bescheide gleichen Inhalts ergingen an die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat erhoben. Mit mündlich verkündeten Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. April 2007, 261.630/0/9E-XII/36/05, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Asylgesetz 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 leg.cit. festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. Dezember 2011, Zl. 04 08.695-BAG, wurde der dem Vater des Beschwerdeführers mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. April 2007, Zl. 261.636/0/15E-XII/36/05, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 2 und 1 iVm § 6 Abs. 1 Ziffer 2 und 3 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass dem Vater des Beschwerdeführers die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Unter einem wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG nicht zuerkannt und der Vater des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Vater des Beschwerdeführers am 18. Jänner 2012 persönlich ausgefolgt und erwuchs dieser mangels Erhebung eines Rechtsmittels am 2. Februar 2012 in Rechtskraft.

Mit Urteil des XXXX, rechtskräftig mit 21. März 2011, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 3. Fall, § 142 Abs. 1, §§ 127, 129 Z 1 und 3, 130 4. Fall sowie § 15 iVm §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 und 7 StGB in Anwendung der Jugendstrafbestimmungen zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des XXXX, rechtskräftig mit XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 1. Satz 2. Fall und § 15 iVm §§ 142, 143 1. Satz 2. Fall StGB in Anwendung der Jugendstrafbestimmungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. In Einem wurde die Probezeit zur bedingt ausgesprochenen Strafe zu XXXX auf fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des XXXX, rechtskräftig mit XXXX, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 15 iVm § 299 Abs. 1 und § 288 Abs. 2 StGB verurteilt. Unter Bedachtnahme auf das Urteil des XXXX, wurde über den Beschwerdeführer eine bedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, als Zusatzstrafe verhängt.

Mit Urteil des XXXX, rechtskräftig mit selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 127, 129 Z 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt.

Mit Urteil des XXXX, rechtskräftig mit selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 2 Z 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer verübte mehrfach schwere, sowohl in objektiver als auch in subjektiver Sicht verwerfliche Verbrechen gegen Leib und Leben und ist infolge seiner Rückfälligkeit und Uneinsichtigkeit als gemeingefährlich einzustufen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt bzw. nach einer allfälligen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass dieser konkret Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten, welche einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Der Beschwerdeführer ist prinzipiell zu einer Teilnahme am Erwerbsleben fähig und verfügt über Angehörige im Herkunftsstaat. Zwar beherrscht er neben der tschetschenischen auch die deutsche Sprache, hat jedoch in Österreich keinerlei Ausbildung abgeschlossen und ging lediglich über einen kurzen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft nach. Der nunmehr volljährige Beschwerdeführer wurde mehrfach straffällig und verbüßt auch derzeit eine Freiheitsstrafe, weshalb sein Familienleben zu den in Österreich aufhältigen Familienangehörigen eingeschränkt ist. Dem Beschwerdeführer sind zwar infolge seines bisherigen Aufenthaltes private und familiäre Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet zuzugestehen. Insgesamt kann im Fall des Beschwerdeführers jedoch gerade trotz seines langjährigen Aufenthalts und aufgrund seiner langen Haftzeiten von keiner besonderen Verfestigung im Bundesgebiet gesprochen werden.

1.2. Hinsichtlich der relevanten Situation in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien wird zunächst prinzipiell auf die im Akt einliegenden und dem Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung überreichten Länderfeststellungen verwiesen, zu denen der Beschwerdeführer nicht substantiiert Stellung nahm.

Zur aktuellen politischen und menschenrechtlichen Situation in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien werden insbesondere folgende Feststellungen getroffen:

(...)

1. Allgemeine Situation

In Tschetschenien hat Oberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Trotz deutlicher Wiederaufbauerfolge ist die ökonomische Lage in Tschetschenien desolat, es gibt kaum Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des staatlichen Sektors. Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle ging nach einem relativen Höchststand 2009 wieder zurück. Dennoch kam es 2010 und 2011 zu einigen ernsthaften Vorfällen. Im gesamten Nordkaukasus soll es nach Angaben des FSB 600 bis 700 aktive Rebellen geben.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 15, Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Thomas Hammarberg Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 12 to 21 May 2011, 6.9.2011)

Den Machthabern in Russland ist es gelungen, den Konflikt zu "tschetschenisieren", das heißt, es kommt nicht mehr zu offenen Kämpfen zwischen russischen Truppen und Rebellen, sondern zu Auseinandersetzungen zwischen der Miliz von Ramzan Kadyrow und anderen "pro-russischen" Kräften/Milizen - die sich zu einem erheblichen Teil aus früheren Rebellen zusammensetzen - einerseits sowie den verbliebenen, eher in der Defensive befindlichen Rebellen andererseits. Die bewaffnete Opposition wird mittlerweile von islamistischen Kräften dominiert, welche allerdings kaum Sympathien in der Bevölkerung genießen. Die bewaffneten Auseinandersetzungen konzentrierten sich auf entlegene Bergregionen.

Seit Jahresbeginn 2010 ist es in Tschetschenien jedoch zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt, was teilweise ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien bewirkt. Die Macht von Ramzan Kadyrow, ist in Tschetschenien unumstritten. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig, da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe, über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Ministerpräsident Putin verfüge und sich großer Beliebtheit unter der Bevölkerung erfreue.

(Asylländerbericht Russland der Österreichischen Botschaft in Moskau, Stand 21.10.2010, Seite 15)

Der stetige Rückgang der föderalen Streitkräfte nach Ende der "heißen" Phase des zweiten Krieges ab 2002 kann als Zeichen für die verbesserte Sicherheitslage verstanden werden. Der Rückzug der russischen Truppen war nicht nur durch die Stabilisierung der Sicherheitslage, sondern auch durch die sukzessive Übergabe der Verantwortung auf lokale tschetschenische Streitkräfte, die erst in den letzten Jahren anwuchsen, möglich. Die andauernde Stationierung föderaler Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der trotz der Beendigung der von 1999 bis 2009 dauernden Anti-Terror-Organisation (ATO) nicht erfolgte Abzug zeigen, dass die tschetschenischen Sicherheitskräfte weiterhin föderale Unterstützung im Kampf gegen die Rebellen benötigen. Andererseits kann auch davon ausgegangen werden, dass Moskau seine Truppen vermutlich aus mangelndem Vertrauen in Kadyrow weiterhin dort stationiert lässt. Die in den letzten Monaten ergriffenen Maßnahmen und die Wortwahl der Präsidenten Medwedew und Kadyrow sowie des Ministerpräsidenten Putin zeigen jedenfalls, dass man zur Bekämpfung des "Terrorismus" im Nordkaukasus insgesamt weiterhin eher auf militärische Gewalt setzt, und soziale und wirtschaftliche Maßnahmen eine untergeordnete Rolle spielen.

Medwedew fordert weiterhin "brutale Maßnahmen" gegen Terroristen und spricht von einem "schonungslosen Kampf" gegen die Rebellengruppen. Auch in Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Moskauer U-Bahn im März 2010 oder den Anschlag auf ein Kaffeehaus in Pjatigorsk im August 2010 sprach sich Medwedew für die "Zerstörung" der Kämpfer aus. In Anbetracht der 2014 in Sotschi stattfindenden olympischen Winterspiele wird gemutmaßt, dass Medwedew meinen könnte, allein die Anwendung roher Gewalt könne die Region genügend stabilisieren um die Abhaltung der Spiele nicht zu gefährden.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14)

Zusammenfassend ist auszuführen, dass nach Beendigung der Anti-Terror-Organisation 2009 temporär wieder vermehrt Anschläge in Tschetschenien zu verzeichnen waren. Die 2009 sprunghaft angestiegene Anzahl an Selbstmordanschlägen ist 2010 wieder stark eingebrochen. Der jüngste Angriff auf die Heimatstadt Kadyrows Zenteroi am 29. August 2010 lässt keine Zweifel, dass die tschetschenischen Rebellen auch zu taktisch herausfordernden Aktionen fähig sind. Von einer Stärkung der Widerstandsbewegung, die in der nächsten Zeit zu einem Ausbruch größerer Kamphandlungen führen könnte, ist jedoch nicht auszugehen.

Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 ,24.5.2012)

2011 gab es in Tschetschenien mindestens 201 Opfer des bewaffneten Konflikts, darunter 95 Tote und 106 Verwundete. 2010 waren es noch 250 Opfer gewesen (127 Tote, 123 Verletzte). Damit liegt Tschetschenien betreffend Opferzahlen hinter Dagestan an zweiter Stelle der nordkaukasischen Republiken. Gemäß Polizeiberichten wurden 2011 in Tschetschenien 62 Mitglieder des bewaffneten Untergrunds getötet (2010: 80), weitere 159 vermeintliche Kämpfer wurden festgenommen (2010: 166). 21 Sicherheitskräfte kamen bei Schießereien und Explosionen 2011 ums Leben (2010: 44), 97 wurden verletzt (2010: 93). Des Weiteren wurden 2011 bei Terrorakten, Bombardierungen und Schießereien 12 Zivilisten getötet (2010: 3) und 9 verwundet (2010: 30).

2011 kam es in Tschetschenien zu mindestens 26 Explosionen und Terrorakten, 2010 waren es noch 37 gewesen. Unter den Explosionen und Terrorakten waren sieben Selbstmordanschläge.

(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/ , Zugriff 3.12.2012)

Laut NRO "Kawkaski-Usel" waren 2011 in Tschetschenien 174 Opfer gewaltsamer Auseinandersetzungen zu beklagen, darunter 82 Tote.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 15)

2012 wurden zwischen Jänner und Mitte Oktober nach Angaben des Innenministeriums der Republik Tschetschenien 35 Kämpfer des bewaffneten Untergrunds in Tschetschenien getötet und weitere 80 verhaftet. Im selben Zeitraum seien 9 gemeinsame große Sonderoperationen gegen die Kämpfer durchgeführt worden.

(Caucasian Knot: The Ministry of Interior Affairs: 35 gunmen killed in Chechnya since the beginning of the year, 17.10.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/22579/ , Zugriff 3.12.2012)

Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter, jedoch fiel das Gewaltlevel im Nordkaukasus allgemein 2012 um 10% verglichen mit dem Vorjahr. Die Gewalt in Tschetschenien ging 2012 stark zurück. (U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/245202/368649_de.html ; Zugriff 24.10.2013)

Andere kaukasische Teilrepubliken haben Tschetschenien bei der Zahl der registrierten Gewaltvorfälle überholt. 2012 gab es im Nordkaukasus insgesamt 700 kampfbedingte Todesopfer, davon mehr als die Hälfte in Dagestan, der größten kaukasischen Teilrepublik Russlands. Dort wurden knapp 300 Verbrechen verzeichnet, die mit Terrorismus im Zusammenhang standen, im restlichen Nordkaukasus 180.

(Tagesspiegel. Uwe Halbach (26.4.2013): Tschetschenien im Fokus, http://www.tagesspiegel.de/meinung/andere-meinung/nach-den-anschlaegen-von-boston-tschetschenien-im-fokus/8130872.html ; Zugriff 24.10.2013)

Für die ersten neun Monate des Jahres 2013 berichtet Caucasian Knot 87 getötete Soldaten, 68 getöteten Zivilisten und 220 getöteten Rebellen im Nordkaukasus [Anm. nicht Tschetschenien allein]. Von staatlicher Seite wurde verlautbart, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 Straftaten, die mit Extremismus in Zusammenhang stehen im Nordkaukasus um 40% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen, jedoch terroristische Angriffe im selben Zeitraum um 10% sanken.

(Jamestown Foundation (4.12.2013): Eurasia Daily Monitor Volume 10 Issue 217. North Caucasus Prosecutor's Office Reports Rise in Extremism-Related Crimes)

Wenngleich sich die Sicherheitslage im Sinne dessen, dass keine großflächigen Kampfhandlungen stattfinden und es zu keiner Vertreibung der Zivilbevölkerung kommt, stabilisiert hat, so zeigt sich also, dass dies nicht zuletzt auf die repressive Machtausübung Ramzan Kadyrows und seiner Sicherheitskräfte zurückzuführen ist. Allgemein ist nach wie vor ein hohes Maß an Gewalt feststellbar, vor allem außerjudizielle Tötungen und Kollektivstrafen. Das teilweise brutale und in einigen Fällen als menschenrechtswidrig zu bezeichnende Vorgehen der Sicherheitskräfte (für das diese kaum belangt werden) bringt zwar auch Resultate mit sich, da immer wieder auch führende Kämpfer "neutralisiert", also getötet oder verhaftet, werden und die Sicherheitslage in Tschetschenien dadurch weitgehend stabilisiert werden konnte, andererseits trägt dieses Vorgehen dazu bei, dass sich auch junge Menschen, die sich zunächst nicht mit radikal-islamischem Gedankengut identifizieren, der Widerstandsbewegung anschließen. Deshalb wird die Rebellenbewegung auch in nächster Zeit nicht an Schlagkraft verlieren. Eine nachhaltige Befriedung ist also weiterhin nicht absehbar, die in Zusammenhang mit Tschetschenien so oft zitierte Gewaltspirale dreht sich weiter.

In Tschetschenien kam es im Sommer 2010 zu einer Spaltung innerhalb des bewaffneten Widerstands, als sich ein Teil der bewaffneten Kämpfer vom bis dahin einflussreichsten Anführer Doku Umarow und seiner Doktrin der Schaffung eines islamischen "Emirat Kaukasus" lossagte. Dieser Zwist führte, zusammen mit dem harten Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen "Terroristen" und deren Angehörige, zu einer Abnahme der direkten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Widerstandskämpfern und Sicherheitskräften, ohne dass die Gewalt insgesamt weniger wurde. Die rund 20.000 "Kadyrowzy" sind nach wie vor aktiv. Die Jamestown Foundation schätzt, dass beinahe 90 Prozent der tschetschenischen islamistischen Gruppierungen nun dem Kommando von Emir Hussein unterstehen, während ein Großteil der dagestanischen, inguschetischen und kabardino-balkarischen "Jamaats" nach wie vor Umarow treu sind. Dieser wurde schon mehrmals totgesagt, was sich bis heute als falsch erwiesen hat.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation:

Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 4-5, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.09.2011, Seite 6, 8 und 9; Russia, Freedom in the World 2012)

In Tschetschenien existiert noch immer eine islamistische Untergrundbewegung. Deren Mitglieder werden als "Wäldler" bezeichnet, da sie in den ausgedehnten und dichten Wäldern des Landes ihre Verstecke haben. Ihre Anzahl ist unbekannt. Sie sind jedoch zu effektiven Anschlägen, die meist als Selbstmordattentate erfolgen, fähig. Ziel der Islamisten ist die Errichtung eines "Kaukasischen Emirats" im Nordkaukasus. Ihr Anführer ist Doku Umarov, der selbsternannte "Oberste Emir" des Nordkaukasus. Die Städte gelten gegenwärtig als sicher vor Anschlägen durch die islamistischen Rebellen. Am gefährlichsten sind die Waldgebiete, insbesondere die Gebiete in den hohen Bergen an der Grenze zu Georgien sowie die Grenzgebiete zu Dagestan.

(BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg)

Im Sicherheitsbereich ist gegenwärtig ein Trend zu beobachten, der auf eine Stabilisierung Tschetscheniens bei gleichzeitiger Verschlechterung der Lage in Dagestan hinausläuft. In manchen Regionen konstatieren Beobachter auch ein Übergreifen der Gewalt auf bisher ruhige Gebiete.

Einschätzungen zur zahlenmäßigen Stärke der Rebellen divergieren stark. In Tschetschenien ist es seit Jahresbeginn 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien).

(ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation)

Im Ergebnis kann gesagt werden, dass Teile der Russischen Föderation, vor allem im Nordkaukasus, von hohem Gewaltniveau betroffen sind. Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, bedeutende Rebellenaktivität in seinem Herrschaftsbereich einzuschränken, ging einher mit zahlreichen Berichten über außergerichtliche Tötungen und Kollektivbestrafung. Zudem breitete sich die Rebellenbewegung in den umliegenden russischen Republiken, wie Inguschetien, Dagestan und Kabardino-Balkarien aus. Hunderte Beamte, Aufständische und Zivilisten sterben jedes Jahr durch Bombenanschläge, Schießereien und Morde. Wenn auch die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte weiter geht, ging die Gewalt in Tschetschenien jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück.

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013, U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)

2.1. Sicherheitslage

Vertreter russischer und internationaler NROs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 15)

Bei Sondereinsätzen der Anti-Terror-Organisation geraten gelegentlich auch Zivilisten ins Schussfeld, wie etwa ein Vorfall im inguschetisch-tschetschenischen Grenzgebiet im Februar 2010 zeigt:

Bei diesem Sondereinsatz kamen je nach Angaben zwischen vier und 14 Zivilisten ums Leben. Zudem steht der Vorwurf im Raum, dass Sicherheitskräfte getötete Zivilisten manchmal als Kämpfer bezeichnen würden, um die Statistik zu schönen. Die derzeit stattfindenden Kämpfe führen jedoch nicht zu einer Vertreibung der Zivilbevölkerung.

Bis Mai 2011 hatte der EGMR in rund 180 Fällen Verletzungen der Artikel 2 und 3 der EMRK bei Einsätzen der Sicherheitskräfte in Tschetschenien festgestellt. 60% der Beschwerden betrafen das Verschwinden von Personen. [...] Die andauernden Muster der Straffreiheit für solch ernsthafte Verletzungen zählen zu den hartnäckigsten Menschenrechtsproblemen im Nordkaukasus. Es gab sicherlich mehrere positive Schritte wie die Einrichtung von Untersuchungskomitees, die Unterstützung der Teilnahme von Opfern bei der strafrechtlichen Verfolgung und die Verkündung mehrerer Direktiven hierzu. Viele Untersuchungen ergeben jedoch keinerlei Ergebnisse; in Fällen, in denen Behörden selbst in Verbrechen involviert waren bestehen Zweifel, inwieweit diese mit den Untersuchungsbehörden die notwendige Kooperation ermöglichen können.

(Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Thomas Hammarberg Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 12 to 21 May 2011, 6.9.2011)

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) will sicherstellen, dass die Polizei und Truppen des Innenministeriums, welche Sicherheitsoperationen durchführen, die Gesetze kennen. Daher führte das Komitee zwischen Juni 2010 und Jänner 2011 Informationsveranstaltungen für Sicherheitskräfte durch. Zudem führt das IKRK regelmäßigen Dialog mit föderalen und lokalen Exekutivbehörden über Festnahmen, Inhaftierungen und Gewaltanwendung.

(ReliefWeb: Russian Federation/Northern Caucasus: ICRC maintains aid effort, 1.3.2011,

http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900SID/JARR-8EJHNK?OpenDocument&rc=4&emid=ACOS-635PN7 )

In den letzten Jahren kehrten nicht nur tausende Binnenflüchtlinge in ihre Häuser zurück, sondern auch Tschetschenen, die nach Europa flüchteten. Das subjektive Unsicherheitsgefühl verhindert eine solche Rückkehr scheinbar nicht. Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass in Tschetschenien weiterhin Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Verhaftungen oder unmenschliche Behandlung durch Sicherheitskräfte stattfinden und fragwürdige Maßnahmen wie die Kollektivbestrafung von Kadyrow und anderen tschetschenischen Amtsträgern gutgeheißen werden.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 5)

Nach wie vor finden im Nord-Kaukasus zahlreiche außergesetzliche Tötungen durch Behördenorgane und Angehörige bewaffneter Gruppierungen statt.

Obwohl es 2012 weniger Vorfälle gegeben hat als die Jahre zuvor, bleiben Landminen nach wie vor ein Problem (U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia).

Im gesamten Nordkaukasus gab es 2012 weiterhin regelmäßig Sicherheitseinsätze der Polizeikräfte. Dabei kam es Berichten zufolge häufig zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidriger Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen.

(Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html ; Zugriff 11.12.2013)

2.2. Die Rebellen

Die tschetschenische Rebellenbewegung entwickelte sich bereits vor Ausbruch des zweiten Krieges immer mehr von einer separatistischen hin zu einem islamistischen Netzwerk und radikalisierte sich im Verlauf der Kriegsjahre erheblich. Damit einher ging die Ausbreitung der Gewalt auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan, wo die Sicherheitslage mittlerweile als prekärer als in Tschetschenien gilt, sowie in geringerem Ausmaß auch auf Kabardino-Balkarien, Karatschajewo-Tscherkessien und Nordossetien. Durch die Ausrufung des "Kaukasus Emirats" durch Doku Umarow (Emir Abu Usman) Ende Oktober 2007 wurde offensichtlich, dass sich der tschetschenische Widerstand nunmehr als Teil einer pankaukasischen islamischen Bewegung betrachtet, deren Ziel nicht die Unabhängigkeit der Republik, sondern vielmehr die "Befreiung" der derzeit "von den Russen besetzten" "islamischen Lande" von "Ungläubigen" ist. Grundsätzlich kann die tschetschenische Rebellenbewegung daher heute nicht mehr losgelöst von den im gesamten Nordkaukasus agierenden Rebellengruppen betrachtet werden. Die einzelnen Gruppen des die Republiksgrenzen überschreitenden Netzwerks stehen zwar miteinander in Verbindung, handeln jedoch weitgehend autonom und dürften einzelne Angriffe auch nicht miteinander koordinieren.

Die tatsächliche Anzahl der Kämpfer ist unklar, Schätzungen reichen von 50 bis 60 (Aussagen Kadyrows) über rund 500 (FSB) bis zu 1.500 Mann (einzelne unabhängige Beobachter in Tschetschenien). Doku Umarow gab im März 2010 an, die Anzahl der Mudschaheddin im gesamten Nordkaukasus läge zwischen 10.000 und 30.000 Mann, bei entsprechenden Ressourcen könnte er fünf- bis zehnmal so viele anführen. Während die Angaben Kadyrows zu niedrig angesetzt sind (allein 2009 sollen offiziellen Angaben zufolge 190 Kämpfer in Tschetschenien ums Leben gekommen sein, in den ersten sieben Monaten 2010 51), sind jene Umarows sicherlich stark übertrieben.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14-15)

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat den Tod des tschetschenischen Rebellenführers Doku Umarow bestätigt. Der "russische Bin Laden" sei bei einem Einsatz "neutralisiert" worden, sagte FSB-Chef Alexander Bortnikow am Dienstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Zudem seien mehr als 200 Extremisten festgenommen worden. Dabei wurden große Mengen Waffen und Sprengsätze sichergestellt. Bortnikow sagte zudem, der FSB habe gemeinsam mit Polizei und Ermittlern die Hintermänner der tödlichen Terroranschläge in Wolgograd vom Dezember 2013 geschnappt. Die Attentate, denen 30 Menschen zum Opfer fielen, seien aufgeklärt, sagte Bortnikow. Mitte März hatte eine Internetseite der Islamisten im Konfliktgebiet Nordkaukasus den "Märtyrertod" Umarows mitgeteilt. Er galt als Chef des selbst-proklamierten sogenannten Emirats des Kaukasus. Die gleichnamige Extremistengruppe kämpft für eine islamistische Herrschaft im gesamten Kaukasusgebiet. Der Rebellenführer bekannte sich zu zahlreichen Gewalttaten im ganzen Land, darunter die Anschläge auf den Moskauer Flughafen Domodedowo im Jänner 2011 und die Moskauer U-Bahn im März 2010 mit insgesamt 77 Toten. In den vergangenen Jahren hatte es mehrmals Meldungen über den Tod Umarows gegeben, die nie bestätigt wurden. Der Terroristenführer selbst hatte gedroht, die ersten russischen Olympischen Winterspiele zu verhindern. Bei den Spielen in Sotschi war es im Februar allerdings ruhig geblieben. (Die Presse, Geheimdienst bestätigt Tod von Islamistenführer Umarov, 8.4.2014, http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1587995/ , Zugriff am 2.5.2014)

Ali Abu-Muhammad, geborener Aliaskhab Kebekov, bestätigte in einer Internetaussendung vom 18. März 2014 den Tod von Doku Umarow. Kebekov stellte fest, dass er zum neuen Führer des Kaukasus-Emirats gewährt wurde. Er war seit 2010 Sharia-Richter im Kaukasus-Emirat. Er kündigte die Fortführung des Jihad an und rief die Muslime des Nordkaukasus auf, sich dem Kampf anzuschließen. Er kündigte aber keine neuen Terroranschläge an. Der neue Rebellenführer stammt aus Dagestan und ist ethnischer Avare. Er spricht arabisch und kaum russisch. Er studierte in Syrien und war im Alkoholschmuggel in den 1990er Jahren involviert, bevor er konvertierte. Kebekov ist der erste nicht tschetschenische Führer der Kaukasischen Rebellen. Das bestätigt den Trend der letzten Jahre, dass sich das Schwergewicht der Kämpfe im Kaukasus von Tschetschenien nach Dagestan verlagert. Dies ist einerseits der auf die Stabilisierung der Situation in Tschetschenien gerichteten Politik und anderseits der Massenmigration tschetschenischer Rebellen nach Syrien geschuldet. Ebenso ist das der Effekt der schnellen Entwicklung radikalen Islams in Dagestan. Es ist zu erwarten, dass Dagestan das Zentrum des Jihad im Nordkaukasus bleiben wird, während die militärische Untergrundbewegung in den übrigen Republiken eine kleinere Rolle spielen wird. Während die Unterstützung für Kebekov in Dagestan unbestritten ist, ist dies in den übrigen Republiken nicht klar. Das zeigt sich auch in der langen führerlosen Zeit nach dem Tod Doku Umarows, was ggf. Meinungsverschiedenheiten in der Frage des künftigen Führers geschuldet war. Es wurde lange vermutet, dass Aslambek Vadalov, der letzte einflussreiche Veteran des Tschetschenienkrieges, ein ethnischer Tschetschene, Nachfolger Umarows wird. Kebekovs Machtergreifung könnte daher zu einer Fragmentierung des Kaukausus-Emirats und einer stärkeren Homogenisierung der Untergrundbewegung in Dagestan führen. (Osrodek Studiow Wschodnich im. Marka Karpia, Militants oft he North Caucasus have a new leader, 26.3.2014)

Einige Experten glauben, dass sich das Projekt Kaukasus-Emirat nach dem Tod von Doku Umarow signifikant ändern oder einschlafen wird. Der neue Führer des Kaukasus-Emirats, Alaiskhab Kebekov, wird aller Voraussicht nach eine mildere Form des Jihad verfolgen: Berichten zufolge ist er gegen Selbstmordanschläge. Die Wahl des neuen Emirs reflektiert die Verlagerung des Aufstandes von Tschetschenien nach Dagestan und von Nationalismus zur überstaatlichen islamistischen Ideologie. (Jamestown Foundation, Russian Authorities Step up Efforts to Disrupt North Caucasus Insurgency's Financing; Euarsia Daily Monitor, Vol. 11 Iss. 55, 24.3.2014)

Die tschetschenischen Rebellen leisteten ihren Treueeid auf den neuen Führer des Kaukasus-Emirats, Emir Abu Muhammad, obwohl der Emir von Tschetschenien, Emir Khamzat, der Umarows erster Stellvertreter war, nicht unter denen war, die den Eid geschworen haben. Es ist nicht klar, ob er an der Seite von Umarow gestorben ist.Einige Beobachter äußerten Zweifel, ob das tschetschenische Jamaat noch existiert oder nicht. Das Jamaat scheint aber weiterzubestehen und verfügt nun über größere Freiheiten, weil bisher ein Gutteil seiner Aktivitäten auf den Schutz von Doku Umarow konzentriert war. Dessen Bruder, Ahmad Umarow, bestätigte in einer Audiobotschaft, dass Khamzat der Emir von Tschetschenien bleibt. Ein Bombenanschlag am 3. April 2014 auf ein Militärfahrzeug bezeugt, dass die Rebellen in Tschetschenien nicht "neutralisiert" wurden. (Jamestown Foundation, Rebels Continue to Operate in Chechnya Despite Doku Umarov's Death; Eurasia Daily Monitor, Vol. 11, 68, 10.4.2014)

2.2.1. Das Vorgehen der Rebellen

In den ersten Jahren des zweiten Krieges kämpften ganze Armeedivisionen und Brigaden russischer Truppen gegen die Rebellen. Nachdem es den föderalen Truppen gelungen war, große Kampfverbände zu besiegen, gingen die Auseinandersetzungen in einen Guerillakrieg über. In den ersten Monaten des zweiten Tschetschenienkrieges waren die russischen Truppen, die sich vor allem auf die als Hochburgen der Rebellen geltenden südlichen Regionen der Republik konzentrierten, beinahe täglich Bombenanschlägen und Angriffen durch Heckenschützen ausgesetzt. Die Stärke und Kräfte der Kämpfer nahmen ab 2002 und deutlich mit 2004 ab, die Häufigkeit militärischer Aktionen ging zurück. Nachdem viele hochrangige Kommandeure der ersten Generation liquidiert worden waren, - nämlich im März 2002 Ibn al-Chattab, im Jänner 2003 Ruslan Gelajew, im März 2005 Aslan Maschadow, im Juni 2006 Abdul-Chalim Sadulajew und im Juli 2006 Schamil Bassajew - verlor die Rebellenbewegung in Tschetschenien insgesamt an Schlagkraft. Die jüngsten Anschläge im russischen Kernland - jener auf den Zug Newski-Express im November 2009 und die Moskauer U-Bahn im März 2010 - gingen Bekennerschreiben zufolge zwar ebenfalls auf das Konto nordkaukasischer Rebellen, allerdings vermutlich nicht tschetschenischer.

Heutzutage teilt sich die Rebellenbewegung in Tschetschenien in kleine, extrem mobile und unabhängige Gruppen von Kämpfern, die sich im gesamten Nordkaukasus praktisch mehr oder weniger frei bewegen können.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 16)

2.2.2. Neuerliche Gewalt durch Rebellengruppen

Als Gründe für den neuerlichen Gewaltausbruch werden nicht nur religiöser Extremismus und ethnischer Separatismus genannt. Auch die autoritäre Politik Kadyrows und die durch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte begangenen Menschenrechtsverletzungen werden als Auslöser genannt. Wie bereits erwähnt werden Armut und die schlechte wirtschaftliche Lage sowie die weit verbreitete Korruption und Clanwirtschaft ebenso dafür verantwortlich gemacht, den Zulauf aus der tschetschenischen Bevölkerung zur Widerstandsbewegung nicht abreißen zu lassen.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation: Sicherheitslage in Tschetschenien vom 12.10.2010, Seite 14-18)

Am 19.10.2010 drangen Terroristen sogar bis zum schwer bewachten Parlament in Grosny vor. Aus bisher ungeklärten Gründen gelang es drei Terroristen die Sperre vor dem Parlamentsgebäude zu passieren. Einer der Angreifer sprengte sich davor in die Luft, zwei Untergrundkämpfer drangen in das Gebäude ein, lieferten sich im Erdgeschoss ein Feuergefecht mit den tschetschenischen Sicherheitskräften und sprengten sich dann selbst in die Luft. Außer den Terroristen wurden bei dem Überfall drei Personen getötet, darunter zwei Polizisten und ein tschetschenischer Zivilist. 17 Personen, darunter sechs Polizisten und elf Zivilisten, wurden verletzt. Mit dem Überfall zeigten die Separatisten, dass sie auch in Tschetschenien, wo es in den letzten Jahren weit weniger Anschläge gegeben hatte, als in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan, noch handlungsfähig sind.

(Eurasisches Magazin: Der Terror in Tschetschenien ist zurück vom 06.12.2010)

Am 6. Juli 2010 forderte Putin im südrussischen Kislowodsk eine Amnestie für die Untergrundkämpfer im Nordkaukasus. Damit bewies er, dass man mit allen Mitteln Frieden erreichen will.

(Informationszentrum Asyl & Migration: Russische Föderation, Länderinformation und Pressespiegel zur Menschenrechtslage und politischen Entwicklung, Lage im Nordkaukasus vom September 2010, Seite 5)

Am 3.7.2013 hat Doku Umarov - der selbsternannte Emir des Kaukasus Emirats - die von ihm ausgerufene "Waffenruhe" zurückgenommen und damit gedroht, die Olympischen Winterspiele im Februar 2014 in Sotschi zu attackieren.

Bei zwei Selbstmordanschlägen auf einen Linienbus und im Bahnhof von Wolgograd (ehemals Stalingrad) waren am Sonntag (29.12.2013) und am Montag (30.12.2013) insgesamt mindestens 34 Menschen getötet und 72 Menschen verletzt worden. Moskau verdächtigt tschetschenische Islamisten, die damit gedroht haben, die Olympischen Winterspiele (7. bis 23. Februar) im knapp 700 Kilometer südwestlich gelegenen Sotschi attackieren zu wollen.

Nach den tödlichen Anschlägen in Wolgograd hat der russische Präsident Wladimir Putin verschärfte Anstrengungen für die Sicherheit der Olympischen Winterspiele in Sotschi angekündigt. Russland werde "entschieden und unnachgiebig den Kampf gegen Terroristen bis zu deren vollständiger Ausradierung fortsetzen", sagte Putin am Dienstag in seiner Neujahrsansprache laut Interfax.

(Quelle(n): Geopolitical Monitor (22.12.2013): Assessing the Terrorist Threat to the Sochi Olympics, http://www.geopoliticalmonitor.com/assessing-the-terrorist-threat-against-the-sochi-olympics-4897/ ;

Zugriff 2.1.2014, Der Standard (1.1.2014): Putin in Wolgograd:

"Widerliche Verbrechen",

http://derstandard.at/1388514289560/Putin-besucht-nach-Anschlaegen-Wolgograd ;

Zugriff 2.1.2014, ORF.at (31.12.2013): Sorge um Sicherheit in Sotschi, http://orf.at/stories/2212300/2212298/ ; Zugriff 2.1.2014)

Ein föderales Gesetz vom 2.11.2013 (Nr. 302-FZ) ermöglicht eine "Wertabschöpfung" bei Verwandten und Angehörigen hinsichtlich Vermögenszuwächse durch terroristische Tätigkeit.

2.3.1. Menschenrechte allgemein

Russland befindet sich seit dem Ende der Sowjetunion in einem umfassenden und schwierigen Transformationsprozess. Formal garantiert Russland in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten. Menschenrechtler kritisieren jedoch Mängel bei der praktischen Umsetzung der verbrieften Rechte. Repressive Traditionen und ein Mangel an Erfahrungen mit Rechtsstaatlichkeit verbinden sich mit einem teilweise immer noch fehlenden Bewusstsein für individuelle Rechte und Freiheiten. Hinzu kommen Mängel bei der Unabhängigkeit der Judikative und die verbreitete Korruption. Seit Mai 2012 werden ein wachsender staatlicher Druck auf die kritische Zivilgesellschaft und einzelne Akteure beobachtet. Bei der Terrorismusbekämpfung, insbesondere im Nordkaukasus, sind auch autoritäre Einschränkungen der Grundrechte zu beobachten. Trotz einiger Reformbemühungen unter dem damaligen Präsidenten Medwedew, namentlich im Strafvollzugsbereich, bestehen bei der Menschenrechtslage im Land in einigen Bereichen erhebliche Defizite fort.

(Deutsches Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , 6.2.2013)

Die wichtigsten Menschenrechtsverletzungen 2011 betrafen Verstöße gegen demokratische Prozesse, die Justizverwaltung und den Rechtsstaat, sowie die Meinungsäußerungsfreiheit. Weitere beobachtete Probleme umfassten physische Misshandlung von Wehrdienern durch Militärs; Einschränkungen der Versammlungsfreiheit; weit verbreitete Korruption auf allen Ebenen der Staatsführung und im Gesetzesvollzug; Gewalt gegen Frauen und Kinder; xenophobische Angriffe und Hassverbrechen; gesellschaftliche Diskriminierung, Schikane und Angriffe auf religiöse und ethnische Minderheiten und Immigranten; gesellschaftliche und behördliche Einschüchterung der Zivilgesellschaft und von Gewerkschaftern; Diskriminierung von Homosexuellen; und Einschränkungen der Arbeiterrechte.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)

2.3.2. Die Menschenrechtslage in Tschetschenien

Die Regierung von Ramsan Kadyrow in Tschetschenien verletzt weiterhin Grundfreiheiten, ist in Kollektivbestrafungen von Familien vermeintlicher Rebellen involviert und fördert insgesamt eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung. Der tschetschenische Ombudsmann Nurdi Nukhazhiyev zeigte sich der wichtigsten NRO in der Region, Memorial, gegenüber unkooperativ. Die Behörden weigerten sich gelegentlich mit NRO, die ihre Aktivitäten kritisierten, zusammenzuarbeiten. Menschenrechtsgruppen beschwerten sich, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter waren Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und -kämpfern.

Wie berichtet wird, wird Folter sowohl von lokalen Behördenorganen als auch von föderalen Kräften angewendet.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia)

Es werden weiterhin Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit den "anti-terroristischen" Operationen der Regierung berichtet. Anwälte, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen berichten über Entführungen, willkürliche Verhaftungen, Folter, "Verschwindenlassen" und widerrechtliche Tötungen. Der russische Ombudsmann hat mehrfach über Verstöße im Nordkaukasus berichtet, ebenso wie der Menschenrechtskommissar des Europarates. Solche Berichte scheinen vor Ort aber wenige Auswirkungen zu haben.

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)

Im Übrigen bezweifelt der Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ernsthaft, ob der tschetschenische Ombudsmann seine Rolle als unabhängige Institution zum Schutz der Menschenrechte in der Republik versteht.

(Council of Europe-Parliamentary Assembly (5.3.2012): The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1331036948_edoc12882.pdf ; Zugriff 9.12.2013)

Berichten zufolge verübten Beamte mit Polizeibefugnissen nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen. Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. In einigen Fällen wurden Opponenten und Kritiker Kadyrows in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland durch Auftragsmörder getötet (darunter Mord an Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012, ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

In Teilen des Nordkaukasus kommt es weiterhin zu Entführungen, illegalen Festnahmen und Folter von Verdächtigen.

Menschenrechtsverletzungen werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. Mehrere Opponenten und Kritiker des Oberhauptes Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, wurden in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland, durch Auftragsmörder getötet (darunter Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden.

Seit 2002 sind in Tschetschenien über 2.000 Personen entführt worden, von denen über die Hälfte bis zum heutigen Tage verschwunden bleibt. Auch heute noch wird von Fällen illegaler Festnahmen und Folter von Verdächtigen berichtet. Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt.

(ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation)

Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungskräften, Aufständischen, islamistischen Militanten und kriminellen Kräften zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, wie außergerichtlichen Tötungen, Folter, körperlichem Missbrauch und politisch motivierten Entführungen führte.

(U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/245202/368649_de.html ; Zugriff 24.10.2013)

Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bei der Unterdrückung größerer Rebellenaktivitäten in seinem Einflussbereich wird begleitet von zahlreichen Berichten über außergerichtliche Hinrichtungen und Kollektivbestrafungen.

(Freedom House: Freedom in the World 2012 - Russia, März 2012)

Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Wiederholte Äußerungen von Präsident Medwedew und anderen Funktionsträgern deuten darauf hin, dass Recht und Gesetz hinreichend eingehalten und die Menschenrechte respektiert werden sollen. Die Urteile des EGMR werden von Russland nicht vollständig umgesetzt. 2011 wurden in Tschetschenien 20 Fälle registriert, in denen Personen entführt wurden, verschwanden oder gesetzwidrig verhaftet wurden (2010: 6). Memorial dokumentierte zwischen Jänner und September 2011 elf Fälle von Entführungen lokaler Einwohner durch Sicherheitskräfte. Opfer weigern sich aus Angst vor behördlicher Vergeltung zusehends über Verstöße zu sprechen. In einem Brief an eine russische NRO im März 2011 sagten die föderalen Behörden, dass die tschetschenische Polizei Untersuchungen von Entführungen sabotierten und manchmal die Täter deckten. In einem Schreiben an die NGO "Interregionales Komitee gegen Folter" bestätigte ein hochrangiger tschetschenischer Staatsanwalt, dass die Ermittlungen zu den Fällen von Verschwindenlassen in Tschetschenien ineffektiv seien. Vertreter russischer und internationaler NRO zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Schariah-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen.

(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/ , Zugriff 3.12.2012, Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012, Amnesty International: Jahresbericht 2012 24.5.2012; Auswärtiges Amt:

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 15)

2.3.3. Religionsfreiheit

Die Bevölkerung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an, wobei traditionell eine mystische Form des Islam, der Sufismus, vorherrschend ist. Gegenwärtig ist eine Zunahme der Anhänger des Salafismus/Wahabismus, eine strenge, radikale Form des Islam, zu verzeichnen.

(BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg)

Kadyrow billigt oder leitet Massenverstöße gegen die Menschenrechte, darunter gegen die Religionsfreiheit. Er verfälschte tschetschenische Sufi-Traditionen um seine Herrschaft zu rechtfertigen, errichtete auf Grundlage seiner religiösen Ansichten einen repressiven Staat und wies das Tragen einer Hidschab in öffentlichen Gebäuden an.

(U.S. Commission on International Religious Freedom (30.4.2013):

Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom,

http://www.uscirf.gov/images/2013 USCIRF Annual Report (2).pdf ; Zugriff 9.12.2013, Department of State (20.5.2013): 2012 International Religious Freedom Report - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/247446/371031_de.html ; Zugriff 9.12.2013)

Kadyrow nutzt den traditionellen Sufismus politisch und als Instrument seines Antiterrorkampfes, um mit dem "guten" sufistischen Islam dem von weiten Teilen der heute in der Republik aktiven Rebellen propagierten "schlechten" fundamentalistischen Islam, dem oft auch Wahhabismus genannten Salafismus, entgegenzuwirken. Diese Strategie hatte bereits sein Vater unter Maschadow - relativ erfolglos - anzuwenden versucht.

Diese politische Nutzung der Religion führt aus mehreren Gründen zu heftiger Kritik: Durch die kadyrowsche Islamisierung werden zunehmend Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, beschnitten. Innerhalb der tschetschenischen Bevölkerung empfinden viele die von Kadyrow angeordneten Verhaltensnormen als nicht gerechtfertigten, und schon gar nicht durch tschetschenische Tradition rechtzufertigenden Eingriff in ihr Privatleben. Einige der aufgrund der (Re‑)Islamisierung erfolgten Erlässe und Aussagen des Republikoberhauptes, wie etwa die Kopftuchpflicht für Frauen in öffentlichen Gebäuden oder seine Aussprache für Polygamie, widersprechen zudem russischem Recht.

(BAA Staatendokumentation (19.5.2011): Analyse zu Russland: Religion in der Republik Tschetschenien: Sufismus)

2.3.4. Menschenrechtsaktivisten und Gegner Kadyrows:

Seit 2009 wurde eine zunehmende Zahl von Menschenrechtsverteidigern aus dem Nordkaukasus drangsaliert, geschlagen, entführt und getötet. Auch der tschetschenische Präsident Ramzan Kadyrow beschuldigte am 3. Juli 2010 in einem Fernsehinterview Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, vom Ausland bezahlt zu sein, und bezeichnete sie als "Verräter, welche "die Idee des Mutterlands verkauft" hätten, zudem als "Feinde des Volkes, Feinde des Gesetzes, Feinde des Staates".

(Schweizerische Flüchtlingshilfe, Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage vom 12.09.2011, Seite 14-15)

Einer der zuletzt bekannt gewordenen Fälle betrifft den kritischen politischen Journalisten der Tageszeitung "Kommersant" Oleg Kaschin, der am 06.11.2010 vor seinem Haus von Unbekannten zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 9)

Die Verfolgung von Familienmitgliedern und Unterstützern von Widerstandskämpfern ist in der Russischen Föderation eine der Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus im Nordkaukasus. Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen - sei es dadurch Rebellen Lebensmittel, Kleidung oder Schlafstätten zur Verfügung zu stellen oder sei es durch Waffen - in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug.

In deutsch- und englischsprachigen Medien und Berichten von russischen und anderen Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen finden sich keine Hinweise, dass in den letzten Jahren oder derzeitig, Personen, die den Widerstand in den Jahren vor der letzten offiziellen Amnestie 2006 unterstützt oder selbst gekämpft und eine Amnestie in Anspruch genommen haben, oder die mit einer solchen Person verwandt sind, nunmehr allein deshalb verfolgt würden. Betroffen sind hauptsächlich Unterstützer und Familienmitglieder gegenwärtig aktiver Widerstandskämpfer. Um unbehelligt leben zu können müssen sich amnestierte Kämpfer und Unterstützer und deren Familien Ramsan Kadyrow gegenüber sicherlich weiterhin loyal zeigen. Ein Austritt aus den lokalen Sicherheitskräften, in denen viele der Amnestierten nunmehr arbeiten (müssen) wird nur bedingt möglich sein.

Obwohl eine strafrechtliche Verfolgung von Unterstützern des Widerstandskampfes möglich ist, greifen die tschetschenischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den Terrorismus weiterhin auf Mittel ohne rechtliche Grundlage zurück. Einerseits gibt es vereinzelte Berichte, dass Unterstützer ohne jegliches Verfahren für ihre vermeintliche Hilfeleistung "bestraft" werden. Andererseits finden sich zahlreiche Berichte über Formen der Kollektivbestrafung von Familienmitgliedern (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer. Betroffen ist vorwiegend der engere Familienkreis, also Eltern, Onkeln, Cousins und Ehefrauen. Die tschetschenischen Behörden gehen aufgrund der traditionell sehr engen Familienbande davon aus, dass Familien ihre im Wald lebenden Angehörigen unterstützen, vor allem aber davon, dass diese Familien im Stande sind, ihre Angehörigen zu einer Rückkehr aus dem Wald zu bewegen. Die Verfolgung beginnt mit dem Einsatz von Druckmitteln wie der Streichung von Sozialbeihilfen, und führt bis zur Niederbrennung der Wohnhäuser der betroffenen Familien. Offizielle Beschwerden oder Anzeigen hiergegen sind kaum möglich.

(BAA/Staatendokumentation: Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien, 20.4.2011)

2012 wurden ab Jahresbeginn bis September rund 40 Personen festgenommen, um auf die Rebellen Druck auszuüben. Die meisten der Verhafteten sind Frauen, die beschuldigt werden, den Rebellen Nahrung gekauft oder Unterkunft gegeben zu haben. Die offiziellen Statistiken können jedoch nicht für bare Münze genommen werden. Tschetschenische Exekutiv- und Sicherheitsbehörden unter der de-facto Kontrolle von Ramsan Kadyrow wenden gegenüber Verwandten und mutmaßlichen Unterstützern vermeintlicher Rebellen Kollektivstrafen an. Das Niederbrennen von Häusern vermeintlicher Rebellen, ein Mechanismus der Kollektivbestrafung, der seit 2008 angewandt wird, ging Berichten zufolge weiter. Im Juli 2011 berichtete Caucasian Knot über mehrere Häuser, die niedergebrannt wurden, die Familien junger Leute gehörten, die sich dem Widerstand angeschlossen hatten. Im April 2012 wurde Rechtsaktivisten von Bewohnern des Dorfes Komsomolskoye/Bezirk Gudermes berichtet, dass Personen in Uniform die Häuser von den Eltern und Großeltern eines wenige Tage zuvor getöteten Rebellen niedergebrannt hatten. Kadyrow und andere tschetschenische Beamten haben bei mehreren Gelegenheiten ausgesagt, dass Angehörige von Aufständischen für ihre Rebellen-Verwandten zur Verantwortung gezogen werden müssen.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 176, 27.9.2012, U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012, The Jamestown Foundation: North Caucasus Weekly -- Volume 13, Issue 10, 18.5.2012 / Caucasian Knot: Chechnya: houses of relatives of Bantaev, killed in special operation, burnt down, locals say, 5.5.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/20948/ , Zugriff 3.12.2012)

Familien sehen sich weiterhin Vergeltungsmaßnahmen für angebliche Vergehen von Familienmitgliedern gegenüber. Kadyrow führte seine Anti-Widerstandsstrategie der kollektiven Bestrafung gegen Familienmitglieder von verdächtigen Aufständischen weiter, einschließlich des Anzündens ihrer Häuser.

Menschenrechtsgruppen beschwerten sich, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter fielen Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und -kämpfern.

(U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/245202/368649_de.html ; Zugriff 24.10.2013)

Es kann von niemandem mit Sicherheit gesagt werden, wie viele Rebellen heutzutage in Tschetschenien aktiv sind. Rekrutierung findet konstant statt. Rebellen und jene die aktive Rebellen unterstützen sind Hauptziel der tschetschenischen Behörden, während ehemalige tschetschenische Rebellen für die Behörden von weniger Interesse sein dürften. Aktive Rebellen werden für gewöhnlich während Sonderoperationen getötet, während Unterstützer festgenommen werden. Bei der Befragung von Personen, die der Zusammenarbeit mit Rebellen bezichtigt werden, soll es zu Folter kommen. In einer Reihe von Fällen wurden Personen für verschiedenartige Unterstützung der Rebellen zu Haftstrafen verurteilt.

(Landinfo: Tsjetsjenia: Tsjetsjenske myndigheters reaksjoner mot opprørere og personer som bistår opprørere, 26.10.2012, http://www.landinfo.no/asset/2200/1/2200_1.pdf , Zugriff 3.12.2012)

2.3.5. Sicherheitsbehörden

In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden oft zusammenfassend als Kadyrowzy bezeichnet, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften. Die tschetschenischen Sicherheitskräfte bestehen aus einem "relativ undurchsichtigen Geflecht von verschiedenen Einheiten", wie in einer Analyse der Staatendokumentation festgehalten wurde. Davon konnte man sich während des Forschungsaufenthalts überzeugen: Die zahlreichen in den Straßen der Hauptstadt Grosny zu sehenden Sicherheitskräfte tragen eine Vielzahl an verschiedenen Uniformen. Viele bewaffnete Männer in schwarzer oder Camouflage-Kleidung tragen keinerlei Abzeichen, die erkennen lassen würden, ob oder zu welcher polizeilichen oder militärischen Einheit sie gehören. Vereinzelt sieht man in den Straßen Grosnys auch Männer in Zivil, die eine Handfeuerwaffe im Gürtel tragen.

(Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation (12.2011): Bericht zum Forschungsaufenthalt Russische Föderation - Republik Tschetschenien)

Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg).

Tschetschenische Kommandoeinheiten werden von russischen Eliteeinheiten wie z.B. ALFA (eine spezielle Eliteeinheit des FSB) für den Einsatz in bergigen Gebieten und Wäldern trainiert. Das Trainingslager für tschetschenische Spezialeinheiten befindet sich im Dorf Tsenteroi im Kurchaloi Distrikt. Aus dem Bericht der Jamestown Foundation geht hervor, dass der Major und seine Auszubildenden nicht-russische khakifarbene Uniform ohne jegliches Abzeichen einer bestimmten Behörde trugen.

(Jamestown Foundation (6.12.2013): Eurasia Daily Monitor Volume 10 Issue 219. Training of Chechen special forces causes controversy in Moscow)

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führt nach wie vor häufig zu Menschenrechtsverletzungen. Bewaffnete Gruppen überfielen erneut Angehörige der Sicherheitskräfte, örtliche Staatsbedienstete und Zivilpersonen. Angriffe bewaffneter Gruppen wurden aus dem gesamten Nordkaukasus gemeldet. Im gesamten Nordkaukasus gab es 2012 weiterhin regelmäßig Sicherheitseinsätze der Polizeikräfte. Dabei kam es Berichten zufolge häufig zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidriger Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen.

Die Behörden verstießen systematisch gegen ihre Verpflichtung, bei Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte umgehend unparteiische und wirksame Ermittlungen einzuleiten, die Verantwortlichen zu identifizieren und sie vor Gericht zu stellen. In einigen Fällen wurden zwar Strafverfolgungsmaßnahmen ergriffen, meistens konnte im Zuge der Ermittlungen jedoch entweder kein Täter identifiziert werden oder es fanden sich keine Beweise für die Beteiligung von Staatsbediensteten oder man kam zu dem Schluss, es habe sich um keinen Verstoß seitens der Polizeikräfte gehandelt. Nur in Ausnahmefällen wurden Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Polizeibeamte wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit Folter- und Misshandlungsvorwürfen ergriffen. Kein einziger Fall von Verschwindenlassen oder außergerichtlicher Hinrichtung wurde aufgeklärt und kein mutmaßlicher Täter aus den Reihen der Ordnungskräfte vor Gericht gestellt.

(Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html ; Zugriff 9.12.2013).

2.3.6. Haftbedingungen

Die Situation im Strafvollzug ist unbefriedigend. Übergriffe von Wärtern auf Gefangene kamen weiterhin vor, ebenso wie Übergriffe von Gefangenen untereinander.

Die meisten Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und überbelegt. Bausubstanz und sanitäre Bedingungen in den russischen Haftanstalten entsprechen nicht westeuropäischen Standards. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgt oft in Schlafsälen von über 40 Personen und ist häufig sehr schlecht. Duschen ist vielfach nur gelegentlich möglich. Das Essen ist einseitig und vitaminarm. Die medizinische Versorgung ist ebenfalls unbefriedigend. Ein Großteil der Häftlinge bedarf medizinischer Versorgung. Sowohl von TBC- als auch HIV-Infektionen in bemerkenswertem Umfang wird berichtet. Problematisch ist ebenso die Zahl der drogenabhängigen oder psychisch kranken Inhaftierten. Den Ärzten mangelt es im Allgemeinen an geeigneter Qualifizierung, Medikamente sind begrenzt verfügbar und Geräte sind alt. Spezialisten sind in den Haftanstalten nicht verfügbar, oftmals war nur eine Krankenschwester eingestellt.

(Deutsches Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 6.7.2012, U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, )

Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich in den letzten zehn Jahren langsam, aber kontinuierlich verbessert. Allerdings entsprechen die Haftbedingungen im Hinblick auf Verpflegung und medizinische Versorgung der Häftlinge sowie hygienische Einrichtungen nicht immer allgemein anerkannten Mindeststandards. Gerade in Jugendhaftanstalten und in Untersuchungsgefängnissen sind die Haftbedingungen besonders harsch.

(Österreichische Botschaft Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, September 2012)

Ein Vertreter einer NRO gab 2011 an, dass die Anwendung von Folter in Tschetschenien in den letzten Jahren anstieg. Gewöhnlich umfasst diese Folter starke Schläge und im Falle längerer Haftzeiten auch Elektroschocks, so dass bei einer Entlassung keine physischen Zeichen sichtbar sind. Memorial gab an, dass die Mehrheit der Personen, die in Haft sind oder von den tschetschenischen Behörden befragt werden, physischen Misshandlungen wie starken Schlägen, Verbrennungen, Ausreißen von Nägeln und Elektroschocks ausgesetzt ist.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Physische Misshandlung von verdächtigen Personen durch die Polizei würde systematisch und üblicherweise in den ersten Tagen nach einer Festnahme erfolgen. Im Kaukasus würde Folter Berichten zufolge von lokalen, aber auch von föderalen Strafverfolgungsbehörden angewandt. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass unter anderem Elektroschocks sehr häufig angewendet werden, da sie am ehesten keine Spuren hinterlassen würden. Im Nordkaukasus existierten weiterhin inoffizielle Gefängnisse.

(U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/245202/368649_de.html ; Zugriff 24.10.2013

3. Versorgungslage

Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich dank großer Zuschüsse aus dem russischen Föderalen Budget nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen seit 2007 deutlich verbessert - ausgehend von sehr niedrigem Niveau. Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Die Staatsausgaben in Tschetschenien sind pro Einwohner doppelt so hoch wie im Durchschnitt des südlichen Föderalen Bezirks. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen dank föderaler Gelder fast vollständig wieder aufgebaut. Gleichwohl bleibt Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut der Bevölkerung das größte soziale Problem. Kadyrow möchte eine Art "Dubai des Kaukasus"(Uwe Halbach) aus Tschetschenien machen. Sowohl in die soziale, als auch in die technische Infrastruktur wurde investiert: In den Bau und die Renovierung von Wohnungen, medizinischen Einrichtungen, Schulen, Kaufhäusern, Straßen, Kanalisation, Stromversorgung u. ä. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen fast vollständig wieder aufgebaut - dort gibt es mittlerweile auch wieder einen Flughafen. Nach Angaben der EU-Kommission findet der Wiederaufbau überall in der Republik, insbesondere in Gudermes, Argun und Schali, statt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen melden, dass selbst in kleinen Dörfern Schulen und Krankenhäuser aufgebaut werden. Die Infrastruktur (Strom, Heizung, fließendes Wasser, etc.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die Kompensationszahlungen Erfolge. Der Wiederaufbau geht unter hohem Einsatz staatlicher Mittel rasch voran, die Arbeitslosigkeit bleibt aber nach wie vor ein schweres Problem. Missmanagement, Kompetenzgemenge und Korruption verhindern in vielen Fällen, dass die Gelder für den Wiederaufbau sachgerecht verwendet werden. Die humanitären Organisationen reduzieren langsam ihre Hilfstätigkeiten; sie konstatieren keine humanitäre Notlage, immer noch aber erhebliche Entwicklungsprobleme. Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen Bedingungen statt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 16, Bericht der Staatendokumentation zum Forschungsaufenthalt, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 5; Amnesty International, Annual Report 2012)

Trotz der Bemühungen die notwendige Infrastruktur zu verbessern, haben die meisten gewöhnlichen Bürger keinen Nutzen aus den Wiederaufbaubemühungen in Tschetschenien gezogen. Für den Wiederaufbau wurden ausländische Arbeiter und Firmen herangezogen; Fabriken und andere Initiativen, die Arbeitsplätze in größerem Umfang schaffen könnten, wurden nicht wiederhergestellt. Deshalb sind viele gewöhnliche Bürger weiterhin von Sozialbeihilfen als Haupteinkommensquelle abhängig. Die Lebensqualität ist weiterhin schlecht, es besteht ein Mangel an leistbarem Wohnraum und medizinischen Einrichtungen, sowie eingeschränkter Zugang zu Wasser, Sanitäranlagen und anderen Betriebsmitteln und eine ungeeignete Transportinfrastruktur. Wo Bildung verfügbar ist, sind die Standards niedrig.

Dennoch gibt es Grund für Optimismus. Laut Aleksandr Khloponin [Bevollmächtigter Vertreter des Präsidenten im Föderationskreis Nordkaukasus] dauerte es mehr als zehn Jahre, um die Sicherheitslage in Tschetschenien zu verbessern, die Infrastruktur und Wohnraum wieder aufzubauen, vermisste Personen zu suchen, ethnische Gruppen zusammenzubringen und vieles anderes. Um diese Bemühungen weiterführen zu können, wurde 2010 eine "Strategie für die sozioökonomische Entwicklung des Föderationskreises Nordkaukasus bis 2025" beschlossen. Diese sieht für die kommenden Jahre größere Investitionen in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Baumaterialien, Tourismus, Industrieanlagen und Logistik vor. Jedoch wird es noch mehr Zeit brauchen, um die Situation für jedermann zu verbessern. Die Arbeitslosigkeit anzupacken ist sowohl für die föderale als auch die regionale Regierung die erste Priorität. In Tschetschenien ist die Arbeitslosigkeit von 45% 2010 auf 30% im August 2011 gesunken.

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)

Im Zusammenhang mit der Versorgungslage muss einmal mehr auf die hohe Korruption in der tschetschenischen Gesellschaft hingewiesen werden.

(Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg)

3.1. Wohnsituation

Laut Beurteilung des tschetschenischen Eigentumsministeriums sowie des Wohnungsministeriums ist das Privateigentum anderer für Tschetschenen unantastbar. Aus diesem Grunde werden Häuser von Tschetschenen, die ausgereist sind, nicht von anderen Personen oder vom Staat in Besitz genommen. Es wurde in den diesbezüglichen Stellungnahmen sogar soweit ausgeholt, dass Häuser so lange leer stehen würden, bis der Besitzer zurückkäme.

(Bericht der Staatendokumentation zum Forschungsaufenthalt, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 23-24)

Wohnraum bleibt ein großes Problem. Nach Schätzungen der VN wurden in den Tschetschenienkriegen seit Anfang der neunziger Jahre über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist noch nicht abgeschlossen. Problematisch ist auch in diesem Zusammenhang die Korruption (man geht davon aus, dass 30-50% gewährter Kompensationssummen gleich wieder als Schmiergelder gezahlt werden müssen).

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 16)

Die auf dem Land lebenden Tschetschenen leben nicht schlecht. Sie nutzen das fruchtbare Land zum Gartenanbau und halten sich ein bis zwei Nutztiere. Die Großfamilien wohnen in "Mehrgenerationenhäusern", d.h. auf einem Areal hinter hohen Mauern mit mehreren Häusern und Anbauten. Innerhalb der Großfamilie stehen alle füreinander ein. Der enge Zusammenhalt gewährleistet die Versorgung mit Nahrungsmittel.

Nächstgrößere Familienstrukturen sind die "Tejps" (Clans). Einer der bekanntesten ist der Benoi-Tejp, dem auch Ramsam Kadyrow angehört.

(Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg)

3.2. Nahrungsversorgung

Hinsichtlich der Verfügbarkeit und der Kosten von Grundnahrungsmitteln ist auf die Mentalität des tschetschenischen Volkes zu verweisen, diese hat es laut Einschätzung des tschetschenischen Landwirtschaftsministeriums ermöglicht, dass die Menschen selbst während der beiden Kriege genug zu essen hatten. Laut Beurteilung des Landwirtschaftsministeriums gibt es aufgrund der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung der tschetschenischen Bevölkerung auch heutzutage keine Familie in Tschetschenien, die sich nicht die Lebensmittel kaufen kann, welche sie benötigt.

(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite

23)

Das Notfall- und Rehabilitationsprogramm im Nordkaukasus soll für die Ernährungssicherheit und Ernährung durch "Empowerment" gefährdeter Bevölkerungsgruppen sorgen. Diese Ziele sollen dadurch erreicht werden, indem man die landwirtschaftliche und die auf Viehzucht basierende Produktion wieder aufnimmt und gleichzeitig verstärkt neue Kenntnisse über Ernährung und Klein-Farmbetriebe anwendet.

Die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) nahm am Inter-Agency-Transitional-Arbeitsplan für den Nordkaukasus 2007 teil, der die Durchführung von Aktivitäten zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und Stärkung ländlicher Existenzmöglichkeiten in der Region beabsichtigt. Insbesondere gehören zu den wichtigsten Zielen der FAO im Bereich der Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Produktion die Wiedereingliederung von sozial benachteiligten Gruppen, die Bereitstellung von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln für Einkommen schaffende Maßnahmen, der Wiederaufbau der wichtigen landwirtschaftlichen Infrastruktur, die Gewährung von Dienstleistungen sowie die Stärkung der institutionellen Kapazitäten in der Landwirtschaft.

(Homepage der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation), Zugriff am 11. Jänner 2011,

http://www.fao.org/countries/55528/en/rus/ )

3.3. Arbeitslosigkeit und soziale Lage

Wichtigstes soziales Problem ist die Arbeitslosigkeit und große Armut weiter Teile der Bevölkerung. Nach Schätzungen der UN waren 2008 ca. 80% der tschetschenischen Bevölkerung arbeitslos und verfügen über Einkünfte unterhalb der Armutsgrenze (in Höhe von 2,25 USD/Tag). Der Durchschnittsgehalt lag in Tschetschenien laut Bundesstatistikdienst Ende 2011 bei RUB 13.919 RUB und somit über jenem der nordkaukasischen Nachbarrepubliken. Die durchschnittlichen monatlichen Lebenshaltungskosten in Grosny betragen laut statistischen Angaben der Russischen Föderation vom Dezember 2011 pro Person ca. 6.559 RUB (ca. 158 EUR).

Haupteinkommensquelle ist der Handel. Andere legale Einkommensmöglichkeiten gibt es kaum, weil die Industrie überwiegend zerstört ist. Minen verhindern die Entwicklung landwirtschaftlicher Aktivitäten. Geld wird mit illegalem Verkauf von Erdöl und Benzin verdient; zahlreiche Familien leben von Geldern, die ein Ernährer aus dem Ausland schickt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 16, IOM: Länderinformationsblatt Russische Föderation, Juni 2012, BAMF: IOM Individualanfrage ZC7, 18.01.2012)

Die offizielle Arbeitslosenrate ist in den letzten Jahren gesunken, ist aber nach wie vor ein großes Problem. Die inoffizielle Arbeitslosenrate wird weit höher geschätzt, ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung dürfte aber im informellen Sektor Einkommen schöpfen, bzw. aus landwirtschaftlichem Eigenanbau konsumieren. Unterstützung aus der Familie hat in der Republik große Tradition. Wenngleich Korruption auch im Bereich der Sozialbeihilfen bestehen dürfte, so sind in der Tschetschenischen Republik grundsätzlich dieselben föderalen sozialen Unterstützungen wie in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Zudem gibt es Sozialbeihilfen auf Ebene der Republik, wie beispielsweise finanzielle Unterstützung zur Gründung eines Kleinunternehmens oder Finanzhilfen für Behinderte.

Putin rief dazu auf, die Wirtschaft der Nordkaukasus-Region anzukurbeln. Um den Rückstand gegenüber anderen Regionen aufzuholen, brauche der Nordkaukasus laut Aussagen Putins rund zehn Prozent Wirtschaftswachstum jährlich und sei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit äußerst wichtig. Innerhalb von zehn Jahren sollen laut Putin mindestens 400.000 neue Arbeitsplätze im Nordkaukasus entstehen. Beim Wiederaufbau gibt es bereits Erfolge zu verzeichnen. In den vergangenen zwei Jahren sind in Tschetschenien beispielsweise 53 Schulen und 35 medizinische Einrichtungen in Betrieb genommen worden, deren Bau der Staat finanziert hat.

Im Rahmen eines seit 2008 laufenden Programms werden Personen unterstützt, die sich selbst einen Arbeitsplatz schaffen:

Arbeitslose, die einen kleinen Betrieb eröffnen, werden mit einer einmaligen Zahlung von 58.000 Rubel gefördert. Stellt man Arbeiter ein, erhält man für jeden Angestellten wiederum 58.000 Rubel. Insgesamt wurde das Programm bislang von 5.481 Personen in Anspruch genommen, 3.498 davon kamen aus dem ländlichen Raum. Zudem gibt es ein Programm zur Weiterbildung oder Umschulung - das "Programm für zusätzliche Maßnahmen für die Entwicklung von Arbeitsstellen". Hier werden für Personen, die sich weiterbilden wollen, Stipendien in der Höhe von 850 Rubel pro Monat vergeben. Diese Maßnahmen sollen zusätzlich die Arbeitslosenrate senken, um die soziale und wirtschaftliche Stabilität der Bevölkerung zu fördern. Zur Unterstützung von Arbeitslosen wurde in Stawropol ein Ressourcen-Zentrum errichtet, wo verfügbare Arbeitsstellen bestimmt und die Daten der Arbeitslosen im Nordkaukasus gesammelt werden. Die Bewohner des Nordkaukasus können sich dort melden und um Arbeitsplätze in anderen Regionen der Russischen Föderation ansuchen.

Für Alte und Invalide gibt es auch Unterstützung in Form von Lebensmittelhilfe. In jeder Region der Republik gibt es mittlerweile lokale Zentren, die sich mit diesen Fragen vor Ort beschäftigen. Diese Stellen suchen auch selbst bedürftige Personen, die sich nicht von selbst bei ihnen melden. Hierbei handelt es sich vor allem um alte und invalide Menschen. Diese Zentren machen auch ein Monitoring, wer was in welchem Umfang benötigt. Gemäß der Notwenigkeit werden dann finanzielle Hilfe, ärztliche Versorgung und materielle Unterstützung zur Verfügung gestellt. Zudem gibt es stationäre Einrichtungen für Personen, die in vollem Umfang versorgt und gepflegt werden müssen (z. B. Altenheime).

(Informationszentrum Asyl & Migration: Russische Föderation, Länderinformation und Pressespiegel zur Menschenrechtslage und politischen Entwicklung, Lage im Nordkaukasus vom September 2010, Seite 4, Bericht der Staatendokumentation zum Forschungsaufenthalt, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 5, 6, 37, 38)

3.4. Medizinische Versorgungssituation

Medizinische Grundversorgung ist in Tschetschenien flächendeckend gewährleistet. Spezialisierte Kliniken sind nur in der Hauptstadt Grosny verfügbar, was aber in Anbetracht der Größe der Republik (ungefähr der Steiermark) zu verstehen ist. Grundsätzlich ist medizinische Versorgung kostenlos, auf die allseits verbreitete Korruption muss aber auch hier hingewiesen werden. Für Behandlungen, die in Tschetschenien nicht verfügbar sind, besteht die Möglichkeit, zur Behandlung nach Stawropol (Distanz zu Grosny ca. 450 km), nach Moskau oder in andere russische Städte zu reisen.

(BAA Staatendokumentation: Bericht zum Forschungsaufenthalt Russland 2011, Dezember 2011)

Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung inzwischen das durchschnittliche Niveau in der Russischen Föderation erreicht haben. Problematisch bleibt jedoch auch laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 16)

Es gibt derzeit nach Auskunft des Gesundheitsministers insgesamt rund 368 medizinische Einrichtungen, wie (Rajon- und Republiks‑)Krankenhäuser und Polykliniken. Die Polykliniken sind Ambulanzen, in denen (Vorsorge‑)Untersuchungen und ambulante Behandlungen durchgeführt werden. Der Auskunft des Gesundheitsministeriums zufolge gibt es in jeder Siedlung der Republik medizinische Einrichtungen. Es gibt drei Krankenhäuser für psychisch Kranke sowie weitere Krankenhäuser, die sich mit Personen, welche an der Schwelle zu psychischen Krankheiten stehen, beschäftigen. Es gibt unter anderem 22 Rajons- und 32 Republikseinrichtungen für medizinische Behandlung und Prophylaxe in der Republik sowie in Grosny allein weitere 26 medizinische Einrichtungen

(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite

48)

Diverse Erkrankungen wie Hepatitis C, Coronare Herzkrankheiten, Posttraumatische Belastungsstörungen und sogar DES-Stent-Implantationen etc. können laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation in der Russischen Föderation (und in der Tschetschenischen Republik) behandelt und nachversorgt werden. In Tschetschenien ist die Versorgung mit medizinischen Spezialisten noch immer unzureichend und komplizierte Fälle werden für die Behandlung und Nachsorge von ihren örtlichen Kliniken in die nächsten Städte (Krasnodar, Rostov-on-Don, Machatschkala) überwiesen.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Russische Föderation vom 10.08.2010, Seite 2)

Es gibt außerdem eine Vereinbarung mit China zur Behandlung von Kindern mit Geburtsfehlern und wurden in diesem Rahmen bereits einige Behandlungen durchgeführt.

(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite

46)

Das Föderale Gesetz Nr. 326 über die medizinische Pflichtversicherung in der RF legt fest, dass jeder russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen kann. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der RF, unabhängig von der Meldeadresse, gewährleistet ist.

Allerdings gibt es Einschränkungen bei der freien Wahl der Klinik und des Arztes. Ein Wechsel der Klinik, bei der man sich als Patient angemeldet hat, ist nur einmal im Jahr möglich, ebenso ein Wechsel des Arztes. Außerdem kann ein Arzt einen Patienten wegen Überlastung ablehnen.

(IOM Länderinformationsblatt Russische Föderation Juni 2011; Antwort der ÖB in Moskau vom 13.04.2012)

3.4.1. Psychologische Betreuung in Tschetschenien

Der Nichtregierungsorganisation Vesta zufolge können psychische Erkrankungen beispielsweise in dem Republiksambulatorium für Neuropsychologie (Grosny), in dem Republikskrankenhaus "Samaschkin" (Zakan-Jurt im Bezirk Atschchoi-Martan) und im Darbachin-Republikskrankenhaus (Braguny im Bezirk Gudermes) behandelt werden. Auch Internationale und Nichtregierungsorganisationen sind im Bereich der psychiatrischen Versorgung tätig.

(Analyse der Staatendokumentation, Russische Föderation/Tschetschenien, medizinische Versorgung vom 30.11.2009, Seite 9)

UNICEF entwickelte in Tschetschenien ein neues Programm, um Posttraumatische Belastungsstörung bei Kindern und ihren Familien zu behandeln. In einer ersten Phase wurden 14 psychosoziale Rehabilitierungszentren in sieben tschetschenischen Bezirken eröffnet. UNICEF arbeitete mit lokalen Behörden und NRO zusammen, um passende Räumlichkeiten zu finden, Psychologen und andere Mitarbeiter auszubilden, und Studien über die Auswirkungen des Konfliktes auf Kinder durchzuführen. 50 lokale Kinderfachkräfte wurden mit Hilfe von Psychotherapeuten aus Israel und St. Petersburg ausgebildet. Zur Koordinierung des Programms wurde ein psychosoziales Führungskomitee mit den tschetschenischen Behörden eingerichtet. Der Psychosoziale Aktionsplan 2008-2012 soll ein Schlüsselinstrument zur Linderung der Konfliktauswirkungen auf Kinder werden.

(UNICEF: Russian Federation - Projects in the North Caucasus - Psycho-social recovery, ohne Datum, http://eng.unicef.ru/program_unicef/north_caucasus/recovery/ , Zugriff 1.6.2011)

Mit Stand März 2008 wurden 19 solcher von UNICEF unterstützten psychosozialen Zentren in Tschetschenien betrieben, im Jänner 2009 waren es bereits 29. Für 2009 war die Errichtung 17 weiterer Zentren geplant. In den Zentren wurden neben Psychologen auch jugendliche Freiwillige sowie Praktikanten von den tschetschenischen Universitäten beschäftigt.

(UNICEF: Russian Federation - Newsline - Help for children psychologically affected by war in Chechnya, 04.03.2008, http://www.unicef.org/infobycountry/russia_43075.html , Zugriff 1.6.2011 / UNICEF New Zealand: UNICEF will open 17 new psychosocial recovery centres in Chechnya, 11.02.2009 http://www.unicef.org.nz/article/680/UNICEFwillopen

17newpsychosocialrecoverycentresinChechnya.html, Zugriff 1.6.2011)

Eine Posttraumatische Belastungsstörung ist in Tschetschenien ambulant und stationär durch Psychiater behandelbar.

(SOS International (via MedCOI): BMA 4433, 31.10.2012)

3.5. Rückkehrer

3.5.1. Derzeitige Situation von Rückkehrern

Eine Rückkehr von Tschetschenen in die Russische Föderation ist möglich, die meisten tschetschenischen Rückkehrer aus dem Ausland kehren in die Tschetschenische Republik zurück. Da in der Russischen Föderation Bewegungsfreiheit gilt, können sich aber ethnische Tschetschenen auch in jedem anderen Teil Russlands niederlassen.

Laut einem Vertreter der Internetzeitschrift "Kaukasischer Knoten" können Rückkehrer nach Tschetschenien mit verschiedenen Problemen konfrontiert sein. Einerseits stehen Rückkehrer, ebenso wie die restliche Bevölkerung vor den alltäglichen Problemen der Region. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit, die Wohnungsfrage und die Beschaffung von Dokumenten sowie die Registrierung. Viele Häuser wurden für den Neubau von Grosny abgerissen und der Kauf einer Wohnung ist für viele (auch im Fall von Kompensationszahlungen) unerschwinglich, die Arbeitslosigkeit ist um einiges höher als in den offiziellen Statistiken angegeben und bei der Beschaffung von Dokumenten werden oft Schmiergeldzahlungen erwartet. Darüber hinaus stellen Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe dar, da sie ein leichtes Opfer im Antiterrorkampf darstellen. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, werden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet wird, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Manchmal werden Rückkehrer gezwungen, für staatliche Behörden zu spionieren. Eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhängt.

(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Ebenso liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor, ob Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert.

Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 24)

Von einer NGO in Tschetschenien, die freiwillige Rückkehrer betreut, wurde mitgeteilt, dass freiwillige Rückkehrer bei Behördenkontakten in der Regel nicht mit besonderen Problemen konfrontiert seien. Es sei weder ein besonders Prozedere für Rückkehrer noch Befragungen vorgesehen. Rückkehrer müssten auch bei der Neuausstellung von Dokumenten keine besonderen Fragen beantworten, viele seien ohnehin noch im Besitz ihres russischen Inlandspasses. Sogar wenn ein Heimreisezertifikat vorgelegt werde, würde dies nicht zu Problemen führen, da den Behörden die Situation in diesem Fall ohnehin klar wäre. Nichtsdestotrotz wurde mitgeteilt, dass es Einzelfälle gab, wo freiwillige Rückkehrer mit Heimreisezertifikaten bei Ankunft am Flughafen Moskau für einige Stunden angehalten wurden. Es sei ein Fall bekannt, wo ein freiwilliger Rückkehrer angeblich als ehemaliger Widerstandskämpfer "mitgenommen worden sei".

Zur Wohnungssituation wurde mitgeteilt, dass Rückkehrer in der Regel bei Verwandten unterkommen.

(ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation).

Seit 01.07.2010 implementiert IOM das Projekt "Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation / Republik Tschetschenien", das vom Österreichischen Bundesministerium für Inneres und dem Europäischen Rückkehrfonds kofinanziert wird. Im Rahmen des Projekts werden Russische Staatsangehörige aus der Republik Tschetschenien, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren möchten, nicht nur bei der Rückkehr, sondern auch bei ihrer Reintegration im Herkunftsland unterstützt.

Die Projektteilnehmer/innen erhalten nach ihrer Rückkehr Unterstützung von der lokalen Partnerorganisation (NGO Vesta), die soziale, rechtliche und wirtschaftliche Beratung zur Verfügung stellt und sie bei der Auswahl ihrer individuellen Reintegrationsmaßnahmen (z.B. Weiterbildungskurse, Geschäftsgründung, Erwerb von Werkzeug oder Materialien, etc.) unterstützt. Die Reintegrationsmaßnahmen erfolgen in Form von Sachleistungen im Wert von bis zu max. EUR 2.000 (pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen); im Fall von Kleingeschäftsgründungen, die eine Registrierung erfordern, ist eine zusätzliche Unterstützung von bis zu EUR 1.000 in Form von Sachleistungen möglich. Zusätzlich werden die Rückkehrer/innen bei der Deckung der Lebenserhaltungskosten während der ersten sechs Monate nach der Rückkehr mit EUR 500,- pro Fall unterstützt.

Die Reintegrationsunterstützung kann z.B. für die folgenden Maßnahmen genutzt werden:

• Berufsausbildung: z.B. Computer- oder Sprachkurse, Buchhaltung, Reparatur von Haushaltsgeräten, Reparatur von Mobiltelefonen, Mechaniker/in, Holzarbeiter/in, Friseurbetrieb, Nagelpflege, Näharbeit, etc.

• Ankauf von für die Ausübung eines Berufes benötigtem Werkzeug und geeigneter Ausrüstung

• Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens (z.B. in der Landwirtschaft, Milchwirtschaft, Ackerbau, Viehhaltung, Schweißer/in, Schneider/in, Zimmerer/in, kleine Geschäfte, Schönheitssalons, Werkstätten, Internet-Cafes, etc.). Die Unterstützung in Form von Sachleistungen wird unter anderem für den Ankauf von Ausrüstungsgegenständen, die für die Aufnahme des Betriebs nötig sind, sowie bei Bedarf für Geschäftsplanungs- und -managementstrainings verwendet.

• Organisation von Kinderbetreuung und medizinischer Versorgung für RückkehrerInnen mit besonderen Bedürfnissen.

(IOM - International Organisation of Migration (o.D.): Unterstützung der Freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrenden in die Russische Föderation / Republik Tschetschenien. Laufzeit: 01.07.2010 bis 30.06.2014,

http://www.iomvienna.at/de/?option=com_content&view=article&id=545:unterstuetzung-der-freiwilligen-rueckkehr-und-reintegration-von-rueckkehrenden-in-die-russische-foederation-republik-tschetschenien&catid=92:unterstuetzte-freiwillige-rueckkehr-aus-oesterreich&Itemid=143&lang=de ; Zugriff 12.12.2013)

Mit Unterstützung von IOM sind in den letzten Jahren zahlreiche Personen (2010 waren es 606, 2011 waren es 528 und 2012 waren es insgesamt 525) von Österreich in die Russische Föderation zurückgekehrt. 2012 sind 381 Personen nach Grosny mit Hilfe von IOM zurückgekehrt. Der endgültige Rückkehrort ist IOM allerdings nicht immer bekannt.

(Beantwortung einer Anfrage des AsylGH an IOM Wien vom 20.03.2013)

Dem BMI-Verbindungsbeamten der ÖB Moskau liegt eine - nicht offizielle - Information vor, wonach Rücküberstellte von Charterflügen und in Einzelfällen solche von Linienmaschinen von Beamten des Föderalen Migrationsdienstes einen Fragebogen erhalten. Das Ausfüllen des Fragebogens beruht auf Freiwilligkeit. U.a. wird darin die Frage gestellt, wo man in der RF wohnhaft ist, aber auch, warum man in das Land, aus welchem man ausgewiesen wurde, überhaupt eingereist ist, warum man nicht mehr im Besitz seiner eigentlichen Reisedokumente ist, bzw. auch, ob man im Land, aus dem man ausgewiesen wurde, "ordentlich" behandelt worden ist.

Nach Auskunft des Vertrauensanwalts kann, wenn ein Haftbefehlt aufrecht ist, eine Person in Untersuchungshaft genommen werden. U-Haft kann vor allem dann verhängt werden, wenn Fluchtgefahr besteht. U-Haft wird zunächst für zwei Monate verhängt und kann dann um jeweils zwei Monate verlängert werden. Während der Untersuchungshaft gibt es auch Haftprüfungstermine, wo u.a. auch geprüft wird, ob noch Fluchtgefahr besteht.

(ÖB Moskau, Anfragebeantwortung zu Rückkehr nach Russland, Tschetschenien vom 15.01.2013)

3.5.2. Frauen als Rückkehrer

Frauen, die nach Tschetschenien zurückkehren, können mit sozialen Beihilfen im Rahmen der Gesetzgebung der Russischen Föderation rechnen. Sozialhilfe und staatliche Zuwendungen stellen neben offiziellen Arbeitslöhnen und Einkommen aus semi-formellen, privaten oder unregelmäßigen Beschäftigungsformen eine wichtige Einkommensquelle für tschetschenische Haushalte dar. Dies gilt insbesondere für die sozial schwächsten sozialen Gruppen, zu denen unter anderem Familien ohne Männer gehören. Neben der auf föderaler Ebene geregelten Sozialversicherung (Renten, Krankenversicherung, Mutterschutz, Arbeitslosigkeit) bestehen auch regional implementierte, beitragsfreie Sozialhilfeprogramme, beispielsweise Kinderbeihilfe, Wohnbeihilfe oder Beihilfen für Invalide. Im Rahmen dieser beitragsfreien regionalen Programme besteht auch eines für Familienmitglieder von Kriegsveteranen und verstorbenen Soldaten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 04.04.2010, Seite 19)

3.5.3. Unbegleitete Minderjährige als Rückkehrer

Zurückkehrende unbegleitete Minderjährige können in einem Kinderheim unter-gebracht werden, wenn sich keine Verwandten zur Aufnahme bereit erklären. Die Zuständigkeit liegt bei den Behörden des registrierten Wohnortes des Minderjährigen. Wie der damalige Präsident Medwedew im Herbst 2010 selbst einräumte, sind die Zustände in solchen Heimen nicht selten schlecht.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 24)

3.5.4 Flüchtlinge/Binnenvertriebene innerhalb und außerhalb Tschetscheniens

Schwierig bleibt die humanitäre Lage der tschetschenischen Flüchtlinge/ Binnenvertriebenen innerhalb und außerhalb Tschetscheniens, wiewohl ihre Zahl rückläufig ist. Laut Dänischem Flüchtlingsrat (DRC) leben allein in Tschetschenien und Inguschetien derzeit noch bis zu 5.000 Flüchtlinge in akuter Not. Die Binnenvertriebenen leben in Übergangsunterkünften, aber auch in Privatwohnungen oder bei Verwandten. Auf Drängen der russischen Seite hat UNHCR seine Mission zur Unterstützung von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen im Nordkaukasus 2011 beendet, sieht jedoch weiterhin erheblichen Handlungsbedarf auch in Tschetschenien. Die tschetschenische Diaspora in allen russischen Großstädten ist in den letzten Jahren stark angewachsen (200.000 Tschetschenen sollen allein in Moskau leben).

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 16)

4. Frauen und Kinder

4.1. Allgemeine Stellung der Frauen

Gemäß Art. 19 Abs. 3 der Verfassung haben "Mann und Frau die gleichen Rechte und Freiheiten und die gleichen Möglichkeiten zu deren Realisierung". Die Anzahl von Frauen in Führungspositionen entspricht ungefähr dem europäischen Durchschnitt.

Ein großes Problem ist häusliche Gewalt.

Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass jährlich etwa 14.000 Frauen von ihren Partnern oder einem Angehörigen getötet werden. Als Hauptursachen hierfür gelten Alkoholismus, ein traditionell geprägtes Rollenverständnis und beengte Wohnverhältnisse. Die Polizei bleibt oft passiv und geht z.B. Anzeigen nicht mit genügendem Nachdruck oder zuw eilen offenbar auch gar nicht nach.

Schutzmöglichkeiten für Frauen gibt es in Russland kaum: Nach Angaben des Ministeriums für Gesundheit und Soziales gibt es landesweit nur 23 staatliche Frauenhäuser.

Beim Menschenhandel gehören russische Frauen zu den Hauptopfergruppen. Durch internationale Zusammenarbeit wird versucht, die Rotlicht-Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Trotz der Verankerung des Straftatbestandes Menschenhandel im russischen Strafgesetzbuch bleiben die Strafverfolgungszahlen niedrig. Russland gilt zugleich als Ursprungs-, Transit- und Empfangsland im Menschenhandel.

(Deutsches Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 6.7.2012)

Frauen haben Schwierigkeiten, an politische Macht zu gelangen. Frauen haben 13% der Sitze in der Duma inne und weniger als 5% im Föderationsrat. Nur drei von 26 Kabinettsmitgliedern sind Frauen. Häusliche Gewalt ist weiterhin ein ernsthaftes Problem, die Polizei ist bei der Intervention in innerfamiliäre Angelegenheiten oft nachlässig.

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013)

Kriegsbedingt kam es in den letzten beiden Jahrzehnten zu Änderungen der Rolle der Frau in Tschetschenien. Viele Frauen fanden sich, nachdem sich ihre Männer in den Krieg begeben hatten, plötzlich in der Rolle der alleinigen Familienernährer(innen) wieder. Die Übernahme ehemals typisch männlicher Aufgaben stärkte die Rolle der Frauen in der tschetschenischen Gesellschaft, in diesem Zusammenhang wirkte auch das sowjetische Frauenbild, das von großer Gleichheit von Mann und Frau ausgeht, weiter. Dieses Phänomen wollen einige Teile der Gesellschaft, etwa Politiker und religiöse Autoritäten, nunmehr wieder rückgängig machen.

Im Zuge der letzten beiden Kriege kam es zum Verfall einiger Traditionen, andere gingen gänzlich verloren, oder werden nun in geänderter Form ausgeübt. Zu beobachten ist jedenfalls, dass es derzeit zu einem Wiederaufleben von Traditionen kommt, was unter anderem auf den Influx der ländlichen und eher traditionsbewussten Bevölkerung in der Hauptstadt Grosny zurückzuführen ist. Haupttriebkraft dieses Wiederauflebens ist jedoch die von Ramzan Kadyrow aktiv geförderte Rückbesinnung auf islamische und tschetschenische Traditionen, die zu einer moralischen Stärkung der Gesellschaft führen und einem Sittenverfall entgegenwirken soll. Inhaltlich nähert sich Kadyrow in seinem Frauenbild aber immer mehr den sog. Wahabiten als dem traditionellen tschetschenischen Islam("Macho-Islam"Uwe Halbach) Für Frauen äußert sich die Rückbesinnung auf tschetschenische/islamische Traditionen darin, dass die meisten von ihnen in der Öffentlichkeit nunmehr eine Kopfbedeckung tragen, obgleich hierzu keine (gesetzliche) Verpflichtung besteht. Zum Teil werden heute Kleidungsvorschriften propagiert, die es seit Jahrzehnten in Tschetschenien nicht mehr gegeben hat. Es wird auch von Paintball-Überfällen auf "westlich" gekleidete Frauen berichtet. Von einem gesellschaftlichen Druck sich an solche Kleiderordnungen zu halten kann ausgegangen werden. Des Weiteren wird Polygamie in den letzten Jahren verstärkt ausgeübt, diese wird in der Gesellschaft als "normal" betrachtet. Auch Ehrenmorde kommen verstärkt vor, wobei es sich hier eher um Einzelfälle handelt. Wie Beispiele zeigen ist vielfach unklar, wann es sich bei einem Mord an einer Frau tatsächlich um einen Ehrenmord handelt. Problematisch ist, dass aus Traditionsgründen oder durch Sicherheitskräfte begangene Verbrechen oft nicht angezeigt oder verfolgt werden.

Dies trifft auch auf die Tradition des (ehemals eher als Rollenspiel zu betrachtenden) Brautraubes zu, der heutzutage, durch Mitglieder der Kadyrowzy ausgeübt, gelegentlich zu tatsächlichen Entführungen und Zwangsheiraten führen kann. Aber auch Vergewaltigungen und Tötungen junger Frauen durch Kadyrowzy kommen vor. Häusliche und sexuelle Gewalt sind weiterhin Tabuthemen in der tschetschenischen Gesellschaft und werden gemeinhin gemäß den Traditionen gelöst, können jedoch bei den Behörden angezeigt werden. Ob Behören dabei Hilfe gewähren, ist jedoch mehr als fraglich. Bei Scheidungen bzw. im Falle des Todes eines Mannes "gehören" seine Kinder den Bräuchen folgend ihm bzw. seiner Familie. Auch hier besteht in der Praxis die Möglichkeit für Frauen, sich an Gerichte zu wenden, die im Normalfall zu Gunsten der Frau entscheiden dürften.

Die in Tschetschenien derzeit bewusst betriebene Wiederbelebung der Traditionen führt jedenfalls zu gewissen Ambivalenzen. So stellt etwa die stattfindende Einmischung politischer, behördlicher oder religiöser Autoritäten in Bereiche wie Kleiderordnung eine Verlagerung von Angelegenheiten vom privaten in den öffentlichen Bereich dar, was einen Widerspruch zur tschetschenischen Gewohnheit bedeutet: Das Aufzwingen von Verhaltensnormen durch Außenstehende ist nach Auffassung vieler TschetschenInnen gegen ihre Kultur, da dies eine nicht übliche Einmischung in Familien- bzw. Klanangelegenheiten darstellt. Die lokalen tschetschenischen Traditionen und der "korrekte" islamische Lebensstil scheinen in der von Kadyrow geforderten Form einem freien und liberalen Lebensstil für Frauen entgegenzustehen. Es kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass jede Tschetschenin gezwungen ist, sich zu verschleiern, dass Tschetscheninnen im Scheidungsfall prinzipiell die Kinder entzogen werden oder dass säkulare Frauen gemeinhin aus Gründen der "Ehre" ermordet werden. Ebenso wenig kann jedoch davon ausgegangen werden, dass alle Frauen im heutigen Tschetschenien frei und selbstbestimmt leben können. Die Rechte und Freiheiten der Tschetscheninnen werden derzeit immer mehr eingeschränkt. Der auf Frauen ausgeübte Druck, sich "angemessen" zu verhalten, wird größer und stärker. Ob und inwieweit eine tschetschenische Frau Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nimmt, hängt, ebenso wie etwa Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, Kleidung, oder Vorgehen bei "unehrenhaftem Verhalten", stark von ihrer individuellen Situation ab: von ihrer Erziehung, ihren sozialen Netzwerken, vor allem also von ihrer Familie bzw. jener ihres Ehemannes, von deren Modernität, Traditionalität und Religiosität. Swetlana Gannuschkina (MEMORIAL) betont, dass Frauen ohne Mann derzeit in Tschetschenien nicht leben könnten. Die Revitalisierung der Traditionen wird nur von Teilen der Bevölkerung gutgeheißen, viele Tschetschenen - nicht nur Frauen, sondern auch Männer - stehen ihr durchaus kritisch gegenüber. Andererseits ist es für Frauen, die im westlichen Ausland gelebt haben und die dortigen Sitten übernommen haben, sehr schwer sich wieder in Tschetschenien zu Recht zu finden.

Jedenfalls werden durch die Rückbesinnung auf "Tschetschenische Traditionen" die Unterschiede zwischen den Geschlechtern vergrößert und die Vulnerabilität von Frauen und Mädchen gegenüber häuslicher und sexueller Gewalt erhöht.

(COI Workshop "Frauen in Tschetschenien" am 17.02.2012; Amnesty International, Annual Report 2012)

Es gab 2011 keine weiteren Berichte über Angriffe auf Mädchen und Frauen, die keine Kopftücher tragen wollten. Jedoch können jene, die dies verweigern, nicht im öffentlichen Dienst arbeiten oder Schulen und Universitäten besuchen (Human Rights Watch: World Report 2012, 22.01.2012)

In Tschetschenien hat der Druck auf Frauen erheblich zugenommen, sich gemäß den vom dortigen Regime als islamisch propagierten Sitten zu verhalten und zu kleiden. Russische Menschenrechtsorganisationen sprechen von systematischen Diskriminierungen, die nicht zuletzt im Widerspruch zur russischen Verfassung und anderen geltenden Gesetzen stehen.

(Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Seite 13)

Auf Frauen wird Druck ausgeübt, Kopftücher im öffentlichen Raum zu tragen. In den meisten öffentlichen Gebäuden müssen Frauen Kopftücher tragen.

Ramsan Kadyrow hat sich öffentlich für Ehrenmorde ausgesprochen. In einigen Teilen des Nordkaukasus sind Frauen mit Brautentführung, Polygamie und erzwungenem Beachten islamischer Kleidungsvorschriften konfrontiert.

(Human Rights Watch (31.1.2013): Human Rights Watch: World Report 2013 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/237036/359908_de.html ; Zugriff 24.10.2013, U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/245202/368649_de.html ; Zugriff 24.10.2013)

Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, jedoch setzte die Regierung dieses Verbot nicht durchgängig um. Während medizinische Angestellte Opfer von Übergriffen unterstützten und gelegentlich halfen, Fälle von Körperverletzung oder Vergewaltigung zu identifizieren, waren Ärzte oft nachlässig, als Zeugen vor Gericht aufzutreten. Gemäß dem Föderalen Statistikdienst wurden 2011 bis November den Behörden 4.462 Vergewaltigungsfälle gemeldet (2010: 4.907). Jedoch meldeten Frauen Vergewaltigungen durch Personen, die ihnen bekannt waren, eher nicht. Zudem berichteten NRO zufolge viele Frauen Vergewaltigungen und andere Gewaltvorfälle aufgrund der sozialen Stigmata und der mangelhaften staatlichen Unterstützung nicht melden.

Häusliche Gewalt ist weiterhin ein großes Problem. Das Innenministerium hat Aufzeichnungen von mehr als 4 Millionen Tätern häuslicher Gewalt. Das Duma-Komitee zu Sozialer Verteidigung berichtete, dass es 2010 21.400 Morde gab, zwei Drittel davon waren Frauen, die in häuslichen Auseinandersetzungen starben, das sind um 50% mehr als noch 2002. Das Innenministerium berichtete, dass mindestens 34.000 Frauen jedes Jahr Opfer häuslicher Gewalt würden. Jedoch ist es aufgrund der Zurückhaltung der Opfer, über Fälle häuslicher Gewalt zu berichten, unmöglich verlässliche statistische Informationen zu erhalten. Offizielle Telefonverzeichnisse enthielten keine Informationen über Krisenzentren oder Frauenhäuser. Gemäß dem Moskauer "Anna National Center for the Prevention of Violence" gibt es lediglich rund 25 Frauenhäuser in ganz Russland, mit Betten für insgesamt etwa 200 Frauen.

Es gibt keine rechtliche Definition von häuslicher Gewalt. Föderale Gesetze verbieten tätliche Angriffe, Körperverletzung, Drohungen und Morde, aber die meisten Fälle häuslicher Gewalt fallen nicht unter die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft. Gemäß NRO ist die Polizei oft nicht willens, Beschwerden über häusliche Gewalt aufzunehmen und entmutigte Opfer oftmals, diese einzubringen. Laut dem "Zentrum zur Unterstützung von Frauen" waren selbst unter Exekutivbeamten viele Täter häuslicher Gewalt.

Physische und sexuelle Gewalt gegenüber Frauen verbreitet sich immer stärker in der Region.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia )

Grundsätzlich garantiert die Verfassung der Russischen Föderation Männern und Frauen dieselben Rechte. Dennoch sind Frauen von Diskriminierung v. a. am Arbeitsmarkt betroffen. Von einer gesellschaftlichen Diskriminierung alleinstehender Frauen und Mütter kann zumindest in Kernrussland nicht ausgegangen werden. Ein ernstes Problem in Russland stellt jedoch häusliche Gewalt dar. Dieses wird von Polizei und Sozialbehörden oft als interne Familienangelegenheit abgetan. Es gibt in der Russischen Föderation keine föderale Gesetzgebung zu häuslicher Gewalt. Die Handlungsmöglichkeiten der Polizei sind begrenzt. Eine Bestrafung der Aggressoren ist bei Körperverletzung, Rowdytum oder sonstigen gewalttätigen Übergriffen möglich. Obgleich die Zahl der Frauenhäuser in der Russischen Föderation zunimmt, ist deren Zahl noch gering (derzeit ca. 25 mit insgesamt 200 Betten). In Tschetschenien gibt es keine Frauenhäuser. Nachdem die gesetzlichen Regelungen den Opfern von häuslicher Gewalt nur teilweise Schutz bieten, fliehen Opfer von häuslicher Gewalt meist zu Freunden oder Bekannten, oder finden sich mit der Situation ab. Ein weit verbreitetes Problem, für das es ebenfalls keine gesetzliche Regelung gibt, ist sexuelle Belästigung. Die Situation im Nordkaukasus unterscheidet sich maßgeblich von der in anderen Teilen Russland.

(Österreichische Botschaft Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, September 2012)

Von der Vertreterin einer tschetschenischen NGO wurde angegeben, dass sich eine Frau zum Beispiel bei einer gewalttätigen Brautentführung, durchaus an die staatlichen Organe wenden könnte und auch Hilfe bekommen könnte, es sei aber bisher kein solcher Fall bekannt.

(ÖB Moskau, Anfragebeantwortung zu Frauen, Obsorge, Schutz durch Staatliche Behörden, Arbeitsmöglichkeiten vom 10.05.2013)

4.2. Wirtschaftliche Lage der Frauen

Die wirtschaftliche Lage von Frauen ist in Tschetschenien sicherlich schwierig. In Tschetschenien herrschen zwar insgesamt eine hohe offizielle Arbeitslosenrate und eine schlechte wirtschaftliche Lage, es ist jedoch unter Frauen vergleichsmäßig eine nicht unbeträchtliche wirtschaftliche Aktivität zu beobachten. Eine gewisse wirtschaftliche Selbstständigkeit von Frauen scheint schon in der Vorkriegszeit bestanden zu haben. Obgleich in Tschetschenien zahlreiche alleinstehende und alleinerziehende Frauen leben und diese in der Gesellschaft auch als "normal" betrachtet werden, hängen alleinstehende Frauen bei einer Rückkehr nach Tschetschenien sicherlich stark von der Unterstützung ihrer (Groß‑)Familie ab. Soziale Unterstützungsleistungen bestehen, außer Acht gelassen werden darf aber nicht, dass Korruption in der gesamten Russischen Föderation, und noch viel mehr in der Republik Tschetschenien weit verbreitet ist. Dieses Otkat genannte Bestechungsgeld ist vermutlich auch für die Auszahlung staatlicher Unterstützungsleistungen zu entrichten. Die Entwicklungen der letzten Jahre weisen einerseits darauf hin, dass Tschetscheninnen - vor allem wirtschaftlich betrachtet - ihre Rolle in der Gesellschaft stärken konnten. Einige Quellen verweisen auf die Modernität und Selbstständigkeit der heutigen tschetschenischen Frau. Es muss jedoch wiederholt darauf hingewiesen werden, dass die Möglichkeiten einer Frau nach wie vor stark von ihrem sozialen Umfeld abhängen. Auf politischer und gesellschaftlicher Ebene werden Tschetscheninnen insgesamt zunehmend in die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter zurückgedrängt. Die kadyrowsche (Re‑) Islamisierungspolitik bedeutet eine Diskriminierung von Frauen in der ohnehin männlich dominierten Kultur. Hinzugefügt werden muss, dass diese Politik Kadyrows nicht ausschließlich auf Frauen, sondern auf die gesamte tschetschenische Bevölkerung Auswirkungen hat. Die Entwicklung der Lage und Rolle der Frau in der heutigen tschetschenischen Gesellschaft stellt sich somit durchaus widersprüchlich dar. Weitere diesbezügliche Entwicklungen - etwa ob die Anzahl an berufstätigen Frauen in den nächsten Jahren zurückgeht - bleiben zu beobachten.

(Analyse der Staatendokumentation zur Situation der Frauen in Tschetschenien vom 08.04.2010, Seite 4 bis 6)

Das Sozialversorgungssystem der RF ist vielfältig und beinhaltet verschiede Formen von finanziellen Unterstützungsleistungen, Dienstleistungen und Vergünstigungen. Diese variieren zum Teil von Region zu Region. Es ist stark von den Umständen im Einzelfall abhängig, auf welche dieser Leistungen und Vergünstigungen eine bestimmte Person Anspruch hat.

Zum Beispiel gibt es anlässlich der Geburt eines Kindes bzw. zu dessen Pflege in der Russischen Föderation ein Geburtengeld und ein monatliches Kinderbetreuungsgeld bis zum Alter von 11/2 Jahren. Das Geburtengeld beträgt in Russland/in Tschetschenien 2013 ca. EUR 327,-, das Kinderbetreuungsgeld ca. 62,- EUR für das erste Kind und ca. EUR 122,- für jedes weitere Kind. Das Existenzminimum in der Republik Tschetschenien lag Ende 2012 bei etwa 170 EUR pro Kopf (127 EUR für Pensionisten, 164 EUR für Kinder, 185 EUR für arbeitsfähige Personen)xxi. Für bedürftige Bürger, das heißt für Familien deren pro Kopf Einkommen geringer als ca. EUR 38,- ist, gibt es eine soziale Unterstützung in Höhe von 2,50 EUR für die Dauer von 6 Monaten.

Nach Einschätzung von verschiedenen Mitarbeitern von internationalen NGOs im Nordkaukasus sind die Sozialleistungen nicht ausreichend, damit eine alleinstehenden Frau mit Kindern allein davon leben könnte, andererseits wurde bestätigt, dass sich in Tschetschenien wohl immer ein Verwandter finden würden, der bereit sei die Familie mit Wohnraum als auch finanziell zu unterstützten.

Von einer Vertreterin einer tschetschenischen NGO wurde mitgeteilt, dass das System von Alimentenzahlungen in Russland/Tschetschenien im Fall einer Scheidung noch nicht besonders ausgereift ist. Im Fall des Todes des Ehemanns würden der Ehefrau ebenso wie jedem Kind jedoch eine Rente "aufgrund des Verlusts des Versorgers" zustehen, die durchaus ein vernünftiges Einkommen darstelle.

(ÖB Moskau, Anfragebeantwortung zu Frauen, Obsorge, Schutz durch Staatliche Behörden, Arbeitsmöglichkeiten vom 10.05.2013)

4.3. Soziale Lage der Kinder

Die soziale Lage der Kinder und Jugendlichen in Russland hat sich - auch aufgrund besserer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen - seit den 90er Jahren kontinuierlich verbessert. Das VN-Kinderhilfswerk UNICEF weist darauf hin, dass es in ganz Russland derzeit zwischen 20.000 und 100.000 "Straßenkinder" gebe. In den letzten Jahren ist ein Rückgang der Zahl der Straßenkinder zu verzeichnen. Nach aktuellen, laut Einschätzung der Botschaft glaubhaften, Schätzungen von UNICEF gibt es in Russland mehr als 730.000 Kinder ohne elterliche Fürsorge, von denen 180.000 Kinder in staatlichen Einrichtungen wohnen. Die öffentliche materielle Fürsorge für diese Kinder ist unzureichend. Über Zwangsarbeit von Kindern in Russland ist dem Auswärtigen Amt nichts bekannt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 18)

In Tschetschenien "gehören" bei Scheidungen bzw. im Falle des Todes eines Mannes dessen Kinder den Bräuchen folgend ihm bzw. seiner Familie. Es besteht jedoch in der Praxis die Möglichkeit für Frauen, sich an Gerichte zu wenden, die im Normalfall zu Gunsten der Frau entscheiden.

(Analyse der Staatendokumentation zur Situation der Frauen in Tschetschenien vom 08.04.2010, Seite 4-5)

Grundsätzlich gilt in Tschetschenien die allgemeine Schulpflicht. Bis auf wenige Ausnahmen besuchen alle Kinder die Schulen. Es fehlt jedoch an Schulmaterialien, häufig können keine warmen Mahlzeiten ausgegeben werden, die Klassen sind zu groß, weil immer noch viele Schulgebäude zerstört sind. Im Moment werden jedoch zahlreiche Schulen renoviert.

(Gesellschaft für bedrohte Völker: Die Menschenrechtslage in den Nordkaukasusrepubliken, Juni 2010, Seite 14)

Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen materiellen Bedingungen statt. Nach Angaben der VN entspricht die Anzahl der Lehrer wieder dem Niveau vor den Tschetschenienkriegen, allerdings sei die Versorgung mit Lernmitteln häufig noch unzureichend.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, Seite 16)

(...)

6. Innerstaatliche Relokationsmöglichkeit

Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.6.2013, Seite 24)

Die Kontrollposten der russischen Armee in Grosny gibt es nicht mehr.

(Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg)

Im Mai/Juni 2012 schätzte eine westliche Botschaft die Anzahl der Tschetschenen in Moskau auf Hunderttausende. Außerhalb Tschetscheniens leben die meisten Tschetschenen in Moskau und der Region Stawropol, eine größere Anzahl an Tschetschenen kann in St. Petersburg, Jaroslawl, Wolgograd und Astrachan gefunden werden. SK-Strategy schätzt die Zahl der in Moskau lebenden Tschetschenen auf 100.000 bis 200.000, rund 70.000 Tschetschenen seien in Moskau registriert, rund 50.000 in Jaroslawl. Die NRO Vainakh Congress schätzt die Zahl der Tschetschenen in der Region St. Petersburg auf 20.000 bis 30.000.

(Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases,

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/01750EB0-C5B1-425C-90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens_in_the_russian_federation.pdf ; Zugriff 25.10.2013)

Einem Vertreter einer NGO zufolge könnte es für einen Tschetschenen schwer sein, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, wenn man dort keinerlei Verwandte hat. Jedoch gibt es Tschetschenen in fast allen Regionen Russlands. Das Bestehen einer tschetschenischen Gemeinschaft in einer Region kann Neuankömmlingen zur Unterstützung oder zum Schutz gereichen.

(Danish Immigration Service (11.10.2011): Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011,

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/6EC0730B-9F8E-436F-B44F-A21BE67BDF2B/0/ChechensintheRussianFederationFINAL.pdf ; Zugriff 25.10.2013)

Ethnische Tschetschenen und Angehörige anderer nordkaukasischer Nationalitäten können in der Russischen Föderation (Kernrussland) von Diskriminierung am Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche sowie vor Gericht betroffen sein.

(ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation)

Grundsätzlich ist die Bewegungsfreiheit innerhalb Russlands gesetzlich gewährleistet, Bürger können ihren Wohn- und Aufenthaltsort frei wählen. Jedoch sind Bürger der Russischen Föderation gesetzlich verpflichtet, sowohl ihren vorübergehenden gegenwärtigen Aufenthaltsort, als auch ihren dauerhaften Wohnsitz den zuständigen Stellen des Innenministeriums zu melden. Der Registrierungsprozess stellt sich in der ganzen Russischen Föderation gleich dar. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum, eine Arbeitsstelle oder der Bezug von Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. Die Registrierung und damit einhergehende Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), seiner territorialen Behörden (UFMS) und weiterer Behörden für innere Angelegenheiten. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere hinsichtlich temporärer Registrierungen. Um sich temporär zu registrieren, muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des FMS, also den jeweiligen UFMS, schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird, das persönliche Erscheinen beim UFMS ist keine Voraussetzung mehr. Obwohl das Gesetz festschreibt, dass eine temporäre Registrierung ein Jahr Gültigkeit besitzt, stellen manche lokale Behörden vorübergehende Registrierungen lediglich für einen Zeitraum von drei Monaten aus.

Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden, bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch die Vorlage einer Zug- oder Busfahrkarte. Die Behörden haben laut FMS sogar ein eigenes Verfahren, um die Identität von Personen, die nicht im Besitz von Identitätsdokumenten sind, festzustellen. Der Name der zu registrierenden Person wird in derartigen Fällen in Datenbanken gesucht und es erfolgen Einvernahmen der jeweiligen Person sowie von ihren in der Russischen Föderation aufhältigen Verwandten. Sobald die Identität der Person festgestellt wurde, werden die erforderlichen Unterlagen ausgestellt.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen hat etwas abgenommen, wenngleich russische Menschenrechtsorganisationen nach wie vor von einem willkürlichen Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit berichten.

Vor allem Kaukasier und Einwanderer aus Zentralasien sind in Russland mit ethnischen Diskriminierungen und einem grassierenden Rassismus konfrontiert. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen (Ausweis, Fingerabdrücke) auf der Straße, in der U-Bahn und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden statt, haben aber an Intensität abgenommen.

Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes sind keine Anweisungen der russischen Innenbehörden zur spezifischen erkennungsdienstlichen Behandlung von Tschetschenen bekannt. Kontrollen von kaukasisch aussehenden oder aus Zentralasien stammenden Personen erfolgen seit Jahresbeginn 2007 zumeist im Rahmen des verstärkten Kampfes der Behörden gegen illegale Migration und Schwarzarbeit. Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Diese Rechte sind in der Verfassung verankert. Jedoch wird an vielen Orten (u.a. in großen Städten wie Moskau und St. Petersburg) der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Föderation durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen wirken sich im Zusammenhang mit anti-kaukasischer Stimmung besonders stark auf die Möglichkeit von aus anderen Staaten zurückgeführten Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Die Rücksiedlung nach Tschetschenien wird von Regierungsseite nahegelegt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 35 und 36; Fragenbeantwortung der ÖB in Moskau vom 13.04.2012)

Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen.

(Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases,

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/01750EB0-C5B1-425C-90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens_in_the_russian_federation.pdf ; Zugriff 25.10.2013)

Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ("vorübergehende Registrierung") und ihren Wohnsitz ("dauerhafte Registrierung") melden müssen. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und ermöglicht den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen und zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Viele Vermieter weigern sich zudem, entsprechende Vordrucke auszufüllen, u.a. weil sie ihre Mieteinnahmen nicht versteuern wollen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 07.03.2011, Seite 35 und 36; Fragenbeantwortung der ÖB in Moskau vom 13.04.2012)

Tschetschenen verheimlichen oft ihre Volksgruppenzugehörigkeit, da Annoncen Zimmer oft nur für Russen und Slawen anbieten.

(Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases,

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/01750EB0-C5B1-425C-90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens_in_the_russian_federation.pdf ; Zugriff 25.10.2013)

Der Föderale Migrationsdienst (FMS) bestätigte in diesem Zusammenhang, dass alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, am Aufenthaltsort registriert werden. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Eine Registrierung ist für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. 2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere für temporäre Registrierungen (Registrierungen für einen nicht länger als 90 Tage dauernden Zeitraum). Für eine solche muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des Föderalen Migrationsdienstes (FMS) bzw. an die jeweiligen territorialen Behörden (UFMS) schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird, und muss nicht mehr persönlich beim UFMS erscheinen.

(Bericht zum Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation, Russische Föderation - Republik Tschetschenien, Dezember 2011, Seite 6, 14-15, 58)

Viele regionale Regierungen schränken das Recht durch Regelungen für die Registrierung des Wohnsitzes, die an Sowjetzeiten erinnerten, ein.

(U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/245202/368649_de.html ; Zugriff 25.10.2013)

Laut Auskunft des Föderalen Migrationsdienstes (FMS) bestehen für Tschetschenen keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit oder hinsichtlich der Ausstellung von innerstaatlichen Reisepässen oder anderen offiziellen Dokumenten. Auch laut Einschätzung eines Anwalts der Memorial Migration & Rights Programme and Civic Assistance Committee (CAC) haben Tschetschenen bei einer Registrierung in St. Petersburg nicht mehr Probleme als andere russische Bürger. Nichtregistrierte Tschetschenen können innerhalb Russlands allenfalls in der tschetschenischen Diaspora untertauchen und dort überleben. Ihr Lebensstandard hängt stark davon ab, ob sie über Geld, Familienanschluss, Ausbildung und russische Sprachkenntnisse verfügen. Eine Vertreterin von House of Peace and Non-Violence, verwies darauf, dass viele Tschetschenen in St. Petersburg keinerlei dauerhafte oder vorübergehende Registrierung besitzen. Diese Personen besorgen sich immer wieder neue Zug- oder Bus-Tickets, um damit darzulegen, dass sie sich nicht länger als 90 Tage in St. Petersburg befinden.

Ein Vertreter des föderalen Ombudsmannes hält fest, dass Tschetschenen im Allgemeinen die gleichen Rechte besitzen wie alle anderen Gruppen in der Russischen Föderation, dies gilt hinsichtlich Beschäftigung, Wohnungsbeschaffung, Gesundheitsvorsorge sowie Pensionsansprüche. Die tschetschenische Bevölkerung außerhalb von Tschetschenien pflegt sehr enge Beziehungen zueinander, versucht nahe beisammen zu leben und sich gegenseitig zu unterstützen. Laut seiner Einschätzung sind Tschetschenen sowie einige andere Gruppen außerhalb des Nordkaukasus gelegentlich mit Anfeindungen lokaler Gemeinschaften konfrontiert.

Eine Registrierung ist für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar, da sie den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem sowie zum legalen Arbeitsmarkt ermöglicht. Grundsätzlich hat man in der Russischen Föderation am Ort der Registrierung Zugang zur medizinischen Versorgung, medizinische Notfallhilfe wird jedoch in der russischen Verfassung garantiert und völlig unabhängig von Registrierung und Aufenthaltsort jedem Menschen, unabhängig von dessen Staatsbürgerschaft, gewährt. Die ethnische Zugehörigkeit würde auch nach Auskunft von IOM an Dänemark beim Zugang zur medizinischen Versorgung keine Rolle spielen.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Diesbezüglich ist auch auf die Änderungen im Gesundheitswesen der Russischen Föderation zu verweisen und hervorzuheben, dass das Föderale Gesetz Nr. 326 über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation festschreibt, dass jeder russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen kann. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation, unabhängig von der Meldeadresse, gewährt wird. (Schreiben der österreichischen Botschaft in Moskau an den Asylgerichtshof vom 13.04.2012, IOM Länderinformationsblatt Russische Föderation, Juni 2012)

Laut SOVA gibt es keine Hinweise, dass Tschetschenen mehr als andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus Hassverbrechen zum Opfer fallen.

Im Verlauf der letzten 10 Jahre konzentrierten sich ultranationalistische Banden bei rassistisch motivierter Gewalt immer mehr auf Zentralasiaten, nicht zuletzt weil sich Kaukasier dieser Gewalt zunehmend widersetzten.

(Danish Immigration Service (11.10.2011): Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011,

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/6EC0730B-9F8E-436F-B44F-A21BE67BDF2B/0/ChechensintheRussianFederationFINAL.pdf ; Zugriff 25.10.2013)

IOM Russland erklärte, dass die Russische Föderation eine föderale Struktur hat und falls eine verdächtige Person von einer Verwaltungseinheit ausgeforscht wird, könnte nach dieser Person in der gesamten Russischen Föderation behördlich gesucht werden. Ob eine bundesweite Suche nach einer Person durch die Behörden eingeleitet wird, hängt davon ab, aufgrund welchen Verdachts die jeweilige Person ausfindig gemacht werden soll. Falls der Fall irgendwie im Zusammenhang mit internationalem Terrorismus steht, ist es sehr wahrscheinlich, dass die tschetschenischen Behörden eine bundesweite Suche nach dem Verdächtigten einleiten.

Khamzat Gerikhanov (Chechen Social and Cultural Association) erklärte, es sei üblich, dass tschetschenische Rebellen aus benachbarten Republiken im Nordkaukasus zurückgeschickt werden, um (strafrechtlicher) Verfolgung in Tschetschenien ausgesetzt zu sein. Ein Vertreter des föderalen Ombudsmannes erklärte demgegenüber, dass ihm keine Fälle bekannt wären, in denen russische Behörden auf Anfrage der tschetschenischen Behörden Tschetschenen verhaftet und zwecks Strafverfolgung zurück nach Tschetschenien überstellt hätten. Zumindest würden tschetschenische Behörden das russische föderale Justizwesen jedoch bei der Suche nach einer Person, die unter Verdacht steht, Mitglieder illegaler bewaffneter Gruppierungen zu unterstützen, in Anspruch nehmen. Die Entscheidung, ob eine Anfrage von tschetschenischen Behörden zu Recht besteht, trifft dabei die Bundesbehörde. Khamzat Gerikhanov gab weiters an, dass Unterstützer oder Verwandte von Anhängern der illegalen bewaffneten Gruppen, die in eine andere Region der Russischen Föderation gezogen sind, aufgefunden werden, falls nach diesen Personen offiziell auf Bundesebene gesucht wird. Wenn jemand illegale bewaffnete Gruppen zum ersten Mal oder schon vor vielen Jahren mit Nahrung, Unterkunft oder Transport unterstützt hat und sich in der Folge außerhalb von Tschetschenien niederlässt, würden die tschetschenischen Behörden keine bundesweite Suche nach diesen Personen einleiten oder große Anstrengungen unternehmen, um derartige Personen wieder zurück nach Tschetschenien zu überstellen.

Der föderale Ombudsmann hat nach eigenen Angaben noch keine Beschwerden über Belästigungen bzw. Bedrohungen von Tschetschenen durch andere Tschetschenen erhalten, die in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus wohnhaft sind. In dieser Hinsicht ist die Unterscheidung zwischen "high profile persons" und "low profile persons" wichtig. Personen, die von Kadyrow als Außenseiter oder Gegner seiner Regierung bzw. als Rivale seines Clans betrachtet werden, könnten Bedrohungen durch andere Tschetschenen ausgesetzt sein. Sogenannte "high profile persons" sind der Gefahr von Racheakten durch Mitglieder von Kadyrows Geheimdienst in der Russischen Föderation als auch im Ausland ausgesetzt. Demgegenüber werden "low profile persons", die nicht offiziell gegen Kadyrow eingestellt sind, in der Regel nicht belangt.

Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Association betrachtet es als unmöglich für die tschetschenischen Behörden, einen low-profile-Unterstützer der Rebellen in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zu finden.

Bereits das Bekanntwerden kleinster kritischer Äußerungen betreffend die Regierung Kadyrows würde jedoch zu einer Rüge durch die tschetschenischen Behörden führen. Ekaterina Sokiryanskaya von Memorial in St. Petersburg gab in diesem Zusammenhang an, dass in den meisten Fällen tschetschenische Behörden nach einer Person nicht offiziell suchen, sondern in der Lage sind, (inoffiziell) Personen in der Russischen Föderation und in vielen europäischen Ländern ausfindig zu machen und gegebenenfalls auch zu töten.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Wird eine Person aber tatsächlich von Kadyrow gesucht, so könnte jener die Person überall in der Welt, auch in Kopenhagen, Wien, Dubai oder Moskau finden.

(Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases,

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/01750EB0-C5B1-425C-90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens_in_the_russian_federation.pdf ; Zugriff 25.10.2013)

Was die Sicherheit von Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation betrifft, so kann eine Beurteilung der Gefährdung nur im Einzelfall erfolgen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Tschetschenen, die in Tschetschenien keine Probleme hatten und etwa nur zur Arbeitssuche in einen anderen Teil der Russischen Föderation kommen (diese haben möglicherweise mit Diskriminierung und Anfeindungen aufgrund der weit verbreiteten Fremdenfeindlichkeit in Russland zu kämpfen) und Tschetschenen, die in Tschetschenien tatsächlich verfolgt werden (diese sind gegebenenfalls auch in anderen Teilen der Russischen Föderation nicht sicher).

(ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation)

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann.

(Analyse der Staatendokumentation vom 20.4.2011 - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien)

Einer internationalen Organisation zufolge ist es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden.

(Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases,

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/01750EB0-C5B1-425C-90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens_in_the_russian_federation.pdf ; Zugriff 25.10.2013)

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Ansiedlung von Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation möglich ist. Den wesentlichsten Punkt stellt die Frage dar, ob diese Personen von Kadyrow als Außenseiter oder Gegner seiner Regierung bzw. als Rivale seines Clans betrachtet werden und kann man diesbezüglich eine Unterscheidung in "high profile persons" und "low profile persons" treffen. Angesichts von möglichen Schwierigkeiten bei der Registrierung, die jedoch in den letzten Jahren wesentlich vereinfacht wurde, spielen überdies ein Netzwerk von Verwandten und Bekannten sowie die Möglichkeit der Kontaktierung von NGOs eine Rolle.

(...)

9. Weitere Erkenntnisse über asyl- und abschiebungsrelevante Vorgänge

9.1. Echtheit von Dokumenten

Die von den staatlichen Behörden ausgestellten Dokumente, welche die betreffenden Staatsangehörigen mit sich führen (insbesondere Reisedokumente), sind nicht selten mit unrichtigem Inhalt ausgestellt. Rund 20% der bei der Botschaft zur Echtheitsüberprüfung vorgelegten Dokumente sind Fälschungen. In Russland ist es möglich, Personenstands- und andere Urkunden zu kaufen, wie z.B. Staatsangehörigkeitsausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Vorladungen, Haftbefehle oder Gerichtsurteile. Asylsuchende aus der Russischen Föderation, insbesondere aus den russischen Kaukasusrepubliken, führen mitunter gefälschte Dokumente (z.B. unzutreffende Haftbefehle) oder unwahre Zeitungsmeldungen mit sich, mit denen staatliche Repressionsmaßnahmen dokumentiert werden sollen. Die Verwaltungsstrukturen in Tschetschenien sind größtenteils wieder aufgebaut, sodass die Echtheit von Dokumenten aus Tschetschenien grundsätzlich überprüft werden kann. Probleme ergeben sich allerdings dadurch, dass bei den kriegerischen Auseinandersetzungen viele Archive zerstört wurden.

9.2. Ausreisekontrollen und Ausreisewege

Die Grenz- und Zollkontrollen eigener Staatsangehöriger durch russische Behörden an den Außengrenzen entsprechen in der Regel internationalem Standard. Es liegen Hinweise vor, dass die Sicherheitsdienste einige Personen mit besonderer Aufmerksamkeit u. a. bei Ein- und Ausreisen überwachen und dunkelhäutige Personen aus dem Kaukasus häufig zu Dokumentenüberprüfungen herausgeholt werden.

Reisende müssen ihren Inlandspass vorweisen, wenn sie Fahrkarten oder Flugtickets kaufen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10.06.2013, S25, Seite 38-39; U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2012 - Russia )

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch umfassende Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie in die Verfahrensakte der Familienangehörigen des Beschwerdeführers, Einsicht in die Strafurteile sowie Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 10. März 2015. Die den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat zugrunde liegenden Berichte wurden dem Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebracht und wurden diese nicht entgegengetreten.

Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Länderberichte kann nicht erkannt werden, dass in Tschetschenien aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung ausgesetzt wäre; in Tschetschenien ist eine Zivilperson aktuell nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt.

Die Feststellungen zur Nationalität und zu den familiären Verhältnissen gründen sich auf den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren bzw. im Asylaberkennungsverfahren sowie auf den Angaben seiner Familienangehörigen. Sie finden auch in den eingeholten strafgerichtlichen Urteilen des Beschwerdeführers ihre Deckung sowie in den Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Strafregister, Grundversorgungsinformationssystem).

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen stützen sich auf einen aktuellen Strafregisterauszug und den Inhalt der eingeholten Strafurteile.

Im Zusammenhang mit den rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf die mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. April 2007 erfolgten Asylgewährung an den Beschwerdeführer, wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Die Feststellung wonach der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt bzw. nach einer allfälligen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine asylrelevanten Übergriffe zu befürchten hätte, liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der nunmehr volljährige Beschwerdeführer befragt nach allfälligen Rückkehrbefürchtungen von sich aus in der Beschwerdeverhandlung lediglich angab, er wisse es nicht, er seit seiner Kindheit in Österreich, seine Geschwister und Eltern seien hier in Österreich, er habe keine Ahnung wie es in Tschetschenien sei. Konfrontiert mit den Vorbringen seines Onkels, nämlich einer Blutrache, gab der Beschwerdeführer an, diesbezüglich nichts zu wissen.

In diesem Zusammenhang sind, wie die belangte Behörde zu Recht ins Treffen führte, die Aussagen der Tanten des Beschwerdeführers von immenser Bedeutung, gaben diese nämlich in deren eingeleiteten Aberkennungsverfahren von sich aus an, dass in Bezug auf die Familie des Beschwerdeführers keine Blutrache mehr bestehe, diese sei abgeschlossen. Außerdem gaben diese von sich aus an, dass jegliche Feindseligkeiten, die zur damaligen Flucht geführt hätten, längst ausgeräumt seien. Diesen Aussagen ist umso mehr Gewicht beizumessen, als die Betroffenen in Kenntnis dieser Angaben selbst mit einer Aberkennung ihres Status der Asylberechtigten rechnen mussten.

Auch darf im Verfahren des Beschwerdeführers nicht außer Acht gelassen werden, dass sich dieser in seinem Asylverfahren ursprünglich auf die Gründe seines Vaters bezog. Wie jedoch dem Verfahrensgang und den Feststellungen entnommen werden kann, wurde diesem selbst der Status des Asylberechtigten rechtskräftig aberkannt und verzichtete dieser, trotz zahlreicher gerichtlicher Verfahren in Österreich, auf die Erhebung eines Rechtsmittels.

In Bezug auf den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Vaters des Beschwerdeführers, dessen Angaben im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde und des Umstandes, wonach dieses sich nunmehr im Beschwerdestadium befindet, kann eine Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Familienzugehörigkeit insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser einen anderen Namen trägt und mehrere seiner nahen Angehörigen nach wie vor ohne Probleme in seiner Heimat leben, nicht angenommen werden.

Darüber hinaus ist es dem Beschwerdeführer auch möglich, sich außerhalb der Teilrepublik Tschetscheniens bei seinem Halbruder - dieser lebt nach seinen eigenen Angaben in "Russland" und bestehe zu diesem Kontakt - niederlassen.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Beeinträchtigung seiner Person im Sinne des Art. 3 EMRK sowie auch kein Entzug der notdürftigsten Existenzgrundlage drohen würde, gründet sich darüber hinaus auf die getroffenen Länderfeststellungen, denen alleine ohne individuelles Vorbringen das Vorliegen einer generellen, gleichsam jeden treffenden exzeptionellen Gefährdung nicht zu entnehmen ist; im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer die Länderfeststellungen nicht zu entkräften vermochte. Weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung wurde ein substantiiertes Vorbringen, welches die getroffenen Länderfeststellungen in Zweifel ziehen könnte, erstattet. Vor dem Hintergrund, dass sich jedenfalls noch Familienangehörige des Beschwerdeführers in Tschetschenien aufhalten, kann unter Bedachtnahme auf den familiären Zusammenhalt auch nicht von einem Entzug der notdürftigsten Existenzgrundlage ausgegangen werden.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und beherrscht die tschetschenische Sprache. Ausbildungen, die zu einer Berufsberechtigung führen würden, hat der Beschwerdeführer weder in seinem Herkunftsstaat und auch nicht während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich absolviert. Es ist ihm aber zumutbar, durch Hilfstätigkeiten im Herkunftsstaat aus eigenen Kräften für seinen notdürftigsten Lebensunterhalt aufzukommen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Familien- und Privatleben bzw. allfälligen Aspekten einer Integration des Beschwerdeführers beruhen im Wesentlichen auf seinen diesbezüglichen Aussagen in der Beschwerdeverhandlung vom 10. März 2015 sowie den in Vorlage gebrachten und amtswegig beigeschafften Beweismitteln.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes ? BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz ? VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z. 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z. 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z. 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr.100 (Z. 4).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z. 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z. 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. §?66 Abs.?4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

Gemäß § 75 Abs. 19 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.?Dezember?2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 leg.cit. zu Ende zu führen.

Da die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde bis zum 31.?Dezember?2013 beim Asylgerichtshof anhängig war, ist das Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.

Zu A)

3.2. Gemäß § 6 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, ist ein/eine Fremder/Fremde von der Zuerkennung des Status eines/einer Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

und so lange er/sie Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

er/sie aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

er/sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz nach § 6 Abs. 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, in Bezug auf die Zuerkennung des Status des/der Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, ist einem/einer Fremden der Status des/der Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

der/die Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner/ihrer Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Nach § 7 Abs. 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des/der Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn der/die Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.

Gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, kann das Bundesamt einem/einer Fremden, der/die nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines/einer Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der/die Fremde seinen/ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem/der Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem/einer solchen Fremden der Status eines/einer Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

Nach § 7 Abs. 4 Asylgesetz 2005- AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem/der Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser/Diese hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des/der Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.

3.3. Aberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005:

Im Fall des Beschwerdeführers ist die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zur Anwendung zu bringen. Danach ist einem/einer Fremden der Status des/der Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt. Nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein/eine Fremder/Fremde von der Zuerkennung des Status eines/einer Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er/sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

Für den vorliegenden Fall einer Entscheidung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 müssen wegen der wörtlich gleichen Voraussetzungen die gleichen Maßstäbe gelten, auf die sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in den bisherigen Vorerkenntnissen (6. 10. 1999, 99/01/0288; 24. 11. 1999, 99/01/0314; 12. 9. 2002, 99/20/0532) zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997 bezogen haben (vgl. VwGH 3. 12. 2002, 99/01/0449).

Wie der Verwaltungsgerichtshof - erstmals - in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288, unter Hinweis auf Art. 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss

ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür

rechtskräftig verurteilt worden,

gemeingefährlich sein und

es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zur Auslegung des Begriffs "besonders schweres Verbrechen" ausgeführt hat, handelt es sich z.B. bei Drogenhandel typischer Weise um ein besonders schweres Verbrechen; allerdings genüge es nicht, dass der Antragsteller ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt habe. Die Tat müsse sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe und Rechtfertigungsgründe seien zu berücksichtigen.

Der Verwaltungsgerichtshof fügte seiner im Erkenntnis 99/01/0288 getroffenen Festlegung des Drogenhandels als "typischerweise besonders schweres Verbrechen" im ebenfalls bereits zitierten Erkenntnis vom 3. 12. 2002, 99/01/0449, zur Frage, wann denn nun ein solches "typischerweise besonders schweres Verbrechen" ausreichend sei, um "besonders schwer" zu sein, "illustrativ" hinzu, in der Bundesrepublik Deutschland sei etwa für den auf Art. 33 Abs. 2 zweiter Fall Genfer Flüchtlingskonvention bezogenen Tatbestand in § 51 Abs. 3 dAuslG mit Gesetz vom 29. Oktober 1997 das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren normiert worden.

In der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 wird zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, auf welchen § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG u.a. verweist, erläuternd - wenngleich nur demonstrativ - Folgendes ausgeführt:

"Die Z 3 und 4 des Abs. 1 entsprechen inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG. Unter Begriff ,besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. Mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asylg (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10.06.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen - mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des "besonders schweren Verbrechens" des Art. 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist."

Im konkreten Fall verübte der Beschwerdeführer "typische schwere" Verbrechen, nämlich mehrfach schweren bzw. bewaffneten Raub und wurde in diesem Zusammenhang in Anwendung der Jugendstrafbestimmungen verurteilt. Zu Jugendlichen führte der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Anwendung auf entsprechende materielle Verwaltungsvorschriften in seinem Erkenntnis vom 30. September 1993, 93/18/0320, aus:

"Die Beschwerde hält den bekämpften Bescheid (u.a.) deshalb für rechtswidrig, weil die belangte Behörde den § 20 Abs. 2 FrG im Fall des Beschwerdeführers unrichtig angewendet habe. Diese Bestimmung sei jedenfalls so zu verstehen, daß die für den betroffenen Fremden geltende konkrete Strafdrohung zu beachten sei. Im Hinblick auf die danach zum Tragen kommende Vorschrift des § 5 Z. 4 JGG, wonach das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe bei Jugendlichen auf die Hälfte herabgesetzt werde, sei der Beschwerdeführer tatsächlich nicht wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden. Richtigerweise hätte im Beschwerdefall die um die Hälfte herabgesetzte Strafdrohung beachtet werden müssen, da für Jugendliche die Strafdrohungen nach dem StGB nicht gelten würden.

4.2. Zwei der Straftaten, deretwegen der Beschwerdeführer verurteilt worden ist, sind nach dem StGB mit Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren, nämlich jeweils mit einem bis zu zehn Jahren, bedroht (§ 142 Abs. 1; § 130 zweiter Satz). Der Beschwerdeführer ist Jugendlicher im Sinne des § 1 Z. 2 JGG; die von ihm begangenen Straftaten sind demnach Jugendstraftaten (§ 1 Z. 3 JGG). Es kommen deshalb für ihn die im § 5 JGG normierten "Besonderheiten der Ahndung von Jugendstraftaten" zum Tragen, näherhin die Bestimmung der Z. 4. Nach der Einleitung des § 5 JGG gelten für die Ahndung von Jugendstraftaten die allgemeinen Strafgesetze, soweit im folgenden (hier: Z. 4) nichts anderes bestimmt ist. Gemäß der zuletzt genannten Norm "(wird) das Höchstmaß aller sonst angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen auf die Hälfte herabgesetzt; ein Mindestmaß entfällt". Für Jugendliche treten somit an die Stelle der allgemeinen (für Erwachsene geltenden) Strafdrohungen nach dem StGB die Strafdrohungen nach dem JGG. Es handelt sich um für eine bestimmte Personengruppe (Jugendliche) geltende, gegenüber den im StGB vorgesehenen Strafdrohungen geänderte Strafdrohungen eigener Art, was dazu führt, daß für die Beurteilung, ob die besagte Ausnahme im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG greift, bei jugendlichen Fremden von eben diesen eigenständigen Strafdrohungen auszugehen ist. Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß hier an die Stelle der für erwachsene Fremde geltenden Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren die gemäß § 5 Z. 4 JGG vorgesehene Strafdrohung, also ein Strafrahmen bis zu fünf Jahren (ohne Untergrenze), zu treten hat. Damit aber erweist sich die im bekämpften Bescheid vorgenommene Auslegung des im § 20 Abs. 2 FrG verankerten

Ausnahmetatbestandes ("es sei denn ... verurteilt worden ist.") als

rechtsirrig." (VwGH, 30. 9. 1993, 93/18/0320)

In einem ähnlich gelagerten Fall führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

"Abgesehen davon, daß dies dem im Akt einliegenden Urteil widerspricht, nach dem der Beschwerdeführer gemäß § 142 Abs. 1 und 2 StGB in vier Fällen unter Anwendung des § 5 Z. 4 Jugendgerichtsgesetz (JGG), d.i. der Entfall einer Mindeststrafdrohung bei jugendlichen Straftätern, zu einer bedingt vorläufig nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, kommt es für die Beurteilung, ob ein Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz vorliegt, in erster Linie auf die der Verurteilung zugrundeliegenden Taten an. Hiebei handelt es sich um vier Raubüberfälle jeweils unter Beteiligung einer anderen Person zwischen 26. April 1993 und November 1993 zur Bereicherung durch Bargeld und keineswegs, wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde verharmlosend vorgibt, um einen "Zigarettenraub unter durchwegs jugendlichen Bekannten", der vom Gericht als "Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes" qualifiziert worden sei.

Die belangte Behörde durfte ausgehend von der Schwere der dem genannten rechtskräftigen Urteil zugrundeliegenden vier Straftaten gemäß § 142 Abs. 1 StGB - somit Taten, die mit Vorsatz begangen wurden - zu Recht schließen, daß der weitere Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe oder Sicherheit gefährde. Denn im konkreten Fall kommt noch hinzu, daß der Beschwerdeführer nach der zitierten rechtskräftigen Verurteilung und nach Erteilung seiner letztgültigen Aufenthaltsbewilligung am 4. März 1994 (Gültigkeit 1. Februar 1994 bis 2. Jänner 1995) erneut im Verdacht stand, eine gerichtlich strafbare Tat begangen zu haben, woraus die belangte Behörde grundsätzlich berechtigt war, Feststellungen im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zu treffen und daraus Schlüsse zu ziehen. Zwar ist dem Beschwerdeführer insoweit beizupflichten, als er nicht wegen einer Übertretung des § 12 SGG, sondern - wie der vom Beschwerdeführer der Beschwerde beigelegten Entlassungsbestätigung zu entnehmen ist -, am 28. Juni 1995 vom Jugendgerichtshof Wien wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt wurde. Abgesehen davon, daß diese Entlassungsbestätigung die Behauptung des Beschwerdeführers widerlegt, er sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil die Bestätigung die Strafverbüßung der Freiheitsstrafe von zwei Monaten zwischen 8. Mai 1995 und 7. Juli 1995 belegt, verkennt der Beschwerdeführer, daß es sich auch beim Vergehen nach § 16 Abs. 1 SGG um eine Tat handelt, welche nur vorsätzlich begangen werden kann. Damit begegnet auch die Heranziehung der Straftat nach dem SGG zur Erstellung einer Gefährdungsprognose im konkreten Fall keinen Bedenken. Daß den strafrechtlichen Übertretungen des Beschwerdeführers "Bagatellcharakter" beizumessen sei, wie der Beschwerdeführer verharmlosend ausführt, entbehrt jeder sachlichen Grundlage." (VwGH 19. 9. 1997 95/19/1568)

Bezogen auf den Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass dieser auf Grund verübter schwerer Verbrechen zu unbedingten Freiheitsstrafen von insgesamt 3 Jahren und 11 Monaten verurteilt wurde. Bei Bemessung der Strafen für die begangen schweren, bewaffneten Raube wandte das jeweilige Strafgericht aufgrund des damaligen Alters des Beschwerdeführers die Jugendstrafbestimmungen an. Wie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen ist, sind daher die Art und Schwere der Straftaten des Beschwerdeführers besonders zu würdigen.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seitens des Bundesverwaltungsgerichtes im Zuge der Beschwerdeverhandlung mit seinen Straftaten konfrontiert wurde. Insbesondere wurde seitens des verfahrensführenden Richters aufgeworfen, dass seitens zahlreicher Asylwerber des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers als Grund für deren Flucht, die Angst vor maskierten und bewaffneten Männern angegeben wird. Umso unverständlicher sei für das Gericht das Vorgehen des Beschwerdeführers, als Beitragstäter maskiert einen bewaffneten Raub, durch Gebrauch einer Gaspistole, zu verüben. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, es sei Halloween gewesen und seien schließlich alle zu dieser Zeit maskiert, muss, ebenso wie seine plötzliche Beteuerung seiner Unschuld, als uneinsichtig gewertet werden. Auch die Anmerkung, es habe sich lediglich um eine Dummheit gehandelt bzw. die im Beschwerdeschriftsatz vertretene Ansicht, der Beschwerdeführer sei Drogen und Spielsucht erlegen, vermögen die zahlreichen Verbrechen des Beschwerdeführers nicht zu rechtfertigen.

Unter Bedachtnahme auf die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und die erläuternden Bemerkungen in der Regierungsvorlage zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist daher festzuhalten, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer gesetzten Straftaten überwiegend um strafbare Handlungen gegen Leib und Leben handelt. Neben weiteren Verurteilungen, wie etwa Einbruchsdiebstählen und falscher Zeugenaussage sowie Begünstigung wurde der Beschwerdeführer wegen begangener Verbrechen des Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 143 2. Fall StGB in vier Fällen verurteilt; in den oben angeführten erläuternden Bemerkungen in der Regierungsvorlage werden als "besonders schwere Verbrechen" bzw. "typischerweise schwere Verbrechen" etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel und eben dezidiert auch "bewaffneter Raub" angeführt.

Bei den vom Beschwerdeführer verübten Taten liegen Straftaten vor, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen und erweisen sich diese Taten - wie vom Verwaltungsgerichtshof in der oben angeführten Judikatur gefordert - auch subjektiv als besonders schwerwiegend:

Aus den seitens des Bundesverwaltungsgericht eingeholten aufliegenden Strafurteilen ist lediglich beispielhaft zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer bei mehreren Rauben - im Zusammenwirken mit weiteren Tätern - penibel auf die Tatausführung vorbereitete, der Waffengebrauch von seinem Vorsatz mitumfasst war und er sich mit einer Vampirmaske maskierte; er in bewussten und gewollten Zusammenwirken als Haupttäter ein Opfer von hinten niederschlug, anschließend auf das am Boden liegende Opfer eintrat und Gegenstände wegnahm, wobei das Opfer schwere Körperverletzungen erlitt; er in bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter ein Opfer festhielt, es Schläge versetzte und Wertgegenstände wegnahm; er in bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter einem Opfer in den Schwitzkasten nahm, mehrere Faustschläge und Fußtritte versetzte und ihm Bargeld wegnahm.

Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer, auch lediglich beispielhaft, mehrfach wegen Einbruchsdiebstahles oder etwa wegen Einschlagens von Seitenscheiben, drei Türverglasungen und Versprühen eines Feuerlöschers des öffentlichen Verkehrs verurteilt.

Unter Zugrundelegung der Erwägungen in den Strafurteilen sind die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten zweifellos als subjektiv "besonders schwerwiegend" im Sinne obiger Ausführungen anzusehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288, zu den weiteren Voraussetzungen für eine Verbringung in den Heimat- oder Herkunftsstaat trotz drohender Verfolgung weiters ausgeführt hat, dürfen nur gemeingefährliche Straftäter in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden. Bestehe für das zukünftige Verhalten des Täters eine günstige Prognose, dürfe § 13 Abs. 2 AsylG (im gegenständlichen Fall § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005) im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK nicht angewendet werden. Hinsichtlich der Frage der Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers ist Folgendes vorauszuschicken:

Das Vorliegen einer positiven Zukunftsprognose im Sinne einer fehlenden Wiederholungswahrscheinlichkeit für weitere Straftaten bzw. einer positiven Resozialisierungsperspektive kann vor dem Hintergrund der Ausführungen in den Strafurteilen und der bereits wiederholten rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht angenommen werden. Der Beschwerdeführer befindet sich seit nunmehr knapp elf Jahren im Bundesgebiet, wurde während dieser Zeit mehrfach wegen Straftaten gegen Leib und Leben verurteilt, trotz der Anwendung der Jugendstrafbestimmungen umfasst der unbedingte Teil der verhängten Freiheitsstrafen drei Jahre und elf Monate, und befindet er sich derzeit weiterhin in Strafhaft. Sein Verhalten lässt darauf schließen, dass der Beschwerdeführer über ein großes Maß an krimineller Energie, die sich im Lauf der Zeit beträchtlich gesteigert hat, verfügt und nicht gewillt ist, sich an die Gesetze der Republik Österreich zu halten. In diesem Zusammenhang ist einerseits seine strafgerichtliche Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage hervorzuheben; andererseits zeigt sein zuletzt gezeigtes Verhalten, auf Grund dessen er wiederum strafgerichtlich verurteilt wurde, dass er nicht bereit ist, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Eine positive Lebensprognose kann auch im Hinblick auf die persönliche Situation des ledigen und kinderlosen Beschwerdeführers, welcher seit seiner Einreise in das österreichischen Bundesgebiet nicht in der Lage war, eine Lehre bzw. eine Berufsausbildung, auch nicht eine Führerscheinausbildung erfolgreich zu absolvieren, nicht erblickt werden. Eine Wiederholungsgefahr in ähnlich gelagerten Situationen kann daher vor dem Hintergrund der getätigten Ausführungen, gerade im Hinblick auf die der letzten Verurteilung zugrundeliegende Tat, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist der Beschwerdeführer daher in Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände als gemeingefährlich im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288, anzusehen.

Bei Aberkennung des Status des Asylberechtigten aufgrund des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist nach der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weiters einer Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, wobei die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den Interessen des Beschwerdeführers am (Weiter)- Bestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat abzuwägen sind.

Diesbezüglich ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht zum Entscheidungszeitpunkt nicht von einer gegen den Beschwerdeführer aktuell bestehenden Bedrohungslage in der Russischen Föderation/Tschetschenien ausgeht. Dies aus folgenden Gründen:

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid Unabhängigen Bundesasylsenat Asyl gewährt. Eigene Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer nicht vor, sondern erfolgte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten unter Zugrundelegung der sozialen Gruppe der "Familie", nämlich aufgrund seiner Familienangehörigkeit zu seinem Vater. Im gegenständlichen Asylaberkennungsverfahren machte der Beschwerdeführer keine aktuell bestehenden Verfolgungsgründe in seinem Herkunftsstaat geltend. So führte er lediglich aus, er wisse nicht, was ihn im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien erwarte, seine Familie sei in Österreich und wolle er auch hier bleiben.

Aus den Aussagen der Tanten des Beschwerdeführers ergibt sich, dass in Bezug auf die Familie des Beschwerdeführers keine Blutrache mehr besteht, diese ist im Sinne der muslimischen Sitten abgeschlossen. Außerdem gaben diese an, dass jegliche Feindseligkeiten, die zur damaligen Flucht geführt hätten, längst ausgeräumt sind. Auch darf im Verfahren des Beschwerdeführers nicht außer Acht gelassen werden, dass sich dieser in seinem Asylverfahren ursprünglich auf die Gründe seines Vaters bezog. Wie jedoch dem Verfahrensgang und den Feststellungen entnommen werden kann, wurde dem Vater des Beschwerdeführers selbst der Status des Asylberechtigten rechtskräftig aberkannt und verzichtete dieser, trotz zahlreicher gerichtlicher Verfahren in Österreich, auf die Erhebung eines Rechtsmittels.

In Bezug auf den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Vaters des Beschwerdeführers, dessen Angaben im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde und des Umstandes, wonach dieses sich nunmehr im Beschwerdestadium befindet, kann eine Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Familienzugehörigkeit insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser einen anderen Namen trägt und mehrere seiner nahen Angehörigen nach wie vor ohne Probleme in seiner Heimat leben, nicht angenommen werden.

Daraus ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung zu erwarten hat und dementsprechend kein Interesse am Weiterbestehen des Schutzes durch Österreich als Zufluchtsstaat gegeben ist. Dem gegenüber stehen jedoch die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers, wegen der von ihm ausgehenden Gefahr für die Gemeinschaft aufgrund des von ihm wiederholt gesetzten strafbaren Verhaltens, welche bei Weitem überwiegen. Dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einer privilegierten Schutzstellung als anerkannter Flüchtling würde sohin in einer Güterabwägung kein Vorzug zukommen.

3.4. Zur Aberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005:

§ 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 verweist auf Art. 1 Abschnitt C des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK). Gemäß Ziffer 5 der genannten Norm ist dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr anzuwenden, "wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgung zurückgehen, ablehnen."

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ziffer 5 ist eine wesentliche Änderung der Situation, also ein Wegfall der Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK und damit die Notwendigkeit einer Schutzgewährung. Dabei kann sich einerseits die Situation im Herkunftsland ändern, andererseits kann die Änderung auch die in der Person des Flüchtlings gelegenen Umstände umfassen. Gefordert ist lediglich ein Wegfall der asylrelevanten Verfolgungsgefahr.

Diese Bestimmung verleiht damit dem Grundsatz Ausdruck, dass die Gewährung von Asyl/internationalem Schutz lediglich der vorübergehenden Schutzgewährung, nicht aber der endgültigen Erlangung eines Aufenthaltstitels im Aufnahmestaat dienen soll. Bestehen somit die Umstände, aufgrund derer eine Person als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr und kann sie es daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen, so stellt auch dies einen Grund dar, den gewährten Status wieder abzuerkennen. Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist der Status eines/einer Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, das heißt bei Eintritt der Voraussetzungen muss eine Aberkennung durchgeführt werden.

Aus der obigen Beweiswürdigung ergibt sich, dass das Bundesverwaltungsgericht - ebenso wie das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid - zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vom Vorliegen einer für den Beschwerdeführer aktuell bestehenden Verfolgungsgefahr in dessen Herkunftsstaat ausgeht, da sich sowohl die allgemeine Situation als auch insbesondere die individuelle Situation der Familie des Beschwerdeführers verbessert haben.

Auch darf in diesem Zusammenhang aktuell nicht außer Betracht bleiben, dass es dem Beschwerdeführer auch möglich und zumutbar ist, sich außerhalb der Teilrepublik Tschetscheniens bei seinem Halbruder - dieser lebt nach seinen eigenen Angaben in "Russland" und bestehe zu diesem Kontakt - niederzulassen.

Die für die Ansehung als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK in der Vergangenheit angenommenen Umstände liegen aktuell sohin nicht (mehr) vor. "Triftige Gründe, welche auf frühere Verfolgung zurückgehen", worunter laut UNHCR etwa eine vorgelegene "außergewöhnlich menschenverachtende Verfolgung" zu verstehen ist (vgl. Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht [2007], Rz 147), sind gegenständlich ebenfalls nicht hervorgekommen. Es ergibt sich somit, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung zu erwarten hat und dementsprechend kein Interesse am Weiterbestehen des Schutzes durch Österreich als Zufluchtsstaat gegeben ist.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sind beim Beschwerdeführer daher insgesamt sowohl gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 gegeben, weswegen im Ergebnis die Aberkennung des Status des Asylberechtigten zu Recht erfolgte.

3.5. Wird einem/einer Fremden der Status des/der Asylberechtigten aberkannt, so ist dem/der Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des/der Fremden in seinen/ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn/sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde".

Nach § 8 Abs. 2 Asylgesetz 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden. Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (§ 8 Abs. 3 AsylG 2005).

§ 8 Abs. 3a AsylG 2005 sieht dazu ergänzend vor: "Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen ist, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist."

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ist der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten dann abzuerkennen, wenn "der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht."

Wie bereits oben ausgeführt wurde der Beschwerdeführer unter anderem wegen schweren, bewaffneten Raubes gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 2. Fall StGB rechtskräftig verurteilt. Im konkreten Fall liegt somit ein Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 vor.

Im gegenständlichen Fall kann jedoch auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat erkannt werden.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ergeben sich nach dem gepflogenen Ermittlungsverfahren keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat den hier relevanten Gefahren ausgesetzt wäre noch liegen "außergewöhnliche Umstände" (‚exceptional circumstances') im Sinne der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK vor, die eine Abschiebung aus anderen - etwa gesundheitlichen - Gründen unzulässig erscheinen lassen würden (vgl. zur diesbezüglich "hohen Eingriffsschwelle" [‚high threshold'] insbesondere EGMR 2. 5. 1997, D. v. The United Kingdom, Appl. 30.240/96; EGMR 7. 11. 2006, Ayegh v. Sweden, Appl. 4701/05; EGMR 27. 5. 2008, N. v. The United Kingdom, Appl. 26.565/05 bzw. VwGH 23. 9. 2009, 2007/01/0515).

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer auch über ein soziales Netzwerk in seinem Herkunftsstaat verfügt und es ihm weiters zumutbar und möglich ist, sich außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien, etwa bei seinem Halbbruder, niederzulassen.

Schließlich konnte auch nicht festgestellt werden, dass in Tschetschenien derzeit eine "extreme Gefahrenlage" (vgl. etwa VwGH 16. 4. 2002, 2000/20/0131) im Sinne einer dermaßen schlechten wirtschaftlichen oder allgemeinen (politischen) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe.

Eine reale Gefahr, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe drohen könnte, ist somit insgesamt nicht hervorgekommen, weswegen die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides herkunftstaatsbezogen ebenfalls abzuweisen war.

3.6. Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

§ 75 Abs. 20 AsylG 2005 lautet:

(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

§ 55 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Beim sogenannten "erweiterten Familienleben", zu Geschwistern, Onkeln, Tanten, usw. wird ein "effektives Familienleben" gefordert, das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder speziell engen, tatsächlich gelebten Banden zu äußern hat (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 343 f).

Darüber hinaus ist bei jeder Ausweisungsentscheidung zu prüfen, ob in das Privatleben der betroffenen Person eingegriffen wird, wobei der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass lediglich bei kurzen Inlandsaufenthalten kein Eingriff in das Privatleben erfolgt, sodass eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK entfallen kann.

Jeder Staat hat nach Völkerrecht und gemäß seinen vertraglichen Verpflichtungen die Befugnis, Einreise und Aufenthalt von Fremden in seinem Territorium zu regeln. Die Konvention garantiert Fremden nicht das Recht, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten (EGMR 31. 7. 2008, Omoregie and others v. Norway, Appl. 265/07; 28. 6. 2011, Nunez v. Norway, Appl. 55.597/09).

Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens im Gastland zugebracht hat oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8. 4. 2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4. 10. 2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98; 9. 10. 2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99; 16. 6. 2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00).

Der Beschwerdeführer befindet sich nunmehr seit insgesamt knapp elf Jahren im Bundesgebiet, wobei ihm ab April 2007 der Status eines Asylberechtigten zukam, sodass schon allein deshalb von einem relevanten Privat- und Familienleben im Hinblick auf Art. 8 EMRK auszugehen und eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlich ist, die nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund außergewöhnlicher Umstände insgesamt aber zu Lasten des Beschwerdeführers ausfällt.

Der ledige und kinderlose Beschwerdeführer hat in Österreich weder die Hauptschule noch eine sonstige Ausbildung abgeschlossen; auch die Führerscheinausbildung brach er ab. Während seines Aufenthaltes in Österreich wurde er fünfmal strafrechtlich verurteilt, wobei insgesamt unbedingte Freiheitsstrafen in der Höhe von drei Jahren und elf Monate verhängt wurden, wodurch auch das Familienleben des nunmehr volljährigen Beschwerdeführers zu seinen Eltern und Geschwistern eingeschränkt ist; derzeit befindet sich der Beschwerdeführer in Strafhaft.

In seiner Entscheidung vom 12. Juni 2012, Bajsultanov gg. Österreich, 54.131/10, die eine Asylaberkennung betraf, hielt der EGMR fest, dass für die Frage, ob die Ausweisung verhältnismäßig ist, insbesondere auf die Art und Schwere der begangenen Straftat, die Dauer des Aufenthaltes, die seit der Straftaten verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit, die Nationalität der betroffenen Personen und die familiäre Situation, wie etwa die Dauer der Ehe, eingegangen werden muss. Weiters sei zu beachten, ob die Gattin vor der Familiengründung über die Straftaten Bescheid wusste, ob es Kinder aus der Ehe gibt, wie alt diese sind und ob es möglich sei, dem Beschwerdeführer in sein Heimatland zu folgen. Zudem seien die Interessen und das Wohl der Kinder zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der vom ledigen und kinderlosen Beschwerdeführer begangenen Straftaten ist in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf die Ausführungen zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten neuerlich festzuhalten, dass diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes objektiv und subjektiv verwerflich sind.

Einer Rückkehrentscheidung steht auch nicht entgegen, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Einreise nach Österreich durchgehend legal - zunächst aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber - im österreichischen Bundesgebiet befindet. Diesbezüglich ist insbesondere auf die Entscheidung des EGMR zu verweisen, in welcher dieser keine Verletzung der in Art. 8 EMRK geschützten Rechte durch die Ausweisung eines Fremden erblickt hat, der sich seit seiner Geburt im Aufenthaltsstaat aufgehalten hatte, in weiterer Folge aber wegen schwerer Gewaltverbrechen (die er zum Teil vor, zum Teil nach Erreichung der Volljährigkeit begangen hat) verurteilt wurde. Dass er nach der letzten Verurteilung nicht wieder straffällig geworden ist, sei darauf zurückzuführen, dass er sich zum Teil in Haft befunden, zum Teil aber auch in seinem Heimatstaat aufgehalten hatte. Zudem beherrsche er auch die Sprache seines Heimatstaates, wo auch Verwandte von ihm leben (Mutlag gg. Deutschland, 25. 3. 2010, 40.601/05, Rz 55ff.). Wenn sogar die Ausweisung eines wiederholt straffällig gewordenen Fremden, der sich seit seiner Geburt im Aufenthaltsstaat aufgehalten hat, iSd Art. 8 EMRK gerechtfertigt ist, so muss dies umso mehr für den Fall des Beschwerdeführers gelten, der seine frühe Kindheit in seinem Herkunftsstaat verbracht hat, dort die Grundschule besucht hat und mit den dortigen Gepflogenheiten und der Sprache vertraut ist.

In diesem Zusammenhang wird auch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1995, 95/18/0061, verwiesen, in welchen der VwGH ausdrücklich ausgeführt hat, dass das wiederholte Fehlverhalten des Fremden (im damals vom VwGH beurteilten Verfahren waren dies die Delikte des Einbruchsdiebstahles und der Hehlerei) eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit bewirkt und derart schwerwiegend ist, dass auch die stark ausgeprägten privaten und familiären Interessen des Fremden, der mit seiner Familie, Gattin und Kindern, seit fünfzehn Jahren in Österreich lebte, zurücktreten müssen (vgl. auch VwGH 8. 2. 1996, 95/18/0009).

Nachdem ihm mit mündlich verkündetem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates im Jahre 2007 Asyl gewährt worden war, musste der Beschwerdeführer daher zwar nicht mehr mit der jederzeitigen Möglichkeit einer Aufenthaltsbeendigung rechnen, wie der EGMR jedoch zusammenfassend bereits mehrmals aussprach, gibt es selbst für langjährig niedergelassene Fremde bzw. auch Fremde, die im Gastland geboren wurden, keinen absoluten Ausweisungsschutz nach Art. 8 EMRK (EGMR 18. 10. 2006, ÜNER gg. die Niederlande, Appl. 46.410/99; 28. 6. 2007, KAYA gg. Deutschland, Appl. 31.753/02; 23. 6. 2008, Maslov gg. Österreich, Appl. 1.638/03; 25. 3. 2010, Mutlag gg. Deutschland, Appl. 40.601/05), da auch bei solchen Personen die Schranke des Art. 8 Abs. 2 EMRK anwendbar ist (Falk Fritzsch, "Die Auswirkungen des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens auf Ausweisungen und andere Rückführungsentscheidungen", ZAR 9/2011, S. 301 f.)

Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeitsprüfung bezüglich des Eingriffes in das Privat- und Familienleben aufgrund von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eine Reihe von Kriterien entwickelt, die abwägend zu berücksichtigen sind, insbesondere bei Aufenthaltsbeendigungen als Folge strafbarer Handlungen.

Für rechtmäßig im Aufenthaltsstaat niedergelassene Fremde (‚settled migrants') finden dabei regelmäßig die in der Rechtssache Boultif gg. die Schweiz vom 2. August 2001 aufgestellten und in weiteren Entscheidungen jeweils präzisierten und ergänzten Kriterien (vgl. etwa EGMR 18. 10. 2006, ÜNER gg. die Niederlande, Appl. 46.410/99 bzw. 23. 6. 2008, Maslov gg. Österreich, Appl. 1.638/03) Anwendung.

Im Zusammenhang mit dem Privatleben sei dabei - so der EGMR - insbesondere auf die Art und Schwere der begangenen Straftat, die Dauer des Aufenthaltes in jenem Staat, aus dem der Fremde ausgewiesen werden soll, die seit Begehung der Tag verstrichene Zeitspanne und das Verhalten des Fremden in dieser Zeit sowie das Ausmaß sozialer, kultureller und familiärer Beziehungen zum Aufenthalts- sowie zum Herkunftsstaat abzustellen.

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt schon mehrere Jahre lang nicht mehr in seiner Heimat gewesen ist, dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass dieser dort aufgewachsen ist und die Schule besucht hat. Der Beschwerdeführer beherrscht nach wie vor Tschetschenisch (Muttersprache), sodass seine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an keiner Sprachbarriere scheitern würden und von diesem Gesichtspunkt her möglich und zumutbar erscheinen. Es kann somit weder gesagt werden, dass der Beschwerdeführer "entwurzelt" wäre noch dass er sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zu Recht finden würde. Zudem leben - wie bereits erwähnt - noch mehrere seiner Verwandten im Herkunftsstaat, die ihn nach seiner Rückkehr unterstützen könnten. In Österreich ist der Beschwerdeführer weder in Vereinen aktiv tätig noch geht er regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nach, ist somit nicht selbsterhaltungsfähig.

Abschließend ist festzuhalten, dass - unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - auch generalpräventive Erwägungen im Rahmen des Art. 8 EMRK zulässig sind, umso mehr als die Straftaten des Betroffenen besonders schwer wiegen und ein dringendes Bedürfnis besteht, durch eine Ausweisung Andere von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (vgl. zur generalpräventiven Ausweisung: Fritzsch, Die Auswirkungen des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens auf Ausweisungen und andere Rückführungsentscheidungen, ZAR 9/2011, 302, mit Hinweis auf EGMR 6. 12. 2007, Chair gg. Deutschland, Appl. 69.735/01; EGMR 25. 3. 2010, Mutlag gg. Deutschland, Appl. 40.601/05; EGMR 28. 6. 2011, Nunez gg. Norwegen, Appl. 55.597/09, Rn 71).

Das Interesse der Republik Österreich an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Asylwesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes durch Vermeidung unkontrollierter Zuwanderung sowie der Verhinderung allfälliger weiterer strafbarer Handlungen wiegt im gegenständlichen Fall schwerer als das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet und ist der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers somit gerechtfertigt.

Da somit nach Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes eine Rückkehrentscheidung betreffend den Beschwerdeführer in Bezug auf die Russische Föderation bzw. Tschetschenien nicht dauerhaft unzulässig ist, ist das Verfahren an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen. Die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung sind für das Bundesamt jedoch nicht bindend.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG erweist sich insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall ausschließlich tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung. Auch ist die im gegenständlichen Fall maßgebende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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