B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W122.1435149.1.00
Spruch:
W122 1435149-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger Afghanistans, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.04.2013, Zl. 12 04.264-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 in der geltenden Fassung als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Verfahren vor dem Bundesasylamt:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am XXXX2012 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes (Asylantrag).
Im Zuge der am selben Tag von einem Organ der Polizeiinspektion Heiligenkreuz-L AGM durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgrünen an, vor ca. zwei Jahren hätten "die drei Taliban den Schwiegersohn getötet. Wir erstatteten Anzeige bei der Polizei. Die Polizei hatte einen der drei Täter festgenommen und die anderen zwei Personen sind flüchtig. Danach kamen die zwei Taliban und bedrohten mich und meinen Vater mit dem Umbringen. Damals flüchteten wir mit der ganzen Familie nach Iran. Jetzt wollen die iranischen Behörden mich nach Afghanistan zurückschicken. Ich kann nicht nach Afghanistan zurückfahren, weil mein Leben dort in Gefahr ist. Deshalb musste ich nach Österreich kommen."
Am 28.01.2013 wurde der Beschwerdeführer von einem Organ des Bundesasylamtes in Anwesenheit eines Dolmetschers für Dari zu seinem Antrag niederschrifltich einvernommen. Der Beschwerdeführer hielt seine bisherigen Angaben aufrecht. Er könne keine Beweismittel vorlegen und hätte keine Dokumente. Im Alter von 2-3 Jahren sei der Beschwerdeführer mit dem Vater und der Frau seines Bruders von seinem Geburtsort in den Iran gezogen. Die Mutter sei in Afghanistan zurückgeblieben. In seinem Geburtsort habe es Probleme wegen der Grundstücke gegeben. Es habe Leute gegeben, welche die Grundstücke haben hätten wollen. Deshalb habe der Vater die Grundstücke verkauft und sie seien nach XXXX in Afghanistan gezogen. Der Vater wäre dort sechs bis sieben Jahre lang aufhältig gewesen, nachdem er den Beschwerdeführer in den Iran brachte. Im Alter von 13 Jahren sei der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben worden und habe sich bei seiner Familie in XXXX aufgehalten. Nach ca. acht bis zehn Monaten Aufenthalt in Afghanistan sei der Beschwerdeführer mit seinen Eltern, einem Bruder und einer Schwester zu seinem Bruder in den Iran gezogen. Eine verheiratete Schwester sei in Afghanistan in der Provinz Ghazni geblieben. Der Mann einer weiteren Schwester sei bei der Polizei beschäftigt gewesen und deshalb von den Taliban getötet worden. Dies sei drei bis vier Monate nach der Rückkehr nach Afghanistan geschehen. Nach weiteren drei bis vier Monaten nach dem Tod des Mannes einer Schwester des Beschwerdeführers sei der Beschwerdeführer mit seinem Vater mit einem Minibus nach Kabul gefahren. In dem Bus seien drei Personen der Talibangruppe gewesen. In Kabul habe der Vater diese der Polizei angezeigt und einer der drei Personen wurde danach verhaftet. Es sei bekannt gewesen, dass diese Personen den Mann der Schwester des Beschwerdeführers getötet hätten. Auf den Vorhalt, dass der Beschwerdeführer dies nicht gesehen hätte, antwortete dieser, dass diese Personen der Talibangruppe angehört hätten und diese den Mann seiner Schwester getötet hätten. In Kabul seien der Vater und er zur Polizei gegangen. Die Polizei wäre in der Nähe der Haltestelle gewesen und so konnte einer der drei Taliban verhaftet werden. Auf die Frage, warum dieser verhaftet worden sei, antwortete der Beschwerdeführer:
"Als die Polizei diese gesehen hat, haben diese begonnen wegzulaufen und so waren diese verdächtig." Die Talibanangehörigen hätten gesehen, wie der Vater des Beschwerdeführers und er Anzeige erstattet haben. Der Beschwerdeführer und sein Vater hätten sich drei bis vier Tage in Kabul aufgehalten, da der Vater krank gewesen sei. Die beiden geflüchteten Taliban hätten am Heimatort die Mutter und Schwester des Beschwerdeführers bedroht und angekündigt, dass der Beschwerdeführer und sein Vater getötet werden würden. Zwei Tage nach der Rückkehr in den Heimatort seien die Taliban mit einem Auto vorgefahren und der Vater habe dieses erkannt und sich mit seinem Sohn, dem Beschwerdeführer in einem im Haus gelegenen Mehllager versteckt. Die Talibanangehörigen hätten erneut gedroht, den Beschwerdeführer und seinen Vater zu töten. Am nächsten Tag hätte der Vater seine Mutter beauftragt, ein Auto zu organisieren und mit diesem seien sie in den Iran geflüchtet. Die in Afghanistan gebliebene Schwester sei nicht gefährdet, da die Taliban Frauen meistens in Ruhe lassen würden. Die Eltern des Beschwerdeführers würden sich im Iran aufhalten und würden den Beschwerdeführer nicht unterstützen können, da diese selbst nicht viel hätten.
2. Der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes:
Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 26.04.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung internationalen Schutzes bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), stellte aber in der Folge fest, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zukomme (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).
Das Bundesasylamt stützte seine Entscheidung auf umfangreiche länderkundliche Länderfeststellungen. Beweiswürdigend führte es im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Afghanistan nicht glaubhaft machen konnte. Während zuerst Grundstücksstreitigkeiten vorgebracht worden seien, seien in der Folge mehrere Todesdrohungen durch die Taliban ausgesprochen worden. Es sei nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer und sein Vater nach der ersten Drohung aus Kabul in ihren Heimatort zurückgekehrt wären und sich dort für zwei Tage aufgehalten hätten. Jede Person, die Todesangst habe, würde jeden Ort meiden, in dem diese gefährdet sein könnte. Es bestünde der Verdacht, dass der Beschwerdeführer aus wirtschaftlichen Gründen sein Heimatland verlassen habe.
Der Beschwerdeführer sei in seinem Heimatland von keinen staatlichen Organen verfolgt worden und es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er im Falle seiner Rückkehr eine solche zu erwarten hätte. Wirtschaftliche Gründe würden nicht als Begründung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden.
Am 26.04.2013 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesasylamt gemäß § 66 Abs. 1 AsylG 2005 ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof beigegeben.
3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Der Beschwerdeführer erhob gegen den am 02.05.2013 übernommenen Bescheid am 14.05.2013 vertreten durch die Caritas Graz Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes infolge wesentlicher Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
Die Behörde habe den Grundsätzen der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes und Bewahrung des Parteiengehörs nicht entsprochen. Bei einem entsprechenden Ermittlungsverfahren wäre die Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen und hätte den Beschwerdeführer Asyl gewährt. Die Angaben hinsichtlich seines Vorbringens hätte die Behörde als weder plausibel noch nachvollziehbar gewürdigt. Wenn die Behörde es für nicht glaubhaft erachte, dass der Vater zuerst gemeinsam mit dem Beschwerdeführer in den Iran floh und dann trotz der Bedrohungen aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten wieder zurück nach Afghanistan kehrte, verkenne die Behörde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit der Frau seines im Iran lebenden Bruders von seinem Vater lediglich zu diesem Bruder gebracht worden wäre. Der Vater sei der Meinung gewesen, dass der Beschwerdeführer bei seinem Bruder und dessen Frau in Sicherheit aufwachsen könne, hätte jedoch nicht geplant, Afghanistan dauerhaft zu verlassen. Die Grundstücksstreitigkeiten hätten sich erst nach der Ausreise des Beschwerdeführers in den Iran ereignet. Die Grundstücksstreitigkeiten seien nicht der Fluchtgrund gewesen. Zur Abwesenheit bei dem Mord an seinem Schwager führte der Beschwerdeführer aus, dass der Schwager als Polizist arbeitete und aus diesem Grund in den Fokus der Taliban gekommen sei. Dies habe sich in Drohungen der Taliban geäußert, weshalb es sämtlichen Familienangehörigen unzweifelhaft erschien, dass der Anschlag auf den Schwager des Beschwerdeführers von den Taliban verübt worden sei. Es wäre bekannt, dass die Taliban Bedienstete der Regierung im Allgemeinen und Polizisten im Besonderen stark verfolgen würden. Der Vater hätte in Kabul nicht ausgesagt, dass die drei Männer der Taliban den Mann seiner Tochter umgebracht hätten, sondern dass die drei Männer Angehörige der Taliban seien. Hätten diese zuvor nicht seinen Schwiegersohn ermordet, so hätte er die drei Männer vermutlich nicht verraten.
Zur mangelnden Nachvollziehbarkeit, dass der Beschwerdeführer und sein Vater wieder in das Heimatdorf zurückgekehrt sind, nachdem sie zuvor von der Mutter des Beschwerdeführers erfahren hatten, dass die Taliban nach ihnen suchen würden, führte der Beschwerdeführer aus, dass sie zwar in großer Sorge gewesen seien, der Vater des Beschwerdeführers jedoch nicht ohne weiteres sein gesamtes Hab und Gut zurücklassen wollte. Er habe gehofft, dass es die Taliban bei einer Bedrohung belassen würden. Erst nachdem diese das Haus der Familie erneut aufsuchten um den Beschwerdeführer und seinen Vater zu finden, sei auch dem Vater des Beschwerdeführers klar gewesen, dass sie in tödlicher Gefahr schweben würden, weshalb sie sofort in den Iran flohen.
Es sei der Behörde nicht gelungen, den Sachverhalt richtig zu erfassen und sich in ausreichendem Ausmaß mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, weshalb das Vorgehen der Behörde grob mangelhaft wäre.
Im Rahmen der Beweiswürdigung habe die Behörde einen der Minderjährigkeit entsprechenden Maßstab anzulegen.
Ein zeitgemäßes und kindgerechtes Verständnis von Verfolgung schließe viele Arten von Menschenrechtsverletzungen ein. Es sei unerlässlich, die Standards der KRK (gemeint wohl: Übereinkommen über die Rechte des Kindes) und anderer auf Kinder anwendbarer internationaler Menschenrechtsinstrumente zu analysieren. Kinder hätten Anspruch auf eine ganze Reihe von in der KRK festgeschriebenen, kinderspezifischen Rechten, die ihrem jungem Alter und ihrer Abhängigkeit Rechnung tragen und die Grundvoraussetzung für ihren Schutz, ihre Entwicklung und ihr Überleben bilden würden. Zu diesen Rechten würden unter anderem folgende zählen: Das Recht, nicht von den Eltern getrennt zu werden (Art. 9), Schutz vor jeder Form vor körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Misshandlung, Vernachlässigung und Ausbeutung (Art. 19), Schutz vor überlieferten Bräuchen, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind (Art. 24), das Recht auf einen der Entwicklung des Kindes angemessenen Lebensstandard (Art. 27). Es müsse das Fehlen eines adäquaten staatlichen Hilfssystems auf eine asylrelevante Verfolgung geprüft werden. Es handle sich beim Beschwerdeführer um eine besonders vulnerable Person. Der Schutz unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge gehöre zu den positiven Verpflichtungen der Staaten aus Art. 3 EMRK. Der Beschwerdeführer zitiert das Erkenntnis vom 10.02.2011 des Asylgerichtshofes (Zl. C17 415.708/1/2010/3E). Hiernach mache es keinen Unterscheid, ob der Beschwerdeführer aufgrund staatlicher Verfolgung oder aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit drohe. Verfolgungshandlungen durch Private würden asylrelevant sein, wenn der Staat schutzunfähig bzw. schutzunwillig wäre.
Ein fehlender staatlicher Schutz müsse ausgeglichen werden. Der Beschwerdeführer beantragt die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
Weiters beantragte der Beschwerdeführer, der Beschwerde gemäß § 3 AsylG 2005 Folge zu geben und ihm Asyl zu gewähren, in eventu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesasylamt zurückzuverweisen, eine Verhandlung vor dem Asylgerichtshof (nunmehr Bundesverwaltungsgericht) anzuberaumen.
Aufgrund eines Abschlussberichtes der Polizeiinspektion Karlauer Straße in Graz vom 04.03.2014 wäre der Beschwerdeführer verdächtig, das Vergehen des § 164 StGB (Hehlerei) mit einem gestohlenen Handy begangen zu haben.
Am 28.08.2014 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt.
Dabei machte er genaue Angaben über seine Arbeits- und Wohnsituation im Iran vor seiner Abschiebung nach Afghanistan.
Zu den Grundstücksproblemen gab der Beschwerdeführer an: "In Afghanistan haben viele Grundbesitzer keine Urkunden über ihre Grundstücke. Auch mein Vater hatte keine Urkunde, aber seine Grundstücke hatte er von seinem Vater geerbt. Eine andere Person behauptete, dass unsere Grundstücke ihm gehören würden. Warum er das behauptet hat, weiß ich nicht."
Über das Verbringen in den Iran im Kleinkindalter gab der Beschwerdeführer an: "Ich weiß es nicht, vielleicht hat er sich gedacht, dass es mir im Iran besser gehen würde, weil mein Bruder im Iran gearbeitet hat."
Auf die Frage über das zweite Verlassen Afghanistans gab der Beschwerdeführer an: "Auf Grund meines illegalen Aufenthaltes drohte mir erneut nach Afghanistan abgeschoben zu werden und im Iran kann man nicht um Asyl ansuchen. In Afghanistan ist auch die Sicherheitslage sehr schlecht. Ich konnte auch nicht dorthin zurückkehren, deshalb musste in Iran in Richtung Europa verlassen."
Zu der Fahrt mit dem Bus, dem Verrat der Taliban an die Polizei bei der Bushaltestelle in Kabul und dem Abend vor der Flucht wurde in der Verhandlung erörtert:
VR: Wie lange hat die Fahrt gedauert von XXXX nach Kabul?
BF: Circa fünf bis fünfeinhalb Stunden.
VR: Wie viele Personen waren in diesem Fahrzeug?
BF: Circa 20 oder etwas mehr.
VR: Wie oft sind Sie stehen geblieben während dieser fünf Stunden?
BF: Fünf oder sechsmal zum Ein- und Aussteigen.
VR: Waren auch Frauen in dem Fahrzeug?
BF: Nein.
VR: War das ein Bus einer Verkehrsunternehmung?
BF: Das war ein Kleinbus, das gehörte jemanden. Es war keine Firma. Dieser hat die Reisenden hin und hertransportiert.
VR: Von wo ist dieser Bus weggefahren?
BF: Wir sind in XXXX in diesen Bus eingestiegen.
VR: Von wo ist der Bus losgefahren?
BF: Ich weiß es nicht genau. Es sind mehrere Ortschaften dort. Ich weiß nicht von wo er losgefahren ist.
VR: Wie viele Menschen waren in dem Bus als Sie eingestiegen sind?
BF: Circa 10 oder 11 Personen.
VR: Haben Sie eine Fahrkarte gekauft?
BF: Nein, man zahlt in bar.
VR: Wann sind die drei Taliban eingestiegen?
BF: Die sind erst ca. fünf Minuten nachdem wir gefahren sind, eingestiegen.
VR: Wissen Sie in welchem Ort das war?
BF: Sie waren aus unserer Ortschaft, mein Vater hat sie gekannt.
VR: In welchem Ort sind die Taliban eingestiegen?
BF: Das war ein Land wie ein Niemandsland, aber es gehörte zu XXXX.
VR: Haben Sie selbst die drei als Taliban erkannt?
BF: Nein, ich habe sie nicht gekannt.
VR: Wann war Ihnen persönlich bewusst, dass es sich um Taliban handelte?
BF: Als wir in Kabul aus dem Bus ausgestiegen sind, sagte mir mein Vater, dass diese Personen Taliban sind und wir die Polizei verständigen sollten.
VR: Was geschah danach?
BF: Als wir das den Polizisten gesagt haben, die Polizisten standen ca. 20 Meter vom Bus entfernt. Als wir zu den Polizisten gegangen sind haben sie uns gesehen. Sie versuchten zu fliehen. Zwei von den Taliban waren etwas jünger, sie konnten fliehen, aber ein dritter, der etwas älter war, wurde von der Polizei erwischt.
VR: Was ist mit dem älteren Taliban passiert?
BF: Die Polizisten haben ihn ins Polizeiauto gesetzt. Ich weiß nicht mehr was mit ihm passiert ist.
VR: Wie weit entfernt waren Sie, als die Polizisten ihn ins Polizeiauto gesetzt haben?
BF: Vielleicht sechs oder sieben Meter. Nachdem wir den Polizisten das gesagt haben und sie versucht haben, diese festzunehmen und dabei die zwei jüngeren entwischt sind und der ältere erwischt wurde und nachdem ich gesehen habe wie er ins Polizeiauto gesetzt wurde, sind wir weggegangen.
VR: Wer ist zuerst ausgestiegen, Sie oder die Taliban?
BF: Wir.
VR: Wie viele Menschen waren vor dem Bus? War es eine belebte Straße?
BF: Dort waren viele Leute.
VR: Wenn Sie ausgestiegen sind aus dem Bus, wo war da die Polizei, links, rechts oder gerade?
BF: Rechts.
VR: Haben Sie sich umgedreht, als Sie zur Polizei gegangen sind?
BF: Nein, wir sind direkt zu den Polizisten gegangen.
VR: Hätte es sein können, dass die Taliban gar nicht ausgestiegen sind?
BF: Ja, möglich wäre, dass die im Bus bleiben könnten, aber dort war die Endstation. Der Bus ist nicht weitergefahren, es mussten alle aussteigen.
VR: Wie viele Menschen befanden sich im Umkreis von 20 Metern rund um den Bus herum?
BF: Vielleicht 20 oder 30 Personen.
VR: Wie viele Menschen waren zuletzt im Bus als Sie in Kabul ankamen?
BF: Vielleicht 20 oder etwas mehr.
VR: Wie hat Ihr Vater den Polizisten beschrieben um wen es sich bei den Taliban handelt?
BF: Mein Vater sagte den Polizisten, dass da Taliban sind. Als die Polizisten hingeschaut haben und die Polizisten sie gesehen haben, sind sie davongelaufen.
VR: Wie weit waren die Taliban zu diesem Zeitpunkt von den Polizisten entfernt?
BF: Sie sind grade aus dem Bus ausgestiegen, haben sie uns gesehen, dann sind sie geflüchtet.
VR: Wie viele Menschen waren zwischen Ihnen und den aussteigenden Taliban?
BF: Drei oder vier Personen.
VR: Wissen Sie noch was die Taliban anhatten?
BF: Sie haben afghanisches Kleid, das heißt Perahan Tonban getragen. Es war schwarz und braun.
VR: Kannte Ihr Vater die Taliban persönlich?
BF: Ja, diese lebten auch in unserem Gebiet und mein Vater kannte sie.
VR: Was haben diese in Ihrem Gebiet gemacht?
BF: Sie haben die Leute belästigt und manchmal trugen sie auch Waffen und machten das Leben der anderen Leute schwer. Manchmal zwangen sie Leute, beten zu gehen.
VR: Haben Sie persönlich diese Taliban in Ihrem Gebiet gesehen?
BF: Ich bin nicht oft weit weggegangen. Ich war immer in der Nähe unseres Hauses oder war ich auf den Feldern. Ich habe sie persönlich gar nicht gesehen.
VR: Wer hat Ihnen von den Taliban in Ihrer Gegend das erste Mal erzählt?
BF: Man brauchte mir nicht von den Taliban erzählen. Die Taliban herrschten dort bzw. kontrollierten diese Gebiete und waren dort.
VR: Hatten die drei Taliban etwas anderes an, als die Menschen, die rund um den Bus standen?
BF: Nein, sie haben dasselbe angehabt. Vielleicht war ihr Kleid schmutziger.
VR: Wie lange hat es gedauert, bis die Polizisten den Einen geschnappt haben?
BF: Es hat nicht so lange gedauert. Als sie weggelaufen sind, dauerte es ca. 10 oder 15 Sekunden und die Polizisten haben dann den Einen geschnappt.
VR: Ist dieser Eine nicht davongelaufen?
BF: Doch, er versuchte auch davonzulaufen, doch er war alt und schwach.
VR: Wie weit ist er gekommen?
BF: Circa sechs oder sieben Meter.
VR: Das hieße aber, dass die Polizisten dreimal so schnell gelaufen sind, wie der eine Taleb?
BF: Die Polizisten waren sehr schnell.
VR: Hatten die Polizisten Handschellen dabei?
BF: Ja.
VR: Sind Sie und Ihr Vater auch hingelaufen?
BF: Nein, wir sind dort bei den Polizisten gewesen.
VR: Wann sind Sie näher hingegangen?
BF: Wir waren dort wo wir den Polizisten davon gesagt haben. Wir haben uns nicht bewegt, wir waren dort. Als die Polizisten ihnen nachgelaufen sind und den Einen erwischt haben und ihn ins Auto gesetzt haben, sind wir weggegangen.
VR: Sie haben gesagt, die Polizei war 20 Meter weit rechts. Der Taleb ist ca. 7 Meter nach links gelaufen, das heißt, Sie waren ca. 20 bis 30 Meter entfernt, als der Taleb festgenommen wurde. Stimmt das?
BF: Bei seiner Festnahme, passt ungefähr.
VR: Vorhin haben Sie gesagt als er ins Auto gesetzt wurde, waren Sie weniger als 10 Meter daran.
BF: Ich habe von 10 Meter Entfernung nicht gesprochen. Ich habe nur gesagt, dass wir zu den Polizisten gegangen sind und wir gesagt haben, dass dort Taliban sind.
VR: Ich lese Ihnen einen Auszug aus dem heutigen Protokoll vor. "VR:
Wie weit entfernt waren Sie, als die Polizisten ihn ins Polizeiauto gesetzt haben?
BF: Vielleicht sechs oder sieben Meter."
BF: Gemeint habe ich, dass dieser sechs bis sieben Meter vom Bus weggelaufen ist.
VR: Hatten Sie eine Kopfbedeckung auf?
BF: Nein, weder wir noch die Taliban.
VR: War es heiß an diesem Tag?
BF: Es war nicht sehr warm, es war aber sonnig.
VR: Ist es normal, dass niemand eine Kopfbedeckung trägt?
BF: Früher hat man das getragen, aber jetzt muss man nicht tragen. Wer möchte kann was tragen.
VR: Warum sind die Taliban weggelaufen?
BF: Aus Angst sind sie geflohen. Als wir zu den Polizisten gegangen sind und sie uns dabei gesehen haben, aus Angst sind sie geflohen.
VR: Was glauben Sie wo die Taliban gewesen sind, als Sie zu den Polizisten gegangen sind?
BF: Als wir den Polizisten das gesagt haben, sind sie gerade aus dem Bus gestiegen. Als sie uns gesehen haben und die Polizisten sie gesehen haben, sind sie geflohen.
VR: Ich frage noch einmal Was glauben Sie wo die Taliban gewesen sind, als Sie zu den Polizisten gegangen sind?
BF: Als wir zu den Polizisten hingegangen sind, haben wir uns nicht gedreht und nicht nach hinten geschaut. Es kann sein, dass sie noch im Bus waren. Als wir bei den Polizisten waren und ihnen erzählt haben und hingeschaut haben, sind sie gerade aus dem Bus ausgestiegen.
VR: Der letzte Satz, den Sie gerade gesagt haben bedeutet, dass die Taliban während Sie zu den Polizisten gegangen sind noch im Bus waren?
BF: Wie gesagt, wir haben nicht hingeschaut. Es kann sein, dass sie uns aus dem Bus aus beobachtet haben oder dass sie im Bus waren, das kann ich nicht sagen.
VR: Haben Sie mit den Taliban auf der Busfahrt gesprochen?
BF: Nein, auch mein Vater nicht.
VR: Haben Sie sich besonders angeschaut?
BF: Wir haben sie beim Einsteigen in den Bus gesehen. Sie sind ganz nach hinten gegangen und haben dort Platz genommen. Ob sie uns gesehen haben oder nicht, kann ich nicht sagen, aber mein Vater hat sie gesehen.
VR: Hatten Sie und Ihr Vater irgendein anderes Naheverhältnis zu den Taliban als alle anderen 30 Personen, die sich im Umkreis von 20 Metern rund um den Bus befanden?
BF: Wir hatten keine Verhältnisse und auch keine Kontakte zueinander. Mein Vater kannte sie und deshalb ist er zu den Polizisten gegangen.
VR: Wie nahe an den Polizisten standen Sie, als Ihr Vater mit den Polizisten gesprochen hat?
BF: Ich war nahe.
VR: Wie nahe?
BF: Vielleicht einen halben Meter.
VR: Dahinter, auf der Seite oder davor?
BF: Circa so wie der Vertreter der Caritas.
VR: Wie viele Personen sind schon ausgestiegen gewesen, als Sie hingedeutet haben zu den Taliban?
BF: Ich weiß es nicht, vielleicht sind alle ausgestiegen, die Taliban saßen ganz hinten. Ich kann das nicht sagen. Es hat eine Weile gedauert bis wir vom Bus zu den Polizisten gegangen sind.
VR: Erinnern Sie sich an diesen Moment als die Taliban ausgestiegen sind und Sie dorthin gedeutet haben?
BF: Ja.
VR gibt dem BF eine Skizze mit einem Rechteck und einem Kreis der einen Radius von 20 Metern um den Bus symbolisiert und ersucht den BF sich, seinen Vater und die Polizisten mit einem Kreis einzuzeichnen, zu dem Moment als die Taliban aus dem Bus ausgestiegen sind und sie auf diese deuteten. Diese Skizze wird als Beilage A zum Akt genommen. Weiters übergibt VR dem Vertreter des BF die aktuellsten Zusammenfassungen über Feststellungen über den Herkunftsstaat Afghanistan und der Vertreter verzichtet auf eine Abgabe einer Stellungnahme zu diesem Dokument.
VR: Wie viele Polizisten sind den Taliban nachgelaufen?
BF: Drei.
VR: Was wissen Sie über den ersten Besuch der Taliban im Haus Ihrer Eltern?
BF: Am nächsten Tag haben wir zu Hause angerufen und wollten wissen, wie es unserer Familie geht. Sie haben uns mitgeteilt, dass die Taliban bei ihnen waren und nach uns gesucht haben. Sie drohten unserer Familie, dass sie uns umbringen werden, weil sie uns vorgeworfen haben, dass wir Spione seien.
VR: Wie viele Häuser gibt es im Gebiet dieser Talibangruppe?
BF: In unserem Dorf XXXX sind es ca. 40 oder 50 Häuser.
VR: Wie viele Dörfer umfasst das Gebiet dieser Talibangruppe?
BF: Die Taliban sind fast überall. In manchen Gegenden ist bekannt, dass dort Taliban sind, in manchen Gegenden ist es nicht bekannt, aber sie sind trotzdem dort.
VR: Wie groß ist die Talibangruppe die zuständig ist für Ihr Dorf XXXX?
BF: Ich kann das nicht sagen, da wir keinen Kontakt zu ihnen hatten, daher ist es sehr schwierig, das zu sagen. Ab und zu haben wir manche Taliban gesehen
VR: Wie viele verschiedene haben Sie ab und zu gesehen?
BF: Manchmal waren die Taliban zu zweit und manchmal auch zu dritt unterwegs.
VR: Immer die drei gleichen?
BF: Unterschiedliche Personen.
VR: Wie viele unterschiedliche Personen?
BF: In der Zeit, in der ich dort gewesen bin, habe ich ca. 40 verschiedene Taliban gesehen.
VR: Wissen alle 40 Taliban, wenn sie Sie sehen, wo Sie in XXXX wohnen?
BF: Das weiß ich nicht, aber mit großer Wahrscheinlichkeit wissen sie es, weil es dort nicht so viele Häuser gibt und die Leute kennen einander.
VR: Aber Sie kennen die Taliban nicht, haben Sie gesagt?
BF: Ich war dort kurze Zeit und ich bin auch spät hingegangen, deshalb kannte ich nicht so viele Leute dort.
Herr XXXX übernimmt nun als Schriftführer die Verhandlungsniederschrift und Frau XXXX verlässt sodann den Verhandlungssaal 21.
VR: Warum glauben Sie, dass Sie oder Ihr Vater von den Taliban erkannt wurde?
BF: Erstens, weil mein Vater lange Zeit in XXXX gelebt hat und diese Leute kannte. In Kabul, als sie uns bei den Polizisten gesehen haben, haben sie meinen Vater erkannt. Als sie zu den Polizisten hingeschaut haben und uns gesehen haben, haben sie uns erkannt.
VR: Ich stelle mir gerade vor, ein Talip und Mörder zu sein, der aus dem Bus aussteigt und plötzlich die Polizei sieht. Dann habe ich ehrlich gesagt keinen Kopf dafür, mich umzusehen, wer da noch herumsteht um die Polizei, da laufe ich doch sofort weg.
BF: Es ist dort nicht unüblich. Die Taliban sind auch in der Stadt überall. Sie sind auch bei der Armee. Solange die Taliban keine Waffen tragen, würden sie nicht so einfach erkannt werden, weil sie so gekleidet sind wie alle anderen.
VR: Wie oft haben Sie mit Ihrer Mutter telefoniert in diesen drei Tagen in Kabul?
BF: Ich habe selbst mit meiner Mutter nicht telefoniert. Mein Vater telefonierte sicher zwei oder drei Mal mit meiner Mutter.
VR: Wie lange waren Sie unbehelligt wieder in XXXX, bevor Sie geflüchtet sind?
BF: Als wir an dem Tag in XXXX angekommen sind, kamen am selben Abend die Taliban. Am nächsten Morgen bin ich dann geflohen.
VR: Wer ist mit Ihnen geflohen am nächsten Morgen?
BF: Wir alle. Meine Eltern, mein Bruder, meine Schwester und ich.
VR: Was haben Sie in der Nacht gemacht?
BF: Wir waren bis spät nachts alle wach, wir konnten nicht schlafen. Der eine hat geschlafen, der andere hat aufgepasst, so ist es gegangen bis es spät wurde. Zuletzt hat mein Vater aufgepasst.
VR: Welche Farbe hat das Fahrzeug der Taliban?
BF: Ich weiß es nicht, es war dunkel, es war in der Nacht. Ich habe nur mitbekommen, dass es die Taliban sind.
VR: Wann genau haben Sie mitbekommen, dass das die Taliban sind?
BF: Wir haben das Auto von der Entfernung gesehen, als sie sich näherten und mein Vater aus dem Fenster gesehen hat, hat er mir gesagt, dass dies die Taliban sind und wir uns verstecken sollen.
VR: Haben Sie Straßenlaternen vor dem Haus?
BF: Nein.
VR: Woran hat Ihr Vater erkannt, dass das die Taliban wären?
BF: Zu dieser Zeit fährt kein anderes Auto vorbei und diese Leute haben auch Paschtu gesprochen.
VR: Haben Sie diese Leute erkannt, die Gesichter?
BF: Nein. Als wir es merkten, dass es die Taliban waren, haben mein Vater und ich uns dort versteckt, wo Mehl gelagert wird.
VR: Sind Sie danach in Ihr Zimmer gegangen?
BF: Nachdem sie weggefahren sind, ca. 20 Minuten später, sind wir raufgegangen und haben aufgepasst.
VR: Wann ist die Entscheidung gefallen, dass Sie flüchten?
BF: Mein Vater hat dann in der Nacht sich dazu entschlossen, dass wir ein Auto besorgen sollten und von dort weggefahren.
VR: Woher hat er das Auto besorgt.
BF: Meine Mutter besorgte ein Auto, wo sie das besorgt hat, weiß ich nicht."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er hat Afghanistan bereits als Kleinkind verlassen, wurde im Alter von 13 Jahren vom Iran nach Afghanistan abgeschoben, habe sich in der Provinz Ghazni im Ort XXXX ca. 8 Monate aufgehalten und ist danach mit seiner Familie wieder in den Iran gezogen.
Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft. Er war nicht politisch aktiv und hatte auch sonst keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme in seinem Herkunftsstaat.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan
Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan decken sich mit dem Amtswissen des BVwG und fließen in die Entscheidung ein.
Sie gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.
Der Beschwerdeführer hat diese Feststellungen in seinen Einvernahmen nicht bestritten. Auch in den Eingaben seiner jeweiligen Vertreter wurden die Feststellungen der belangten Behörde aber nicht konkret bestritten, zumal dem BF ja gerade aufgrund der Lage in seinem Herkunftsstaat im Verein mit seiner konkreten individuellen Situation der Status als subsidiär Schutzberechtigter gewährt worden ist.
Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:
Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 13 Jahre nach dem Ende der Taliban-Herrschaft befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Anstrengungen, die zur Sicherung bisheriger Stabilisierungserfolge und zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der Bevölkerung beitragen, werden noch lange Zeit notwendig sein. Die Sicherheitsverantwortung für Afghanistan wurde 2013 vollständig durch die afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) übernommen. Die Bewertung der Sicherheitslage stützt sich auf eine Reihe von quantitativen und qualitativen Indikatoren, darunter die Anzahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle (SRZ). Dieser Indikator sank 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht. Die Erfassung der SRZ erfolgt mittlerweile jedoch im Wesentlichen durch die ANSF und kann kaum auf Verlässlichkeit überprüft werden. In den Wintermonaten 2013 und dem Beginn 2014 war keine wetterbedingte Abschwächung der Kampfhandlungen zu beobachten. Die Insurgenz hat auch 2013 gezeigt, dass sie in der Lage ist, hochwertige zivile und militärische Ziele anzugreifen. Dabei erzielt sie jedoch keine taktischen oder strategischen Erfolge, sondern erreicht über hohe Opferzahlen Medienaufmerksamkeit. Der UNAMA Halbjahresbericht 2013 über den Schutz von Zivilisten verzeichnet einen Anstieg von zivilen Opfern um 23 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Grund dafür sind der verstärkte Einsatz von improvisierten Sprengsätzen (IEDs) durch die Insurgenz und zivile Opfer bei Kampfhandlungen zwischen Insurgenz und ANSF.
Auf die Transition soll ein Jahrzehnt der Transformation (2015 - 2024) folgen, in dem Afghanistan sich zu einem voll funktionsfähigen und fiskalisch lebensfähigen Staat im Dienst seiner Bürger entwickelt. Dafür hat Afghanistan verstärkte eigene Anstrengungen zugesagt und im Gegenzug die Zusage langfristiger internationaler Unterstützung erhalten. Solange jedoch das Sicherheitsabkommen zwischen den USA und der afghanischen Regierung nicht zustande kommt, kann auch die Planung der ISAF- Folgemission (Resolute Support Mission, RSM) nicht abgeschlossen werden und bleiben regionaler und finanzieller Umfang der künftigen internationalen Unterstützung ungewiss. Zukunftsängste und Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Entwicklung des Landes sind in der Bevölkerung weit verbreitet.
Die Innenpolitik war in der zweiten Hälfte des Jahres 2013 von Wahlvorbereitungen geprägt. Anfang April 2014 werden in Afghanistan Präsidentschaftswahlen stattfinden, bei denen Präsident Karzai nicht erneut antreten kann. Die Kapazitäten der afghanischen Regierung und anderer wichtiger Institutionen sind größtenteils mit den Wahlvorbereitungen ausgelastet. Die mit der Registrierung verbundenen Rücktritte aus politischen Ämtern haben zu Bewegung innerhalb der Regierung geführt.
Im Hinblick auf die Qualität und Transparenz von Regierungsführung und Demokratie bleibt in Afghanistan noch viel zu tun. Das staatliche Gewaltmonopol wird weiterhin von Aufständischen und lokalen Milizen erodiert. Korruption und Patronagewirtschaft schränken die Verlässlichkeit politischer, sicherheitspolitischer und rechtsstaatlicher Institutionen ein und hemmen dadurch die zivile Entwicklung Afghanistans. Unzureichende personelle und administrative Kapazitäten der Regierung beeinträchtigen weiterhin vor allem die strategische Planung und Umsetzung von Politikvorhaben und Regierungsbudgets. Einzelne Fortschritte sind aber erkennbar. So wurde 2013 das Wahlgesetz reformiert.
Die Menschenrechtssituation in Afghanistan verbessert sich weiter, allerdings langsam. Die universellen Menschenrechte sind in der afghanischen Verfassung verankert, aber bei weitem noch nicht vollständig verwirklicht. Insbesondere die Situation von Frauen bleibt in der konservativ-islamischen Gesellschaft schwierig. Am 01.03.2014 wurde der Bericht zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen veröffentlicht. Der Umsetzungsbericht umfasst den Zeitraum von März 2012 bis März 2013. Es werden 4.505 Fälle von Gewalt gegen Frauen in 32 (von 34) Provinzen dargelegt. Auch die Situation von Frauen in den Sicherheitskräften, insbesondere in der Polizei, ist von Gewalt und inadäquaten Arbeitsbedingungen geprägt.
Das Justizsystem funktioniert nur sehr eingeschränkt. Eine einheitliche Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) ist nicht gegeben. Auch rechtsstaatliche (Verfahrens‑)Prinzipien werden längst noch nicht überall eingehalten. Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern durch mächtige Akteure verhindern Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems. Nachdem die Justizbehörden Afghanistans seit 2004 mit einer vorläufigen Strafprozessordnung operierten, liegt dem Parlament nun zumindest eine neue Strafprozessordnung zum Beschluss vor. Auch das Strafrecht selbst wird zurzeit überarbeitet. Die humanitäre Situation bleibt schwierig. Neben der Versorgung der vielen Rückkehrer und Binnenvertriebenen stellt v.a. die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten im Süden und Osten das Land vor große Herausforderungen.
Rückkehrer können vor allem dann auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
Das Ziel einer stabilen, rechtsstaatlich und demokratisch verfassten Gesellschaft, in der die Menschenrechte einschließlich der Rechte der Frauen und Kinder gewährleistet sind, ist noch nicht erreicht.
(Deutsches Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan" vom 31.03.2014, Zusammenfassung)
Ghazni
Die Provinz Ghazni bleibt eine der gewalttätigeren Gegenden des Landes. Im ersten Quartal des Jahres 2013 wurden 192 Vorfälle registriert. Damit haben sich die Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr um 100 Prozent erhöht. Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe.
(ANSO [Afghanistan NGO Safety Office]: Quarterly Data Report Q.1 2013, vom April 2013; New York Times: "Taliban Breach an International Base, Killing at Least" vom 28. August 2013).
Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle ausweiten. Ghazni ist ein bekannter Knotenpunkt für Taliban und al-Qaida. Es ist bekannt, dass hochrangige Taliban, al-Qaida und IMU Kommanders in der Provinz operieren.
(BBC: "Afghanistan's Nuristan province at mercy of the Taliban" vom 20. März 2013; The Long War Journal: "Taliban launch suicide assault on ISAF PRT in Ghazni" vom 28. August 2013)
Die Taliban töten Zivilisten und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.
(EASO: "Country of origin information report- Afghanistan Insurgent strategies - intimidation and targeted violence against Afghans" vom 2. Dezember 2012)
Im Berichtzeitraum gab es Widerstand gegen die Infiltrierung durch die Taliban. Dies wird als Zeichen gesehen, dass die Bevölkerung die Taliban ablehnt.
(Congressional Research Service: "Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy" vom 23. Oktober 2013).
Die Angriffe auf Frauen nehmen zu: Anfang August wurde eine Senatorin, Roh Gul Khairzad, von bewaffneten Angreifern in den Hinterhalt geführt. Bei dem Angriff wurden ihre Tochter und ihr Fahrer getötet (Security Council Report, 29. August 2013). Mitte August 2013 wurde eine Parlamentariern, Fariba Ahmadi Kakar, im Bezirk Ghazni von den Taliban entführt und einen Monat später durch die Vermittlung von Dorfältesten und Geistlichen im Austausch gegen fünf Taliban freigelassen.
(United Nations Security Council Report: "September 2013 Monthly Forecast" vom 29. August 2013; BBC News "Afghan MP Fariba Ahmadi Kakar freed by the Taliban" vom 8. September 2013)
Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013.
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5. August 2013)
Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen Dorfbewohner, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze.
(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)
1.3. Zu den Fluchtgründen
Asylrelevante Gründe des Beschwerdeführers für das Verlassen seines Heimatstaates konnten von diesem nicht glaubhaft gemacht werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat von Privatpersonen bedroht oder verfolgt wurde bzw. dass ihm bei seiner Rückkehr eine solche Verfolgung im gesamten Staatsgebiet Afghanistans droht. Ebenso haben sich keine Hinweise dafür ergeben, dass er in seinem Heimatland einer ungesetzmäßigen Verfolgung von staatlichen Organen ausgesetzt gewesen war bzw. dass ihm derartiges im Falle seiner Rückkehr drohen würde. Vielmehr hat der Beschwerdeführer selbst eine derartige Bedrohung ausdrücklich verneint. Es kann keinerlei Zusammenhang zwischen dem Beschwerdeführer und einer gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlung durch den Staat oder ein mangelnder Schutz vor Verfolgung erkannt werden. Glaubhafte Fragmente der Fluchtgeschichte wie das Beobachten einer Festnahme deuten darauf hin, dass die staatlichen Sicherheitskräfte in bestimmten, für den Beschwerdeführer in Reichweite befindlichen Teilen des Herkunftsstaates sehr wohl in der Lage sind, für ein Mindestmaß an Schutz der Bevölkerung zu sorgen.
2. Beweiswürdigung:
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BAA (Bundesasylamt, nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, BFA), des Asylgerichtshofes und der Verhandlung vor dem BVwG.
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BAA und im Beschwerdeverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem BAA und im Beschwerdeverfahren sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari und die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Afghanistans.
Die Identität des Beschwerdeführers steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.
Die Ausführungen zur Reiseroute und zur Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan und Weiterreise bis nach Österreich stützen sich auf dessen eigene Angaben. Eine Überprüfung dieser Angaben erübrigt sich, da sie für das Fluchtvorbringen nicht weiter relevant waren.
Die Feststellungen zu den Gründen des Beschwerdeführers für das Verlassen seines Heimatstaates stützen sich auf die von ihm vor dem BAA und im Beschwerdeverfahren getroffenen Aussagen.
Als fluchtauslösendes Ereignis brachte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung vor, "die drei Taliban" hätten den Schwiegersohn getötet und sie hätten Anzeige erstattet und einer sei festgenommen worden. Die zwei geflüchteten Taliban hätten den Beschwerdeführer und seinen Vater mit dem Umbringen bedroht. Befragt zu den Problemen mit den Taliban gab der Beschwerdeführer am 28.01.2013 bereits vergangene Grundstücksprobleme an. In der Folge machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Aussagen zu einer Anzeige und zu Bedrohungen.
Unglaubwürdig erscheint es - bei Annahme der Wahrheit der Busfahrt und der Verhaftung eines Taliban -, dass zwischen der Verhaftung und dem Beschwerdeführer oder seinem Vater von den Taliban irgendein Zusammenhang hergestellt werden hätte können und dass die Schilderungen zur Anzeige und zu Bedrohungen den tatsächlichen Geschehnissen entsprechen. Es wäre eine belebte Straße und mehrere Personen hätten den aussteigenden Taliban die Sicht verstellt. Es erscheint unglaubwürdig, dass ein flüchtender Widerstandskämpfer nur 7m zurücklegt, während Polizisten auf einem belebten Platz 27m zu Fuß zurücklegen - auch unter Berücksichtigung einer altersbedingten Einschränkung.
Es erscheint widersprüchlich, dass es sich einerseits um einen Kleinbus handelte und andererseits doch etwa 20 Personen im Bus waren. Unplausibel ist, dass der Bus, der auf einer fünfstündigen Fahrt in die Hauptstadt durchschnittlich einmal pro Stunde stehen bleibt, andererseits aber in einem kleinen Ort zweimal anhält - auch wenn es sich um einen Halt für als solche nicht erkenntliche Taliban handeln sollte.
Es erscheint unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer in einer einzigen Verhandlung sagt, er habe keine Taliban persönlich gesehen, dann aber 40 Taliban der Umgebung seines Heimatdorfes getroffen hätte und wiederum dort nur kurze Zeit gewesen wäre und würde nicht so viele Leute kennen. Das Erkennen von 40 Taliban erfordert sehr wohl über eine gewisses Maß an Personenkenntnis, zumal die Taliban sich nicht aufgrund augenscheinlicher Unterscheidungsmerkmale vom Rest der örtlichen Bevölkerung unterscheiden. Der Beschwerdeführer sagte selbst, die Taliban wären so gekleidet wie alle anderen. Der Widerspruch hinsichtlich der persönlichen Bekanntheit und somit der Verfolgbarkeit des Beschwerdeführers bleibt bestehen auch wenn man den Ausführungen hinsichtlich der Anzeige durch den Vater und des abendlichen Aufsuchens durch die Taliban Glauben schenken würde.
Die Angaben zur Position des Beschwerdeführers im Rahmen der beobachteten - vermeintlich durch den Vater veranlassten - Festnahme waren widersprüchlich. Die Aussage des Beschwerdeführers vor der Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht, wonach die Taliban die Flucht ergriffen hätten, als sie die Polizei sahen und dass mehrere andere Personen die Sicht verstellten, lässt vermuten, dass die Taliban keinen Konnex zwischen dem Beschwerdeführer und einer allfälligen Anzeige herstellen hätten können - auch bei unterstelltem Wahrheitsgehalt der Anzeigeerstattung. Selbst nach den Aussagen des Beschwerdeführers war das Erblicken der Polizei für die Taliban ein Grund zum Weglaufen und nicht die Anzeige des Vaters.
Weiters ist es widersprüchlich, dass der Beschwerdeführer einerseits aussagt, dass die Taliban gesehen hätten, wie sie angezeigt werden und sich andererseits zu diesem Zeitpunkt noch im 20 Meter entfernten Autobus befanden. Aus der Beschreibung des Vorganges war es unmöglich für den Beschwerdeführer zu erkennen, ob die Taliban ihn oder seinen Vater beim Anzeigen gesehen hätten. Dennoch gab er dies vor.
Hätten die Taliban tatsächlich bei ihrem abendlichen Besuch im Haus der Familie des Beschwerdeführers den Verrat eines ihrer festgenommenen Mitstreiter ahnden wollen, so wäre es unplausibel, dass sie sich durch mehrmalige bloße Gespräche mit der schutzlosen Mutter des Beschwerdeführers zufrieden gegeben hätten und unverrichteter Dinge abgezogen wären. Die Tatsache, dass Frauen nach dem Pashtunwali für eine Vergeltung schwereren Ausmaßes kein Primärziel darstellen, wird dabei nicht außer Acht gelassen.
Es erscheint widersprüchlich, dass sein Vater das Auto der Taliban bei Nacht trotz Dunkelheit und trotz fehlender Straßenbeleuchtung aus der Entfernung durch das Fenster erkannt hätte. Wenn der Beschwerdeführer rechtfertigt, zu dieser Zeit würde kein anderes Auto vorbeifahren und die Leute hätten auch Pashtu gesprochen, ist ihm entgegenzuhalten, dass 1. nicht jedes nächtlich fahrende Fahrzeug den Taliban zuzuordnen ist, 2. nicht jeder Pashtune ein Talib und auch nicht jeder Talib ein Pashtune ist und 3. zum Zeitpunkt des Erkennens des Fahrzeugs noch nicht gesprochen werden konnte, da sich die vermeintlichen Taliban noch im Fahrzeug befunden haben mussten.
Würde man den vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers Glauben schenken, wäre es unplausibel, dass nicht der in erster Linie verfolgte Vater sondern der Sohn sich dem Einflussbereich der Taliban möglichst weit entzieht. Auch unter diesem Licht erscheint die Annahme der Behörde plausibler, dass wirtschaftliche Gründe im Fluchtvorgang des Beschwerdeführers eine entscheidende Rolle spielten. Auch die anfänglich mit Grundstücksproblemen in Verbindung gebrachte erste Ausreise deutet auf bereits existierende wirtschaftliche Gründe hin, Afghanistan zu verlassen. Unbestrittenerweise erfolgte das erste Verlassen Afghanistans ohne Zusammenhang mit irgendeiner Bedrohung, obwohl der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde Sicherheitsgründe vorschob.
Unwahrscheinlich erscheint es, dass der Mutter des Beschwerdeführers in einem von den Taliban geprägten Gebiet innerhalb eines halben Tages ein Auto überlassen wird.
Festzuhalten ist, dass die vorgebrachten Verfolgungsgründe weder bewiesen noch belegt worden sind. Daher ist zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen.
Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hat vor allem zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu seinen Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 2 AsylG und die sonstige Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren zu berücksichtigen.
Es obliegt dem Beschwerdeführer, die in seiner Sphäre gelegenen Umstände seiner Flucht einigermaßen nachvollziehbar und genau zu schildern. Aus den Angaben des Beschwerdeführers lässt sich jedoch - weder im Verfahren vor dem BAA (Bundesasylamt, nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) noch vor dem Bundesverwaltungsgericht noch sonst in irgendeiner Eingabe (seiner Vertreter) - keine lineare glaubwürdige Handlung erkennen, die objektiv geeignet wäre, einen asylrelevanten Verfolgungsgrund zu verwirklichen.
Der Beschwerdeführer hatte ausreichend Zeit und Gelegenheit, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel oder Belege vorzulegen. Der Beschwerdeführer wurde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.
Es darf davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich schlüssiger Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.
Wenn der Beschwerdeführer jedoch nicht in der Lage ist, zumindest ein plausibles Grundgerüst eines verfolgungsrelevanten Geschehens zu schildern, und sich in vagen Äußerungen ergeht, besteht keine Veranlassung für die Behörden, den Beschwerdeführer entsprechend anzuleiten, ein unter Umständen erfolgversprechendes Vorbringen zu erstatten. Aus den bruchstückhaften Angaben des Beschwerdeführers lässt sich jedoch keine lineare Handlung erkennen, die einen Menschen aus asylrelevanten Gründen zur Flucht aus dem Heimatland zu bewegen im Stande ist. Der Beschwerdeführer zieht sich auf Vermutungen zurück und schildert an sich einprägsame Ereignisse in knappen Sätzen, was im Vergleich zu der Art von Schilderungen anderer Ereignisse, die teilweise noch länger zurückliegen, auch unter Berücksichtigung seines geringen Alters im Zeitpunkt der Wahrnehmung auf ein einstudiertes Vorbringen schließen lässt.
Der Beschwerdeführer wurde seitens des BAA und des BVwG aufgefordert, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Die Behörde und das Bundesverwaltungsgericht stellten die für den Gang der Fluchtgeschichte erforderlichen Fragen, die vom Beschwerdeführer in entscheidenden Bereichen durch Verallgemeinerungen, äußerst knapp oder widersprüchlich beantwortet wurden.
Er beschränkte sich in seinen Aussagen weitgehend auf einige wenige "Eckpunkte" der Fluchtgeschichte, ohne über nähere Details der Vorgänge oder über Einzelheiten, deren Kenntnis bei tatsächlich erlebten Vorfällen auch unter Berücksichtigung des geringen Alters vorausgesetzt werden kann, stringente Auskunft geben zu können.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der aus Furcht um sein Leben sein Heimatland verlassen hat, versucht, von sich aus detailliert, umfangreich und lebensnah die ihm widerfahrenen Bedrohungssituationen zu schildern. Dies trifft allerdings nicht auf den Beschwerdeführer zu, der widersprüchliche Einzelheiten anführt und ein unplausibles Bedrohungsszenario aufbaut. Die Ausführungen bleiben in den relevanten Bereichen unpersönlich und widersprüchlich und lassen erkennen, dass der Beschwerdeführer keine Detailkenntnis zu den vorgeschobenen Bedrohungen und zum Grund der Bedrohungen hat. Die vagen, knappen und unstimmigen Angaben des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Verfolgung in Afghanistan waren nicht geeignet, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen, die ihn dazu getrieben habe, sein Heimatland zu verlassen.
Zusammengefasst ist daher der Beurteilung der Erstbehörde im Bescheid zu folgen, dass der Beschwerdeführer zwar - unter Einschränkungen - seine Lebensumstände in einer von Taliban durchsetzten Umgebung glaubhaft gemacht hat - wofür er auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten erhielt - ein asylrelevantes Vorbringen nicht nachvollziehbar erstattete. An dieser Beurteilung hat sich auch nach der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - und in Übereinstimmung mit der Bewertung durch das BAA - nichts geändert.
Das Vorbringen in der Beschwerde war ebenfalls nicht geeignet, das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers zu unterstützen. Glaubwürdigkeit konnte der Beschwerdeführer - aus den oben genannten Gründen - auch hier nicht erlangen. Die Annahme der tödlichen Gefahr nach dem angeblichen "Aufsuchen" des Hauses des Beschwerdeführers durch die Taliban konnte nicht plausibel begründet werden.
Des Weiteren erschöpft sich das Beschwerdevorbringen im Wesentlichen in Rechtsausführungen.
Der Ermittlungspflicht der Behörden steht eine Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers gegenüber. Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass es für die Glaubhaftmachung der Angaben erforderlich ist, dass der Beschwerdeführer die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert, und dass diese Gründe objektivierbar sind, wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt. Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen und für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/12/0143, VwGH 13.04.1988, 86/01/0268). Der Antragsteller hat daher das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (u.a. VwGH 26.06.2997, 95/18/1291, VwGH 17.07.1997, 97/18/0336, VwGH 05.04.1995, 93/180289). Die Mitwirkungspflicht bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.
Das Verwaltungsverfahren im Asylverfahren sieht neben der allgemeinen Manuduktionspflicht des AVG (§ 13a leg. cit.) eine Reihe weiterer verfahrenssichernder Maßnahmen vor, um einerseits der Verpflichtung nach § 37 AVG nachhaltig Rechnung zu tragen, sowie andererseits um die in einem solchen Verfahren oft schwierigen Beweisfragen zu klären. Daher ist die erkennende Behörde auch auf die Verwertung allgemeiner Erfahrungssätze angewiesen. Die Bildung von solchen Erfahrungssätzen ist aber nicht nur zu Gunsten des Asylwerbers möglich, sondern sie können auch gegen ein Asylvorbringen sprechen.
Es entspricht der ständigen Judikatur des VwGH, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650).
Von weiteren Erhebungen im Herkunftsland des Beschwerdeführers konnte daher Abstand genommen werden.
Eine asylrelevante Verfolgung konnte nicht glaubhaft gemacht werden, da die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe in den entscheidenden Elementen der Plausibilität, nicht den Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl entsprechen und seinen Aussagen kein Vorbringen entnommen werden kann, welches für sich alleine oder auch in seiner Gesamtheit gesehen eine Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft darstellen würde.
Überdies ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer auf Grund der aktuellen Lage in Afghanistan und seiner individuellen Situation ohnehin bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist. Der Beurteilung der Erstbehörde ist auch diesbezüglich beizupflichten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die hier anzuwendenden zitierten Bundesgesetze sehen keine Senatszuständigkeit vor. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Zu A) Abweisung
Das BVwG stellt fest, dass das Verwaltungsverfahren in wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurde.
Dem Beschwerdeführer wurde insbesondere durch die Erstbefragung und die beiden Einvernahmen - jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Übersetzer - ausreichend rechtliches Gehör gewährt.
Die belangte Behörde befragte den Beschwerdeführer in den Einvernahmen insbesondere zu der von ihm behaupteten Gefahrensituation in Afghanistan und legte ihrer Entscheidung umfangreiche Berichte unbedenklicher Stellen über die Situation in Afghanistan zu Grunde. Der Beschwerdeführer hat keine konkreten Hinweise gegeben, die weitergehende Ermittlungen notwendig gemacht hätten.
Das BAA hat ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen, warum der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte, und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage schlüssig, klar und übersichtlich nachvollziehbar zusammengefasst. Diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer in der Beschwerde weder in geeigneter Weise entgegengetreten, noch hat er den Versuch unternommen, die aufgezeigten Widersprüche und gegen die Realität stehenden Darstellungen zu klären.
Kindeseigenschaft:
Der Verweis auf kinderspezifische Rechte ist nicht ausreichend, das Verfahren oder die Entscheidung des BFA in Zweifel zu ziehen oder die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG herbeizuführen. Die Richtlinien des UNHCR zum Internationalen Schutz betreffend Asylanträge von Kindern definieren zwar für die Zwecke dieser Richtlinie jede Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als Kind, weisen jedoch immer wieder darauf hin, dass, unabhängig davon, dem tatsächlichen Reifegrad der betreffenden Person der Vorrang vor dieser Definition einzuräumen ist. Dabei ist sehr wohl zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Beschwerdeführer etwa um ein Kind, einen unmündigen oder einen mündigen Minderjährigen handelt (wobei diese Definitionen zum besseren Verständnis der österreichischen Rechtsordnung entnommen sind). Die Fragen und die Beurteilung der Beantwortung derselben sind dem jeweiligen Reifegrad des Kindes (Definition des UNHCR) anzupassen. Wenn man das Alter des Beschwerdeführers berücksichtigt, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zumindest zum Zeitpunkt seiner Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht kurz vor der Vollendung des 18.Lebensjahres einen geistigen Reifegrad aufwies, der bereits dem eines Erwachsenen entspricht, sodass er im Zusammenspiel mit einer in den wesentlichen Punkten ausführlichen Befragung durch das BFA in der Lage sein muss, die von ihm behaupteten Geschehnisse von sich aus zumindest ansatzweise glaubhaft zu machen. Da er ein diesbezügliches Vorbringen nicht substantiiert erstattet hat, war diesbezüglich der belangten Behörde zu folgen und der Beschwerde kein Erfolg beschieden.
Auch in der Beschwerde und in seiner ergänzenden Einvernahme brachte er keinen neuen Aspekt in das Verfahren ein (und legte auch keinerlei Belege für sein Vorbringen vor), der erheblich (vergleiche § 10 VwGVG) wäre.
Zu § 3 AsylG:
Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370; VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, 98/20/0399; VwGH 03.05.2000, 99/01/0359).
Im Hinblick auf die spezifische Situation des Beschwerdeführers waren keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe wurde im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht behauptet. Konkrete Hinweise auf eine Gefahr der Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat Afghanistan sind im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde und in der Beschwerde nicht hervorgekommen. Schließlich sind im Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen hätten. Soweit der Beschwerdeführer Grundstücksprobleme geltend machte, ist ihm entgegenzuhalten, dass er diese in seiner Beschwerde als vermeintlichen Fluchtgrund völlig fallen ließ. Soweit er sich auf ein Bedrohungsszenario durch die Taliban nach einem Mord an seinem Schwager, einer Anzeige durch seinen Vater und seiner Eigenschaft als Sohn stützt, ist ihm entgegenzuhalten, dass selbst bei einem höheren Wahrheitsgehalt dieser wenig plausiblen Vorbringen keine GFK-relevanten Gründe beim Beschwerdeführer entdeckt werden konnten - auch unter Berücksichtigung des jugendlichen Alters im Zeitpunkt der Ausreise. Die Behörde ermittelte den Sachverhalt ausreichend und würdigte ihn in nachvollziehbarer Weise.
Da der Beschwerdeführer asylrelevante Fluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können bzw. eine konkrete individuelle Verfolgung nicht einmal geltend gemacht hat, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, nicht vor. Soweit er eine Verfolgung durch Private behauptet, fehlt es überdies an einem ausreichenden Zusammenhang mit einem Konventionsgrund. Selbst die vorgebrachte Bedrohung gegen den Vater des Beschwerdeführers erschien zweifelhaft.
Abschließend ist darauf zu verweisen, dass dem Beschwerdeführer auf Grund der aktuellen Lage in Afghanistan und seiner individuellen Situation bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung in Österreich erteilt worden ist.
Wie ausgeführt, haben sich im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte gefunden, die zu einem anderen Ergebnis als im angefochtenen Bescheid führen würden.
Daher war die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern nur von Tatfragen. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Der Beschwerdeführer konnte keine individuellen Fluchtgründe vorbringen. Die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens konnte nicht gesehen werden.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere zu den Erfordernissen der Glaubhaftmachung eines Fluchtvorbringens ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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