VfGH V231/2021

VfGHV231/20213.3.2022

Abweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der 2. COVID-19-Öffnungsverordnung betreffend den Zutritt zu Einrichtungen der Nachtgastronomie ausschließlich für geimpfte und PCR-getestete Personen; Einstufung der Nachtgastronomie als risikobehafteten Ort auf Grund besonders ungünstiger epidemiologischer Verhältnisse – erhöhter Aerosolausstoß durch musikbedingt lautes Sprechen, Singen und Tanzen und das Zusammentreffen vieler junger Personen mit niedriger Durchimpfungsrate – sachlich gerechtfertigt; Verhältnismäßigkeit der Differenzierung zwischen geimpften und genesenen Personen auf Grund der epidemiologischen Situation und der unsicheren Studienlage hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit bei Genesenen; hinreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen im Verordnungsakt; nachvollziehbare Begründung der ausschließlichen Zulässigkeit eines PCR-Tests auf Grund dessen hoher Sensitivität und Zuverlässigkeit für den Nachweis einer Infektion anstelle des wenig sensitiven Antigentests

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18
B-VG Art139 Abs1 Z3
StGG Art2
COVID-19-MaßnahmenG §1, §3, §7
2. COVID-19-ÖffnungsV BGBl II 278/2021 idF BGBl II 321/2021 §5 Abs1a, §12
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2022:V231.2021

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge §5 Abs1a der 2. COVID-19-Öffnungsverordnung, BGBl II 278/2021, idF BGBl II 321/2021 als verfassungs- und gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 (COVID‑19-Maßnahmengesetz – COVID‑19‑MG), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 90/2021 (§§3, 7, 8 und 11) bzw BGBl I 100/2021 (§1) bzw BGBl I 104/2020 (§2) lauten bzw lauteten auszugsweise:

"Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen

§1. (1) Dieses Bundesgesetz ermächtigt zur Regelung des Betretens und des Befahrens von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, zur Regelung des Benutzens von Verkehrsmitteln, zur Regelung von Zusammenkünften sowie zu Ausgangsregelungen als gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

(2) Als Betreten im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch das Verweilen.

(3) Bestimmte Orte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bestimmte öffentliche und bestimmte private Orte mit Ausnahme des privaten Wohnbereichs.

(4) Öffentliche Orte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind solche, die von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis betreten oder befahren werden können.

(5) Als Auflagen nach diesem Bundesgesetz kommen insbesondere in Betracht:

(5a) In einer Verordnung, in der Auflagen gemäß Abs5 Z5 und 6 vorgeschrieben werden, sind auch die an die Qualität, die Modalität der Durchführung und die Aktualität solcher Tests zu stellenden Anforderungen festzulegen‚ wobei hinsichtlich der Aktualität nach der Art der Tests zu differenzieren ist. Abhängig vom epidemiologischen Risiko am jeweiligen Ort, für den eine solche Auflage gilt, kann bei der Festlegung dieser Anforderungen entsprechend differenziert werden. Soweit epidemiologische Erfordernisse dem nicht entgegenstehen, kann

bestimmt werden, dass geringere Anforderungen an den durchzuführenden Test zu stellen sind als für andere Personen oder diese von der Auflage der Durchführung eines Tests ausgenommen sind.

(5b) Personen, die durch eine auf Grundlage von §1 Abs5 Z5 oder 6 vorgeschriebene Auflage zur Durchführung eines Tests verpflichtet sind, haben während der gesamten Dauer ihres Aufenthalts am Ort, für den diese Auflage gilt, ein Testzertifikat nach §4c des Epidemiegesetzes 1950 oder, einen anderen Nachweis, der die Durchführung des vorgeschriebenen Tests und das dabei erzielte negative Testergebnis bescheinigt, sowie gegebenenfalls eine ärztliche Bestätigung über das Vorliegen medizinischer Gründe im Sinne von Abs5a Z2 in Verbindung mit der dazu ergangenen einschlägigen Durchführungsverordnung mit sich zu führen und diesen Nachweis für eine Überprüfung durch

jederzeit bereitzuhalten und auf Verlangen vorzuweisen. Die in Z1 bis 3 genannten Organe und Personen sind zum Zweck der Überprüfung von Nachweisen zur Ermittlung von personenbezogenen Daten und zur Identitätsfeststellung einschließlich des Geburtsdatums berechtigt. Eine Vervielfältigung oder Aufbewahrung der Nachweise und der in den Nachweisen enthaltenen personenbezogenen Daten durch die in Z3 genannten Personen ist ebenso unzulässig wie die Verarbeitung der im Rahmen der Identitätsfeststellung erhobenen Daten. Dies gilt auch für Zertifikate nach §4b Abs1 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl I Nr 186/1950.

(5c) Personen, für die aufgrund

anzunehmen ist, dass von ihnen keine unverhältnismäßig größere epidemiologische Gefahr ausgeht als von Personen, die mit negativem Testergebnis auf eine Infektion mit SARS‑CoV‑2 getestet wurden, sind Personen, die einer auf Grundlage von §1 Abs5 Z5 oder 6 vorgeschriebenen Auflage entsprechend getestet wurden, grundsätzlich gleichgestellt. Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Gleichstellung sind nur insoweit zulässig, als dies aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich ist. Diesbezügliche Anordnungen sind in der Verordnung zu treffen, in der die Auflage gemäß Abs5 Z5 oder 6 vorgeschrieben ist.

(5d) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann durch Verordnung nähere Vorschriften darüber erlassen,

jeweils ab welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum geeignet sind, eine grundsätzliche Gleichstellung im Sinne von Abs5c zu rechtfertigen. Ebenso kann festgelegt werden, auf welche Weise eine Infektion mit SARS-CoV-2 diagnostiziert worden sein muss und unter welchen Voraussetzungen und für welchen Zeitraum eine überstandene derartige Infektion geeignet ist, eine solche grundsätzliche Gleichstellung zu rechtfertigen. Bei Vorliegen einer ärztlichen Bestätigung über eine überstandene Infektion mit SARS‑CoV‑2, eines Absonderungsbescheides, der wegen einer Infektion des Bescheidadressaten mit SARS‑CoV‑2 erlassen wurde oder eines durchgeführten Tests, der das Vorhandensein von Antikörpern gegen eine Infektion mit SARS‑CoV‑2 bestätigt, ist von einer grundsätzlichen Gleichstellung auszugehen. Für das Mitführen und die Überprüfung von Nachweisen gilt Abs5b sinngemäß.

(5e) Über die grundsätzliche Gleichstellung mit getesteten Personen gemäß Abs5c hinaus können für die in Z1 bis 3 dieser Bestimmung genannten Personengruppen weitergehende Ausnahmen von den auf Grundlage dieses Bundesgesetzes festgelegten Beschränkungen angeordnet werden, wenn nach dem Stand der Wissenschaft davon auszugehen ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer Weiterverbreitung von SARS‑CoV‑2 deutlich reduziert ist und nicht insbesondere

Gegenteiliges erfordert. Um derartigen Erfordernissen Rechnung zu tragen, kann die Inanspruchnahme der Ausnahme auch von der Einhaltung entsprechender Auflagen abhängig gemacht werden, die im Vergleich zur geltenden Beschränkung, von der ausgenommen wird, weniger einschränkend wirken. Abs5d gilt in diesem Zusammenhang sinngemäß.

(5f) Die in §4b Abs1 Z1 bis 3 des Epidemiegesetzes 1950 genannten Zertifikate können als Nachweis eines negativen Tests auf SARS‑CoV‑2, einer Schutzimpfung gegen COVID‑19 oder einer überstandenen Infektion mit SARS‑CoV‑2 herangezogen werden.

(5g) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann durch Verordnung nähere Vorschriften über die Form des Nachweises eines negativen Tests auf SARS‑CoV‑2, einer Schutzimpfung gegen COVID‑19 oder einer überstandenen Infektion mit SARS‑CoV‑2 erlassen. Der Nachweis darf die in §4c Abs1, §4d Abs1 und §4e Abs1 des Epidemiegesetzes 1950 genannten Daten enthalten.

(6) Voraussetzungen nach diesem Bundesgesetz sind insbesondere bestimmte Arten oder Zwecke der Nutzung von Orten und Verkehrsmitteln.

(7) Die Bewertung der epidemiologischen Situation hat insbesondere anhand folgender Kriterien zu erfolgen:

(8) In einer auf Grundlage dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung können typisierende Abstufungen hinsichtlich der epidemiologischen Situation vorgenommen werden und an unterschiedliche Risikoeinstufungen unterschiedliche Maßnahmen geknüpft werden ('Ampelsystem').

 

Corona-Kommission

§2. (1) Zur Beratung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers bei der Bewertung der epidemiologischen Situation gemäß §1 Abs7 ist beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ein Beirat (Corona-Kommission) einzurichten.

(2) Die Empfehlungen der Corona-Kommission sind auf der Website des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers zu veröffentlichen. Darüber hinaus sollen auch die wesentlichen Begründungen dafür veröffentlicht werden.

 

Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln

§3. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung

geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

(2) In einer Verordnung gemäß Abs1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten und befahren oder Verkehrsmittel benutzt werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.

 

Zuständigkeiten

§7. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.

[…]

 

Strafbestimmungen

§8. […]

(2) Wer

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.

[…]

 

Anhörung der Corona-Kommission

§11. Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat – außer bei Gefahr in Verzug – vor Erlassung von Verordnungen nach diesem Bundesgesetz die Corona-Kommission zu hören."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung über weitere Öffnungsschritte in Bezug auf die COVID-19-Pandemie (2. COVID-19-Öffnungsverordnung – 2. COVID‑19‑ÖV), BGBl II 278/2021, idF BGBl II 321/2021 (der angefochtene §5 Abs1a ist hervorgehoben) lauteten auszugsweise:

"Allgemeine Bestimmungen

§1. […]

(2) Als Nachweis über eine geringe epidemiologische Gefahr im Sinne dieser Verordnung gilt:

Kann ein Nachweis nicht vorgelegt werden, ist ausnahmsweise ein SARS‑CoV‑2‑Antigentest zur Eigenanwendung unter Aufsicht des Betreibers einer Betriebsstätte gemäß den §§4 bis 6, einer nicht öffentlichen Sportstätte gemäß §7, einer Freizeiteinrichtung gemäß §8, eines Alten- und Pflegeheims oder einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe (§10), einer Krankenanstalt, Kuranstalt oder eines sonstigen Ortes, an dem eine Gesundheitsdienstleistung erbracht wird (§11) oder des für eine Zusammenkunft Verantwortlichen (§§12 bis 16) durchzuführen. Das negative Testergebnis ist für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(3) Nachweise gemäß Abs2 sind in lateinischer Schrift in deutscher oder englischer Sprache oder in Form eines Zertifikats gemäß §4b Abs1 des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950, vorzulegen.

(4) Sofern in dieser Verordnung ein Nachweis gemäß Abs2 vorgesehen ist, ist der Inhaber einer Betriebsstätte, der Verantwortliche für einen bestimmten Ort oder der für eine Zusammenkunft Verantwortliche zur Ermittlung folgender personenbezogener Daten der betroffenen Person ermächtigt:

Darüber hinaus ist er berechtigt, Daten zur Identitätsfeststellung zu ermitteln. Eine Vervielfältigung oder Aufbewahrung der Nachweise und der in den Nachweisen enthaltenen personenbezogenen Daten ist mit Ausnahme der Erhebung von Kontaktdaten gemäß §17 ebenso unzulässig wie die Verarbeitung der im Rahmen der Identitätsfeststellung erhobenen Daten. Dies gilt sinngemäß auch für Zertifikate nach §4b Abs1 EpiG.

[…]

 

Gastgewerbe

§5. (1) Der Betreiber von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe darf Kunden zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes nur einlassen, wenn diese einen Nachweis gemäß §1 Abs2 vorweisen. Der Kunde hat den Nachweis für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(1a) Betreiber von Betriebsstätten der Gastgewerbe, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist (Einrichtungen der 'Nachtgastronomie'), wie insbesondere Diskotheken, Clubs und Tanzlokale, dürfen Kunden zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen nur einlassen, wenn diese einen Nachweis gemäß §1 Abs2 Z1 litc oder Z2 vorweisen. Der Kunde hat den Nachweis für die Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(2) Der Betreiber hat einen COVID-19-Beauftragten zu bestellen und ein COVID-19-Präventionskonzept auszuarbeiten und umzusetzen.

(3) Selbstbedienung ist zulässig, sofern geeignete Hygienemaßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos gesetzt werden. Diese Maßnahmen sind im COVID-19-Präventionskonzept gemäß Abs2 abzubilden.

(4) Die Pflicht zum Vorweisen eines Nachweises gemäß Abs1 gilt nicht für:

Zusammenkünfte

§12. […]

(8) §5 Abs1a gilt nicht im Zusammenhang mit Zusammenkünften."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller verfügt über einen Nachweis neutralisierender Antikörper vom 8. Juli 2021, ist aber nach eigenen Angaben nicht geimpft.

1.1. Zu seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller zusammengefasst aus, er habe am 18. August 2021 versucht, eine Diskothek gegen Vorweisen seines Antikörpernachweises zu betreten, ein Sicherheitsdienst habe ihm jedoch den Zutritt verwehrt. Der Antragsteller vertritt die Ansicht, dass die in Österreich zugelassenen Impfstoffe gegen COVID‑19 mit Gesundheitsrisiken behaftet seien. Der Antragsteller bringt weiters vor, er sei durch §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV rechtlich, unmittelbar und aktuell betroffen, weil er "ex lege von der Teilnahme am sozialen Leben in sogenannten 'Einrichtungen der Nachtgastronomie' aus[geschlossen]" werde. Dem Antragsteller stehe überdies kein anderer Weg zur Verfügung, die rechtswidrige Norm zu bekämpfen, weil es für ihn unzumutbar wäre, ein Strafverfahren zu provozieren.

1.2. In der Sache moniert der Antragsteller die Gesetzwidrigkeit sowie die Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung:

1.2.1. §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV widerspreche der einfachgesetzlichen Verordnungsermächtigung der §§3 Abs1 iVm 1 Abs5c Satz 2 COVID‑19‑MG. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) räume in der rechtlichen Begründung zur 2. Novelle der 2. COVID‑19‑ÖV selbst ein, dass §5 Abs1a leg cit von jenem System abweiche, das der Gesetzgeber mit dem COVID-19‑MG für Auflagen zur Verhinderung von Infektionsgeschehen in Betriebsstätten der Gastronomie vorsehe. Der BMSGPK vermeine aber, wie dies aus Art2 der 2. Novelle zur 2. COVID‑19‑ÖV hervorgehe, seine Verordnungsermächtigung erfließe allein aus §3 Abs1 COVID-19‑MG. Damit übersehe der BMSGPK den systematischen Zusammenhang mit dessen Abs2 sowie mit §1 Abs5, 5c, und 5d leg cit, die enge Grenzen für die Ausgestaltung solcher Verordnungen setzten. §3 Abs2 COVID-19-MG normiere, dass der BMSGPK ua festlegen könne, "unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten […] betreten […] werden dürfen." §1 Abs5 Z5 COVID‑19-MG sehe als Auflage "im Zusammenhang mit dem Betreten […] von Betriebsstätten zum Zweck […] der Inanspruchnahme von Dienstleistungen (§3 Abs1 Z1) […] die Durchführung von Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 mit negativem Testergebnis und das Mitführen eines entsprechenden Nachweises vor. "Der Test" gelte somit als "Basiswertung" für Auflagen beim Betreten solcher Betriebsstätten.

Mit §1 Abs5c iVm Abs5d COVID-19‑MG stelle der Gesetzgeber die Gleichstellung von Personen mit einer Schutzimpfung gegen COVID-19 und mit überstandener Infektion mit SARS-CoV-2 iZm der Berechtigung zum Betreten sicher. Zudem werde der BMSGPK berechtigt, durch Verordnung die – vom Gesetzgeber grundsätzlich bereits vorgesehene – Gleichstellung im Detail zu regeln. Demensprechend habe der BMSGPK in einer Anhörung im Menschenrechtsausschuss des Parlaments am 23. Juni 2021 noch betont, "dass eine '1G-Regelung' oder eine '2G‑Regel' derzeit gesetzlich nicht möglich sei, weil Getestete mit Genesenen und Geimpften gleichgestellt wurden."

Ausnahmen von der Gleichstellung genesener oder geimpfter mit getesteten Personen seien nach dem Gesetz nur zulässig, wenn sie aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich seien. Davon könne angesichts des Standes der Wissenschaft und der empirisch erhobenen Daten keine Rede sein. Relevante Studien gingen vielmehr davon aus, dass eine überstandene SARS-CoV-2‑Infektion einen ähnlich starken Schutz vor einer neuerlichen Infektion biete wie eine Schutzimpfung. Demnach fehle in der Begründung der 2. Novelle zur 2. COVID‑19‑ÖV auch der Nachweis der epidemiologischen Erforderlichkeit der mit §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV verfügten Ausnahme von der einfachgesetzlich vorgesehenen Gleichstellung. Der BMSGPK kehre mit der angefochtenen Regelung das vom Gesetzgeber vorgesehene System um und gewähre ausschließlich Personen mit Schutzimpfung oder negativem PCR-Test den Zugang zur sogenannten "Nachtgastronomie". Bis zum 22. Juli 2021 hätten auch Personen Zutritt zur "Nachtgastronomie" gehabt, die einen Nachweis über einen gültigen negativen Antigentest hatten bzw einen Genesungsnachweis vorlegen konnten. Dies habe auch der einfachgesetzlichen Ermächtigung entsprochen. Die angefochtene Bestimmung widerspreche jedoch dem COVID‑19‑MG und dessen Systematik.

1.2.2. Die vom BMSGPK vorgenommene Differenzierung von Personengruppen bzw Testmethoden sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße somit gegen das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz und gegen das Verbot der Diskriminierung auf Grund einer Anschauung (Art2 StGG, Art7 B‑VG, Art20 und 21 Abs2 GRC).

1.2.3. Hinsichtlich eines "epidemiologischen Vergleiches" einer Immunisierung durch eine Infektion bzw durch eine Impfung bringt der Antragsteller Folgendes vor: Ältere Studien belegten, dass die Immunisierung infolge einer Infektion mit SARS-CoV-2 und damit der Schutz vor einer Reinfektion zumindest zwischen 80 % bis 90 % betrage; neuere Studien gingen sogar von einem um 99,3 % niedrigeren Infektionsrisiko aus. Auch die AGES gehe davon aus, dass zumindest 91 % bis 94 % gegen schwere Krankheitsverläufe geschützt seien. Hingegen belegten Studien, dass der Anteil der Immunisierten bei Personen mit vollständiger Schutzimpfung nicht höher sei. Während ältere Studien – die sich offenbar noch auf die Alpha-Variante von SARS-CoV-2 bezogen hätten – von einem Schutz vor Infektion (je nach zugelassenem Impfstoff) zwischen 80 % und 95 % ausgingen, relativierten sich diese Zahlen hinsichtlich der Delta‑Variante stark. Studien aus Israel gingen etwa von einem um nur noch 39 % gesenkten Infektionsrisiko gegenüber Ungeimpften aus, was auch zur Forderung der dortigen Regierung nach einer dritten Teilimpfung geführt habe. Darüber hinaus publizierte das Robert-Koch-Institut, – wiederum in Bezug auf die Alpha-Variante – dass mRNA-Impfstoffe wie jene von BioNTech Pfizer und Moderna nur 85 % der Infizierten Schutz gegen einen schweren Krankheitsverlauf von COVID‑19 böten. Vektorimpfstoffe wie Vaxzevria von AstraZeneca und Janssen von Janssen-Cilag hingegen – vergleichbar mit Antikörpern nach einer durchgemachten Infektion – immerhin von 95 % bis 100 %. Die israelische Regierung gehe iZm der Delta-Variante von einer Reduktion des Schutzes gegen einen symptomatischen Krankheitsverlauf auf nur mehr 64 % aus. Jüngste Medienberichte aus Österreich ließen den Schluss zu, dass keine der in Österreich zugelassenen Schutzimpfungen einen lückenlosen Schutz gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 biete. So hätten sich im Zuge der Veranstaltung "Austria goes Zrce", die in Österreich der Definition von "Nachtgastronomie" iSd §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV entsprochen habe, zwischen 150 und 300 Personen mit SARS‑CoV‑2 infiziert, die zum Großteil bereits geimpft gewesen seien. Neuere Studien gingen sogar von einer breiteren Immunabwehr von Genesenen gegenüber Geimpften sowie einer wesentlich geringeren Lebensdauer von Antikörpern bei Geimpften aus. Selbst die AGES gestehe Personen mit durchlaufener Infektion zumindest denselben Schutz vor einer neuerlichen Infektion zu wie solchen mit zweifacher Schutzimpfung vor einer Erst- oder neuerlichen Infektion, nämlich von 91 %. Für eine sterile Immunität, dh die Verhinderung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 bei Personen mit Schutzimpfung, gebe es nach derzeitigem Stand der Wissenschaft keinen anerkannten Nachweis. Auch an einer sogenannten Herdenimmunität durch eine ausreichend große Anzahl an Personen mit einer COVID‑19-Schutzimpfung bestünden Zweifel, wie dies Studien aus den USA, Großbritannien und Singapur belegten. Es liege nahe, dass die Schutzimpfung im Falle einer Ausbreitung der Delta-Variante keinen epidemiologisch erwünschten Effekt zeige.

1.2.4. In Bezug auf einen "epidemiologischen Vergleich" der Testmethoden führt der Antragsteller aus, dass "im wissenschaftlichen Diskurs eine große Zahl von Experten mit beachtlichen Gründen die Aussagekraft von sogenannten PCR-Tests" bezweifelten. Für deren bessere Wirksamkeit und Aussagekraft verglichen mit Antigentests bestehe nach dem Stand der Wissenschaft keine nachgewiesene Evidenz. Auch der Gesetzgeber sei bis zum 22. Juli 2021 von der Wirksamkeit und Validität von Antigentests ausgegangen. Es treffe zwar zu, dass der BMSGPK PCR‑Tests als "Goldstandard" des Nachweises einer Infektion ansehe und ihm eine höhere Sensitivität gegenüber Antigentests zuschreibe; allerdings sei der von ihm veröffentlichten "Österreichischen Teststrategie SARS-CoV-2" zu entnehmen, dass ein Nasen-Rachen-Abstrich mit vergleichsweise viel gewonnenem Virusmaterial in Kombination mit einem Antigentest eine ähnliche Zuverlässigkeit aufweise wie ein Gurgeltest mit vergleichsweise wenig gewonnenem Virusmaterial in Kombination mit einem PCR-Test. Somit sei das singuläre Abstellen auf die höhere Sensitivität beim Nachweis einer SARS-CoV-2‑Infektion keine ausreichende fachliche Grundlage, um die vom Gesetzgeber vorgesehene Gleichstellung des Nachweises eines negativen Antigentests mit dem Nachweis eines negativen PCR-Tests – entgegen der gesetzgeberischen Wertung iSd §1 Abs5 Z5 COVID-19-MG – mittels Verordnung aufzuheben.

2. Der BMSGPK hat als verordnungserlassende Behörde den Verordnungsakt betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Bestimmung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er die Zurückweisung des Antrages, in eventu dessen Abweisung begehrt.

2.1. Der BMSGPK verneint die Zulässigkeit des Antrages mit der Begründung, dass der Anfechtungsumfang in Bezug auf §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV zu eng gefasst sei. Zunächst gehe der BMSGPK davon aus, der Antragsteller bekämpfe mit seinem Haupt- und Eventualantrag §5 Abs1a 2. COVID‑19-ÖV, BGBl II 278/2021, idF BGBl II 321/2021, zumal diese Bestimmung im Antrag wörtlich wiedergegeben werde. Sofern der Antragsteller auf Seite 1 des Antrages die Aufhebung von §5 Abs1 2. COVID‑19‑ÖV idF BGBI. II 231/2021 begehre, sei ihm wohl ein Irrtum unterlaufen, zumal unter der genannten BGBl.-Nummer keine Fassung der 2. COVID‑19‑ÖV kundgemacht wurde. Sodann habe es der Antragsteller verabsäumt, den in untrennbarem Zusammenhang mit §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV stehenden §12 Abs8 leg cit mitanzufechten, der im Falle einer Aufhebung gleichsam als inhaltsleerer Torso verbliebe. Der Anfechtungsumfang sei auch im Hinblick auf den Eventualantrag zu eng, weil die begehrte Aufhebung des Wortes "nur" in §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV die behauptete Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen würde.

2.2. Auch in der Sache tritt der BMSGPK dem Vorbringen des Antragstellers entgegen und verweist hinsichtlich der behaupteten Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung auf seine Äußerung in dem zu V212/2021 protokollierten Verfahren, die er seiner Äußerung auch beigelegt hat. In dieser führt er – auf das Wesentliche zusammengefasst – Folgendes aus:

2.2.1. §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV stütze sich auf §§3 Abs1 iVm 1 Abs5 Z5 iVm Abs5c COVID-19-MG. Zunächst treffe es zu, dass §1 Abs5c COVID-19-MG – vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Novelle BGBl I 90/2021 noch bestehenden Unsicherheiten im Hinblick auf das Ausmaß der Verhinderung der Transmission von SARS-CoV-2 durch eine Impfung – von einer grundsätzlichen Gleichstellung geimpfter oder genesener Personen mit Getesteten ausgehe. Auch in diesem Zusammenhang verlange §1 Abs5c COVID-19-MG im Übrigen keinen Nachweis, dass von Geimpften oder Genesenen keine unverhältnismäßig höhere Gefahr ausgehe als von Getesteten, sondern es genüge eine entsprechende (freilich hinreichend substantiierte und dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechende) Annahme.

2.2.2. Dieser grundsätzlichen Gleichstellung trage die angefochtene 2. COVID‑19‑ÖV idF BGBl II 321/2021 ebenso wie die Vorgängerverordnungen auch Rechnung: Gemäß §1 Abs2 2. COVID-19-ÖV gelte als Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr ein den Anforderungen der Z1 entsprechender Testnachweis, ein Nachweis über eine Impfung nach Maßgabe der Z2, ein Genesungsnachweis gemäß Z3, ein Nachweis über neutralisierende Antikörper gemäß Z4 oder ein Absonderungsbescheid gemäß Z5. Die 2. COVID-19-ÖV sei somit – vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung bestehenden epidemiologischen Lage – von der grundsätzlichen Annahme getragen, dass von geimpften und genesenen Personen keine unverhältnismäßig größere Gefahr ausgehe als von Getesteten. Sie folge damit dem Grundsatz des §1 Abs5c COVID-19-MG.

§1 Abs5c COVID-19-MG ermächtige zum Abweichen von dieser grundsätzlichen Gleichstellung. Demnach seien Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Gleichstellung insoweit zulässig, als dies aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers könne eine Rechtfertigung für ein solches Abgehen von der grundsätzlichen Gleichstellung etwa dann gegeben sein, wenn es am Ort, für den die Auflage der Testdurchführung gelte, zum Kontakt mit Angehörigen vulnerabler Gruppen komme und daher ein Restrisiko wegen der damit verbundenen Konsequenzen nicht hingenommen werden könne. Geimpfte und Genesene seien in diesem Fall ebenso zur Durchführung eines Tests und zum Mitführen entsprechender Nachweise verpflichtet (vgl AB 813 BlgNR 27. GP , 3; AB 757 BlgNR 27. GP , 5). Die Materialien führten damit deutlich vor Augen, dass eine solche Ausnahme im Einzelfall ortsbezogen zulässig sein könne, sofern dies epidemiologisch erforderlich sei. Der Kontakt mit Angehörigen vulnerabler Personengruppen sei dabei nur beispielhaft angeführt. Ein strengeres Schutzniveau sei zweifelsohne auch dann epidemiologisch unbedingt erforderlich und geboten, wenn am entsprechenden Ort besonders ungünstige epidemiologische Verhältnisse herrschten.

2.2.3. Dies sei bei der "Nachtgastronomie" der Fall. So umschreibe bereits die Legaldefinition des §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV das besondere Gefahrenpotenzial damit, dass es sich um Betriebsstätten der Gastgewerbe handle, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen sei, wie insbesondere Diskotheken, Clubs und Tanzlokale. Der Anwendungsbereich der Beschränkungen sei damit auf den im Hinblick auf die Verbreitung von COVID-19 zentralen Faktor einer vermehrten Durchmischung und Interaktion beschränkt. Demgemäß sei auch in der rechtlichen Begründung zu der Verordnung BGBl II 321/2021 ausgeführt, dass es in diesen Einrichtungen vermehrt zu einer verstärkten Durchmischung (in der Regel keine fixen Sitzplätze) des vor allem jungen Publikums mit geringer Durchimpfungsrate komme. Zudem sei der in diesem "Setting" erhöhte Aerosolausstoß zu berücksichtigen, der üblicherweise in den hauptsächlich zur Nachtzeit besonders frequentierten Einrichtungen der "Nachtgastronomie" zu beobachten sei. Dieser sei vor allem auf die vermehrte Interaktion der Kunden untereinander zurückzuführen, die insbesondere der körperlichen Nähe geschuldet sei. Grund dafür sei der in diesem Rahmen üblicherweise stattfindende vermehrte Alkoholkonsum, das Tanzen und die hohe Lautstärke, die wiederum zu einem lauten Sprechen führe.

2.2.4. Mit der Einschränkung der "3G-Regel" habe der BMSGPK auf ein erhöhtes Infektionsgeschehen in Betriebsstätten der "Nachtgastronomie" reagiert. Welche Auswirkungen Infektionsfälle im Umfeld von Einrichtungen der "Nachgastronomie" hätten, sei anhand der zu beobachtenden Cluster, denen die Verschärfung der "3G-Regel" vorausging, besonders deutlich geworden. So seien etwa in einem Fall (Besuch einer Diskothek durch eine infizierte Person in der Nacht vom 10. auf 11. Juli 2021) 350 Personen als Kontaktpersonen zu PCR-Testungen aufgerufen worden. Nach den ersten Ergebnissen seien in Diskotheken durch einen einzigen Infizierten 17 weitere zu verzeichnen gewesen und es habe auch schon Fälle in den Familien der Betroffenen gegeben.

2.2.5. Auf dem Boden der gebotenen Durchschnittsbetrachtung und vor dem Hintergrund des Auftretens besorgniserregender Cluster sei daher bei der "Nachtgastronomie" von einem Ort auszugehen, für den es iSd §1 Abs5c COVID‑19‑MG erforderlich gewesen sei, von der grundsätzlichen Gleichstellung Geimpfter und Genesener mit Getesteten abzuweichen. Die Verschärfung der "3G-Regel" sei dabei als ausreichende und effektivste Maßnahme erachtet worden, um auf die besondere Gefahrenlage zu reagieren. Vor diesem Hintergrund hätte auch auf die Wiedereinführung einer 75 %-Kapazitätsbegrenzung verzichtet werden können, zumal vor allem das Schutzniveau im Hinblick auf potentiell infizierte Personen erhöht hätte werden sollen. Was die konkrete Ausgestaltung dieses Spielraumes zur Abweichung von der grundsätzlichen Gleichstellung getesteter, geimpfter und genesener Personen betreffe, sei der "3G-Nachweis" nicht nur im Hinblick auf den Genesungsnachweis, sondern auch hinsichtlich des Testnachweises eingeschränkt worden. §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV weiche von den allgemeinen Bestimmungen über den Testnachweis in §1 Abs2 Z1 leg cit insofern ab, als nur einer der dort vorgesehenen Nachweise genüge. So bedürfe es für das Betreten von Einrichtungen der "Nachtgastronomie" des Nachweises eines molekularbiologischen Tests im Sinne des §1 Abs2 Z1 litc 2. COVID-19-ÖV, der das höchste Schutzniveau innerhalb der Testnachweise biete.

2.2.6. Was die Ausnahmen von der Gleichstellung gemäß §1 Abs5c COVID‑19‑MG betreffe, so enthalte die einschlägige gesetzliche Grundlage keine Vorgaben dahingehend, dass genesene und geimpfte Personen gleichgestellt sein müssten. Die Vorgabe, dass Ausnahmen epidemiologisch unbedingt erforderlich sein müssten, erlaube nach Auffassung des BMSGPK vielmehr auch epidemiologisch gerechtfertigte Differenzierungen zwischen diesen beiden Personengruppen. Die Erforderlichkeit seuchenrechtlicher Maßnahmen sei notwendigerweise ex ante zu beurteilen, wobei es auf eine Gefährdungsprognose ankomme. Die Beschränkungen für Genesene seien der unsicheren Datenlage im Hinblick auf die Transmissionswahrscheinlichkeit geschuldet. Diesbezüglich finde sich in der fachlichen Begründung der Hinweis, dass die Impfung sowohl Schutz vor Infektion als auch nachweislich eine Verringerung der Transmissionsrate im Falle einer Infektion bewirke. Hingegen wiesen Genesene für einen gewissen Zeitraum nach Infektion zwar ein niedrigeres Reinfektionsrisiko auf, jedoch erlaube die unergiebige Studienlage über Genesene kaum eine Aussage über die Transmissionswahrscheinlichkeit. Außerdem sei bei Genesenen die Immunantwort abhängig vom Zeitpunkt der Infektion, von der Krankheitsschwere und von der Virusvariante, und solle jedenfalls durch eine Impfung abgesichert werden.

2.2.7. Die Studienlage im Zeitpunkt der Verordnungserlassung habe sich betreffend geimpfte und genesene Personen wie folgt dargestellt: Nach dem Kenntnisstand im Zeitpunkt der Verordnungserlassung hätten die COVID-19-mRNA-Impfstoffe Comirnaty (BioNTech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) eine hohe Wirksamkeit von etwa 95 % bzw 94 % bei der Verhinderung einer COVID-19-Erkrankung aufgewiesen. Der vektorbasierte Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca habe eine Wirksamkeit von bis zu 80 % aufgewiesen. Die Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffes in Bezug auf die Verhinderung einer schweren COVID-19-Erkrankung sei bei etwa 95 % gelegen. Dem vektorbasierten Impfstoff Janssen von Janssen-Cilag sei nach der empfohlenen einmaligen Impfdosis eine Wirksamkeit von etwa 65 % in allen Altersgruppen attestiert worden. Die Wirksamkeit in Bezug auf die Verhinderung einer schweren COVID-19-Erkrankung seien in der Zulassungsstudie mit 76,7 % (14 Tage nach Impfung) bzw 85,4 % (28 Tage nach Impfung) angegeben worden. Für alle Impfstoffe habe eine robuste T-Zell basierte Immunantwort gezeigt werden können. So habe auf Grund der vorliegenden Daten und der Erfahrungswerte im Zusammenhang mit der Entwicklung der Immunantwort auf die COVID-19-Impfstoffe eine Schutzdauer von mindestens 9 Monaten ab der 2. Dosis bzw im Falle des Impfstoffes von Janssen bis 9 Monate nach der Einzeldosis angenommen werden können. Auf Basis der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung vorliegenden Daten sei davon auszugehen gewesen, dass die Viruslast bei Personen, die trotz Impfung mit SARS-CoV-2 infiziert würden, stark reduziert (CT-Shift) und die Virusausscheidung (Shedding) verkürzt sei. Es sei daher anzunehmen gewesen, dass das Risiko einer Transmission stark vermindert, jedoch nicht null sei. Das Ausmaß, in dem die Virusübertragung reduziert werde, variiere je nach Virusvariante, sei allerdings bei allen derzeit dominierenden Virusvarianten stark vermindert.

Hinsichtlich Genesener sei die Stärke und Dauer der natürlich erworbenen Immunität nach einer SARS-CoV-2-Infektion im Zeitpunkt der Verordnungserlassung noch nicht eindeutig geklärt gewesen und es sei anzunehmen gewesen, dass diese von unterschiedlichen Faktoren, wie Alter, Immunstatus und Schwere der Erkrankung, abhängig sei. Anhand verfügbarer Evidenz sei eine Immunitätsdauer von mindestens sechs bis acht Monaten nach Erkrankung wahrscheinlich gewesen. Generell seien bei genesenen Personen Reinfektionen selten und es konnte eine Immunität (80 – 100 %-iger Schutz) für etwa sechs Monate in Studien nachgewiesen werden. Allerdings seien viele dieser Studien vor der Verbreitung der "Variants of Concern" durchgeführt worden, wodurch Unsicherheit über mögliche Reinfektionen durch neue Varianten bestanden habe. Genesene würden zwar für einen gewissen Zeitraum nach Infektion ein niedrigeres Reinfektionsrisiko aufweisen, jedoch erlaubte die unergiebige Studienlage über Genesene kaum eine Aussage über die Transmissionswahrscheinlichkeit. Es habe gezeigt werden können, dass 90 % bis 99 % der Infizierten innerhalb von zwei bis vier Wochen Antikörper gegen SARS-CoV-2 entwickelten, wobei Personen mit asymptomatischem oder mildem Verlauf durchschnittlich weniger Antikörper bildeten. Es habe allerdings kaum aussagekräftige Daten gegeben, welche Art von Antikörpern in welcher Höhe einen wirksamen immunologischen Schutz gegen eine neuerliche SARS-CoV-2‑Infektion reflektierten. Im Zeitpunkt der Verordnungserlassung sei daher die Studienlage hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit von infizierten Geimpften ausgeprägter gewesen als jene von Genesenen.

2.2.8. Im Zusammenhang mit neutralisierenden Antikörpern ergebe sich weiters die Problematik, dass der Infektionszeitpunkt nicht festgestellt werden könne. Es sei allerdings bekannt, dass der Schutz nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit der Dauer abnehme.

2.2.9. Nach Auffassung des BMSGPK handle es sich bei der – auch genesenen Personen zugänglichen – Auflage der Durchführung eines molekularbiologischen Tests auf eine SARS-CoV-2‑Infektion um eine geeignete und effektive Maßnahme, um den beschriebenen Unsicherheiten hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit durch Genesene Rechnung zu tragen. Diese sei in Anbetracht der epidemiologischen Gefahrenlage in Einrichtungen der "Nachtgastronomie" ein gelindes Mittel, sodass der damit verbundene Grundrechtseingriff auch verhältnismäßig sei (vgl VfGH 24.6.2021, V87/2021).

2.2.10. Im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei zudem auf die jüngste Novellierung der 2. COVID-19-ÖV BGBl II 394/2021 hinzuweisen, mit der den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Transmissionswahrscheinlichkeit bei Genesenen Rechnung getragen worden sei. Dies zeige, dass die verordnungserlassende Behörde die Studienlage laufend evaluiere und die Aufrechterhaltung von Maßnahmen einer steten Überprüfung unterliege. So seien mit der 8. Novelle zur 2. COVID-19-ÖV die Auflagen für das Betreten von Einrichtungen der "Nachtgastronomie" um Genesungsnachweise über eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS-CoV-2 (§1 Abs2 Z3) und Absonderungsbescheide (§1 Abs2 Z5) erweitert worden. Eine Gleichstellung der Nachweise über neutralisierende Antikörper in §5 Abs1a 2. COVID-19-MV [bis zur Verordnung BGBl II 394/2021: 2. COVID‑19‑ÖV] sei im Übrigen auch zum Zeitpunkt der Erlassung der genannten Verordnung fachlich nicht zu rechtfertigen gewesen.

2.3. Auch hinsichtlich der vorgebrachten Gleichheitswidrigkeit verweist der BMSGPK auf seine Äußerung in dem zu V212/2021 protokollierten Verfahren:

2.3.1. Nach Ansicht des BMSGPK sei die Regelung des §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV auf Grund der zum Zeitpunkt ihrer Erlassung bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheiten im Hinblick auf die Transmissionswahrscheinlichkeit bei genesenen Personen sachlich gerechtfertigt. Überdies werde genesenen Personen durch die angefochtene Regelung der Zutritt zu Einrichtungen der "Nachtgastronomie" nicht verwehrt; der Zutritt sei ihnen unter der Auflage eines Nachweises eines negativen molekularbiologischen Testergebnisses erlaubt. Es handle sich hiebei um eine verhältnismäßige und sachliche Maßnahme, um den beschriebenen Unsicherheiten hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit durch Genesene Rechnung zu tragen.

2.3.2. Hinsichtlich der im Antrag geltend gemachten Bedenken einer Differenzierung zwischen den verschiedenen Testmethoden führt der BMSGPK aus, dass eine solche angesichts der höheren Genauigkeit molekularbiologischer Tests und insbesondere im Kontext des besonders risikobehafteten "Settings der Nachtgastronomie" sachlich gerechtfertigt sei. Darüber hinaus ist der Äußerung des BMSGPK im zu V594/2020 (G 381/2020) protokollierten Verfahren, auf die der BMSGPK in seiner Äußerung verwiesen und die er dieser beigelegt hat, Folgendes zu entnehmen:

Der PCR‑Test stelle die verlässlichste Methode dar, um die Identifizierung und Isolation von Personen, die mit SARS-CoV-2 infiziert bzw an COVID-19 erkrankt seien, zu ermöglichen. PCR-Tests könnten das Virus – abhängig von der Qualität der Probe – mit hoher Genauigkeit nachweisen. Hiefür würden virusspezifische Gensequenzen herangezogen. Ein positives Testergebnis bedeute, dass bei der getesteten Person eine SARS-CoV-2-Infektion erfolgt sei. Eine Infektion bedeute jedoch nicht in jedem Fall das Auftreten von COVID-19-Symptomen (zB asymptomatisch Infizierte) und auch nicht, dass die Person zum Testzeitpunkt infektiös sei. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Person präsymptomatisch sei und im Verlauf der Erkrankung noch Virus ausscheiden werde. Für den direkten Nachweis von SARS-CoV-2 bzw der Proteinhülle könne unterschiedliches Probenmaterial herangezogen werden. Ob und wieviel infektiöses Material bei einem Abstrich gewonnen werden könne, hänge maßgeblich von der Viruslast bzw Virusausscheidung ab, ein kombinierter Nasen-Rachen-Abstrich liefere jedenfalls das zuverlässigste Probenmaterial. Nach Ansicht des Robert-Koch-Institutes würden PCR-Nachweissysteme auch als "Goldstandard" für die Diagnostik gelten.

Im Unterschied zu PCR-Tests werde bei Antigentests innerhalb kurzer Zeit (15 bis 20 Minuten) nicht das Erbgut des Virus nachgewiesen, sondern dessen Protein bzw Proteinhülle (i.e. Antigen). Damit ergebe sich eine weitere Testoption für den Nachweis von SARS-CoV-2-Infektionen, die ihre Vorteile vor allem in der Möglichkeit der Anwendung außerhalb eines Labors (zB in Teststraßen oder im niedergelassenen Bereich) sowie in der Geschwindigkeit, in der ein Ergebnis vorliege, und den vergleichsweise geringen Kosten habe. Die Sensitivität von Antigentests sei in der Regel geringer als von PCR-Tests, was durch die fehlende Amplifikation von Virusmaterial zu begründen sei. Entscheidend sei daher die initiale Virusmenge, weswegen Antigentests am verlässlichsten in der Phase mit der höchsten Virusausscheidung (idR vor Symptombeginn bis zu fünf Tage danach) seien. Antigentests seien ein unverzichtbarer Bestandteil der Österreichischen Teststrategie und ein effektives Mittel zur Unterbrechung von Infektionsketten durch rasche Identifikation vom präsymptomatisch oder asymptomatisch Infizierten. Deshalb würden Antigen-Schnelltests derzeit unter anderem in Teststraßen, Apotheken und geförderten betrieblichen Testungen eingesetzt. Für Teststraßen im Zuge der sogenannten "Massentests" stellten Antigentests die Voraussetzung dar, um ein breit erhältliches und kostengünstiges Angebot ohne aufwendige laboratorische Verfahren zur Verfügung stellen zu können. Beim breiten Einsatz von Antigentests stehe weniger die medizinisch-diagnostische Sinnhaftigkeit im Vordergrund, weil PCR-Tests den "Goldstandard" beim Nachweis einer SARS-CoV-2‑Infektion darstellten.

2.4. Wenn der Antragsteller zudem einen Verstoß gegen Art20 und 21 Abs2 GRC behaupte, so erschließe sich dem BMSGPK nicht, weshalb der Antragsteller sich auf Art21 Abs2 GRC und damit auf eine behauptete Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit berufe. Wenngleich hiebei wohl von einem Schreibversehen auszugehen sei, so sei es fraglich, ob die persönliche Einstellung zu einer Schutzimpfung gegen COVID-19 eine "Anschauung" iSd Art21 Abs1 leg cit darstelle und damit von dessen Schutzbereich erfasst sei. Im Übrigen gelte die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gemäß ihrem Art51 Abs1 für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung, dh im Anwendungsbereich des Unionsrechtes. Dieser sei allerdings nicht eröffnet, zumal §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV nicht in Umsetzung einer Richtlinie ergangen sei und sich auch sonst keine Anknüpfungspunkte ergäben, die den Anwendungsbereich des Unionsrechtes eröffneten. Die vom Antragsteller angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Erwirkung einer Vorabentscheidung gemäß Art267 AEUV erweise sich daher als unzulässig, weil es hiefür erforderlich sei, dass die angefochtene innerstaatliche Bestimmung in den Anwendungsbereich des Unionsrechtes falle.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

1.1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

1.1.2. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.2. §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV normiert, dass ein Zutritt zu Betriebsstätten der Gastgewerbe, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist (Einrichtungen der "Nachtgastronomie"), wie insbesondere Diskotheken, Clubs und Tanzlokale, zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen nur dann zulässig ist, wenn Kunden einen Nachweis einer COVID-19-Schutzimpfung oder eines gültigen PCR-Tests vorweisen können. Der Antragsteller führt zu seiner unmittelbaren Betroffenheit zusammengefasst aus, er sei nicht gegen COVID-19 geimpft, verfüge jedoch über einen Nachweis neutralisierender Antikörper vom 8. Juli 2021. Am 18. August 2021 habe er gegen Vorweisen seines Nachweises über neutralisierende Antikörper versucht, eine näher bezeichnete Einrichtung der "Nachtgastronomie" zu besuchen. Eine die Einlasskontrolle durchführende Security‑Mitarbeiterin habe ihm jedoch den Zutritt auf Grund der angefochtenen Bestimmung verwehrt. Der Antragsteller hat damit hinreichend dargelegt, dass er als potentieller Kunde von Einrichtungen der "Nachtgastronomie" von der angefochtenen Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung aktuell und unmittelbar betroffen ist.

1.3. §5 Abs1a 2. COVID-19-ÖV (idF BGBl II 321/2021) stand im Zeitpunkt der Antragstellung (27. August 2021) in Kraft, ist jedoch mit Ablauf des 14. September 2021 mit der Verordnung BGBl II 394/2021 außer Kraft getreten. Dies schadet in der vorliegenden Konstellation mit Blick auf die mit VfSlg 20.399/2020 beginnende Rechtsprechung nicht (vgl auch VfSlg 20.397/2020; VfGH 1.10.2020, V392/2020; 10.3.2021, V573/2020; 24.6.2021, V593/2020; 3.12.2021, V617/2020 UA).

1.4. Im Hinblick auf die Verwaltungsstrafdrohung in §8 Abs2 COVID-19-MG steht dem Antragsteller auch kein anderer zumutbarer Weg offen, die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

1.5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.5.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.972/2015)

1.5.2. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, 662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).

1.5.3. Der Antragsteller hegt Bedenken ob der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV. Im Falle der Aufhebung dieser Bestimmung würde die allgemeine Regelung für Betriebsstätten des Gastgewerbes gemäß §5 Abs1 2. COVID‑19‑ÖV auch für Einrichtungen der "Nachtgastronomie" zur Anwendung gelangen. Der Anfechtungsumfang erweist sich daher nicht als zu eng gewählt.

1.5.4. Entgegen der Ansicht des BMSGPK schadet es nicht, dass §12 Abs8 2. COVID‑19‑ÖV nicht mitangefochten wurde: Im Falle der Aufhebung der mit §5 Abs1a leg cit angefochtenen Auflage für das Betreten von Betriebsstätten der "Nachtgastronomie" ginge der Verweis auf diese Bestimmung zwar ins Leere, es verbliebe aber kein sprachlich unverständlicher Torso. Der Umstand, dass eine Bestimmung im Fall der Aufhebung einer anderen Regelung unanwendbar wird, vermag für sich allein einen untrennbaren Zusammenhang dieser Bestimmung nicht zu begründen (vgl VfSlg 19.985/2015, 20.138/2017 jeweils mwN).

1.6. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf den Eventualantrag.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist nicht begründet.

2.3. §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV steht in folgendem normativen Zusammenhang:

2.3.1. §1 Abs1 COVID‑19‑MG ermächtigt (unter anderem) zur Regelung des Betretens und des Befahrens von Betriebsstätten als gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19. §1 Abs5 leg cit enthält dazu eine demonstrative Aufzählung in Betracht kommender Auflagen. Eine dieser Auflagen im Zusammenhang mit dem Betreten von Betriebsstätten stellt nach §1 Abs5 Z5 leg cit das Mitführen eines Nachweises über ein negatives Testergebnis dar. Bei der Festlegung von Anforderungen an die Qualität, die Modalität der Durchführung und der Aktualität solcher Tests kann der Verordnungsgeber auf Grund des epidemiologischen Risikos am jeweiligen Ort differenzieren.

§1 Abs5c COVID-19-MG normiert die grundsätzliche Gleichstellung von Geimpften oder Genesenen mit Personen, die auf Grund einer nach §1 Abs5 Z5 (oder Z6) leg cit vorgeschriebenen Auflage getestet wurden. Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Gleichstellung sind nur insoweit zulässig, als dies aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich ist. §1 Abs5d COVID‑19‑MG regelt, dass innerhalb der Gruppe der Genesenen bei Vorliegen einer ärztlichen Bestätigung über eine überstandene Infektion mit SARS-CoV‑2, eines Absonderungsbescheides oder eines durchgeführten Tests, der das Vorhandensein von Antikörpern bestätigt, von einer grundsätzlichen Gleichstellung auszugehen ist. Darüber hinaus ermächtigt diese Bestimmung den Verordnungsgeber dazu festzulegen, wie eine Infektion mit SARS-CoV‑2 diagnostiziert worden sein muss und für wie lange eine derartige Infektion geeignet ist, eine solche grundsätzliche Gleichstellung zu rechtfertigen.

2.3.2. §§3 Abs1 Z1 iVm 7 Abs1 COVID-19-MG (idF BGBl I 90/2021) ermächtigt den BMSGPK beim Auftreten von COVID-19 das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen durch Verordnung zu regeln, sofern dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist. Gemäß §3 Abs2 COVID-19-MG kann in einer Verordnung gemäß Abs1 entsprechend der epidemiologischen Situation (unter anderem) festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten betreten und befahren werden dürfen.

2.3.3. Der Verordnungsgeber muss daher in Ansehung der von ihm zu bewertenden epidemiologischen Situation notwendig prognosehaft beurteilen, inwieweit die in Aussicht genommene Auflage für das Betreten von Betriebsstätten eine geeignete, erforderliche und insgesamt angemessene Maßnahme darstellt, um die Verbreitung von COVID‑19 zu verhindern (vgl VfGH 24.6.2021, V592/2020; 24.6.2021, V593/2020). Dabei hat die vom Verordnungsgeber vorzunehmende Bewertung der epidemiologischen Situation insbesondere anhand der in §1 Abs7 COVID‑19-MG festgelegten Kriterien zu erfolgen. Genannt werden hier in einer demonstrativen Aufzählung die Übertragbarkeit, Clusteranalysen, Ressourcen und Kapazitäten im Gesundheitswesen unter Berücksichtigung der aktuellen Auslastung der vorhandenen Spitalskapazitäten, durchgeführte SARS-CoV‑2-Tests samt Positivrate, der Durchimpfungsgrad der Bevölkerung, das Auftreten und die Verbreitung von Virusvarianten mit signifikant erhöhter Übertragbarkeit und/oder schwererer Krankheitsverläufe, sowie regionale Besonderheiten. §1 Abs8 COVID‑19‑MG ermächtigt den Verordnungsgeber zudem, typisierende Abstufungen hinsichtlich der epidemiologischen Situation vorzunehmen und an unterschiedliche Risikoeinstufungen unterschiedliche Maßnahmen zu knüpfen ("Ampelsystem"). Darüber hinaus muss nach §11 COVID‑19‑MG die Corona-Kommission (§2 COVID-19-MG) vor Erlassung von Verordnungen nach diesem Gesetz – außer bei Gefahr in Verzug – gehört werden.

2.3.4. Zusammenfassend ist zur Rechtslage daher festzuhalten, dass der Gesetzgeber den Verordnungsgeber dazu ermächtigt hat, Beschränkungen für das Betreten von (bestimmten) Betriebsstätten zu normieren sowie Differenzierungen zwischen getesteten Personen und Personen mit einer Schutzimpfung gegen COVID‑19 oder einer überstandenen Infektion mit SARS‑CoV‑2 vorzusehen, sofern dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gemäß der epidemiologischen Lage unbedingt erforderlich ist.

2.3.5. Auf Basis (unter anderem) dieser gesetzlichen Grundlagen hat der BMSGPK die 2. COVID‑19‑ÖV erlassen, die vom 1. Juli 2021 bis zum Ablauf des 31. Oktober 2021 in unterschiedlichen Fassungen (ab der Verordnung BGBl II 394/2021: 2. COVID‑19‑MV) in Kraft stand.

2.4. Mit der Stammfassung der 2. COVID‑19‑ÖV, BGBl II 278/2021, wurden ab dem 1. Juli 2021 Lockerungen für Betriebsstätten des Gastgewerbes vorgesehen. So wurde vor allem die Sperrstunde von 24:00 Uhr aufgehoben und es entfiel die Vorgabe, dass Speisen und Getränke nur im Sitzen an Verabreichungsplätzen konsumiert werden dürften. Mit diesen Öffnungsschritten war auch das Betreten von Betriebsstätten der "Nachtgastronomie" unter Einhaltung der allgemein für Gastronomiebetriebe geltenden Auflagen zulässig. Gemäß §5 Abs1 2. COVID‑19‑ÖV, BGBl II 278/2021, durften Betreiber von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe Kunden nur gegen Vorweisen eines Nachweises gemäß §1 Abs2 leg cit über eine geringe epidemiologische Gefahr einlassen. Als Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr galten demnach ein Nachweis über ein aktuelles Testergebnis – wobei hiebei sowohl ein Antigentest als auch ein PCR-Test den Anforderungen genügten –, ein Nachweis über eine erfolgte Schutzimpfung, ein Genesungsnachweis, ein Nachweis über neutralisierende Antikörper oder ein Absonderungsbescheid.

Angesichts des erhöhten Infektionsgeschehens in Einrichtungen der "Nachtgastronomie" erachtete der BMSGPK diese allgemeinen, für sämtliche Betriebsstätten der Gastronomie geltenden Maßnahmen jedoch als nicht mehr ausreichend. Als lex specialis zu §5 Abs1 2. COVID‑19‑ÖV untersagte der BMSGPK daher mit dem angefochtenen §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV idF BGBl II 321/2021 – der am 22. Juli 2021 in Kraft und mit Ablauf des 14. September 2021 außer Kraft trat – Genesenen, Personen mit einem Nachweis über neutralisierende Antikörper und Personen, die nur ein negatives Antigentestergebnis und kein PCR-Testergebnis vorweisen konnten, den Zutritt zu Betriebsstätten der Gastgewerbe, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist (Einrichtungen der "Nachtgastronomie"), wie insbesondere Diskotheken, Clubs und Tanzlokale.

2.5. Der Antragsteller macht zunächst das Bedenken geltend, §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV widerspreche der einfachgesetzlichen Verordnungsermächtigung der §§3 Abs1 iVm 1 Abs5c Satz 2 COVID‑19‑MG. Die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung begründet er – auf das Wesentliche zusammengefasst – damit, dass das COVID‑19‑MG eine grundsätzliche Gleichstellung von Geimpften und Genesenen mit getesteten Personen vorsehe. Ausnahmen von dieser Gleichstellung seien nur zulässig, wenn sie aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich seien. Dies sei im Hinblick auf den Ausschluss Genesener vom Zutritt zu Einrichtungen der "Nachtgastronomie" nicht der Fall, weil diese Personen eine ähnlich starke Immunität gegen COVID‑19 hätten wie Personen mit einer Schutzimpfung.

2.5.1. Der BMSGPK als verordnungserlassende Behörde hat §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV idF BGBl II 321/2021 auf Grundlage von §§3 Abs1 Z1 iVm 7 Abs1 COVID‑19‑MG erlassen. Angesichts dieser inhaltlich weitreichenden Verordnungsermächtigung – die den Verordnungsgeber insbesondere auf Grund des ihm übertragenen Einschätzungs- und Prognosespielraumes zu weitreichenden Grundrechtseingriffen ermächtigt (vgl ua VfGH 24.6.2021, V592/2020; 24.6.2021, V593/2020; 3.12.2021, V617/2020 ua) – ist vor dem Hintergrund des Art18 Abs1 und 2 B‑VG im Verordnungserlassungsverfahren nachvollziehbar zu machen, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist (vgl VfGH 10.3.2021, V573/2020 mit Verweis auf VfSlg 20.398/2020, 20.399/2020 mwN; siehe auch VfGH 24.6.2021, V592/2020; 24.6.2021, V593/2020; 23.9.2021, V572/2020; 3.12.2021, V617/2020 ua).

2.5.2. Die im vorgelegten Verordnungsakt zu BGBl II 321/2021 einliegende "Fachliche Begründung zur 2. Novelle der 2. & 3. COVID‑19‑Öffnungsverordnung" (im Folgenden: Fachliche Begründung) enthält eine Darstellung der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung vorgelegenen epidemiologischen Situation. Es finden sich darin fachliche Ausführungen (unter anderem) zum Infektionsgeschehen, zur Systembelastung auf Normal- und Intensivstationen, zur Durchimpfungsrate in der Gesamtbevölkerung, zur Ausbreitung der SARS-CoV-2-Variante Delta sowie eine Begründung verschiedener Schutzmaßnahmen – insbesondere auch der vorliegend angefochtenen Auflage für das Betreten von Einrichtungen der "Nachtgastronomie" – im Rahmen der Pandemiebekämpfung.

2.5.3. Der BMSGPK hat zunächst im vorgelegten Verordnungsakt hinreichend dargelegt, dass er die angefochtene Maßnahme im Einklang mit den im COVID‑19‑MG normierten Verfahrensregelungen erlassen sowie die im Gesetz vorgegebenen Kriterien für die Bewertung der epidemiologischen Situation angewendet hat. Er hat zudem hinreichend dargetan, auf welchen Grundlagen die Entscheidung über die Erlassung der in §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV angeordneten Auflage für den Zugang zu Betriebsstätten der Gastgewerbe, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist, getroffen wurde. Die in weiterer Folge zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof erforderliche aktenmäßige Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen (vgl etwa VfGH 10.3.2021, V573/2020 mwN) ist damit hinreichend erfolgt.

2.5.4. Des Weiteren vermag der Verfassungsgerichtshof angesichts der im Verordnungsakt dokumentierten Entscheidungsgrundlagen sowie der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung bestehenden epidemiologischen Lage – insbesondere auch der Verbreitung der wesentlich ansteckenderen Delta-Variante – nicht zu erkennen, dass der Verordnungsgeber bei der vorgenommenen Differenzierung zwischen geimpften und genesenen Personen seinen gesetzlich eingeräumten Spielraum überschritten hätte. Wie ausgeführt (oben unter Punkt IV.2.3.1.), sind Ausnahmen von der grundsätzlichen Gleichstellung zwischen geimpften oder genesenen Personen mit getesteten Personen insoweit zulässig, als dies aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich ist. Nach den Materialien zu dieser Bestimmung könne eine Rechtfertigung für ein solches Abgehen von der grundsätzlichen Gleichstellung beispielsweise dann gegeben sein, wenn es an einem bestimmten Ort, für den die Auflage der Testdurchführung gelte, zum Kontakt mit Angehörigen vulnerabler Gruppen komme und daher ein Restrisiko wegen der damit verbundenen Konsequenzen nicht hingenommen werden könne. Genesene (und Geimpfte) könnten sodann ebenso zur Durchführung eines Tests und zum Mitführen entsprechender Nachweise verpflichtet werden (vgl AB 757 BlgNR 27. GP , 5). Bei in bestimmten Betriebsstätten (vgl §3 Abs1 Z1 COVID‑19‑MG) bestehenden besonders ungünstigen epidemiologischen Verhältnissen können daher auch strengere Schutzmaßnahmen angeordnet werden. Darüber hinaus ermächtigt §1 Abs5c COVID‑19‑MG dazu, auch zwischen Personen mit einer Schutzimpfung und Personen mit einer überstandenen Infektion aus epidemiologisch erforderlichen Gründen zu differenzieren.

2.5.5. Der Verordnungsakt enthält – soweit zur Beurteilung der epidemiologischen Erforderlichkeit durch den Verfassungsgerichtshof relevant – folgende fachliche Ausführungen und Informationen zur epidemiologischen Situation:

In den vergangenen Wochen seien die Fallzahlen deutlich über den prognostizierten Werten gelegen und es werde daher von einem weiteren erheblichen Anstieg ausgegangen. Es werde erwartet, dass die tägliche Fallzahl von 240 am ersten Prognosetag (14. Juli 2021) auf 470 am letzten Prognosetag (21. Juli 2021) ansteigen werde, sich also fast verdoppeln werde. Der Altersdurchschnitt neuer Fälle liege bei 29,6 Jahren, was den Tiefststand seit Beginn der Pandemie darstelle. 40 % der Neuinfektionen seien der Altersgruppe der 15- bis 24‑Jährigen und 21 % der Altersgruppe der 25‑ bis 34‑Jährigen zuzuordnen. Hinsichtlich der Durchimpfungsrate wird dargelegt, dass ein Fortschritt am steigenden Anteil der Vollimmunisierten an der Gesamtbevölkerung mit 43,3 % ersichtlich sei. Die Altersgruppen 16 bis 25, gefolgt von 26 bis 35 hätten nach der Altersgruppe 12 bis 15 die niedrigsten Durchimpfungsraten der Gesamtbevölkerung. Darüber hinaus komme es zu einer Verbreitung der Delta-Variante, die sich im Vergleich zur Alpha-Variante durch eine erhöhte Transmissibilität von 40 % bis 60 % auszeichne. So seien in der KW 26 bereits 68,1 % der verwertbaren positiven Proben der Delta-Variante zuzuordnen gewesen; in der KW 27 seien es 50,9 % gewesen, wobei dieser Wert voraussichtlich noch um mehr als 20 Prozentpunkte steigen würde, sobald die dahinterstehenden PCR-Analysen und Sequenzierungen abgeschlossen seien. Die Delta-Variante sei somit bereits die dominante Variante in Österreich und habe sich auch in anderen europäischen Staaten bereits zur dominanten Variante entwickelt. Hinsichtlich der Krankheitsschwere gebe es widersprüchliche Ergebnisse, wobei eine Erhöhung zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden könne. Die Effektivität einer Impfung zur Verhinderung einer symptomatischen Infektion sei zudem bei nur Teilimmunisierten verringert.

Im Hinblick auf die angefochtene Bestimmung enthält die Fachliche Begründung (unter anderem) Ausführungen zum besonderen epidemiologischen Gefahrenpotential der "Nachtgastronomie" sowie zur unergiebigen Studienlage über Genesene hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit im Falle einer unerkannten Infektion. Im Wesentlichen wird hiezu Folgendes ausgeführt:

Die "Nachtgastronomie" stelle auf Grund verschiedener Faktoren sowie vor dem Hintergrund eines erhöhten Infektionsgeschehens in den letzten Wochen und einer verstärkten Ausbreitung der Delta-Variante ein besonders risikobehaftetes Umfeld ("Setting") dar. Zum einen träfen hier eine Vielzahl unbekannter Personen aufeinander und es komme zu einer hohen Fluktuation und Mobilität innerhalb der Einrichtungen, wobei der Abstand zwischen den Kunden in der Regel sehr gering sei. Zum anderen komme es durch musikbedingtes lautes Sprechen und Singen sowie einer erhöhten Atemaktivität beim Tanzen zu einer hohen Aerosolproduktion. Darüber hinaus sei anzunehmen, dass Alkoholkonsum zu einer weniger strengen Einhaltung von freiwilligen Schutzmaßnahmen führe. Die "Nachtgastronomie" werde auch primär von jüngeren Altersgruppen mit niedriger Durchimpfungsrate frequentiert und sei aus epidemiologischer Sicht besonders relevant, weil deren Kunden überwiegend eine Personengruppe darstelle, die auch im Alltag eine vergleichsweise hohe Häufigkeit an Kontakten aufweise. Bei allfälligen Ansteckungen könne es daher rasch zu weiteren Folgefällen und den damit zusammenhängenden negativen Auswirkungen kommen. Die vorgenommene Differenzierung zwischen geimpften Personen einerseits und genesenen Personen andererseits begründet der BMSGPK mit der unergiebigen Studienlage über das Übertragungsrisiko durch Genesene im Falle einer unerkannten SARS‑CoV‑2‑Infektion.

2.5.6. Vor diesem Hintergrund ist dem BMSGPK zum einen nicht entgegenzutreten, wenn er die "Nachtgastronomie" auf Grund der dort bestehenden besonders ungünstigen epidemiologischen Verhältnisse als einen risikobehafteten Ort einstuft und daher in solchen Einrichtungen verschärfende Maßnahmen als erforderlich erachtet. Diese Annahme wird auch in den wöchentlichen "Einschätzungen der epidemiologischen Lage in Österreich" durch die Corona-Kommission vom 8. Juli 2021 und 15. Juli 2021 bestätigt, in denen die Steigerung der Fallzahlen (unter anderem) auf eine Ausbreitung der Delta-Variante und auf Kontakthäufungen unter geringerem Schutzniveau (zB "Nachtgastronomie") nach den Öffnungsschritten am 1. Juli 2021 zurückgeführt wird.

Zum anderen hat der BMSGPK die Differenzierung zwischen geimpften und genesenen Personen auf einer nachvollziehbaren, den wissenschaftlichen Unsicherheiten hinsichtlich Genesener Rechnung tragenden Prognose vorgenommen. Hiezu führt der BMSGPK konkretisierend aus, dass die Viruslast bei Personen, die trotz Impfung mit SARS‑CoV‑2 infiziert würden, stark reduziert und die Virusausscheidung verkürzt sei. Das Risiko einer Transmission variiere zwar je nach Virusvariante, doch sei dieses bei allen zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung dominierenden Virusvarianten stark vermindert gewesen. Bei Genesenen sei die Wahrscheinlichkeit einer Reinfektion zwar grundsätzlich ebenfalls selten, doch seien viele der Studien vor der Verbreitung der "Variants of Concern" durchgeführt worden. Hinzu komme, dass die unergiebige Studienlage über Genesene im Zeitpunkt der Verordnungserlassung kaum eine Aussage über die Transmissibilität zugelassen habe. Die durch die angefochtene Maßnahme getroffene Verschärfung der bis dahin geltenden "3G‑Regel" sei daher als ausreichende und effektivste Maßnahme erachtet worden, um auf die besondere in der "Nachtgastronomie" bestehende Gefahrenlage zu reagieren.

Der Verfassungsgerichtshof vermag daher nicht zu erkennen, dass der Verordnungsgeber mit der in §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV angeordneten Auflage gegen die gesetzlichen Vorgaben des §1 Abs5c COVID‑19-MG verstoßen hätte. Die vom Antragsteller vorgelegten Studien geben keinen Anlass, dem BMSGPK hinsichtlich der Vertretbarkeit der von ihm getroffenen Prognose in Bezug auf Genesene entgegenzutreten. Zudem ist anzumerken, dass es dem Antragsteller nicht grundsätzlich verwehrt war, Einrichtungen der "Nachtgastronomie" zu besuchen. Die Auflage eines aktuellen negativen PCR-Tests stellt ein gelinderes Mittel zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 dar.

2.6. Ferner bringt der Antragsteller vor, die angefochtene Bestimmung verstoße gegen das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B‑VG, Art20 GRC) und gegen das Verbot einer Diskriminierung auf Grund einer Anschauung (Art21 Abs1 GRC). Begründend führt er zur Gleichheitswidrigkeit im Wesentlichen aus, die vorgenommene Differenzierung zwischen geimpften und genesenen Personen beim Zutritt zu Betriebsstätten der Gastgewerbe, in denen mit einer erhöhten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist (Einrichtungen der "Nachtgastronomie"), sei sachlich nicht gerechtfertigt. Insbesondere belegten wissenschaftliche Daten, dass genesene Personen einen gleich guten – wenn nicht sogar besseren – Schutz vor einer (neuerlichen) COVID‑19‑Infektion hätten. Darüber hinaus biete das Abstellen auf die höhere Sensitivität von molekularbiologischen Tests (PCR-Tests) gegenüber Antigentests nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft keine ausreichende fachliche Grundlage für die Unterscheidung zwischen den Testmethoden.

2.6.1. Der Gleichheitssatz bindet auch den Verordnungsgeber (VfGH 5.6.2014, V44/2013). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl zur Differenzierung bei Gesetzen etwa VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005, zum Sachlichkeitsgebot bei Gesetzen vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001; VfGH 23.2.2021, G361/2020).

2.6.2. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in der Frage der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie einen weiten Entscheidungsspielraum eingeräumt hat (vgl VfGH 10.3.2021, V574/2020; 24.6.2021, V593/2020; 23.9.2021, V572/2020; 23.9.2021, V5/2021; 3.12.2021, V617/2020 ua).

2.6.3. Dem Verordnungsgeber ist es im Rahmen des ihm gesetzlich übertragenen Entscheidungsspielraumes nicht verwehrt, für unterschiedliche Situationen bzw Orte differenzierende Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vorzusehen (vgl §3 Abs1 Z1 COVID‑19‑MG, der unter anderem zur Regelung des Betretens von nur bestimmten Betriebsstätten ermächtigt; siehe weiters VfGH 3.12.2021, V617/2020 ua). Im Rahmen dieses Entscheidungsspielraumes kann der Verordnungsgeber auch – wenn dies aus epidemiologischen Gründen indiziert ist – ortsbezogen und von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehend unterschiedliche Anforderungen an den Nachweis über eine geringe epidemiologische Gefahr stellen (vgl §1 Abs5 Z5 und Abs5c COVID‑19‑MG).

2.6.4. §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV lag die Intention zugrunde, das Infektions- und Übertragungsrisiko in Betriebsstätten der Gastronomie einzudämmen, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion von Kunden zu rechnen ist. Das mit dieser Maßnahme verfolgte gesundheitspolitische Anliegen der Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 stellt ein Ziel von erheblichem Gewicht dar. Dem BMSGPK ist – wie ausgeführt – angesichts der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung bestehenden und im Verordnungsakt dokumentierten Lage nicht entgegenzutreten, wenn er für die "Nachtgastronomie" – als aus epidemiologischer Sicht besonders risikobehafteter Umgebung ("Setting") – strengere Maßnahmen als für sonstige Gastronomiebetriebe vorsieht und hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr iSd §1 Abs2 2. COVID‑19‑ÖV differenziert.

2.6.5. Der BMSGPK hat als verordnungserlassende Behörde nachvollziehbar dargelegt, dass innerhalb von Betriebsstätten der sogenannten "Nachtgastronomie" auf Grund der vertretbar anzunehmenden vermehrten Durchmischung eines vor allem jungen Publikums mit einer niedrigen Durchimpfungsrate und des durch lautes Sprechen, Singen und Tanzen bedingten erhöhten Aerosolausstoßes epidemiologisch besonders ungünstige Verhältnisse herrschen (vgl Punkt IV.2.5.5.). Insbesondere stellt die Übertragbarkeit des Virus – wenn auch nicht das einzige – so doch ein wichtiges Kriterium für die Anordnung von Maßnahmen dar (vgl VfGH 23.9.2021, V572/2020; 3.12.2021, V617/2020 ua). Wenn der BMSGPK daher angesichts der im Verordnungsakt dokumentierten epidemiologischen Situation und der unsicheren Studienlage hinsichtlich der Transmissionswahrscheinlichkeit von SARS‑CoV‑2 bei Genesenen die mit §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV angeordnete Auflage als erforderlich erachtete, ist dies nicht als unsachliche Ungleichbehandlung gegenüber Geimpften zu erkennen (vgl bereits zur Gesetzmäßigkeit einer Differenzierung zwischen geimpften und genesenen Personen Punkt IV.2.5.6.). Wie der BMSGPK auch in seiner Äußerung ausführt, tritt bei einem Nachweis über neutralisierende Antiköper überdies der Umstand hinzu, dass der Infektionszeitpunkt nicht festgestellt werden kann und ein immunologischer Schutz gegen COVID-19 mit der Zeit abnimmt. Die Maßnahme ist insbesondere auch im Hinblick auf den hohen Stellenwert des Gesundheitsschutzes im Verhältnis zum Interesse von Personen mit einer überstandenen SARS‑CoV‑2‑Infektion, Betriebsstätten der "Nachtgastronomie" zu besuchen, jedenfalls verhältnismäßig.

2.6.6. Hinsichtlich der durch den Antragsteller gerügten Differenzierung zwischen PCR-Tests und Antigentests hat der BMSGPK in der Fachlichen Begründung nachvollziehbar dargetan, warum er eine solche in Bezug auf Einrichtungen der "Nachtgastronomie" aus epidemiologischen Gründen als unbedingt erforderlich einstufte. Die Fachliche Begründung weist zwar darauf hin, dass Testungen nur eine Momentaufnahme seien, keinen Schutz vor Infektion böten und auch nicht die Transmission im Falle einer unerkannten Infektion verringerten. Molekularbiologische Tests (PCR-Tests) wiesen jedoch im Gegensatz zu Antigentests eine sehr hohe Sensitivität und Zuverlässigkeit für den Nachweis einer Infektion mit COVID‑19 auf. Da mit diesen Tests bereits sehr geringe Virusmengen nachgewiesen werden könnten, sei die Wahrscheinlichkeit verringert, dass eine Person mit zum Testzeitpunkt nicht nachweisbarer Infektion innerhalb der Gültigkeitsdauer infektiös werde. Daher sei es aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich, die wenig sensitiven Antigentests in einem Umfeld wie der "Nachtgastronomie" nicht mehr als Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr zu akzeptieren.

Ergänzend bringt der BMSGPK in seiner Äußerung vor, dass ein PCR-Test die verlässlichste Methode darstelle, um Personen, die mit SARS‑CoV‑2 infiziert bzw an COVID‑19 erkrankt seien, zu identifizieren. Ein positives Testergebnis bedeute, dass bei einer getesteten Person eine SARS‑CoV‑2‑Infektion erfolgt sei. Dies bedeute nicht in jedem Fall das Auftreten von COVID‑19‑Symptomen und auch nicht, dass die Person im Testzeitpunkt infektiös sei. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Person präsymptomatisch sei und im Verlauf der Erkrankung infektiös werde. Die Sensitivität von Antigentests sei demgegenüber in der Regel geringer als von PCR‑Tests, was durch die fehlende Amplifikation von Virusmaterial zu begründen sei. Antigentests seien am verlässlichsten in der Phase mit der höchsten Virusausscheidung, dh in der Regel vor Symptombeginn bis zu fünf Tage danach. Vor diesem Hintergrund vermag der Verfassungsgerichtshof daher nicht zu erkennen, dass der Verordnungsgeber eine unsachliche Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Testmethoden getroffen hat.

2.6.7. Angesichts dieser bestehenden Unterschiede im Tatsächlichen erweist sich die angefochtene Auflage für das Betreten von Betriebsstätten der "Nachtgastronomie" in §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV nicht als gleichheitswidrig.

2.7. Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen Art20 und 21 GRC moniert, gehen seine Bedenken ins Leere, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern in der angefochtenen Bestimmung eine "Durchführung des Rechts der Europäischen Union" iSd Art51 Abs1 GRC zu sehen ist.

V. Ergebnis

1. Die ob der Gesetzmäßigkeit des §5 Abs1a 2. COVID‑19‑ÖV, BGBl II 278/2021, idF BGBl II 321/2021 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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