VfGH V5/2021

VfGHV5/202123.9.2021

Aufhebung einer Oberösterreichischen COVID-19-MaßnahmenV betreffend das Speisen- und Getränkeabholverbot für Gastronomiebetriebe, die nicht über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße erreichbar sind; das (ausschließliche) Kriterium der Erreichbarkeit von "Schihütten" durch ein Kfz garantiert nicht, Speisen und Getränke unter Einhaltung des Mindestabstands konsumieren zu können

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art139 Abs1 Z3
StGG Art2
COVID-19-MaßnahmenG §3, §7
2. COVID-NotmaßnahmenV BGBl II 598/2020 §7 Abs7
COVID-19-MaßnahmenV-Schigebiete des Landeshauptmanns von Oberösterreich LGBl 141/2020
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:V5.2021

 

Spruch:

I. 1. Die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 eine zusätzliche Maßnahme in Schigebieten festgelegt wird, LGBl für Oberösterreich Nr 141/2020, war gesetzwidrig.

2. Die als gesetzwidrig festgestellte Verordnung ist nicht mehr anzuwenden.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

II. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehrt der Antragsteller, die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 eine zusätzliche Maßnahme in Schigebieten festgelegt wird, LGBl 141/2020, als verfassungs- und gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 104/2020 lauteten wie folgt:

"Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln

 

§3. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung

 

1. das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,

2. das Betreten und das Befahren von Arbeitsorten oder nur bestimmten Arbeitsorten gemäß §2 Abs3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und

3. das Benutzen von Verkehrsmitteln oder nur bestimmten Verkehrsmitteln

geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

 

(2) In einer Verordnung gemäß Abs1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten und befahren oder Verkehrsmittel benutzt werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen. […]

 

Zuständigkeiten

 

§7. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.

 

(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs1 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §5 bedürfen der Zustimmung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers.

 

(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs1 oder 2 festgelegt werden. Verordnungen gemäß §5 bedürfen der Zustimmung des Landeshauptmanns.

 

(4) In einer Verordnung gemäß Abs1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.

 

(5) Durch Verordnung gemäß Abs1 können Verordnungen gemäß Abs2 und 3 oder Teile davon aufgehoben werden. Durch Verordnung gemäß Abs2 können Verordnungen gemäß Abs3 oder Teile davon aufgehoben werden.

 

(6) Verordnungen gemäß Abs2 und 3 sind vor deren Inkrafttreten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mitzuteilen."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Notsituation auf Grund von COVID-19 getroffen werden (2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung – 2. COVID-19-NotMV), BGBl II 598/2020, lauteten auszugsweise wie folgt:

"Massenbeförderungsmittel

§3. In Massenbeförderungsmitteln und den dazugehörigen U-Bahn-Stationen, Bahnsteigen, Haltestellen, Bahnhöfen und Flughäfen zuzüglich deren Verbindungsbauwerke ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Ist auf Grund der Anzahl der Fahrgäste sowie beim Ein- und Aussteigen die Einhaltung des Abstands von mindestens einem Meter nicht möglich, kann davon ausnahmsweise abgewichen werden.

 

Fahrgemeinschaften, Gelegenheitsverkehr, Seil- und Zahnradbahnen

§4. […]

 

(3) Für die Benützung von Seil- und Zahnradbahnen gilt:

1. §3 gilt sinngemäß, wobei in geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln (Gondeln, Kabinen, abdeckbaren Sesseln) und in geschlossenen Zugangsbereichen von Seil- und Zahnradbahnen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine äquivalente bzw einem höheren Standard entsprechende Maske zu tragen ist.

2. In geschlossenen oder abdeckbaren Fahrbetriebsmitteln dürfen höchstens so viele Personen gleichzeitig befördert werden, dass die Hälfte der Beförderungskapazität des Fahrbetriebsmittels nicht überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn ausschließlich Personen aus demselben Haushalt befördert werden.

(4) Der Betreiber von Seil- und Zahnradbahnen hat basierend auf einer Risikoanalyse ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und umzusetzen. Das COVID-19-Präventionskonzept hat insbesondere zu enthalten:

1. spezifische Hygienevorgaben,

2. Regelungen zum Verhalten bei Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion,

3. Risikoanalyse,

4. Regelungen betreffend die Nutzung sanitärer Einrichtungen,

5. Regelungen betreffend die Konsumation von Speisen und Getränken,

6. Regelungen zur Steuerung der Kundenströme und Regulierung der Anzahl der Kunden,

7. Entzerrungsmaßnahmen, wie Absperrungen und Bodenmarkierungen,

8. Vorgaben zur Schulung der Mitarbeiter in Bezug auf Hygienemaßnahmen.

Der Betreiber hat die Einhaltung dieser Bestimmungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.

[…]

Gastgewerbe

§7. (1) Das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes ist untersagt.

(2) Abs1 gilt nicht für Gastgewerbebetriebe, die innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1. Krankenanstalten und Kuranstalten,

2. Alten-, Pflege- und Behindertenheimen,

3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten,

4. Betrieben

wenn diese ausschließlich durch die dort betreuten, untergebrachten oder nicht zum bloßen Besuch aufhältigen Personen oder durch Betriebsangehörige genutzt werden.

(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht bzw ausgeschenkt werden. Die Verabreichung und Konsumation hat tunlichst in der Wohneinheit zu erfolgen.

(4) Abs1 gilt nicht für öffentliche Verkehrsmittel, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Benutzer des öffentlichen Verkehrsmittels verabreicht bzw ausgeschenkt werden.

(5) Hinsichtlich der Ausnahmen gemäß Abs2 bis 4 gilt:

1. Gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ist ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und – ausgenommen während des Verweilens am Verabreichungsplatz – eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

2. Der Betreiber hat sicherzustellen, dass die Konsumation von Speisen und Getränken nicht in unmittelbarer Nähe der Ausgabestelle erfolgt.

3. Speisen und Getränke dürfen in der Betriebsstätte nur im Sitzen an Verabreichungsplätzen konsumiert werden. Der Betreiber hat die Verabreichungsplätze so einzurichten, dass zwischen den Personengruppen ein Abstand von mindestens einem Meter besteht. Dies gilt nicht, wenn durch geeignete Schutzmaßnahmen zur räumlichen Trennung das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

4. Der Betreiber und seine Mitarbeiter haben bei Kundenkontakt eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen, sofern zwischen den Personen keine sonstige geeignete Schutzvorrichtung zur räumlichen Trennung vorhanden ist, die das gleiche Schutzniveau gewährleistet.

5. Selbstbedienung ist zulässig, sofern durch besondere hygienische Vorkehrungen das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

(6) Hinsichtlich der Ausnahmen gemäß Abs2 bis 4 darf der Betreiber das Betreten und das Befahren der Betriebsstätte nur im Zeitraum zwischen 06.00 und 19.00 Uhr zulassen. In Betrieben ist das Betreten durch Betriebsangehörige im Schichtbetrieb durchgehend zulässig. Restriktivere Sperrstunden und Aufsperrstunden aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(7) Abweichend von Abs1 ist die Abholung von Speisen und alkoholfreien sowie in handelsüblich verschlossenen Gefäßen abgefüllten alkoholischen Getränken zwischen 06.00 und 19.00 Uhr zulässig. Die Speisen und Getränke dürfen nicht im Umkreis von 50 Metern um die Betriebsstätte konsumiert werden. Bei der Abholung ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten sowie eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

(8) Abs1 gilt nicht für Lieferservices."

 

3. Die zur Gänze angefochtene Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 eine zusätzliche Maßnahme in Schigebieten festgelegt wird (Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete), LGBl 141/2020, lautete wie folgt:

"Auf Grund des §3 Abs1 Z1 und des §7 Abs2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 104/2020, wird verordnet:

 

§1

Speisen- und Getränke-Abholungsverbot in Schigebieten

 

Die Abholung von Speisen und Getränken ist bei solchen Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten unzulässig, die durch Gäste nicht mit Kraftfahrzeugen über Straßen erreicht werden können, deren Benutzung durch die Allgemeinheit vom Willen der Grundeigentümerin bzw des Grundeigentümers oder der Straßenerhalterin bzw des Straßenerhalters unabhängig ist.

 

§2

 

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit 24. Dezember 2020 in Kraft und mit 18. Jänner 2021 außer Kraft."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller ist Betreiber einer Schihütte auf der Wurzeralm, die nicht über eine Straße erreichbar ist.

1.1. Zu seiner Antragslegitimation bringt er zusammengefasst das Folgende vor: Durch die angefochtene Verordnung sei der Antragsteller unmittelbar und individuell betroffen, da es ihm verboten sei, seine Schihütte für Gäste aufzusperren. Er habe für die Wintersaison 2020/2021 im Vertrauen auf die Öffnung seiner Schihütte in Form eines Take Away-Standes Ware eingekauft sowie Umbauten vorgenommen. Falls er die Schihütte aufsperren würde, drohe ihm ein Verwaltungsstrafverfahren. Wenn er dies für mehrere Tage machen würde, könnte für jeden Tag eine eigene Strafe verhängt werden, was den wirtschaftlichen Ruin des Antragstellers bedeuten würde. Schon aus diesem Grund sei es für den Antragsteller unzumutbar, ein Verwaltungsstrafverfahren abzuwarten. Es sei dem Antragsteller auch im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht zumutbar, eine strafbare Handlung zu setzen, um ein Verfahren zu provozieren (VfSlg 12.379/1990, 14.260/1995, 17.731/2005 uva). Hinzu komme, dass durch die Öffnung der Schihütte ein Konkurrent oder ein Verein gegen den unlauteren Wettbewerb eine Klage mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung – gestützt auf das UWG – einbringen könnte, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genehmigt werden würde.

1.2. Der Antragsteller hegt Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz, das Bestimmtheitsgebot und Legalitätsprinzip sowie das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

1.3. Zum Gleichheitssatz hält der Antragsteller das Folgende fest:

1.3.1. Unsachliche Differenzierungen seien nach dem Grundsatz des allgemeinen Sachlichkeitsgebots verboten (VfSlg 15.836/2000). Unter dem Gesichtspunkt, dass in Österreich Restaurants und andere Gastronomiebetriebe sehr wohl ihre Produkte über Take Away verkaufen könnten, sei es nicht nachvollziehbar, warum Schihütten, die keinen Zugang mit einem Kfz über eine Straße hätten, dies nicht dürfen sollten. Der vor Erlassung der Verordnung und in Medien genannte Grund, dass damit ein Ansturm auf die Schigebiete verhindert werden sollte, habe sich als "absurd" erwiesen. Die Bilder im Fernsehen, in den Printmedien und in den sozialen Medien zeigten, dass die Schigebiete und Schilifte wie selten zuvor von den Menschen gestürmt worden seien, obwohl die Schihütten geschlossen gewesen seien. Es habe sich somit erwiesen, dass dieses Verbot sinnlos und unwirksam und im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot willkürlich und ohne entsprechende Begründung erlassen worden sei. Es sei auch kein weiterer Grund aus den bisher veröffentlichten Stellungnahmen ersichtlich, warum in den Schihütten kein Take Away erlaubt sein sollte.

1.3.2. Es sei willkürlich und auch nicht gesundheitspolitisch erklärbar, dass Gastronomiebetriebe, die nicht mit einem Kfz über eine Straße erreicht werden können, nicht öffnen dürften, jeder andere schon. Die Reduzierung auf die Frage des Zugangs, um, wie das Gesetz fordere, die Verbreitung von COVID‑19 zu verhindern, sei mit keinem nachvollziehbaren Argument erklärbar. Die vom Gesetz geforderte Erforderlichkeit sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, weder aus der Verordnung selbst noch aus den Medien lasse sich dies schlüssig erklären.

1.3.3. Auch eine sinnvolle Unterscheidung zwischen normaler Gastronomie und Schihütten, die nicht mit einem Kfz über eine Straße erreicht werden können, sei bis zum heutigen Tage nicht getroffen worden, selbst unter Anwendung von "Denksportaufgaben" (siehe VfSlg 12.420/1990) sei eine nachvollziehbare Erklärung nicht möglich. Somit könne nur davon gesprochen werden, dass diese Verordnung willkürlich erlassen worden sei.

1.4. Zum Bestimmtheitsgebot stellt der Antragsteller das Folgende fest:

1.4.1. Der Begriff "Schigebiet" sei in der Verordnung nicht genau definiert. Umgangssprachlich umfasse ein "Schigebiet" nicht nur die Schipisten samt den dazugehörigen Gastronomiebetrieben, sondern auch die Ortschaften. So spreche man zum Beispiel vom Schigebiet Obertauern, Arlberg, Stubaital etc. Auch das zugrunde liegende Gesetz (COVID-19-MG) kenne den Begriff "Schigebiet" nicht. Eine Legaldefinition in einem Bundesgesetz sei nicht zu finden. In mehreren Landesgesetzen, insbesondere im Schischulrecht, werde der Begriff "Schigebiet" verwendet. Diese Definitionen könnten jedoch nicht als Grundlage für eine Verordnung in der mittelbaren Bundesverwaltung herangezogen werden.

1.4.2. Schon unter diesem Gesichtspunkt verstoße die Verordnung gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG. Der Verordnungsgeber hätte bei richtiger Anwendung den Begriff "Schigebiet" definieren müssen, so wie dies in vielen anderen generellen Normen der Fall sei. Bei den Normen der Europäischen Union sei es seit Jahrzehnten üblich, dass am Anfang Definitionen der verwendeten Begriffe gegeben würden. Auch der österreichische Gesetzgeber habe diese Technik schon des Öfteren angewendet. Ohne eine entsprechende Definition könne gerade bei mehreren möglichen Definitionen nicht davon gesprochen werden, dass dem Bestimmtheitsgebot Genüge getan worden sei.

1.5. Das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sieht der Antragsteller aus folgenden Gründen verletzt:

1.5.1. Das Grundrecht der Erwerbsfreiheit in Art6 StGG regle neben dem Erwerbsantritt die Erwerbsausübung jedweder Form (VfSlg 19.909/2014). Der Verfassungsgerichtshof unterscheide in seiner langjährigen Rechtsprechung zwischen dem Antritt und der Ausübung, dabei werde die Zulässigkeit der Einschränkung differenziert. Wenn die Ausübung soweit eingeschränkt werde, dass es einem Verbot der Ausübung gleichkomme, wie im vorliegenden Fall, so verlange der Verfassungsgerichtshof dieselben Kriterien wie bei den Beschränkungen des Zuganges (VfGH 3.7.2015, G118/2015). Zwar vertrete der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der Einschränkung der Erwerbstätigkeit eine strikte Linie. Dennoch sei darauf zu verweisen, dass nach neuester Rechtsprechung (VfSlg 20.090/2016) "eine weitere Interpretation" als gegeben angenommen werde. Das faktische Verbot des Öffnens der Schihütte, wenn auch nur für einen bestimmten Zeitraum, sei ein solcher Eingriff.

1.5.2. Bei der Prüfung des öffentlichen Interesses könne der Gesundheitsschutz der Bevölkerung herangezogen werden. Der Verfassungsgerichtshof habe im Erkenntnis VfSlg 20.151/2017 betreffend das Versandhandelsverbot von E‑Zigaretten ausgeführt, dass gesundheitspolitische Zielsetzungen sehr wohl das Grundrecht einschränken könnten. In diesem Erkenntnis habe er die unterschiedlichen Möglichkeiten des Versandhandels (B2C, B2B) anerkannt und diese verschieden bewertet. Aus Gründen des Gesundheits-, Jugend- und Konsumentenschutzes sei ein Verbot des Versandhandels B2C zulässig, B2B sei jedoch auf Grund des Bestehens anderer Voraussetzungen weiterhin erlaubt.

1.5.3. Im vorliegenden Fall verweise die angefochtene Verordnung wohl auf das COVID-19-MG, es sei jedoch nicht ersichtlich, wodurch der Gesundheitsschutz gerade bei den Schihütten, die nicht mit einem Kfz über eine Straße erreichbar sind, im Vergleich zu anderen Gastronomiebetrieben erreicht werden solle. Die Bilder vom Semmering, wo Tausende Personen dem Wintersport frönten, sowie von anderen Schiorten in Österreich, würden sehr deutlich aufzeigen, dass auch ohne Gastronomie die Pisten bevölkert würden. Ein Nachweis des effektiven Gesundheitsschutzes sei auch nicht erbracht worden, die Meldungen in den Medien vor dem Erlass der Verordnung zeige eine Vorgehensweise, gemäß der die Schilifte um jeden Preis geöffnet werden sollten, jedoch die anderen Betriebe gesperrt werden mussten, um einen Ansturm von Gästen zu vermeiden. Ein Andrang bei den Liften sei viel stärker und gesundheitsgefährdender als eine wohl durchdachte Take Away-Station an einer Piste.

1.5.4. Hinsichtlich der Eignung und Adäquanz stelle sich die Frage, ob die Verordnung das öffentliche Interesse umsetze. Wenn es das Ziel sei, die Ausbreitung des COVID-19-Viruses zu verlangsamen oder zu verhindern, stelle sich bei der Prüfung der Verordnung heraus, dass eine bloß teilweise Einschränkung des Take Away-Kaufs in bestimmten Bereichen weder adäquat noch geeignet sei. Es würden keinerlei nachweisbare gesundheitsbezogene Aspekte vorliegen, die eine solche Einschränkung (beschränkt auf Schigebiete) als nachvollziehbar erscheinen lassen würden. Wenn wirklich eine Gefahr durch Take Away-Gastronomie bestehen würde, hätte der Gesetzgeber ein generelles Verbot erlassen müssen und nicht wie in diesem Fall die Landeshauptleute ermächtigen dürfen, für ihr Bundesland solche Verordnungen zu erlassen.

1.5.5. Auch die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben. "Die Stärke der Einschränkung – faktisches Verbot der Ausübung – noch der nicht nachweisbare Gesundheitsschutz, wie die Verordnung es vermeint, sind miteinander in Einklang zu bringen." Grundsätzlich sei auch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes der Gesundheitsschutz ein sehr wichtiger Aspekt, jedoch könne hier keine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfinden, da wie oben dargelegt keinerlei Aspekte hiefür zu finden seien, die eine Sperre in irgendeiner Form rechtfertigen würden.

1.6. Zum Legalitätsprinzip bringt der Antragsteller das Folgende vor: Art18 B‑VG regle das Legalitätsprinzip, gemäß dem die österreichische Verwaltung nur gesetzesgebunden auf Grund inhaltlich ausreichend bestimmter Regeln agieren dürfe. Es stelle sich somit die Frage, ob die Erlassung der angefochtenen Verordnung in Bezug auf Schigebiete eine entsprechende gesetzliche Grundlage gehabt habe, wodurch die vorgenommene Einschränkung auf "Schigebiete" gerechtfertigt sei. Wie oben dargestellt, fehle eine solche.

2. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den Bedenken des Antragstellers wie folgt entgegengetreten wird:

2.1. Zur gesetzlichen Grundlage führt die verordnungserlassende Behörde das Folgende aus:

2.1.1. Die angefochtene Verordnung stütze sich auf §3 Abs1 Z1 und §7 Abs2 COVID-19-MG, BGBl I 12/2020, idF BGBl I 104/2020. Auf die §§3 Abs1 und 4 Abs1 COVID-19-MG in der genannten Fassung stütze sich auch die 2. COVID-19-NotMV, BGBl II 598/2020, die mit 26. Dezember 2020 in Kraft getreten sei und die bis dahin geltende 3. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 566/2020, idF BGBl II 598/2020 aufgehoben habe.

2.1.2. Die 2. COVID-19-NotMV habe die für die Gastronomie geltenden Bestimmungen unverändert beibehalten, wonach gemäß §7 Abs1 das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes untersagt, gemäß §7 Abs7 jedoch die Abholung von Speisen und Getränken zwischen 06.00 und 19.00 Uhr ermöglicht worden sei. Die Konsumation im Umkreis von 50 Metern um die Betriebsstätte sei jedoch verboten gewesen. In §4 Abs3 sei die allgemeine Benützung von Seil- und Zahnradbahnen zwar ermöglicht, jedoch die Halbierung der Kapazität und das Tragen einer FFP2-Maske verordnet worden.

2.1.3. In den Erwägungsgründen dieser Bundesverordnung würden sich dazu folgende Ausführungen über das Infektionsgeschehen und die Auslastung der Intensivstationen finden:

"Es ist durch die vorangegangenen Maßnahmen zwar gelungen, die Infektionszahlen zu senken, dies allerdings nicht in einem zufriedenstellenden Ausmaß. Bei einem hohen Niveau des pandemischen Grundgeschehens ist zu befürchten, dass die Neuinfektionen mit Zeitverzögerung nach den Lockerungen durch die COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnungen wieder ansteigen werden. Dazu kommt, dass es zu den Weihnachtsfeiertagen auf Grund von zusätzlichen sozialen Kontakten wieder zu vermehrten Neuinfektionen kommen kann. Überdies hat sich gezeigt, dass es – trotz rückläufiger Infektionszahlen – im Zusammenhang mit der weiterhin hohen Auslastung der Intensivstationen zu keinen substanziellen Erleichterungen gekommen ist. Daher sind die medizinischen Versorgungskapazitäten nach wie vor sehr unter Druck. Es bedarf daher wieder einer noch drastischeren Reduktion der sozialen Kontakte als bisher. Da die bisher gesetzten gelinderen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, sind die mit dieser Verordnung getroffenen Verschärfungen unbedingt erforderlich, um einen drohenden Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern."

 

2.1.4. Notwendige Begleitmaßnahmen zu den gemäß §4 Abs3 2. COVID-19-NotMV normierten Pflichten in Bezug auf den Zugang zu und die Benützung von Seil- und Zahnradbahnen, um einen sicheren Schibetrieb in gesundheitlicher Hinsicht zu gewährleisten, seien bereits Teil der damaligen Überlegungen und Verhandlungen zur 2. COVID-19-NotMV gewesen, seien aber vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur näheren Spezifizierung entsprechend dem COVID-19-MG den Landeshauptleuten überlassen worden, um den regionalen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Erwägungsgründe hätten sich mehrere Landeshauptmänner darauf verständigt, die 2. COVID-19-NotMV um eine weitere wichtige Maßnahme zu ergänzen, wie sie in der angefochtenen Verordnung enthalten sei. Damit sollten die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass die Ausübung des Sports selbst – die für sich gesehen gesundheitsförderlich sei – möglich sei, gesundheitsgefährdende Umstände, auf die in der Folge noch näher eingegangen werde, aber vermieden würden.

2.1.5. Bei der Erlassung der Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete sei nicht nur auf die oben genannten Erwägungsgründe der 2. COVID-19-NotMV, sondern auch auf die damalige Empfehlung der Corona-Kommission als Ergebnis ihrer Sitzung vom 22. Dezember 2020 Bedacht genommen worden, nach der das Bundesland Oberösterreich auf Grund der vorliegenden Kontextinformationen gesamthaft mit sehr hohem Risiko eingestuft worden sei. Diese laute auszugsweise (vgl https://corona-ampel.gv.at ):

„Empfehlung der Corona-Kommission

22.12.2020

Nach Beratung in der Sitzung der Corona-Kommission vom 22.12.2020 empfehlen die Kommissionmitglieder dem für Gesundheit zuständigen Minister und den Landeshauptleuten die in untenstehender Tabelle angeführte Einstufung in Präventionsstufen für Österreich vorzunehmen. […]

Aufgrund der entsprechenden Kontextinformationen sind alle Bezirke, alle Bundesländer und das gesamte Staatsgebiet mit sehr hohem Risiko einzustufen. Diese Empfehlung wurde einstimmig ausgesprochen.

Im Sinne der Konsistenz wird diese Empfehlung nachfolgend den gewohnten Aggregationsebenen entsprechend dargestellt.

Datenstand: Sonntag 20.12.2020, 24:00 h

 

Begründungen:

Für die Epidemiologische Lage siehe Indikatoren zur Risikoeinstufung (Stand Sonntag 20.12.2020, 24 Uhr für Empfehlung 22.12.2020) auf https://corona-ampel.gv.at/corona-kommission/bewertungskriterien/

 

Einstufung Österreich: Region ÖSTERREICH

Risikostufe: Sehr hohes Risiko

Begründung: Die Republik Österreich wird aufgrund der vorliegenden Kontextinformationen gesamthaft mit sehr hohem Risiko

eingestuft.

Beschluss: Empfehlung einstimmig angenommen

 

Einstufung Bundesländer:

[...]

Region Oberösterreich

Risikostufe: Sehr hohes Risiko

Begründung: Das Bundesland Oberösterreich wird aufgrund der vorliegenden Kontextinformationen gesamthaft mit sehr hohem Risiko eingestuft.

Beschluss: Empfehlung einstimmig angenommen Näher betrachtete Bezirke Oberösterreich:

[...]

Risikostufe: Sehr hohes Risiko

Begründung: Die rohe 7-Tagesinzidenz liegt über dem Signalwert für sehr hohes Risiko. Die Situation wird nach Beratung und unter Berücksichtigung relevanter Kontextindikatoren mit sehr hohem Risiko bewertet.

Beschluss: Empfehlung einstimmig angenommen"

 

2.1.6. Im Hinblick auf diese hohe Risikoeinstufung habe eine zusätzliche regionale Maßnahme verwirklicht werden müssen, die der im Zusammenhang mit dem Schibetrieb typischen Gefahr einer Ansammlung bzw Anhäufung von mehreren Personen, die ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne Sicherheitsabstand zusammenstehen und damit einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt seien, entgegenwirke:

2.1.7. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung stehe rund um die Ausgabestellen von Schihütten relativ wenig Platz zur Verfügung, wo – nach Abzug des durch die Bundesverordnung vorgeschriebenen Abstands von 50 Metern – eine abgeholte Speise sinnvoll konsumiert werden könne. Ebenfalls der Lebenserfahrung entspreche es, dass eine Essenspause während des Sports für eine kürzere oder auch längere Erholung sowie zum geselligen Beisammensein und Genießen des Bergpanoramas genützt werde. Weiters lege ein Teil der Gäste weniger das Schwergewicht auf die sportliche Betätigung als auf die Erholung und das gesellige Beisammensein im Nahebereich einer Schihütte. Es könne daher erwartet werden, dass (zumindest) ein Großteil der Gäste die abgeholten Speisen und Getränke auch gleich bei den Ausgabestellen konsumieren wollen.

2.1.8. Berücksichtige man zusätzlich den Umstand, dass in Schigebieten die Anzahl der Schihütten im Verhältnis zu den Wintersportlern relativ gering sei, so sei rund um die Ausgabestellen von Schihütten mit einer Situation zu rechnen, die die Einhaltung des Mindestabstands von (damals) einem Meter (jetzt zwei Metern) praktisch unmöglich mache. Darüber hinaus sei während der Konsumation von Speisen und Getränken auch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes unmöglich, sodass eine entsprechend erhöhte Infektionsgefahr ohne die normierte Maßnahme angenommen werden müsse.

2.1.9. Zusammenfassend habe daher das Abholverbot der Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete eine Regelung gemäß §3 Abs1 Z1 COVID-19-MG dargestellt, die auf Grund der dargelegten Erwägungen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 erforderlich gewesen und die gemäß §7 Abs2 als zusätzliche regionale Maßnahme zu einer Verordnung des Bundesministers vom Landeshauptmann erlassen worden sei.

2.2. Zur behaupteten Verletzung des Bestimmtheitsgebots bzw des Legalitätsprinzips stellt die verordnungserlassende Behörde das Folgende fest:

2.2.1. Entgegen den Ausführungen des Antragstellers sei der Begriff "Schigebiet" im Sinn des Art18 Abs1 B‑VG ausreichend determiniert. In den Erläuterungen zur Verordnung werde dargelegt, dass als Schigebiete jene Gebiete zu verstehen seien, die nach Kauf einer Liftkarte und unter Zuhilfenahme der Liftanlagen, zu deren Benutzung die Liftkarte berechtige, durch Schiabfahrten erreichbar seien und dass Fußgängerzonen in Talorten nicht darunterfallen würden. Damit komme zum Ausdruck, dass dem Begriff Schigebiet dasselbe Verständnis zugrunde liege, wie dem klar definierten Begriff des Schigebiets nach dem Anhang 1 Z12 UVP‑G 2000, der mit der Erschließung von Schigebieten durch die Errichtung von Seilförderanlagen zur Personenbeförderung oder Schleppliften oder Errichtung von Pisten in bestimmten schutzwürdigen Gebieten eine Bewilligungspflicht verknüpft sei. Darin werde als Schigebiet in der Fußnote 1a definiert:

"Ein Schigebiet umfasst einen Bereich aus einzelnen oder zusammenhängenden technischen Aufstiegshilfen und dazugehörigen präparierten oder gekennzeichneten Schipisten, in dem ein im Wesentlichen durchgehendes Befahren mit Wintersportgeräten möglich ist und das eine Grundausstattung mit notwendiger Infrastruktur (wie z. B. Verkehrserschließung, Versorgungsbetriebe, Übernachtungsmöglichkeiten, Wasserversorgung und Kanalisation usw) aufweist."

 

2.2.2. Der Begriff "Schigebiet" sei daher in der Rechtsordnung bereits klar definiert und es bestehe kein Anhaltpunkt, der ein anderes Verständnis des Begriffs vermuten lassen würde. Darüber hinaus habe selbst der Antragsteller keine Zweifel, dass seine Betriebsstätte nicht in einem Schigebiet liegen würde.

2.3. Zur behaupteten Verletzung des Gleichheitssatzes entgegnet die verordnungserlassende Behörde wie folgt:

2.3.1. Zur sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Betriebsstätten des Gastgewerbes im Schigebiet mit und ohne allgemeinen Zugang mittels Kraftfahrzeugen über eine Straße:

2.3.2. Zunächst verweist die verordnungserlassende Behörde auf ihre zuvor getroffenen Ausführungen, wonach rund um die Ausgabestellen von Schihütten, die im Regelfall entlang einer Schipiste situiert seien und nur über diese erreicht werden könnten, mit einer Situation zu rechnen sei, die die Einhaltung des Mindestabstands praktisch unmöglich mache.

2.3.3. Demgegenüber stelle sich die Situation von Ausgabestellen, die jedenfalls mit dem Kraftfahrzeug über Straßen erreicht werden können, vollkommen anders dar. Zu nennen wäre hier beispielsweise eine Ausgabestelle bei der Talstation einer Seil- oder Zahnradbahn. Hier sei regelmäßig eine entsprechend große Fläche als Parkplatz angeschlossen, sodass nicht nur entsprechend viel Raum vorhanden sei, auf dem sich die Personen ausreichend verteilen könnten, um Speisen und Getränke zu konsumieren. Die Konsumation und die Erholungspause könne auch im jeweiligen PKW stattfinden bzw könnten auch Speisen und Getränke für den Nachhauseweg gekauft werden, die dann nicht an Ort und Stelle verzehrt werden würden.

2.3.4. Auch bei anderen Betriebsstätten des Gastgewerbes, die über eine Straße für die Allgemeinheit mit Kraftfahrzeugen erreichbar seien, sei davon auszugehen, dass eine größere, befestigte Fläche vorhanden sei, die eine Konsumation unter Einhaltung der Mindestabstände ermögliche. Darüber hinaus könnten diese Betriebsstätten mit dem PKW aufgesucht werden, um Speisen für zu Hause abzuholen. Bei diesen Ausgabestellen bestehe daher nicht die Gefahr, dass das Einhalten des Mindestabstands im Zuge der Konsumation praktisch nicht möglich sei, sodass eine Differenzierung nach dem Zugang zu Betriebsstätten geradezu sachlich geboten sei.

2.3.5. Zur sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Betriebsstätten des Gastgewerbes, die nicht mit dem Kraftfahrzeug über eine Straße allgemein erreichbar sind, innerhalb und außerhalb eines Schigebietes:

2.3.6. Zunächst sei festzuhalten, dass Schifahren in Österreich und auch in Oberösterreich eine Sportart sei, die von einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung ausgeübt werde und daher gerade in der Zeit ab den Weihnachtsferien bis Mitte März mit einer großen Anzahl von Gästen zu rechnen sei. Wie zuvor bereits ausgeführt, stünden für die Gäste eines Schigebiets nur eine sehr begrenzte Anzahl von Gastgewerbebetrieben zur Verfügung, sodass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass gerade ab der frühen Mittagszeit bis in den späteren Nachmittag mit einer gedrängten Situation bei den in Rede stehenden Gastgewerbebetrieben zu rechnen sei.

2.3.7. Dem Wandersport im Winter oder dem Besuch einer Hütte außerhalb eines Schigebiets beispielsweise zum Rodeln komme hingegen in Oberösterreich vergleichsweise eine geringe Bedeutung zu, sodass grundsätzlich die reinen "Wanderhütten" über den Winter ohnehin nicht geöffnet hätten.

2.3.8. Bei Gastgewerbebetrieben außerhalb von Schigebieten liege hingegen keine vergleichbare Gästekonzentration vor. Die praktische Möglichkeit, die Speisen und Getränke zu konsumieren, sei auch unter Einhaltung des Abstands von 50 Metern zur Ausgabestelle und der Mindestabstände unproblematisch gegeben. Zu denken sei hier beispielsweise an Ausgabestellen in Fußgängerzonen. Zusätzlich sei zu beachten, dass gerade im Ortsgebiet vor allem Speisen abgeholt würden, um diese dann im privaten Bereich zu konsumieren, was bei einer Ausgabestelle einer Schihütte gerade nicht der Fall sei. Zusammenfassend bestehe daher bei den Betriebsstätten des Gastgewerbes, die nicht mit dem Kraftfahrzeug über eine Straße allgemein erreichbar sind, außerhalb der Schigebiete keine vergleichbare Infektionsgefahr, sodass eine Einbeziehung dieser Betriebe in die Verordnung unsachlich gewesen wäre.

2.4. Zur behaupteten Verletzung des Grundrechts auf Erwerbsfreiheit führt die verordnungserlassende Behörde das Folgende aus:

2.4.1. Die Einschätzung des Antragstellers – die angefochtene Bestimmung bedeute eine Beendigung einer zulässigen gewerblichen Tätigkeit, weshalb derselbe strenge Maßstab anzusetzen sei, wie er für Erwerbsantrittsschranken gelte – treffe nicht zu, weil einerseits die Verordnung als befristete Verordnung konzipiert sei und darüber hinaus der räumliche Geltungsbereich des Verbots sehr eingeschränkt sei, weil nur bestimmte Hütten und auch nur solche in Schigebieten erfasst seien. Insbesondere die vom Antragsteller zur Untermauerung seiner Rechtsansicht zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zum Tabakmonopolgesetz 1996 (VfGH 3.7.2015, G118/2015) vermöge nicht zu überzeugen, weil es darin um ein endgültiges Verbot großer Teile der vom Antragsteller vertriebener Produkte gegangen sei und somit – anders als in der angefochtenen Verordnung – um ein weitgehendes, zeitlich und örtlich unbeschränktes Erwerbsausübungsverbot.

2.4.2. Die angefochtene Regelung halte nach Ansicht der verordnungserlassenden Behörde jedenfalls einer Prüfung auf einen zulässigen Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit stand:

2.4.3. Wie aus den Erläuterungen zur Verordnung ersichtlich und bereits ausgeführt, sei die Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete zum Schutz vor Ansteckung mit dem Corona-Virus erlassen worden. Sie sei daher eine Regelung im öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes. Durch die angefochtene Regelung werde wirksam hintangehalten, dass sich eine größere Anzahl von Personen auf engem Raum aufhalte, Speisen und Getränke konsumiere und daher auch keinen Mund-Nasen-Schutz trage, was zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen würde. Die Maßnahme sei daher im Sinn der Anforderungen an Grundrechtseingriffe geeignet.

2.4.4. Es bestehe auch kein alternatives Mittel, das in gleicher Weise den Schutz der Gesundheit der Schisportler gewährleisten würde: Eine zeitliche Einschränkung zB während der Mittagsstunden würde zu einer noch größeren Menschenkonzentration am Nachmittag führen. Eine zusätzliche Regelung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wäre sinnwidrig, weil bei der Konsumation von Speisen und Getränken eben kein Mund-Nasen-Schutz getragen werden könne. Eine Einschränkung dahingehend, dass keine warmen Speisen abgeholt werden dürften, würde an der Situation nichts ändern, wonach nach der allgemeinen Lebenserfahrung Schifahrer, die die Schi abschnallen, um sich Essen und/oder Getränke zu besorgen und eine Mittagspause einzulegen, diese vor Ort konsumieren und sich auch entsprechend erholen wollen. Eine entsprechende Menschenansammlung und die Nichteinhaltung der Mindestabstände wären daher in jedem Fall vorprogrammiert.

2.4.5. Eine Abwägung der Rechtsschutzinteressen zeige, dass zu Gunsten des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung, dem ein hoher Stellenwert beizumessen sei, ein vergleichsweise lediglich geringfügiger Eingriff in das Grundrecht der Erwerbsfreiheit erfolge, da die Regelung zeitlich befristet konzipiert sei, eine ergänzende Maßnahme zur Bundesverordnung darstelle, nicht sämtliche Berufsausübungsmöglichkeiten erfasse – sondern nur die an einem bestimmten Standort – und darüber hinaus keine sinnvolle Alternative zur Verfügung stehe. Vielmehr diene die Maßnahme dazu, weitergehende Gesundheitsgefährdungen durch Menschenansammlungen hintanzuhalten. Die Maßnahme sei daher auch adäquat.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit des Antrages

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

1.2. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.3. Der Antragsteller ist Betreiber einer Schihütte, die über eine Straße nicht erreichbar ist, weshalb es ihm gemäß §1 Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete, LGBl 141/2020, in der Zeit von 24. Dezember 2020 bis zunächst 18. Jänner 2021 (durch LGBl 1/2021 sowie 35/2021 verlängert bis insgesamt 6. April 2021) untersagt war, seine Betriebsstätte zur Abholung von Speisen und Getränken zu öffnen. Die Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete stand im Zeitpunkt der Antragstellung in der Fassung LGBl 141/2020 in Kraft. Der Umstand, dass die Verordnung mit LGBl 35/2021 mit 6. April 2021 und damit nach der Antragstellung aufgehoben wurde, schadet in der vorliegenden Konstellation mit Blick auf die mit VfSlg 20.399/2020 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht (vgl auch VfSlg 20.397/2020; VfGH 1.10.2020, V392/2020; 10.3.2021, V573/2020; 24.6.2021, V593/2020). Der Antragsteller ist daher unmittelbar und aktuell in seiner Rechtsphäre betroffen.

1.4. Im Hinblick auf die Verwaltungsstrafdrohung in §8 Abs3 COVID‑19-MG (idF BGBl I 104/2020) steht dem Antragsteller auch kein anderer zumutbarer Weg offen, die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

2.1. Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

2.2. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (vgl VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

3. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifeln ließe. Der Anfechtungsumfang wurde richtig gewählt. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

B. In der Sache

1. Der Antrag ist begründet.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

3. Der Antragsteller macht der Sache nach unter anderem geltend, es sei gleichheits- und damit gesetzwidrig, dass die Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete, LGBl 141/2020, ein Abholungsverbot von Speisen und Getränken nur für solche Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten festlegt, die von Gästen nicht mit Kfz über allgemein benutzbare Straßen erreicht werden können, während Gastgewerbebetriebe in Schigebieten an allgemein benutzbaren Straßen Speisen und Getränke zur Abholung bereitstellen dürfen.

3.1. Gemäß §7 Abs1 der vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz für das gesamte Bundesgebiet erlassenen 2. COVID-19-NotMV, BGBl II 598/2020, war das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe untersagt; abweichend davon wurde die Abholung von Speisen und Getränken unter bestimmten Voraussetzungen in §7 Abs7 leg cit grundsätzlich für zulässig erklärt.

3.2. §4 Abs3 2. COVID-19-NotMV ermöglichte – mit bestimmten Einschränkungen (Kapazitätsbeschränkung, FFP2-Maskenpflicht) – die allgemeine Benützung von Seil- und Zahnradbahnen. Als ergänzende regionale Maßnahme zur 2. COVID-19-NotMV ordnete der Landeshauptmann von Oberösterreich mit der angefochtenen Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete an, dass – abweichend von §7 Abs7 2. COVID-19-NotMV – die Abholung von Speisen und Getränken bei solchen Betriebsstätten des Gastgewerbes in Schigebieten verboten ist, die durch Gäste nicht mit Kraftfahrzeugen über Straßen erreicht werden können, deren Benützung durch die Allgemeinheit vom Willen der Grundeigentümerin bzw des Grundeigentümers oder der Straßenerhalterin bzw des Straßenerhalters unabhängig ist.

3.3. Der Antragsteller bringt dazu im Wesentlichen vor, die Schlechterstellung von Gastronomiebetrieben in Schigebieten, die nicht mit einem Kfz über eine Straße erreichbar sind, sei nicht nachvollziehbar und willkürlich.

3.4. Den vom Landeshauptmann von Oberösterreich vorgelegten Verordnungsakten ist dazu im Wesentlichen zu entnehmen, dem angefochtenen Abholungsverbot liege die Annahme zugrunde, es könne bei einer Offenhaltung von Gastgewerbebetrieben in Schigebieten in deren Nahbereich zu größeren Menschenansammlungen kommen, wenn das Mitgenommene nicht wie bei anderen außerhalb des Schigebiets gelegenen Gastronomiebetrieben mit einem Kfz abtransportiert werden könne. In seiner Äußerung führt der Landeshauptmann von Oberösterreich zu den vom Antragsteller geltend gemachten gleichheitsrechtlichen Bedenken ergänzend aus, bei Gaststätten außerhalb von Schigebieten liege keine mit Betrieben in Schigebieten vergleichbare Gästekonzentration vor. Im Ortsgebiet sei die Möglichkeit, Speisen und Getränke unter Einhaltung des Abstands von 50 Metern zur Ausgabestelle und unter Wahrung der Mindestabstände zu konsumieren, unproblematisch gegeben. Zudem würden im Ortsgebiet Speisen gerade für die Konsumation im privaten Bereich abgeholt werden, weshalb keine mit Gastgewerbebetrieben in Schigebieten vergleichbare Infektionsgefahr bestehe. Demgegenüber sei rund um die Ausgabestellen von Schihütten, die im Regelfall entlang einer Schipiste situiert seien und nur über diese erreicht werden könnten, mit einer Situation zu rechnen, die die Einhaltung des Mindestabstands praktisch unmöglich mache. Die Situation von Ausgabestellen in Schigebieten, die jedenfalls mit dem Kraftfahrzeug über Straßen erreicht werden können, sei wiederum eine vollkommen andere. So sei beispielsweise bei einer Ausgabestelle bei einer Talstation oder Zahnradbahn regelmäßig ein größerer Parkplatz angeschlossen. Speisen und Getränke konsumierende Personen hätten daher die Möglichkeit sich entsprechend zu verteilen bzw könne die Konsumation auch im jeweiligen PKW sowie am Nachhauseweg stattfinden. Auch bei anderen Gastgewerbetrieben in Schigebieten, die durch die Allgemeinheit über eine Straße erreicht werden können, sei anzunehmen, dass eine größere befestigte Fläche vorhanden sei. Demzufolge sei bei diesen Betriebsstätten die Einhaltung des Mindestabstands möglich und eine Differenzierung nach dem Zugang zu Betriebsstätten geradezu sachlich geboten.

4. Die angefochtene Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete, LGBl 141/2020, verstößt gegen den Gleichheitssatz:

4.1. Der Gleichheitssatz bindet auch den Verordnungsgeber (VfGH 5.6.2014, V44/2013). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl zur Differenzierung bei Gesetzen etwa 17.315/2004, 17.500/2005, zum Sachlichkeitsgebot bei Gesetzen vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001; VfGH 23.2.2021, G361/2020).

4.2. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in der Frage der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie einen weiten Entscheidungsspielraum eingeräumt hat (vgl VfGH 10.3.2021, V574/2020; 24.6.2021, V593/2020 mwN).

4.3. Der Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete lag das Ziel zugrunde, Menschenansammlungen im Nahbereich von Gastronomiebetrieben in Schigebieten zu verhindern und damit die Ansteckungsgefahr mit COVID-19 während der Ausübung des Schisports zu verringern. Der mit dieser Maßnahme verfolgte Schutz der Gesundheit stellt ein Ziel von erheblichem Gewicht dar. Angesichts der im Zeitpunkt der Verordnungserlassung bestehenden – in der vorgelegten Empfehlung der Corona-Kommission vom 22. Dezember 2020 dokumentierten – und durch den Antragsteller nicht bestrittenen epidemiologischen Situation ist der verordnungserlassenden Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie ein Verbot der Abholung von Speisen und Getränken von in Schigebieten gelegenen Gastgewerbebetrieben zur Erreichung dieses Ziels für erforderlich hielt.

4.4. Es liegt in dem von der gesetzlichen Ermächtigung begrenzten Spielraum des Verordnungsgebers, sich bei der Entscheidung über die Erlassung von Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens an Kriterien bzw Anknüpfungspunkten zu orientieren (zur vergleichbaren Konstellation siehe VfSlg 20.399/2020; VfGH 1.10.2020, V392/2020).

4.5. Es ist aber kein sachlicher Grund erkennbar, warum die verordnungserlassende Behörde bei der ergänzenden Regelung für die Ausgabe von Speisen und Getränken in Schigebieten ausschließlich auf das Kriterium der (Nicht‑)Erreichbarkeit der betroffenen Gastronomiebetriebe mittels Kfz über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße abstellte. Der Umstand, dass eine "Schihütte" mittels öffentlicher Straße erreichbar ist, gibt nämlich für sich betrachtet noch keinen verlässlichen Aufschluss darüber, ob im Nahebereich dieser Betriebsstätte ausreichend Platz zur Konsumation von Speisen und Getränken unter Wahrung der erforderlichen Mindestabstände gegeben ist. Das Abstellen auf das Differenzierungsmerkmal der Erreichbarkeit über eine allgemein zugängliche öffentliche Straße verstößt daher gegen das aus dem Gleichheitssatz entspringende Sachlichkeitsgebot.

5. Die angefochtene Oö COVID-19-Maßnahmenverordnung – Schigebiete, LGBl 141/2020, erweist sich daher als gleichheitswidrig.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine weitere Prüfung, ob die angefochtene Verordnung auch aus anderen Gründen gesetzwidrig war, insbesondere ob die verordnungserlassende Behörde ihrer Dokumentationspflicht im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nachgekommen ist (vgl grundlegend VfSlg 20.399/2020, 20.398/2020; weiters VfGH 24.6.2021, V592/2020).

7. Da die Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, genügt es festzustellen, dass die Verordnung gesetzwidrig war.

V. Ergebnis

1. Die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 eine zusätzliche Maßnahme in Schigebieten festgelegt wird, LGBl 141/2020, war gesetzwidrig.

2. Der Ausspruch, dass die unter Punkt 1. genannte Verordnung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art139 Abs6 B‑VG.

3. Die Verpflichtung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche in Punkt 1. und 2. erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B‑VG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §61a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

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