VfGH V574/2020 ua

VfGHV574/2020 ua10.3.2021

Keine Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 betreffend den ortsungebundenen Unterricht ("distance learning") für den Zeitraum vom 17.11.2020 bis 06.12.2020; ausreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen im Verordnungsakt des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung; Anordnung des ortsungebundenen Unterrichts auf Grund wissenschaftlich belegter Unsicherheit über die Verbreitung von COVID-19, der epidemiologischen Lage zum Entscheidungszeitpunkt sowie der Möglichkeit der pädagogischen Betreuung am Schulstandort sachlich gerechtfertigt; Erfüllung des verfassungsrechtlichen Bildungsauftrags der Schule bei dauerhaft ortsungebundenem Unterricht nicht gewährleistet

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art14 Abs5a
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z3
EMRK 1. ZP Art2
SchulorganisationsG §132c
SchulunterrichtsG §82m
SchulunterrichtsG-BKV §72b
SchulzeitG 1985 §16e
BundesministerienG 1986 §2
COVID-19-SchulV BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020 §13 Abs6, §34
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:V574.2020

 

Spruch:

I. Die Anträge werden abgewiesen, soweit sie sich gegen §13 Abs6 in Verbindung mit §34 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), BGBl II Nr 384/2020, idF BGBl II Nr 478/2020 richten.

II. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

Mit den gleichlautenden, auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten Anträgen begehren die Antragsteller, §13 Abs6 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, in eventu §13 Abs6 in Verbindung mit §34 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, in eventu §§31 und 34 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, in eventu §3 Z7, §§31 und 34 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, in eventu die C‑SchVO 2020/21 , BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, als Ganzes, in eventu §3 Z7 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, in eventu in §3 Z7 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, die Wortfolge "an einem Ort, der nicht für schulische Zwecke bestimmt ist, mit Ausnahme von Schulveranstaltungen oder schulbezogenen Veranstaltungen" als gesetzwidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 lauteten auszugsweise wie folgt (die mit dem Hauptantrag und dem ersten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"1. Teil

Allgemeine Bestimmungen

 

Ziel

§1. Diese Verordnung regelt schulorganisatorische, schulunterrichtsrechtliche und schulzeitrechtliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 im Schulwesen.

 

Geltungsbereich

§2. Diese Verordnung gilt für die im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, (im Folgenden: SchOG) sowie in ArtV Z2 der 5. SchOG‑Novelle, BGBl Nr 323/1975, und im Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetz, BGBl Nr 175/1966, sowie im Forstgesetz 1975, BGBl Nr 440/1975 geregelten öffentlichen und privaten Schulen.

 

Begriffsbestimmungen

§3. Im Sinne dieser Verordnung sind zu verstehen:

 

1. unter Ampelphase die im 1. bis 4. Abschnitte des 2. Teils dieser Verordnung jeweils festgelegten, mit einer Farbbezeichnung als Kurzbezeichnung versehenen, Abweichungen von schulorganisatorischen, schulrechtlichen und schulzeitrechtlichen Normen, von welchen gleichzeitig immer nur ein Abschnitt zur Anwendung gelangen kann;

 

2.–3. […]

 

6. unter Präsenzunterricht die Unterrichts- und Erziehungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern in einem für schulische Zwecke bestimmten Gebäude oder auf Freiflächen;

 

7. unter ortsungebundenem Unterricht die Unterrichts- und Erziehungsarbeit unter Anwendung elektronischer Kommunikation an einem Ort, der nicht für schulische Zwecke bestimmt ist, mit Ausnahme von Schulveranstaltungen oder schulbezogenen Veranstaltungen;

 

8.–10. […]

 

2. Teil

Bestimmungen zu den Ampelphasen

 

1. Abschnitt

Bestimmungen für die Ampelphase 'Grün'

 

1. Unterabschnitt

Allgemeine Bestimmungen

 

Anwendungsbereich

§13. (1) Die Bestimmungen des 1. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung gelten für alle Schulen gemäß §2 dieser Verordnung, sofern die örtlich und sachlich zuständige Schulbehörde oder der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nicht für einzelne, mehrere oder alle Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS‑CoV 2 oder COVID‑19 die Anwendung eines anderen Abschnittes oder einzelner anderer Bestimmungen dieser Verordnung anordnet. Der Gesundheitsbehörde ist vor Erlass der Verordnung die Mitwirkung an der Entscheidung zu ermöglichen.

 

(2) Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen, auf welche dieser Abschnitt anzuwenden ist, befinden sich in der Ampelphase 'Grün'.

 

(3) Als Daten und Informationen gemäß Abs1, §17, §22 und §33 kommen neben den allgemeinen epidemiologischen Daten des örtlichen Einzugsgebietes einer Schule insbesondere die Zahl der infizierten und erkrankten Schülerinnen und Schüler, der mit Infizierten oder Erkrankten im gleichen Haushalt lebenden oder in direktem Kontakt gestandenen Schülerinnen und Schüler, der Anteil der nicht erklärbaren Erkrankungen und Infektionen von Schülerinnen und Schülern, oder die Bündelung von Infektionen oder Erkrankungen bei bestimmten, nachvollziehbar zuordenbaren, Klassen oder Schülergruppen in Betracht.

 

(4) Abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung, ausgenommen §6, und der Verordnungen von Schulbehörden gemäß §17 und §22 ist auf alle Schulen gemäß §2 für den Zeitraum vom 3. November 2020 bis zum 16. November 2020 der 3. Abschnitt des 2. Teiles dieser Verordnung anzuwenden. Für alle Schulen des 3. Unterabschnittes des 3. Abschnittes des 2. Teiles wird für den genannten Zeitraum ortsungebundener Unterricht mit der Maßgabe angeordnet, dass am 3. November 2020 alle für die Umstellung auf ortsungebundenen Unterricht erforderlichen Tätigkeiten, insbesondere durch Schülerinnen und Schüler, in der Schule durchgeführt werden können.

 

(5) Die Schulleitung von Schulen, welche sich nicht bereits gemäß Abs4 im ortsungebundenen Unterricht befinden, kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung im in Abs4 genannten Zeitraum für einen oder mehrere aufeinander folgende Schultage ortsungebundenen Unterricht für die Schule, Schulstufen, Klassen oder Gruppen anordnen, wenn dies zur Aufrechterhaltung eines geordneten Unterrichts, insbesondere wegen Anordnungen von Testungen auf Infektionen mit SARS‑CoV 2 oder Erkrankungen an COVID 19 von Schülerinnen und Schülern oder Lehrpersonen, zwingend erforderlich ist.

 

(6) Abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung, ausgenommen §6, und der Verordnungen von Schulbehörden gemäß §17 und §22 sind vom 17. November bis 6. Dezember 2020 auf alle Schulen gemäß §2 die Bestimmungen für die Ampelphase 'Rot' (4. Abschnitt) anzuwenden.

 

[…]

 

2. Abschnitt

Bestimmungen für die Ampelphase 'Gelb'

 

1. Unterabschnitt

Allgemeine Bestimmungen

 

Anwendungsbereich

§17. Die Bestimmungen des 2. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung gelten für jene Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen, für welche die Schulbehörde dies aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS‑CoV 2 oder COVID‑19 im Einvernehmen mit der obersten Schulbehörde verordnet hat. Sie befinden sich in der Ampelphase 'Gelb'.

 

[…]

 

3. Abschnitt

Bestimmungen für die Ampelphase 'Orange'

 

1. Unterabschnitt

Allgemeine Bestimmungen

 

Anwendungsbereich

§22. Die Bestimmungen des 3. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung gelten für jene Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen, für welche die Schulbehörde dies aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS‑CoV 2 oder COVID‑19 im Einvernehmen mit der obersten Schulbehörde verordnet hat. Sie befinden sich in der Ampelphase 'Orange'.

 

[…]

 

3. Unterabschnitt

Besondere Bestimmungen für die allgemein bildenden höheren Schulen

ab der 9. Schulstufe, Berufsschulen, berufsbildenden mittleren und höheren

Schulen, land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulen sowie für Schulen für

Berufstätige, Kollegs, Vorbereitungslehrgänge und Sonderformen

 

Anordnung des ortsungebundenen Unterrichts

§31. (1) Jede Schule hat mit Inkrafttreten der Entscheidung der Gesundheitsbehörde gemäß §6 oder mit Anordnung der Anwendbarkeit dieses Abschnittes durch die Schulbehörde den Unterricht in ortsungebundener Form durchzuführen. Mit Anwendbarkeit des 1. oder 2. Abschnittes des 2. Teils dieser Verordnung ist der Präsenzunterricht am Schulstandort binnen angemessener Frist, spätestens aber mit dem auf die Aufhebung folgenden Montag, wiederaufzunehmen.

 

(2) Abweichend von §6 SchOG und §5 des Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetzes hat für die Dauer des ortsungebundenen Unterrichts der Unterricht in Freigegenständen und in unverbindlichen Übungen zu entfallen, außer

 

1. in den im Minderheitenschulgesetz für das Burgenland und im Minderheitenschulgesetz für Kärnten genannten Unterrichtssprachen an Schulen, auf welche das Minderheitenschulgesetz für das Burgenland oder das Minderheitenschulgesetz für Kärnten anzuwenden sind,

 

2. wenn sie den Erwerb von Zertifikaten, insbesondere in Fremdsprachen oder einer beruflichen Qualifikation, anstreben,

 

3. wenn sie zumindest teilweise durch Mittel des Europäischen Sozialfonds finanziert werden oder

 

4. wenn sie für die Vorbereitung, Zulassung oder Ablegung eines Prüfungsgebietes einer abschließenden Prüfung oder einer Zusatzprüfung gemäß §2 bis 6 der Universitätsberechtigungsverordnung – UBVO 1998 oder den Ersatz einer solchen erforderlich sind.

 

(3) Abweichend von Abs1 kann die Schulleitung oder die Schulbehörde für Schulstufen, Klassen oder Gruppen für einzelne oder mehrere zusammenhängende Tage oder einzelne Unterrichtsgegenstände Ausnahmen vom ortsungebundenen Unterricht anordnen.

 

[…]

 

4. Abschnitt

Bestimmungen für die Ampelphase 'Rot'

 

1. Unterabschnitt

Allgemeine Bestimmungen

 

Anwendungsbereich

§33. Die Bestimmungen des 4. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung gelten für jene Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen, für welche die Schulbehörde dies aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS‑CoV 2 oder COVID‑19 im Einvernehmen mit der obersten Schulbehörde verordnet hat. Sie befinden sich in der Ampelphase 'rot'.

 

Anordnung des ortsungebundenen Unterrichts

§34. (1) Jede Schule hat mit Inkrafttreten der Entscheidung gemäß §6 oder mit Anordnung der Anwendbarkeit dieses Abschnittes durch die Schulbehörde den Unterricht in ortsungebundener Form durchzuführen. Mit Anwendbarkeit eines anderen. Abschnittes des 2. Teils dieser Verordnung ist der Präsenzunterricht am Schulstandort, sofern nicht §31 anwendbar ist, binnen angemessener Frist, spätestens aber mit dem auf die Aufhebung folgenden Montag, wiederaufzunehmen.

 

(2) Abs1 gilt nicht für Sonderschulen. Schülerinnen und Schüler an diesen Schulen, welche sich aus mit der COVID‑19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Gründen nicht in der Lage sehen, am Unterricht teilzunehmen, kann die Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht aus wichtigen Gründen im Sinne des §9 Abs6 Schulpflichtgesetz 1985 oder §45 Abs4 SchUG erteilt werden.

 

(3) Abweichend von Abs1 kann die Schulleitung oder die Schulbehörde für Schulstufen, Klassen oder Gruppen an allgemein bildenden höheren Schulen ab der 9. Schulstufe, an Berufsschulen, an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, an land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulen sowie an Schulen für Berufstätige, Kollegs, Vorbereitungslehrgänge und Sonderformen für einzelne oder mehrere zusammenhängende Tage oder einzelne Unterrichtsgegenstände Ausnahmen vom ortsungebundenen Unterricht anordnen.

 

[…]

 

2. Unterabschnitt

Besondere Bestimmungen für die Volksschule, Mittelschule, Polytechnische

Schule sowie die 5. bis 8. Schulstufe der allgemein bildenden höheren Schulen

 

Ausnahmen vom ortsungebundenen Unterricht

§38. (1) Wenn Schülerinnen und Schüler im ortsungebundenen Unterricht zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben einen geeigneten Arbeitsplatz, einen Zugang zu IT-Endgeräten oder eine pädagogische Unterstützung benötigen, oder eine häusliche Betreuung ansonsten nicht sichergestellt ist, sind sie in der Schule zu beaufsichtigen und in einer dem Unterricht im Lehrerteam gemäß §31a SchUG entsprechenden Form zu unterstützen. Die Schulleitung kann das Vorliegen eines Bedarfes auf pädagogische Unterstützung auch amtswegig feststellen und diese anordnen.

 

(2) Abweichend von §5 kann die Schulleitung die Schülerinnen und Schüler, die am Unterricht gemäß Abs1 teilnehmen, nach Maßgabe der organisatorischen und räumlichen Möglichkeiten und der pädagogischen Zweckmäßigkeit in klassen‑, gruppen- oder schulstufenübergreifende Gruppen zusammenfassen. Die Bestimmungen gemäß §25 und §27 Abs1 bis 3 sind sinngemäß anzuwenden.

 

(3) Der Betreuungsteil ganztägiger Schulformen ist durchzuführen, wenn Schülerinnen und Schüler gemäß Abs1 zur ganztägigen Schulform angemeldet sind."

2. §13 Abs4 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), BGBl II 384/2020, idF BGBl II 538/2020 lautete auszugsweise wie folgt:

"§13. (1)–(3) […]

 

(4) Abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung, ausgenommen §6, und der Verordnungen von Schulbehörden gemäß §17 und §22 sind auf alle Schulen gemäß §2 für den Zeitraum vom 7. Dezember 2020 bis einschließlich 23. Dezember 2020 die Bestimmungen des 3. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung mit der Maßgabe, dass die Schülerinnen und Schüler in abschließenden Klassen vom ortsungebundenen Unterricht ausgenommen sind, anzuwenden.

 

(5)–(6) […]"

3. §13 Abs6 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), BGBl II 384/2020, idF BGBl II 594/2020 lautete auszugsweise wie folgt:

"§13. (1)–(5) […]

 

(6) Abweichend von den Bestimmungen dieser Verordnung, ausgenommen §6, und der Verordnungen von Schulbehörden gemäß §17 und §22 sind vom 7. Jänner bis einschließlich 17. Jänner 2021 auf alle Schulen gemäß §2 die Bestimmungen des 4. Abschnittes des 2. Teiles dieser Verordnung anzuwenden."

4. §82m des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl 472/1986 (WV) idF BGBl I 23/2020, lautet wie folgt:

"Festlegung von Fristen und schuljahresübergreifenden Regelungen für die

Schuljahre 2019/20 und 2020/21 aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung von

COVID‑19

§82m. (1) In Ausnahme zu den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes kann der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 mit Verordnung

 

1. bestehende Stichtage abweichend festsetzen und gesetzliche Fristen verkürzen, verlängern oder verlegen,

 

2. die Schulleitung ermächtigen oder verpflichten, in Abstimmung mit den die einzelnen Unterrichtsgegenstände unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrern von der Aufteilung der Bildungs- und Lehraufgaben und des Lehrstoffes in den Lehrplänen auf die einzelnen Schulstufen oder Semester abzuweichen, Förderunterricht verpflichtend anzuordnen, den Besuch der gegenstandsbezogenen Lernzeit verpflichtend anzuordnen oder Ergänzungsunterricht vorzusehen,

 

3. den Einsatz von elektronischer Kommunikation für die Abhaltung von Konferenzen, für Unterricht und Leistungsfeststellung und ‑beurteilung regeln,

 

4. für Schularten, Schulformen, Schulen, Schulstandorte, einzelne Klassen oder Gruppen oder Teile von diesen bei ortsungebundenem Unterricht Leistungsfeststellung und ‑beurteilung regeln und

 

5. die Schulleitung ermächtigen oder verpflichten, die Unterrichtszeit in bestimmten Unterrichtsgegenständen teilweise oder zur Gänze auf Teile des Unterrichtsjahres zusammenzuziehen.

 

Diese Verordnung muss unter Angabe der Geltungsdauer und einer neuen Regelung jene gesetzlichen Bestimmungen benennen, von welchen abgewichen werden soll und kann rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft gesetzt werden.

 

(2) Unter Ergänzungsunterricht sind Unterrichtseinheiten zu verstehen, die zusätzlich zur lehrplanmäßig verordneten Stundentafel abgehalten werden, um im stundenplanmäßigen Unterricht nicht behandelten oder im ortsungebundenen Unterricht angeleitet erarbeiteten Lehrstoff zu behandeln. Ergänzungsunterricht und Förderunterricht können während des gesamten Schuljahres von Lehrkräften oder Lehramtsstudierenden durchgeführt werden. Die Teilnahme an diesem Unterricht kann als freiwillig oder für einzelne Schülerinnen oder Schüler verpflichtend geregelt werden.

 

(3) Ortsungebundener Unterricht umfasst die Vermittlung von Lehrstoff und die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel, deren Bereitstellung vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstützt wird, (angeleitetes Erarbeiten) ohne physische Anwesenheit einer Mehrzahl von Schülerinnen und Schülern am gleichen Ort."

5. §132c des Bundesgesetzes vom 25.07.1962 über die Schulorganisation (Schulorganisationsgesetz – SchOG), BGBl 242/1962, idF BGBl I 23/2020 lautet wie folgt:

"Festlegung von Fristen und schuljahresübergreifenden Regelungen für die

Schuljahre 2019/20 und 2020/21 aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung von

COVID‑19

§132c. (1) In Ausnahme zu den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes kann der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 mit Verordnung

 

1. bestehende Stichtage abweichend festsetzen und gesetzliche Fristen verkürzen, verlängern oder verlegen,

 

2. die Schulleitung ermächtigen oder verpflichten, in Abstimmung mit den die einzelnen Unterrichtsgegenstände unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrern von der Aufteilung der Bildungs- und Lehraufgaben und des Lehrstoffes in den Lehrplänen auf die einzelnen Schulstufen oder Semester abzuweichen, Förderunterricht verpflichtend anzuordnen, den Besuch der gegenstandsbezogenen Lernzeit verpflichtend anzuordnen oder Ergänzungsunterricht vorzusehen,

 

3. den Einsatz von elektronischer Kommunikation für Unterricht, Leistungsfeststellung und ‑beurteilung regeln,

 

4. für Schularten, Schulformen, Schulen, Schulstandorte, einzelne Klassen oder Gruppen oder Teile von diesen einen ortsungebundenen Unterricht mit oder ohne angeleitetem Erarbeiten von Lehrstoffen anordnen und

 

5. an Berufsschulen die Schulleitung ermächtigen, an Stelle von Pflichtgegenständen verbindliche Übungen vorzusehen, wenn keine sichere Beurteilung möglich wäre.

 

Diese Verordnung muss unter Angabe der Geltungsdauer und einer neuen Regelung jene gesetzlichen Bestimmungen benennen, von welchen abgewichen werden soll und kann rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft gesetzt werden.

 

(2) Unter Ergänzungsunterricht sind Unterrichtseinheiten zu verstehen, die zusätzlich zur lehrplanmäßig verordneten Stundentafel abgehalten werden, um im stundenplanmäßigen Unterricht nicht behandelten oder im ortsungebundenen Unterricht angeleitet erarbeiteten Lehrstoff zu behandeln. Ergänzungsunterricht und Förderunterricht können während des gesamten Schuljahres von Lehrkräften oder Lehramtsstudierenden durchgeführt werden. Die Teilnahme an diesem Unterricht kann als freiwillig oder für einzelne Schülerinnen oder Schüler verpflichtend geregelt werden.

 

(3) Ortsungebundener Unterricht umfasst die Vermittlung von Lehrstoff und die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel, deren Bereitstellung vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstützt wird, (angeleitetes Erarbeiten) ohne physische Anwesenheit einer Mehrzahl von Schülerinnen und Schülern am gleichen Ort."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragsteller sind Schüler. In dem zu V574/2020 protokollierten Verfahren legt der Antragsteller seine Bedenken auszugsweise wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen; die Bedenken der Antragsteller zu V575/2020, V577‑578/2020, V595‑596/2020 und V598/2020 sind im Wesentlichen gleichlautend):

"[…]

 

III. Antragslegitimation

 

Der Antragsteller ist Schüler einer von dem in Rede stehenden 'ortsungebundenen Unterricht' betroffenen Schule. Es handelt sich um eine Schule, die in den Geltungsbereich der C‑SchVO 2020/21 sowie der sonst angeführten Rechtsgrundlagen fällt. Die bekämpften Bestimmungen sind für den Antragsteller als Normadressat tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Durch §13 Abs6 iVm §34 C‑SchVO 2020/21 wird insofern die Rechtssphäre des Antragstellers verletzt, als ein Präsenzunterricht nicht mehr stattfindet, sondern die Schule auf Basis dieser Rechtslage einen 'ortsungebundenen Unterricht' angeordnet hat. Eine Konkretisierung der angefochtenen (generellen) Bestimmungen ist nicht erforderlich. Sie wirken unmittelbar für den Adressaten, indem sie ua zu ortsungebundenem Unterricht führen. Ein weiterer Akt der Vollziehung ist zur Wirksamkeit nicht vorgesehen.

 

[…]

 

Ausweislich §132c Abs3 Schulorganisationsgesetz und §82m Abs3 Schulunterrichtsgesetz, sohin der gesetzlichen Grundlage der C‑SchVO, umfasst ortsungebundener Unterricht die Vermittlung von Lehrstoff und die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel, deren Bereitstellung vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstützt wird, (angeleitetes Erarbeiten) ohne physische Anwesenheit einer Mehrzahl von Schülerinnen und Schülern am gleichen Ort. Ist der Unterricht in einem Schulgebäude ua aufgrund einer gesundheitsbehördlichen Entscheidung nicht möglich, so befinden sich die Schülerinnen und Schüler, im ortsungebundenen Unterricht (vgl §6 C‑SchVO). Der Antragsteller ist sohin Normadressat und wird seines Rechtes auf Präsenzunterricht beschnitten.

 

Die Schüler (damit auch der Antragsteller) haben einen subjektiven Rechtsanspruch auf (unentgeltlichen) Schulbesuch sowie auf Darbietung des Lehrstoffes während der rechtmäßig vorgeschriebenen Schulzeit (vgl auch VfSlg 13.814/1994). Ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit in der Schule wird durch die korrespondierende Schulpflicht bereits impliziert. Schüler haben den Unterricht während der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen (§9 Abs1 Bundesgesetz über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985), StF: BGBl Nr 76/1985 (WV) idgF). Ein Fernbleiben von der Schule ist während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig (§9 Abs2 Schulpflichtgesetz). Dementsprechend wurde ua in §28b Z3 Schulunterrichtsgesetz auch eine eigene Rechtsgrundlage für die Verwirklichung von elektronischem Unterricht (als Abweichung vom Normtypus des Präsenzunterrichts) geschaffen. Durch die gesetzlichen Grundlagen zur Schulpflicht wird der Rechtsanspruch auf Präsenzunterricht normativ anerkannt. Aus insbesondere Art2 1. ZPEMRK, Art17 und 18 StGG sowie Art14 GRC eröffnet sich zudem ein Recht auf Bildung, sodass auch in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte des Antragstellers eingegriffen wird.

 

Die anfechtungsgegenständlichen Normen greifen unmittelbar, aktuell und nicht bloß potenziell in die Rechtssphäre des Antragstellers ein.

 

Die Verordnung des 'ortsungebundenen Unterrichts', insbesondere §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21, aber auch die sonstigen genannten Bestimmungen sind zum Zeitpunkt der Antragstellung in Geltung. Der Antragsteller zählt, wie bereits dargelegt, zu dessen Adressat. Die angegebenen Bestimmungen sind unmittelbar auf ihn anwendbar.

 

Die Eingriffe in die Rechtsposition des Antragstellers erfolgen durch die bekämpfte Verordnung, wobei insbesondere die Bestimmungen über die Verhängung des ortsungebundenen Unterrichtes (§13 Abs6 iVm §34 C‑SchVO 2020/21) eindeutig bestimmt sind. Aus den Bestimmungen geht klar hervor, dass ein Präsenzunterricht nicht mehr stattfindet, sondern mit der Anordnung der Anwendbarkeit des Abschnittes für die Ampelphase 'Rot' der Unterricht in ortsungebundener Form durchzuführen ist.

 

[…]

 

Ein anderer Weg als der gegenständliche Antrag zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle besteht für den Antragsteller nicht. Weder existiert eine Antragsmöglichkeit für Präsenzunterricht, noch ein Instanzenzug. Es fehlt damit bereits schlichtweg an der Möglichkeit eines Umweges, die Normbedenken nach Art144 B‑VG an den VfGH heranzutragen. Die verfahrensgegenständlichen Bestimmungen wirken unmittelbar in die Sphäre des Antragstellers.

 

Die angefochtenen Bestimmungen sind zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft und führen sohin zu einer aktuellen Beeinträchtigung der geschützten Rechtspositionen des Antragstellers.

 

[…]

 

Dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der Klärung, ob der durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen bewirkte Eingriff in seine (Grund‑)Rechtssphäre recht- und letztlich verfassungsmäßig erfolgte nur in einem Verfahren nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG Rechnung getragen werden. Dieses Rechtsschutzinteresse, das insoweit über den Zeitraum hinausreicht, in dem die angefochtenen Bestimmungen in Kraft gestanden, bewirkt, dass (für den Fall einer Entscheidung des VfGH erst nach dem außer Kraft treten der angefochtenen Bestimmungen) im vorliegenden Fall die Rechtssphäre des Antragstellers auch zu einem späteren Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berührt sein würde, und begründet die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen, auch wenn diese zwischenzeitig außer Kraft getreten sind. Dies insbesondere, da sie jederzeit verlängert und wieder in Kraft gesetzt werden können (vgl auch die Anfügungen in §13 C‑SchVO 2020/21; insbesondere §13 Abs4 und 5 leg cit). Jeglicher Rechtsschutz wäre für den Antragsteller in bedenklicher Art und Weise ausgehebelt, könnte der Gesetzgeber/Verordnungsgeber (wie gegenständlich bereits erfolgt) durch Kettenentscheidungen (also Anwendbarkeit immer nur für kurze, zeitlich dicht hintereinander gestaffelte Zeitfenster vor oder nach Sessionen des VfGH) frei disponieren, ohne einer Kontrolle des VfGH zu unterliegen. Auch das mediale Interesse an den Schulschließungen ist enorm, sodass von erheblicher Bedeutung des Falles auszugehen ist.

 

[…]

 

IV. Darlegung der Bedenken

 

Anknüpfend an die Ausführungen zur Antragslegitimation (welche auch zum Vorbringen unter diesem Punkt erhoben werden) werden die verfassungsrechtlichen Bedenken vertieft wie folgt dargelegt:

 

A) Verfassungswidrige Verordnungsermächtigung / Verletzung des Bestimmtheitsgebotes

 

Die Verordnungsermächtigungen in §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG widersprechen insbesondere dem in Art18 B‑VG niedergelegten Bestimmtheitsgebot.

 

Art18 B‑VG impliziert die Verpflichtung des Gesetzgebers, das Handeln der Verwaltung inhaltlich hinreichend zu determinieren. Gesetzliche Regelungen, die zu unbestimmt sind oder in anderer Weise das Handeln der Verwaltung nicht hinreichend genau bestimmen, sondern den Verwaltungsorganen einen zu großen Spielraum belassen, sind daher verfassungswidrig. So wird ein Erfordernis einer genauen gesetzlichen Determinierung auch für Verordnungen postuliert. Alle wesentlichen Inhalte und Merkmale der beabsichtigten Verordnungsregelung müssen auf das Gesetz rückführbar sein. Verfassungswidrig ist insoweit jedenfalls auch eine Einräumung von Ermessen ohne jede Eingrenzung (VfSlg 14.715/1996).

 

Den Bestimmtheitserfordernissen des Art18 B‑VG ist der Gesetzgeber bei der Erlassung der §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG nicht nachgekommen. Diese Bestimmungen legen ohne jegliche inhaltliche Bezugnahme auf COVID‑19 fest, dass der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung ('BMBWF') für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 mittels Verordnung ua ortsungebundenen Unterricht anordnen kann (Abs1 Z4 der genannten Bestimmungen). Sie ermächtigen den Bundesminister sohin zur Erlassung einschränkender Verordnungen, die ua den ortsungebundenen Unterricht statuieren. Eine Bezugnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 wird nicht einmal für notwendig befunden und erfolgt daher nicht. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung erhält für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 weitreichende Eingriffsbefugnisse in das Grundrecht auf Bildung sowie das (gesetzliche) Recht auf Präsenzunterricht, auch ohne, dass es hier einer wie auch immer gearteten Rückkoppelung auf die Situation iZm COVID‑19 bedarf.

 

Erkennbare Determinanten ergeben sich für die in §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG genannten eingreifenden Anordnungen nicht. Das Gesetz bezieht sich für das Ergreifen der Maßnahmen selbst weder auf die COVID‑19-Situation (die nicht normative Überschrift, dergemäß das alles sub titulo COVID‑19-Bekämpfung erfolge kann hier freilich keinerlei Ansatzpunkt bieten) noch hält es zB fest ab welchem Verbreitungsgrad von COVID‑19 die betreffenden Maßnahmen erlassen werden dürfen, noch werden Kriterien vorgegeben, anhand derer die Erforderlichkeit für derartige Maßnahme zu beurteilen ist. Schließlich werden auch keine Grenzen aufgezeigt, ab denen nicht mehr von einer 'Bekämpfung von COVID‑19' gesprochen werden kann. Eine dokumentiert marginale Auftretenswahrscheinlichkeit (vgl nur die Ergebnisse der Monitoringstudie, die eine entsprechend geringe Inzidenz belegen, Beilage ./2) kann aber nicht ausreichen, um derart weitreichende Einschränkungen in Bezug auf das Recht auf Bildung (und letztlich gepaart mit den Bestimmungen der COVID‑19‑NotMV wonach auch das Recht auf persönliche Freiheit des Antragstellers eingeschränkt wird: aus §1 Abs1 Z4 Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Notsituation auf Grund von COVID‑19 getroffen werden (COVID‑19‑Notmaßnahmenverordnung – COVID‑19‑NotMV), BGBl II 479/2020, folgt strafbewehrt dass nur, sofern dies erforderlich ist, zu Ausbildungszwecken der private Wohnbereich verlassen werden dürfe) vorzusehen. Dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Erforderlichkeit derart eingriffsintensiver Maßnahmen völlig die Einschätzungsprärogative zu überlassen, ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG sind daher ua wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art18 B‑VG) verfassungswidrig.

 

Die Verordnungsermächtigung (ua zur Verordnung von ortsungebundenem Unterricht) erfolgt wie bereits erwähnt ohne Bezugnahme auf eine Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19. Auf dieser Grundlage untersagt in weiterer Folge §13 Abs6 iVm §34 C‑SchVO 2020/21 Präsenzunterricht (durch die Anordnung ortsungebundenen Unterrichts).

 

Die Verordnungsermächtigung der §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG determinieren den BMBWF als verordnungserlassende Behörde in nur sehr eingeschränkter Hinsicht:

 

Die §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG sind wohl (wenngleich ohne Bezugnahme im normativ-bindenden Teil, sondern lediglich in der Überschrift) eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine krisenhafte Situation durch das Auftreten des Coronavirus SARS‑CoV‑2 und die dadurch ausgelöste Coronavirus-Krankheit COVID‑19. Ortsungebundener Unterricht (und die anderen genannten Maßnahmen) hat (haben) augenscheinlich den Gesundheitsschutz durch Schutz der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur zum Ziel. Dies freilich auf fragwürdiger Basis, betrachtet man das evidenzbasierte Material in den Beilagen.

 

Krisenhafte Situationen wie die vorliegende sind nach Auffassung des VfGH dadurch gekennzeichnet, dass staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Ursache, Auswirkungen und Verbreitung der Krankheit unter erheblichem Zeitdruck und insofern unter Unsicherheitsbedingungen getroffen werden müssen, als Wissen darüber zu einem großen Teil erst nach und nach gewonnen werden kann und Auswirkungen wie Verbreitung von COVID‑19 notwendig einer Prognose unterliegen. Dies trifft gegenständlich freilich nicht mehr gänzlich zu. §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG wurden mit BGBl I 23/2020 am 04. April 2020, sohin vor weit mehr als sieben Monaten, erlassen. Von Zeitdruck, mangelnder Sanierungsmöglichkeit (auch über die Sommerferien) oder Unsicherheitsbedingungen kann daher keinesfalls mehr gesprochen werden. Das Erfordernis, die Verordnung auf eine dem Art18 B‑VG entsprechende Grundlage zu stellen, kann unter diesem Gesichtspunkt in Anbetracht des langen Bestehenszeitraums nicht aufgeweicht werden.

 

[…]

 

Überlässt der Gesetzgeber im Hinblick auf bestimmte tatsächliche Entwicklungen dem Verordnungsgeber die Entscheidung, welche aus einer Reihe möglicher, unterschiedlich weit gehender, aber jeweils Grundrechte auch intensiv einschränkender Maßnahmen er seiner Prognose zufolge und in Abwägung der betroffenen Interessen für erforderlich hält, hat der Verordnungsgeber seine Entscheidung auf dem in der konkreten Situation zeitlich und sachlich möglichen (vgl VfSlg 15.765/2000) und zumutbaren Informationsstand über die relevanten Umstände, auf die das Gesetz maßgeblich abstellt, und nach Durchführung der gebotenen Interessenabwägung zu treffen. Dabei muss er diese Umstände ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren entsprechend festhalten, um eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu gewährleisten (darauf hat der Verfassungsgerichtshof bereits in mehrfachem Zusammenhang abgestellt, vgl VfSlg 11.972/1989, 17.161/2004, 20.095/2016).

 

Dies hat der Verordnungsgeber freilich bei Erlassung der C‑SchVO 2020/21 und insbesondere bei Erlassung des §13 Abs6 der der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), StF: BGBl II Nr 384/2020 idF BGBl II Nr 478/2020 außer Acht gelassen. Entgegen konkreter Forderungen, nicht ortsungebundenen Unterricht anzuordnen, zumal Schüler gerade keine Verbreiter von COVID‑19 sind (vgl Beilagen ./2, ./3 und ./4) und in insoweit verkennender Interessenabwägung hat der BMBWF durch §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 die Anwendbarkeit der Bestimmungen zur 'Ampelphase Rot' angeordnet und damit ortsungebundenen Unterricht verwirklicht. Darüber hinaus liegen (zumindest im RIS) keine auffindbaren Materialien zu den ermittelten Umstände, die zur Verordnungserlassung geführt haben, vor und wurden die Umstände im Verordnungserlassungsverfahren nicht entsprechend festgehalten, um eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu gewährleisten. Es können maximal vage Vermutungen angestellt werden, was dem BMBWF zur Erlassung der Verordnung und im konkreten zur Anwendbarkeitserklärung der Bestimmungen über die Ampelphase 'Rot' bewogen hat.

 

Determiniert das Gesetz die Verordnung inhaltlich nicht so, dass der Verordnungsinhalt im Wesentlichen aus dem Gesetz folgt, sondern öffnet es die Spielräume für die Verwaltung so weit, dass ganz unterschiedliche Verordnungsinhalte aus dem Gesetz folgen können (wie gegenständlich), muss der Verordnungsgeber die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände entsprechend ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren auch nachvollziehbar festhalten, sodass nachgeprüft werden kann, ob die konkrete Verordnungsregelung dem Gesetz in der konkreten Situation entspricht (das ist der Kern der Judikatur, derzufolge das Gesetz in einem Ausmaß bestimmt sein muss, 'daß jeglicher Vollziehungsakt am Gesetz auf seine Rechtmäßigkeit hin gemessen werden kann', siehe zB VfSlg 12.133/1989). Ein Messen der konkreten Bestimmungen (§13 Abs6 C‑SchVO 2020/21, §34 C‑SchVO 2020/21) an den Gesetzesgrundlagen ist aufgrund der unbestimmten Offenheit des Gesetzes faktisch jedoch nicht möglich. Darüber hinaus mangelt es zweifelsohne an entsprechenden (öffentlichen) Materialien, die die Entscheidung des BMB[W]F nachvollziehbar darlegen (vor allem im Lichte der bekannten Argumente gegen die Umstellung auf 'distance learning').

 

Entgegen dem diesbezüglich in der Judikatur bestehenden klaren Postulat, Verordnungen auf eine entsprechende Faktenbasis durch Informationen und Daten zu stellen, trifft aufgrund der Bestimmungen des §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nach dem Gesetzeswortlaut gerade keine Verpflichtung zum evidenzbasierten Vorgehen. Diese Verfassungswidrigkeit lässt sich nicht anders als durch ein gesamthaftes außer-Kraft treten der §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG und in der Folge auch der darauf basierenden Verordnung beheben.

 

Insofern unterscheiden sich demokratische Gesetzgebung und generell abstrakte Rechtssetzung durch die Verwaltung im Wege von Verordnungen nach Art18 Abs2 B‑VG. Die Determinierungswirkungen und damit die rechtsstaatliche und demokratische Bestimmung des Verordnungsgebers durch Art18 Abs2 B‑VG zielen auf eine entsprechende Bindung bei der konkreten Verordnungserlassung ab.

 

Dabei hat der Verfassungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass in einschlägigen Konstellationen der Normzweck auch gebieten kann, dass eine zum Zeitpunkt ihrer Erlassung dringend erforderliche – unter Umständen unter erleichterten Voraussetzungen zustande gekommene – Maßnahme dann rechtswidrig wird und aufzuheben ist, wenn der Grund für die Erlassung fortfällt (siehe VfSlg 15.765/2000).

 

Auch dies scheint fragwürdig, wurde der ortsungebundene Unterricht doch undifferenziert für die Dauer bis 6.12.2020 (§13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 iVm §34 C‑SchVO 2020/21) angeordnet.

 

Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass nach Auffassung des Antragstellers bereits die §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art18 B‑VG) verfassungswidrig sind, womit es sämtlichen der angefochtenen Bestimmungen an einer probaten gesetzlichen Grundlage mangelt.

 

B) Bedenken gegen §13 Abs6 der der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), StF: BGBl II Nr 384/2020 idF BGBl II Nr 478/2020

 

Vorauszuschicken ist, dass §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 nicht nur, wie bereits dargelegt, auf einer verfassungswidrigen Grundlage fußt, sondern insbesondere an einen dislozierten Ort in der Verordnung eingefügt wurde. Die Bestimmung findet sich im Abschnitt zur Ampelphase 'Grün'. Dieser ist aber bloß bei der Ampelphase 'Grün' anwendbar.

 

Die Bestimmungen des 1. Abschnittes des 2. Teiles der C‑SchVO 2020/21 gelten für alle Schulen gemäß §2 der C‑SchVO 2020/21, sofern (…) der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nicht für einzelne, mehrere oder alle Schulen, Schulstandorte oder Teile von diesen aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung von SARS‑CoV 2 oder COVID‑19 die Anwendung eines anderen Abschnittes der C‑SchVO 2020/21 anordnet.

 

Mit §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 wird durch den BMBWF als verordnungserlassendes Organ festgelegt, dass auf alle umfassten Schulen die Bestimmungen für die Ampelphase 'Rot' (4. Abschnitt der C‑SchVO 2020/21 ) anzuwenden sind. Ob es sich bei §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 um eine Anordnung des BMBWF iSd §13 Abs1 C‑SchVO 2020/21 handelt ist unklar (wobei wenn diese als solche klassifiziert wird die zwingend erforderliche Mitwirkung der Gesundheitsbehörde an der Entscheidung wohl fehlt und hier bereits ein Mangel im Erlassungsverfahren zu erkennen ist).

 

Mit dieser Festlegung ist allerdings der 1. Abschnitt des 2. Teiles der C‑SchVO 2020/21 gerade nicht mehr anwendbar und entzieht sich der Verweis scheinbar selbst seinen Anwendungsbereich. §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 befindet sich im 1. Abschnittes des 2. Teils der C‑SchVO 2020/21 , der allerdings nicht mehr anwendbar ist, zumal ja der 4. Abschnitt der C‑SchVO 2020/21 gelten solle. Es kommt hier scheinbar zu einem Oszillieren zwischen Anwendbarkeit und Nichtanwendbarkeit der Ampelphase 'Rot'.

 

Damit liegt ein Verstoß gegen Art18 Abs1 B‑VG offen zutage. Selbst mit fortgeschrittenen methodischen Fähigkeiten lässt sich das Verweisproblem kaum lösen. Die Vorschrift gilt, schließt aber durch Verweis auf einen anderen Abschnitt (bei systematischer Betrachtung) ihre eigene Geltung aus und gilt somit gleichzeitig nicht.

 

Mit Erkenntnis vom 14.07.2020, V411/2020, hat der VfGH ausgesprochen, dass dem Verordnungsgeber einen Einschätzungs- und Prognosespielraum, ob und inwieweit er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 auch erhebliche Grundrechtsbeschränkungen für erforderlich hält, zukommt. Der Verordnungsgeber muss also in Ansehnung des Standes und der Ausbreitung von COVID‑19 notwendig prognosenhaft beurteilen, inwiefern Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 geeignete (der Zielerreichung dienliche), erforderliche (gegenläufige Interessen weniger beschränkend und zugleich weniger effektiv nicht mögliche) und insgesamt angemessene (nicht hinnehmbare Grundrechtseinschränkungen ausschließende) Maßnahmen darstellen.

 

Mit Erkenntnis des VfGH vom 01.10.2020, G272/2020‑11 ua, wurde betreffend §1 COVID‑19‑Maßnahmengesetz ausgesprochen: 'Angesichts der damit inhaltlich weitreichenden Ermächtigung des Verordnungsgebers verpflichtet §1 COVID‑19‑Maßnahmengesetz vor dem Hintergrund des Art18 Abs2 B‑VG den Verordnungsgeber im einschlägigen Zusammenhang auch, die Wahrnehmung seines Entscheidungsspielraums im Lichte der gesetzlichen Zielsetzungen insoweit nachvollziehbar zu machen, als er im Verordnungserlassungsverfahren festhält, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist. Die diesbezüglichen Anforderungen dürfen naturgemäß nicht überspannt werden, sie bestimmen sich maßgeblich danach, was in der konkreten Situation möglich und zumutbar ist.'

 

Diesen Anforderungen der Rechtsprechung genügt §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 nicht. Es gab zu keinem Zeitpunkt entsprechende Informationen, die eine Umstellung auf die Ampelphase 'Rot' und damit einhergehend (§34 leg cit) eine Schulschließung (wobei Schulen als nicht minder systemrelevante Leistungen wie Altenheime oder dergleichen zu sehen sind) als indiziert anzeigten. Vielmehr deutete die Informationsbasis klar hin auf ein Offenhalten der Schulen (vgl nur die mediale Berichterstattung und insbesondere die Beilage ./4; APA-Bericht vom 12.11.2020, abrufbar unter: https://apa.at/news/coronaampelkommission-fuer-offene-schulen/ ). Auch den Gesundheitsbehörden wurde vor Erlass der Verordnungsbestimmung offensichtlich keine Mitwirkung an der Entscheidung ermöglicht. Es gibt keinerlei Beleg (iSe notwendigen und nachvollziehbaren Nachweises im Verordnungserlassungsverfahren), der die Notwendigkeit einer pauschalen und undifferenzierten Umstellung auf die Ampelphase 'Rot' und die damit einhergehenden Beschränkungen zu tragen vermag. Schulen sind schlichtweg keine relevanten Verbreitungsstätten für COVID‑19. Über diese[n] nüchternen Befund sieht der BMBWF geflissentlich hinweg.

 

Wie bereits dargelegt, trifft, entgegen dem diesbezüglich in der Judikatur bestehenden klaren Postulat, Verordnungen auf eine entsprechende Faktenbasis durch Informationen und Daten zu stellen, aufgrund der Bestimmungen des §132c Schulorganisationsgesetz und §82m SchulUG den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nach dem Gesetzeswortlaut gerade keine Verpflichtung zum evidenzbasierten Vorgehen. Der Verordnungsgeber hätte iSd Erkenntnis des VfGH vom 01.10.2020, G272/2020‑11 verpflichtend die Wahrnehmung seines Entscheidungsspielraums im Lichte der gesetzlichen Zielsetzungen insoweit nachvollziehbar zu machen gehabt, als er im Verordnungserlassungsverfahren hätte festhalten müssen, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist. All dies ist in Hinblick auf insbesondere §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 nicht erfolgt. Die Bestimmung des §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 ist damit (gesamthaft) als gesetzwidrig aufzuheben.

 

In der Folge sind auch die Bedenken darzulegen, die sich aus §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 samt der folglich anzuwendenden Bestimmung des §34 C‑SchVO 2020/21 ergeben.

 

Für den Antragsteller kam es so durch die Umstellung auf die Ampelphase 'Rot' (zT in Fortführung der bereits vorbestehenden Beschränkungen insbesondere als Schüler der Oberstufe; vgl §13 Abs4 C‑SchVO 2020/21 und die Beschränkungen nach §31 C‑SchVO 2020/21) zu einem gänzlich ortsungebundenen Unterricht (infolge der Umstellung auf die Ampelphase Rot; dies folgt aus §13 Abs6 iVm §34 C‑SchVO 2020/21).

 

Diese Maßnahme entspricht daher nicht nur den sich aus obenstehender Judikatur ergebenden Anforderungen, sondern auch dem aus dem Gleichheitssatz (Art7 B‑VG, Art2 StGG) abzuleitenden Sachlichkeitsgebot. Es liegen keine sachlichen Gründe vor, die Bevölkerung weiter (auch an den jeweiligen Arbeitsstätten) ihrer Profession nachgehen zu lassen und nur den elementaren Bildungseinrichtungen die Möglichkeit von Präsenzunterricht zu nehmen (wobei anzumerken ist, dass die örtliche, sohin physische Anwesenheit der Schüler vor Ort in den Schulen nach wie vor zulässig und vom Staat gewährleistet wird; vgl §38 C‑SchVO 2020/21). Die gegenständliche Einführung des §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 sowie der damit mit §34 C‑SchVO 2020/21 eingeführte ortsungebundene Unterricht zielen ausschließlich auf die Untersagung von Präsenzunterricht ab und verhindern überhaupt eine adäquate Ausbildung. Damit greifen sie auch in den Wesensgehalt des Rechts auf Bildung ein. Können die Schüler sich nämlich zudem nach wie vor an der Schule einfinden, um dort 'die Zeit abzusitzen' (wobei die Teilnahme am Unterricht auf Basis des §3 Z7 C‑SchVO 2020/21 dabei nicht möglich ist, zumal dieser nur an Orten, die nicht Schulzwecken diesen, konsumiert werden darf), fehlt es der Maßnahme an jeglicher Tauglichkeit zur Verhinderung der Verbreitung von COVID 19 (sofern sie darauf überhaupt abzielt, zumal die gesetzlichen Grundlagen dieses Telos ja nicht verbindlich festschreiben). Disloziert werden hier durch die Limitierung des Unterrichts (untauglich) versucht, Gesundheitsthemen zu regeln, wobei die diesbezügliche Zuständigkeit freilich beim, Bundesminister für Gesundheit liegen würde.

 

Insbesondere die gegenständliche Regelung erweist sich als unverhältnismäßig und differenziert nicht sachgerecht zwischen arbeitenden Bevölkerungsschichten und sich in Ausbildung befindlichen Bevölkerungsschichten. Eine Verpflichtung zum Homeoffice besteht aktuell nicht (sondern lediglich entsprechende Empfehlungen). Die Umstellung auf ortsungebundenen Unterricht (zu verstehen als versuchte, jedoch nicht geglückte, Schließen der Schulen als Bildungseinrichtung) erfolgte ohne jegliche sachliche Rechtfertigung und ist im Prinzip auch nicht geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen. Dies, wie dargelegt, im Lichte des §38 C‑SchVO 2020/21. Den Schülern bleibt es gänzlich unbenommen, zu Betreuungsleistungen weiterhin die Schule zu besuchen. Dies wird aus medizinischer Sicht sogar in Hinblick auf die psychische Gesundheit empfohlen. Einzig und allein das Vermitteln von Lehrstoff vor Ort wird eingestellt. Die Maßnahme ist damit aber von vornherein untauglich, das angestrebte Ziel zu erreichen.

 

Die Unverhältnismäßigkeit des §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 (iVm §34 C‑SchVO 2020/21) lässt sich auch aus folgenden Überlegungen ableiten: Weitgehend alle Mediziner, Virologen, Infektiologen und Experten haben sich dafür ausgesprochen, dass die Schulen offen bleiben sollen. Derartige Maßnahmen müssen effektiv, aber sie dürfen nicht überschießend sein. Es müsse also zwischen der Eingriffsintensität, etwaigen 'Kollateralschäden' und der Wirkung der Maßnahme abgewogen werden. Nur die Schulen (faktisch, wie auch immer die rechtliche Bezeichnung lauten mag) zu schließen, weil alles andere geschlossen werde, ist keine hinreichende Begründung. Vielmehr ist verglichen mit der Intensität des Eingriffs ua in das Recht auf Bildung keine nennenswerte Wirkung der Maßnahmen verbunden, gelten Schulen doch evidenzbasiert gerade nicht als Orte, an denen Ansteckungen mit COVID‑19 erfolgen (so auch Beilagen ./2 und ./3). Auch gelindere Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels einer Bekämpfung bzw Verringerung von Ansteckungen in Schulen (wobei in KW 45 österreichweit gerade einmal 21 Fälle auf Schulen zurückzuführen war – das waren 0,2% der Fälle in diesem Wochen-Zeitraum; vgl Beilage ./3 sowie die Website der AGES unter: https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/epidemiologische-abklaerung-covid-19/ ) wurden weder evaluiert noch umgesetzt (zB Aufteilung der Klassen in Kleingruppen, unterschiedliche Schulbeginnzeiten zur Entzerrung im Eingangsbereich, Ausbau der hygienischen Konzepte durch Trennwände und Einsatz von Luftreinigern, welche nachweislich die potentiell gefährlichen Aerosole derart verringern, dass eine Ansteckung faktisch ausschließbar ist; vgl https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/117171/SARS-CoV-2-Luftreinigerbeseitigen-90-der-Aerosole-in- ). [...] Dass damit in der Rechtfertigungsstruktur bereits zwingend notwendige Elemente, die den Eingriff ua in das Recht auf Bildung, die Freizügigkeit der Schüler und die spätere Erwerbsfreiheit sowie Möglichkeit der freien Berufswahl zu tragen vermögen, fehlen, muss nicht weiter erläutert werden.

 

Gemessen am Gleichheitssatz ist §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 insoweit auch als gleichheitswidrig zu identifizieren, als gegen das Gebot einer differenzierenden Regelung verstoßen wird. Pauschalierend und alles über einen Kamm scherend wird durch §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 für sämtliche erfasste Schulen dadurch der Abschnitt über die Ampelphase 'Rot' anwendbar. Auf die Unterschiede zwischen Unter- und Oberstufe bzw Volksschule wird keine Rücksicht genommen.

 

Ebenso werden sämtliche Schüler unabhängig von ihrer gesellschaftspolitischen und sozialen Einordnung von der Umstellung auf 'Ampelphase Rot' erfasst, ohne dass hier gebotene Differenzierungen stattfinden. Gerade Schüler aus bildungsferneren Schichten, sozial benachteiligte Schüler, oder Schüler mit bildungstechnischen Defiziten oder nicht deutscher Muttersprache sind für die Phase des distance learnings und anderer Einschnitte de facto nicht erreichbar. Dies führt naturgemäß zu erheblichen Lernrückständen und zusehends aufkeimenden Schwächen. Derartige Entwicklungen zeitigen bedauerlicherweise auch Konsequenzen für den gesamten Klassenverband. Es kommt schlichtweg zu einer Nivellierung nach unten. Die Unterrichtenden orientieren sich an den im Stoff 'stehengebliebenen' Schülern. Das wiederum führt zu weiteren Verschleppungen in der Ausbildung. Durch die Gleichbehandlung aller Schüler kommt es so auch für den Antragsteller zu negativen Folgen in Hinblick auf den Lernerfolg und -fortschritt.

 

Keineswegs ist der Unterricht im ortsungebundenen Unterricht mit jenem in Präsenzform vergleichbar.

 

Die Einschnitte sind nicht verhältnismäßig zum angestrebten Ziel. Wie bereits dargelegt wurden in einer Veranstaltung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung selbst vom 10.09.2020 zum Thema 'Distance Learning - Lessons Learned' die Erhebungen und Umfragen, die die Universitäten während ihres Digitalbetriebs unter ihren Lehrenden und Studierenden durchgeführt haben, erläutert. Sie belegen, was auch Vizerektor ********* festhält, dass Distance Learning eine Ergänzung, aber kein Ersatz für Präsenzlehre sein kann. Digitale kann die direkte Kommunikation nicht ersetzen, da sie weniger effektiv, umständlicher, unüberschaubarer und aufwändiger ist (Studie der Universität Wien – Lessons Learned - Tranformation der Lehre in digitale Räume vom Schock zur Selbstverständlichkeit, Eva Karall, Lukas Mittauer und Charlotte Zwiauer vom 10.09.2020). Diese Resultate sind 1:1 auf Schulen übertragbar.

 

Schwierig ist beim distance learning, insbesondere die selbstständige Auseinandersetzung mit den Aufgabenstellungen. Es ist für Schüler herausfordernd, keinen persönlichen Kontakt zu den Lehrpersonen zu haben und nur eingeschränkt Nachfragen stellen zu können. Schwierig ist zudem die selbstständige Strukturierung des Lernens, sich die Zeit einzuteilen und die Aufgabenpakete sinnvoll über die verfügbare Zeit zu verteilen (Studie der Universität Wien: Lernen unter Covid 19 Bedingungen/ Ergebnisse für SchülerInnen).

 

Das interaktive Lernen, geht durch das distance learnig zudem weitgehend verloren. Man denke nur daran, wie mühsam eine Videokonferenz mit fast 30 Teilnehmern ist.

 

Für das distance learning benötigt man in technischer Hinsicht leistungsfähige Computer, Internetanschluss, funktionierendes Netz (all das sind im Präsenzunterricht nicht benötigte Assets); da diese Voraussetzungen nicht immer gegeben sind, ist die Bildung auch nicht immer gewährleistet. Wie viele Studien zeigen, sind besonders Kinder, die aus sozial benachteiligten Verhältnissen kommen, schlechter gestellt.

 

Ergebnisse einer österreichweiten Umfrage des Bundeselternverbandes (******; ****************************************************************** *****************************************************) fällt insgesamt deutlich negativer aus. Eltern in Familien ohne freien Zugang zu einem Computer fühlen sich häufiger überfordert und deutlich schlechter durch die Schule unterstützt. Sie fühlen sich mit ihrer Situation häufige[r] allein gelassen und kommentieren sie seltener positiv und häufiger negativ. Kinder in diesen Familien können weniger selbstständig arbeiten (A4). Die Kommunikation mit der Schule funktioniert nicht nur technisch schlechter (A6), sie wird auch unabhängig von technischen Aspekten deutlich schlechter wahrgenommen, zB mit Blick auf die proaktive Nachfrage durch Lehrkräfte.

 

Die Zugänglichkeit zu Computern ist in der Unterstufe zudem deutlich geringer als in der Oberstufe (B7), die verwendeten Kommunikationskanäle funktionieren in der Unterstufe dennoch nur geringfügig schlechter (B6). Besonders in der Unterstufe leidet die Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler (B4). Dass aus diesen Gründen auch eine Differenzierung unter den verschiedenen Schulstufen geradezu geboten wäre, liegt auf der Hand.

 

Die Schüler (damit auch der Antragsteller) haben einen subjektiven Rechtsanspruch auf (unentgeltlichen) Schulbesuch sowie auf Darbietung des Lehrstoffes während der rechtmäßig vorgeschriebenen Schulzeit (vgl auch VfSlg 13.814/1994). Ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit in der Schule wird durch die korrespondierende Schulpflicht bereits impliziert. Schüler haben den Unterricht während der vorgeschriebenen Schulzeit regelmäßig und pünktlich zu besuchen (§9 Abs1 Bundesgesetz über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985), StF: BGBl Nr 76/1985 (WV) idgF). Ein Fernbleiben von der Schule ist während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig (§9 Abs2 Schulpflichtgesetz). Dementsprechend wurde ua in §28b Z3 Schulunterrichtsgesetz auch eine eigene Rechtsgrundlage für die Verwirklichung von elektronischem Unterricht (als Abweichung vom Normtypus des Präsenzunterrichts) geschaffen. Durch die gesetzlichen Grundlagen zur Schulpflicht wird der Rechtsanspruch auf Präsenzunterricht normativ anerkannt. Aus insbesondere Art2 1. ZPEMRK, Art17 und 18 StGG sowie Art14 GRC eröffnet sich zudem ein Recht auf Bildung, sodass auch in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte des Antragstellers eingegriffen wird, ohne dass die Maßnahmen entsprechend gerechtfertigt wären.

 

Durch die nunmehr mehrfache Aneinanderreihung von den Konsequenzen der 'Ampelphase Rot' kommt es letztlich zu einer systematisch Aushöhlung des Grundrechts auf Bildung (s §13 Abs4 C‑SchVO 2020/21 sowie die sonstigen seit März ergriffenen distance learning Maßnahmen; vgl bereits 402/A XXVII. GP – Initiativantrag, 33). Vergleichbar einem steten Tropfen wird durch die andauernde Aneinanderreihung von beschränkenden Maßnahmen und insbesondere ortsungebundenem Unterricht ein schleichender Systemwandel hin zu einem rechtlich nicht mehr haltbaren online-Lehre-Modell etabliert das mit dem grundlegenden Anspruch auf umfassende Ausbildung in Präsenz in einem Spannungsverhältnis steht. Vielmehr lässt sich aus Art2 1. ZPEMRK auch eine Schulpflicht und damit einhergehend ein Recht auf Präsenzunterricht ableiten (als Gegenstück zum home schooling; vgl Dupuy/Boisson de Charzounes, Premier protocole additionel Art2, in Pettiti/Decaux/Imbert (Hrsg), La convention europeenne der droits de l´homme2, 1001 f), die nicht ohne Verletzung des Grundrechts auf Bildung umgesetzt werden kann. Der gegenständliche Eingriff (der am Wesensgehalt des Grundrechts kratzt) scheitert mit Blick auf die Frage der Zulässigkeit des Eingriffs dabei letztlich freilich an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Das Recht auf Bildung wird aktuell massiv in seiner Effektivität beschnitten. Es verbleiben Scheinelemente eines Schulsystems die sich in der Realität als leere hüllen nach außen darstellen. Zu befürchten steht, dass auf den aktuell ortsungebundenen Unterricht eine weitere derartige Maßnahme bis zu den Weihnachtsferien folgt und man sich so scheibchenweise in einer Art Salamitaktik bis zu den Semesterferien bei zunehmenden Lerndefiziten durch das Semester kämpft.

 

Den Staat trifft eine Pflicht zur sachlichen, kritischen und pluralistischen Informations- und Kenntnisverbreitung (vgl mwN aus der EGMR-Judikatur Bitter, Art2 ZP I, in Karpenstein/Mayer, EMRK-Kommentar2, Rz 18). Das 'Recht auf Bildung' beinhaltet insoweit augenscheinlich nicht nur ein reines Vermitteln des Lehrstoffes, sondern auch das Recht auf soziale Bildung, die man insbesondere durch sozialen Kontakt in der Schule, somit durch Präsenzunterricht, erreichen kann. Der soziale Aspekt ist einer der wichtigsten Gründe für den Präsenzunterricht! Man könnte von einer entsprechenden Gewährleistungspflicht des Staates in Hinblick auf ein reibungsloses Schulsystem sprechen. Diese Verpflichtung erfüllt er aktuell in Verstoß gegen Art2 1. ZPEMRK derzeit nicht. Im ortsungebundenen Unterricht werden [d]iese grundrechtlich geforderten Bildungsparameter nicht erreicht. Es werden lediglich alte und bekannte Materien wiederholt. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung selbst weist in seinem Rundschreiben an sämtliche Direktoren vom 14.11.2020 dementsprechend wie folgt an: 'Der Schwerpunkt der Arbeitspakete – in allen Fächern, Schulstufen und Schularten – liegt bis zum 4.12.auf der Vertiefung des Erlernten. Sofern es pädagogisch vertretbar und machbar ist, können auch neue Inhalte vermittelt werden.' (Fundstelle: https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:96d90ce4-5860-4f91-8efe-46790740565d/schulbetrieb_20201117_202012  04_final.pdf, abgerufen am 21.11.2020; vgl Beilage ./6).

 

Verfassungsrechtlich bedenklich erweist sich letztlich auch das konkrete Vorgehen des BMBWF im Lichte der Vorbereitung von Eltern und Schülern. Über Wochen vor der Erlassung des §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 wurde medienwirksam propagiert, die Schulen würden in jedem Falle geöffnet bleiben und der Unterricht wie gewohnt stattfinden. In der Umsetzung wurde die Bestimmung dann gleich einem Schnellschuss kurz vor einem Wochenende erlassen. Der diesbezügliche Informations-Brief an die Eltern wurde am Samstag (14.11.2020) an die Schüler und Eltern versendet (Beilage ./5). Eine Vorlaufzeit von maximal einem Werktag, um sämtliche Vorkehrungen für distance learing zu treffen ist bei weitem zu kurz und verstößt und machte es unmöglich, fundierte Vorbereitungsarbeiten zu leisten. So fand neuerlich ein 'Kaltstart' statt, der einem tatsächlich sinnstiftenden Unterricht entgegensteht. Demgegenüber fordert bereits die Judikatur, dass Eingriffe in das Recht auf Bildung vorhersehbar sein müssen (Bitter, Art2 ZP I, in Karpenstein/Mayer, EMRK-Kommentar2, Rz 20). Dass die Maßnahme für Normunterworfene unerwartet und kurzfristig, damit nicht vorhersehbar gekommen ist, liegt auf der Hand. Das vor allem auch deshalb, da bis zuletzt die Offenhaltung der Schulen medial propagiert wurde.

 

Im Ergebnis erweist sich §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 (iVm §34 C‑SchVO 2020/21) nicht als sachgerecht. Der gesamte 4. Abschnitt zu Ampelphase 'Rot' Abschnitt wird ohne nähere Ausdifferenzierung aufgrund einer Ad‑hoc-Entscheidung, die jeglicher Basis an Informationen und Daten entbehrt, für anwendbar erklärt.

 

Im Übrigen ist für die faktische Schließung von Schulen und die konkret gesetzten Maßnahmen nicht der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung zuständig, sondern wäre vielmehr der Bundesminister für Gesundheit berufen, derartige Maßnahmen zu verfügen. Dies gilt vielmehr noch für die Bekämpfung der Ausbreitung von COVID 19. Der Schutz vor Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung einschließlich des überregionalen Gesundheitskrisenmanagements sowie die Überwachung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten obliegen gemäß Anlage zu §2 BMG Teil 2 Lit M Z9 dem Gesundheitsminister. Durch das BMG wird der Wirkungsbereich der Bundesministerien iSd Art77 Abs2 B‑VG umschrieben. Auch aus diesem Grunde sind sowohl die gesetzlichen Grundlagen als auch die darauf fußende Verordnung rechtswidrig. Die Verordnung widerspricht schlichtweg dem BMG. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat durch die Verordnung den ihm verfassungsrechtlich (bzw durch Ausführungsbestimmungen im BMG) zugewiesenen Aufgabenbereich (Wirkungsbereich) überschritten. Damit ist ua auch §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 rechtswidrig.

 

C) Bedenken gegen §§31 und 34 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), StF: BGBl II Nr 384/2020 idF BGBl II Nr 478/2020

 

§13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 führt dazu, dass aktuell §34 C‑SchVO 2020/21 zum ortsungebundenen Unterricht anwendbar ist. Auch diese Bestimmung erweist sich im Lichte der Vorausführungen als verfassungsrechtlich problematisch. Zur Vermeidung von Wiederholungen sollen die Aspekte des Vorpunktes nicht weiter vertieft werden.

 

Der Schutz vor Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung einschließlich des überregionalen Gesundheitskrisenmanagements sowie die Überwachung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten obliegen gemäß Anlage zu §2 BMG Teil 2 Lit M Z9 dem Gesundheitsminister. Die Anordnung ortsungebundenen Unterrichts (der der Schließung von Schulen für Lehrbetrieb gleich kommt) ist eine Maßnahme für deren Erlassung der Gesundheitsminister nicht zuständig ist.

 

D) Bedenken gegen §3 Z7 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), StF: BGBl II Nr 384/2020

 

§3 Z7 C‑SchVO 2020/21 widerspricht zunächst bereits der Legaldefinition ua der §132c Abs3 Schulorganisationsgesetz und §82m Abs3 SchulUG. Hier werden für ein- und denselben Begriff zwei unterschiedliche (nicht deckungsgleiche) Definitionen zugrunde gelegt, wobei der in der niederrangigeren Verordnung verwendete Begriff dem gesetzlichen Begriff zu weichen hat.

 

Durch die Formulierung des §3 Z7 C‑SchVO 2020/21 wird es Schülern, sohin auch dem Antragsteller, verwehrt, ortsungebundenen Unterricht an einem Ort zu 'konsumieren', der für schulische Zwecke bestimmt ist. Eine Nutzung der IT an der Schule (wie in §38 C‑SchVO 2020/21 eigentlich vorgesehen) ist zur Teilnahme am ortsungebundenen Unterricht im Lichte des §3 Z7 C‑SchVO 2020/21 nicht möglich (arg 'unter ortsungebundenem Unterricht die Unterrichts- und Erziehungsarbeit unter Anwendung elektronischer Kommunikation an einem Ort, der nicht für schulische Zwecke bestimmt ist').

 

Durch diesen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers kann er an der Schule aktuell im Rahmen der Betreuung nach §38 C‑SchVO 2020/21 keinen ortsungebundenen Unterricht konsumieren, da dies definitorisch nicht möglich ist. Dadurch werden die an sich damit versucht aufrecht zu erhaltenden Bildungschancen aufgrund eines systemimmanenten Widerspruchs (und einer gesetzeswidrigen Verordnungsbestimmung) gemindert. Der ortsungebundene Unterricht ist so erst nach Ende der Betreuung (eben an einem anderen Ort als der betreuenden Schule) zu konsumieren. Dies ist schließlich auch nicht sachgerecht und führt zu einer gleichheitswidrigen Differenzierung zwischen Schülern, die von zu Hause aus lernen/unterrichtet werden können und solchen, die auf die schulische Infrastruktur angewiesen sind. Hier werden gleiche Schüler ungleich behandelt und jene mit nicht optimaler Ausstattung zu Hause zusätzlich benachteiligt."

2. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnungsbestimmungen vorgelegt und mehrere (im Wesentlichen gleichlautende) Äußerungen erstattet. In der zu V574/2020 ua erstatteten Äußerung wird den Bedenken der Antragsteller auszugsweise wie folgt entgegengetreten (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…]

 

III.

Sachverhalt:

 

9. Mit Art16 bis 21 des 3. Covid‑19‑Gesetzes (BGBl I Nr 2020/23) wurden als Reaktion auf das sich in Europa als auch weltweit pandemisch ausbreitende neuartige Coronavirus (SARS‑CoV‑2), die damit einhergehende Erkrankung der Atemwege (COVID‑19) und der von Ende Februar 2020 bis Mitte März 2020 sprunghaft ansteigenden Fallzahlen im schulrechtlichen Bereich eine Reihe von Bestimmungen getroffen, die ein situationsadäquate Reaktion des Schulwesens ermöglichen sollen, in etwa

– die Festlegung von Fristen und schuljahresübergreifenden Regelungen für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID‑19 in §§82m des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl Nr 472/1986, im Folgenden so oder SchUG,

– die korrespondierenden schulorganisationsrechtlichen Grundlagen in §132c Schulorganisationsgesetz, BGBl I Nr 242/1962, im Folgenden so oder SchOG sowie

– schulzeitrechtlichen Regelungen in §16e Schulzeitgesetz 1985, BGBl I Nr 77/1985, im Folgenden so oder SchZG).

 

10. Ausführend dazu wurden folgende Verordnungen erlassen:

– die Verordnung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 (C‑SchVO), BGBl II Nr 208/2020, und

– die Verordnung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Berufsschulwesen für die Schuljahre 2019/20 und 2020/21 (COVID‑19‑Berufsschulverordnung – C‑BSchVO), BGBl II Nr 194/2020.

 

11. Diese Verordnungen wurden größtenteils durch die angefochtene Verordnung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), BGBl II Nr 384/2020 (Tag der Kundmachung: 3. September 2020) aufgehoben bzw ersetzt. Der geplante Inhalt dieser Verordnung, die Motive und die sich für die Schulen daraus ergebenden Handlungserfordernisse, waren der Schulverwaltung und den Schulen mit dem Vorakt BMBWF‑2020‑0.520.556 (siehe beiliegendes Aktenverzeichnis und Akteninhalt) bereits am 24. August 2020 übermittelt worden. In weiterer Folge waren mehrmals Novellen dieser Verordnung erforderlich, […]

 

Aufgrund der mit BGBl II Nr 19/2021 erfolgten Novellierung sind die Bestimmungen §3 Z7 bis 9 sowie §13 Abs4 bis 6 mit 18. Jänner 2021 außer Kraft getreten.

 

Exkurs: zum technischen Verordnungserlassungsverfahren

 

12. Ein Kundmachungsakt ist ein Sachakt des ELAK (Elektronisches Aktensystem der Republik Österreich), welcher in erster Linie die zur Kundmachung gelangenden Dokumente enthält und der Kundmachung im elektronischen (Kundmachungs‑)System des Bundeskanzleramtes ('E‑Recht') dient. Dieser wird dem Herrn Bundesminister nach dem Medienübergang als (Papier‑)Vorlage zur eigenhändigen Originalunterschrift vorgelegt. Diese eigenhändig unterschriebenen Dokumente werden in weiterer Folge wiederum gescannt und dem elektronischen Akt beigefügt. Die Dokumente, die zur Kundmachung gelangen, und die eigenhändig unterschriebene Verordnung sowie die eigenhändige Abzeichnung des Aktes werden durch einen Upload in das elektronische Kundmachungssystem des BKA diesem übermittelt und daraufhin im Bundesgesetzblatt (BGBl) kundgemacht.

 

13. Bezugszahlen sind Sachakten (Vor‑, Nach- oder elektronische Bezugszahlen), die einen geschäftsfallrelevanten, inhaltlichen Bezug zueinander haben, und im Register 'Bezugszahlen' entsprechend verknüpft werden können. Damit ist der Zugriff der im Aktenlauf 'vorgeschriebenen' Personen und Organisationseinheiten sowie der übergeordneten Organisationseinheiten auf die Bezugszahlen jederzeit gewährleistet (vgl die Screenshots in Beilage 9 und 10). Durch diese Verknüpfung werden sie zum erweiterten Inhalt des Sachaktes (Kundmachungsaktes). Bezugszahlen dienen der Einbindung und Dokumentation von Informationen. Die Einbindung umfangreicher Unterlagen in den Kundmachungsakt selbst hätte ua zur Folge, dass diese – teilweise mehrere hundert Seiten umfassenden – Unterlagen im Medienübergang zum Ausdruck gelangen würden. Hierfür besteht angesichts der Möglichkeit zur elektronischen Aktenverwaltung jedoch keine Notwendigkeit.

 

14. Zur angefochtenen Verordnung ist festzuhalten, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse, Informationen und Datensätze, anhand derer die C‑SchVO 2020/21 erlassen bzw weitere Maßnahmen nach dieser Verordnung getroffen wurden, einem wissenschaftlichen Begleitakt entnommen werden (vgl ON_3 2020‑0.562.043_Entscheidungsgrundlagen, wissenschaftlich). Dieser wurde dem jeweiligen Kundmachungsakt (vgl die ON 2, 4 und 5) als Bezugszahl angeschlossen. Die Ziele, Interessensabwägung, Hintergründe und Motive der C‑SchVO 2020/21 in ihrer Stammfassung können weiters dem Erlass 'Schule im Herbst' entnommen werden. Dieser ist nicht nur den betreffenden Kundmachungsakten als Bezugszahlen angeschlossen (vgl ON_1_BMBWF‑2020‑0.520.556), sondern auch zeitnah auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) veröffentlicht worden, ebenso wie die Begleitschreiben zu den weiteren Fassungen der Verordnung.

 

15. Die C‑SchVO 2020/21 , BGBl II Nr 384/2020 unterscheidet sich von der Vorgängerregelung (vgl RZ 10, BGBl II Nr 208/2020) in einigen wesentlichen Elementen. Sie enthält anstelle von einzelnen Anordnungen mehrere Bündel an Maßnahmen, jeweils unter einer Farbe als Kurzbezeichnung zusammengefasst. §13 der Verordnung legt fest, dass grundsätzlich von der Anwendung des 1. Abschnittes des 2. Teils, der die Bezeichnung Ampelphase 'Grün' trägt, auszugehen ist, sofern keine andere Anordnung durch eine Schulbehörde, den Bundesminister oder eine Bildungsdirektion, getroffen wird.

 

16. Da aufgrund der stark unterschiedlichen Strukturen des österreichischen Schulwesens nicht von 'der Schule' gesprochen werden kann, sind die Maßnahmenbündel nach Schularten bzw Schulstufen differenziert. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 384/2020 zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, die laufend gesammelt und weiterentwickelt wurden, war von unterschiedlichen Rollen einzelner Altersgruppen in der pandemischen Entwicklung von COVID‑19 ausgegangen worden. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse, Informationen und Daten werden dem jeweiligen Verordnungsakt (Kundmachungsakt) mittels Verlinkung als Bezugszahlen im ELAK (elektronisches Aktensystem der Republik Österreich) angeschlossen (siehe screenshots Beilage 9 und 10 und Pkt. 12 bis 14), ebenso wie der, ergänzende Aussagen zu Zielen, Abwägungen und Motiven treffende, Erlass 'Schule im Herbst' (ON_1_BMBWF‑2020‑0.520.556). Da 10‑jährige Kinder sich aufgrund von Ereignissen wie Schullaufbahnverlust, flexibler Schuleingangsphase, frühzeitiger Einschulung oder Überspringen von Schulstufen in Klassen der 3. bis 6. Schulstufe und somit in Volksschule, Sonderschule, Mittelschule oder AHS-Unterstufe, befinden können, wurde aus schulorganisatorischen Gründen die Vorgangsweise auf Basis der Schulstufen, somit der bestehenden Schulorganisation, anstelle von Altersstufen, differenziert.

 

17. Die Entscheidung über die Anordnung eines anderen Abschnittes der C‑SchVO wird und wurde in weiterer Folge auf Basis eines Abgleiches der wöchentlichen Empfehlung der Corona-Kommission für die einzelnen Bezirke (oder die Statutarstadt bzw Region) mit der Sachlage in den Schulen des jeweiligen Bezirkes getroffen. Die Beurteilung der Sachlage in den Schulen erfolgte dabei durch die, für die Erlassung einer Verordnung zuständige, Schulbehörde in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

 

18. Die Vorschläge der Corona-Kommission stellen keinen Automatismus dar (vgl Beilage 1, 'Schule im Herbst', S. 14). Wenn sich für den Schulbereich die Sachlage anders als für den Bezirk gesamthaft ergab, insbesondere aufgrund der verfügbaren Datenlage, so wurden durch die Schulbehörden von den Empfehlungen der Corona-Kommission abweichende Entscheidungen getroffen (vgl Beilage 11, Übersicht Ampelphasen Schule 231020). Eine solche differenzierte Vorgangsweise setzt entsprechende Datenlagen insbesondere zur Transmission sowie zur Zuordenbarkeit von Clustern voraus.

 

19. Zu den Abstimmungsprozessen ist allgemein darauf hinzuweisen, dass sowohl auf Bundesebene, sohin zwischen den Ressorts, als auch zwischen dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und den Bildungsdirektionen mehrmals wöchentlich Abstimmungen, einschließlich der Weitergabe von Daten und sonstiger Informationen, stattfinden. Es steht somit stets ein aktuelles Bild der Situation für die Entscheidungsträger zur Verfügung (vgl Beilagen 12 und 13 13). Im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat ein verantwortlicher Personenkreis, von den Mitgliedern des Krisenstabes über zahlreiche mit dem Aufgabenbereich befasste Beamte über den Herrn Generalsekretär bis hin zum Herrn Bundesminister, persönlich Zugriff auf die Informations- und Datensammlungen.

 

[…]

 

25. In der Datenlage vom 12. November 2020 sind bereits folgende Faktoren deutlich zu sehen:

– Die Woche bis zum Ende der Herbstferien mit 31. Oktober 2020 (Kalenderwoche 44), in denen die dem Cluster Bildung zugeordneten Fälle von SARS‑CoV‑19 bei durchschnittlich rund einem Drittel lagen und,

– das Ende der Herbstferien in der Kalenderwoche 45 auf die Kalenderwoche 46, in der die Infektionszahlen in den Altersgruppen der 6 bis 9‑Jährigen und der 10 bis 14‑Jährigen im Bildungsbereich wieder deutlich ansteigen wohingegen die Infektionszahlen der 15 bis 19‑jährigen Schülerinnen und Schüler, die sich ab dem 3. November 2020 größtenteils im ortsungebundenen Unterricht befanden sank und auch in den darauffolgenden Wochen ähnlich niedrig blieb.

 

26. Im Rahmen der vom BMBWF beauftragten Schul‑SARS‑CoV‑2-Studie (auch 'Gurgelstudie') wird die epidemiologische Rolle von Schulkindern bei der Verbreitung von Covid‑19 wissenschaftlich untersucht. Mit Hilfe der 'Gurgelstudie' wurden ab Herbst 2020 Daten über das Infektionsgeschehen im schulischen Bereich gesammelt. […]

 

27. Am 13. November 2020 wurden erste Studienergebnisse für den Untersuchungszeitraum vom 28. September bis 22. Oktober 2020 publiziert. […]

 

28. Daraus lässt sich die Erkenntnis gewinnen, dass die Prävalenz der Infektionen im Bereich der schulpflichtigen Schülerinnen und Schüler bei jüngeren Kindern Volksschule mit 0,38%) fast gleich hoch ist, wie jene bei älteren Kindern (Mittelschule/AHS Unterstufe mit 0,41%). Leiter dieser Studie, Prof. ***********, führt hierzu aus, dass sich 'das seit Langem verwendete Narrativ, wonach Kinder unter zehn Jahren viel seltener infiziert sind,' für österreichische Schulen nicht bestätigen lasse. In Schulen reflektiert sich demnach das Infektionsgeschehen der Bevölkerung. Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei den positiv getesteten Personen ein asymptomatischer Krankheitsverlauf vorlag (Aufdeckung der Dunkelziffer an Schulen) und symptomatische Personen, welche sich zum Testzeitpunkt bereits in Quarantäne befanden, nicht in die Zahlen miteinflossen (vgl Beilage 6 […]). Die (auch) von den Antragstellern vorgelegten Beilagen, insbesondere (Antrags‑)Beilage 3, belegen für den Entscheidungszeitpunkt entgegen den Ausführungen auf Seite 15 des Antrages, dass kein signifikanter Unterschied zwischen Kindern, Schülerinnen und Schülern und Lehrpersonen, sohin Erwachsenen, im Hinblick auf die Verbreitung der Infektion besteht.

 

29. Die 'Gurgelstudie' zeigt, dass die Zahl der Infektionen (Dunkelziffer) an Schulen nicht zu vernachlässigen ist. Maßnahmen zur Eingrenzung des pandemischen Geschehens sind in diesem Bereich auf jeden Fall notwendig.

 

30. Die sich verschärfende Situation war unter anderem Gegenstand der Information des Krisenstabes und der täglichen Abstimmung am 13. November 2020 zwischen BMBWF und den Bildungsdirektionen (siehe Beilagen 12 und 13, von der Akteneinsicht ausgenommen, da das Protokoll zahlreiche personenbezogene und andere Informationen auch zu Bereichen, die nicht Gegenstand des Verfahrens sind, enthält).

 

31. Die Anordnung der Anwendung der Ampelphase 'rot' mit BGBl II Nr 478/2020 am 14. November 2020 (KW 46) erfolgte vor dem Hintergrund der zitierten Datenlage vom 12. November (Daten und Informationen im Sinne des §13 Abs1 C‑SchVO 2020/21) und Erkenntnissen vom 13. November 2020, wie dies bereits im August für eine solche Sachlage angekündigt worden war. Die Ampelphase 'rot' (4. Abschnitt des 2. Teiles der C‑SchVO 2020/21 ) zum Zweck der Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus hat vor dem Hintergrund eines deutlichen Anstieges der Zahl der Neuinfektionen in den vorangegangenen sieben Tagen zu erfolgen, wenn gleichzeitig die Herkunft von mehr als 50 Prozent der Infektionen nicht mehr geklärt werden kann oder wenn Gefahr droht, dass sich das Virus intensiv und großflächig überträgt und die verfügbaren Kapazitäten in den Spitälern bereits großteils ausgeschöpft sind (vgl Beilage 1, Begleitschreiben vom 17.08.2020 zur C‑SchVO 2020/21 'Schule im Herbst'). Die zum 14. November 2020 vorliegenden Daten indizierten aufgrund der rasant ansteigenden epidemiologischen Kurve, der österreichweit verhältnismäßig niedrigen Anzahl geklärter Fälle von 34,6 % in der Kalenderwoche 46 (vgl https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/epidemiologische-abklaerung-covid-19 ), der ebenso stetig wachsenden Zahl an Hospitalisierungen (3.425 belegte Normalbetten von 4.000 vorhandenen Normalbetten, 581 belegte Intensivbetten von 800 vorhandenen Intensivbetten) und der bundesweiten Risikoeinschätzung der Corona-Kommission auf 'sehr hoch' deutlich die Notwendigkeit der Reduktion von persönlichen Kontakten auch im Schulbereich. Die Ampelphase 'rot' stellt eine Maßnahme zur Bekämpfung von COVID‑19 iSd. §82m SchUG und §132c SchOG dar. Basierend auf der Informationssituation zum Entscheidungszeitpunkt ergab sich zudem ein deutlicher Kausalzusammenhang zwischen dem Schulbesuch im ortsungebundenen Unterricht und dem Sinken von den dem Bildungsbereich zuordenbaren Fallzahlen der Altersgruppe der 15 bis 19‑Jährigen, anhand derer eine weitere Prognoseentscheidung möglich wurde.

 

[…]

 

V.

Zu den Bedenken der Antragstellerinnen und Antragsteller

 

[…]

 

Zu den Bedenken betreffend Art2 1. ZPEMRK (Recht auf Bildung)

 

69. In ihrem Vorbringen übersehen die Antragstellerinnen und Antragsteller zunächst grundsätzlich, dass ortsungebundener Unterricht Unterrichts- und Erziehungsarbeit iSd §17 SchUG ist. Das Spezifikum des ortsungebundenen Unterrichtes besteht in der Durchführung der Unterrichts- und Erziehungsarbeit außerhalb der Schulliegenschaft bzw außerhalb der physischen Einheit 'Klassenverband' oder 'Gruppe' durch die verstärkte Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel und Informationstechnologien (vgl die Ausführungen unter Punkt 50 ff, insb. Punkt 53).

 

[…]

 

80. Der ortsungebundene Unterricht behindert den (diskriminierungs‑)freien Zugang zu Bildungseinrichtungen in keiner Weise, sondern gewährleistet den Zugang zur Bildung auch in krisenhaften Phasen der COVID‑19-Pandemie. Die Regelungen dienen vielmehr der Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrages der 'bestmöglichen Bildung' auch bei schwierigen Rahmenbedingungen. Es liegt daher kein Eingriff in Art2 1. ZPEMRK vor.

 

[…]

 

Bedenken der Antragstellerinnen und Antragsteller im Zusammenhang mit dem

Legalitätsprinzip (Art18 Abs2 B‑VG) zu §13 Abs6 iVm §34 C‑SchVO 2020/21

 

[…]

 

97. Die Antragstellerinnen und Antragsteller bringen in weiterer Folge vor, §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 genüge dem Bestimmtheitsgebot nicht, da nicht klar erkennbar sei, auf welcher Informationsbasis bzw auf welchen maßgeblichen Umständen die bundesweite Anordnung der Ampelphase 'rot' fuße. Es habe in den Augen der Antragstellerinnen und Antragsteller 'zu keinem Zeitpunkt entsprechende Informationen, die eine Umstellung auf die Ampelphase 'Rot' notwendig erscheinen hätte lassen, gegeben. Dass es diese Informationslage nicht gegeben habe oder sich der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nicht davon habe leiten lassen, lässt sich bereits anhand der von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) publizierten Datenstandes des Epidemiologischen Meldesystems widerlegen. […]

 

98. Dem Vorbringen der Antragstellerinnen und Antragsteller nach habe die Informationsbasis darauf hingedeutet, die Schulen 'offen' zu halten. Dabei führen sie ins Treffen, dass sich die Corona Kommission laut eines Berichtes der APA (Austria Presse Agentur) für das Offenhalten von Schulen ausgesprochen habe. Hierzu darf zunächst angemerkt werden, dass die Corona Kommission dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung in der besagten Sitzung explizit empfiehlt, 'zusätzliche Präventionsmaßnahmen zu ergreifen', und weist darüber hinaus auf 'ein höheres Infektionsgeschehen' in der Gruppe der 10- bis 14‑Jährigen hin. Bezüglich der Gruppe der 15- bis 19‑Jährigen gibt die Corona-Kommission keinerlei Empfehlungen ab, mit welchen Maßnahmen allenfalls ein Präsenzbetrieb aufrechterhalten werden könnte, woraus sich logisch ergibt, dass die Beendigung des Präsenzbetriebs in der Sekundarstufe II für die Corona-Kommission eindeutig geboten ist. Zwecks möglicher Aufrechterhaltung des Schulbetriebs empfiehlt die Corona-Kommission darüber hinaus den generellen 'Einsatz von Antigen-Schnelltests zur raschen Verdachtsfallabklärung', die zu diesem Zeitpunkt als großflächig einsetzbarer Selbsttest jedoch noch gar nicht zur Verfügung standen. Somit konnte dieser Empfehlung der Corona-Kommission seitens des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung gar nicht nachgekommen werden. Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Corona-Kommission ein beratendes Gremium darstellt, welches eine evidenzbasierte Risikoeinschätzung der COVID‑19 Situation in Österreich abgibt. Diese Einschätzung bezieht sich sowohl auf das Verbreitungsrisiko (= Gefährdung der öffentlichen Gesundheit durch die Verbreitung von COVID‑19) als auch das Systemrisiko (= Gefahr der Überlastung des Gesundheitsversorgungssystems mit COVID‑19-Patientinnen und Patienten). Es obliegt dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, auf Grundlage der von der Corona Kommission eingeschätzten epidemiologischen Situation, die Risikoeinschätzung im Bereich der Schulen vorzunehmen und entsprechende schulrechtliche Maßnahmen zu treffen, dies freilich unter Einbeziehung der Risikobewertung der Corona Kommission. […]

 

Bedenken der Antragstellerinnen und Antragsteller im Zusammenhang mit dem

Allgemeinen Sachlichkeitsgebot (Art7 B‑VG)

 

[…]

 

105. Wie im Sachverhalt ausgeführt, wurde erst nach stetiger Beobachtung der epidemiologischen Lage, wobei sich ab dem 3. November 2020 die dem Cluster 'Bildung' zugeordneten Fälle von 5,5 % der Vorwoche (Kalenderwoche 44) auf 0,7 % in der Kalenderwoche 45 nach den Herbstferien verminderten […], in den drauffolgenden zwei Kalenderwochen hingegen wieder erhöhte, mit Verordnung BGBl II Nr 478/2020 die Anwendung der Ampelphase 'rot' auch für die Schulen der Primarstufen und der Sekundarstufen I angeordnet. Nach §38 Abs1 C‑SchVO 2020/21 besteht für diese Schülerinnen und Schüler zudem die Möglichkeit einer Unterstützung am Schulstandort, wenn zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben ein geeigneter Arbeitsplatz, einen Zugang zu IT-Endgeräten oder pädagogische Unterstützung benötigt wird. Von einem 'undifferenzierten und pauschalen' Vorgehen kann somit nicht die Rede sein.

 

106. Bei der Regelung von Sachverhalten steht es dem Verordnungsgeber frei, auf Durchschnittsbetrachtungen abzustellen (vgl in etwa VfGH 14.06.2018, G57/2018 oder 28.09.2017, G31/2017). Aufgrund der vielen am Schulbetrieb beteiligten Personen unterschiedlichsten Alters und des besonderen Charakters der Interaktion in einer Schule in Form von Unterrichts- und Erziehungsarbeit war es im Lichte der Bekämpfung der Ausbreitung von COVID‑19 und der nach wie vor unvollständigen und strittigen epidemiologischen Abklärung des Beitrages der Schulen zum Infektionsgeschehen sachlich gerechtfertigt, für einen (von vornherein begrenzten) Zeitraum ortsungebundenen Unterricht anzuordnen, um damit eine entsprechende Kontaktreduktion in einer bestimmten Altersgruppe (6 bis 19‑Jährige) zu erreichen.

 

107. In Nutzung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes zur Erreichung eines Ziels – hier das Ziel der Verhinderung der weiteren Ausbreitung von SARS‑CoV‑2 – ist es wesentlich, welchen Schweregrad die rechtliche Konsequenz erreicht, die eine gesetzliche Maßnahme für die Betroffenen nach sich zieht. Eine Unsachlichkeit liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da die Anordnung des ortsungebundenen Unterrichtes bzw der Anwendung des Abschnittes über die Ampelphase 'rot' durch objektive und sachgerechte Anknüpfungspunkte bestimmt wurde, diese Maßnahmen im Hinblick auf das jeweilige Alter der Schülerinnen und Schüler auf das notwendige zeitliche Maß reduziert (vgl §13 Abs4 und Abs6 leg cit) wurde und die Möglichkeiten für Ausnahmeregelungen in Härtefällen stet gegeben waren (vgl §§31 Abs1, 34 Abs2 und Abs3 leg cit).

 

Zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme

 

108. Die Schule stellt einen besonderen Bereich dar, in dem im Regelfall eine große Anzahl von Menschen verschiedenen Alters mit unterschiedlichen Wohnorten für längere Zeit in geschlossenen Räumen persönlich interagiert. Dabei ist nicht nur der Unterricht ein Bereich verstärkter Kommunikation und Interaktion, sondern auch der Schulweg, die Zeiten vor Beginn des Schultages und nach dessen Ende, die Zeiten, in denen zwischen den Klassenräumen gewechselt wird und nicht zuletzt die Pausenzeiten. Ziehen die Antragstellerinnen und Antragsteller hier einen Vergleich mit anderen systemrelevanten Leistungen wie Altersheimen, darf entgegnet werden, dass die Leistungen, die in Altersheimen oder vergleichbaren Einrichtungen angeboten werden, im Vergleich zu Schulen nicht zwangsläufig ortsungebunden unter Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel angeboten werden können. Hier liegen naturgemäß andere Herausforderungen und Voraussetzungen vor, daher ist dieser Vergleich zu kurz gegriffen.

 

109. In der Durchführung des ortsungebundenen Unterrichtes kommt es im Vergleich zum Präsenzunterricht zu einer erheblichen Reduktion persönlicher physischer Kontakte, nicht nur im Unterricht, sondern auch im Umfeld der Schule (zB. Schulweg). Es hat sich gezeigt, dass der ortsungebundene Unterricht dazu geeignet ist, den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten und zugleich zur Verhinderung der Verbreitung des SARS‑CoV‑2 Virus beizutragen. Dies ergibt sich aus den Daten des 12. November 2020, die nach Anordnung des ortsungebundenen Unterrichtes für die Sekundarstufe II ein Sinken der bildungsbereichspezifischen Infektionszahlen in der betreffenden Altersgruppe gezeigt haben (vgl Punkt 25).

 

110. Die Anordnung des ortsungebundenen Unterrichtes zwischen dem 17. November 2020 und dem 6. Dezember 2020 erfolgte mit der Zielsetzung der Aufrechterhaltung eines bestmöglichen Schulbetriebes unter den allgemeinen und pandemischen Rahmenbedingungen. Der ortsungebundene Unterricht wurde auf das notwendige zeitliche Ausmaß von vierzehn Tagen am Stück beschränkt und mit einer Reihe von Ausnahmen für pädagogisch herausfordernde Situationen aufgrund der besonderen Sachlage versehen:

 

110.1. Möglichkeit der pädagogischen Betreuung am Schulstandort für alle Schülerinnen und Schüler der Volksschule und der Sekundarstufe I, die einen geeigneten Arbeitsplatz, einen Zugang zu IT-Endgeräten oder eine pädagogische Unterstützung benötigen (§38 leg cit), […],

 

110.2. Möglichkeiten für tageweise Ausnahmen für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II, wenn sich diese aufgrund der Situation der Klasse (Abschlussklasse) oder wegen der Beschaffenheit einzelner Unterrichtsgegenstände notwendig werden (§34 Abs3 leg cit), und

 

110.3. Möglichkeiten für Ausnahmen im Zusammenhang mit Leistungsfeststellungen, deren Durchführung im Wege der elektronischen Kommunikation nicht möglich oder zweckmäßig sind (§7 Abs2 leg cit).

 

Neben diesen verordnungsmäßig festgesetzten Maßnahmen wurden eine Reihe weiterer Vollzugsmaßnahmen und institutionellen Rahmenbedingungen gesetzt, um den Schulbetrieb im ortsungebundenen Unterricht möglichst ertragreich gestalten zu können (vgl insb. Punkt 65 ff, in etwa auch §4 C‑SchVO 2020/21 zur Einrichtung eines Krisenteams an den Standorten oder die Einrichtung psychosozialer Unterstützung im Falle von Distance-Learning (vgl Beilagen. 1, 3 und 4). Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass keine Daten, somit entgegen den Behauptungen der Antragsteller keine Sachbeweise, über negative Auswirkungen des ortsungebundenen Unterrichts auf die Leistungen der österreichischen Schülerinnen und Schüler vorliegen. Österreichische Studien beziehen sich auf andere, insbesondere psychologische, Aspekte.

 

VI.

Conclusio

 

111. Die von den Antragstellerinnen und Antragstellern geltend gemachten Bedenken sind unbegründet. Eine Verletzung des Grundrechtes auf Bildung (Art2 1. ZPEMRK) scheitert bereits auf der Eingriffsebene. Ortsungebundener Unterricht behindert den (diskriminierungs‑)freien Zugang zu Bildungseinrichtungen nicht. Vielmehr gewährleistet der ortsungebundene Unterricht den Zugang zur Bildung auch in krisenhaften Phasen der COVID‑19-Pandemie und stellt somit eine Umsetzung des Auftrages zu 'bestmöglicher Qualität' der Bildung des Art14 Abs5a B‑VG dar. Es liegt somit kein Eingriff in das Recht auf Bildung vor.

 

112. Selbst wenn ein Eingriff in das Recht auf Bildung vorläge, so wäre dieser Eingriff gerechtfertigt, da er auf Gesetz beruht, ein legitimes Ziel (Schutz der Gesundheit) verfolgt und verhältnismäßig ist.

 

113. Die Rechtsgrundlagen des ortsungebundenen Unterrichts verletzten die Antragstellerinnen und Antragsteller nicht in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (Legalitätsprinzip nach Art18 Abs2 B‑VG und Gleichheitsgrundsatz nach Art7 B‑VG). Die Rechtsgrundlagen begrenzen das Handeln auf die Erreichung des legitimen Zieles des Schutzes der Gesundheit, sowohl der Bevölkerung als auch der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen und schränken dieses Verhalten auf einen genau umschriebenen Kreis von möglichen Maßnahmen zu dessen Erreichung ein. Das Handeln der Verwaltung ist daher für die Normadressaten vorhersehbar.

 

114. Zum Zeitpunkt der Erlassung des §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 idF des BGBl II Nr 478/2020 lag eine valide Datenlage, welche eine Prognoseentscheidung ermöglichte, vor. Diese war dokumentierter Weise in das Verordnungserlassungsverfahren einbezogen.

 

115. Die Anordnung des ortsungebundenen Unterrichtes mittels der angefochtenen Bestimmungen ist gemäß der Datenlage und des Informationsstandes am 12. November 2020, insbesondere zu den Auswirkungen des ortsungebundenen Unterrichtes in der Sekundarstufe II ab 3. November 2020, geeignet, eine Kontaktreduktion herbeizuführen und das Infektionsgeschehen positiv zu beeinflussen. Dies gilt auch für die bis zu diesem Zeitpunkt bereits ergriffenen weiteren Maßnahmen im Bildungsbereich (Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, Einschränkungen im Bereich bestimmter Unterrichtsgegenstände etc).

 

116. Der ortsungebundene Unterricht dient der Aufrechterhaltung des Unterrichts. Er wird von einer Reihe von Maßnahmen der Schulverwaltung begleitet. Diese tragen dazu bei, den Lehr- und Lernprozess bestmöglich zu unterstützten um allfällige negative Folgen für die Schülerinnen und Schüler zu minimieren. Die Verhältnismäßigkeit gründet weiters auf der Aufrechterhaltung des Unterrichtsbetriebes zur Abwehr gänzlicher Schulschließungen mit Unterrichtsentfall und ohne jede Möglichkeit der Unterstützung oder Betreuung und den zahlreichen, auf die Bedürfnisse des einzelnen Kindes oder Jugendlichen abgestellten, Maßnahmen. Dies triff insbesondere auf die in §38 C‑SchVO vorgesehene Ausnahme vom ortsungebundenen Unterricht zur technischen und pädagogischen Unterstützung in der Schule zu. Ein allfälliger Eingriff wäre daher sachgerecht und verhältnismäßig.

 

117. Es wird beantragt der Verfassungsgerichtshof möge die Beschwerde abweisen und feststellen, dass 'kein Eingriff in rechtlich geschützte Interessen der Antragsteller' vorliegt, in eventu, dass ein allfälliger Eingriff gerechtfertigt war."

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

1.3. Die gleichlautenden Hauptanträge auf Aufhebung von §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 sind infolge zu eng gewählten Anfechtungsumfanges unzulässig:

Die Bedenken der Antragsteller richten sich zusammengefasst gegen die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht, weil diese sie in ihren Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B‑VG) und auf Bildung (Art2 Satz 1 1. ZPEMRK) verletze.

Nach der Systematik der C‑SchVO 2020/21 gelangen je nach aktuell festgelegter Ampelphase verschiedene Bestimmungen zur Anwendung (siehe §3 Z1 C‑SchVO 2020/21). Die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht ergibt sich in der Ampelphase "Rot" aus §34 C‑SchVO 2020/21. Gemäß §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 waren im Zeitraum vom 17. November bis 6. Dezember 2020 die Bestimmungen des 4. Abschnittes des 2. Teiles (Bestimmungen für die Ampelphase "Rot") und somit §34 C‑SchVO 2020/21 anzuwenden. Vor dem Hintergrund der vorgebrachten Bedenken besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 und §34 C‑SchVO 2020/21.

1.4. Somit erweisen sich die gleichlautenden ersten Eventualanträge als zulässig, weil sie sich gegen §13 Abs6 und §34 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 richten (vgl VfGH 10.12.2020, V436/2020):

1.4.1. Die Antragsteller sind als Schüler durch die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht gemäß §13 Abs6 in Verbindung mit §34 Abs1 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen. §34 Abs2 und 3 C‑SchVO 2020/21 steht mit Abs1 leg cit in einem Regelungszusammenhang und ist von diesem nicht offenkundig trennbar, sodass die gleichlautenden ersten Eventualanträge zur Gänze zulässig sind.

1.4.2. Im Zeitpunkt der Einbringung ihrer Anträge beim Verfassungsgerichtshof (V 574/2020: 23. November 2020; V575/2020 und V577‑578/2020: 24. November 2020, V595‑596/2020 und V598/2020: 4. Dezember 2020) standen die genannten Bestimmungen der C‑SchVO 2020/21 in der Fassung BGBl II 478/2020 in Kraft. Gemäß §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 war die Regelung des §34 C‑SchVO 2020/21 im Zeitraum vom 17. November bis 6. Dezember 2020 anzuwenden. Im Zeitraum vom 7. Dezember 2020 bis einschließlich 23. Dezember 2020 waren gemäß §13 Abs4 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 538/2020 die Bestimmungen des 3. Abschnittes des 2. Teiles der C‑SchVO 2020/21 (Bestimmungen für die Ampelphase "Orange") anzuwenden. Mit Kundmachung der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung, mit der die Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ) geändert wird, BGBl II 594/2020, wurde §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21 am 22. Dezember 2020 novelliert.

Dass der zeitliche Anwendungsbereich der angefochtenen Regelungen nach §13 Abs6 in Verbindung mit §34 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 mit Ablauf des 6. Dezember 2020 geendet hat und §13 Abs6 zudem am 22. Dezember 2020 novelliert wurde, schadet jedoch mit Blick auf die mit V411/2020 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht (VfGH 14.7.2020, V411/2020; 14.7.2020, G202/2020 ua).

1.5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Eventualanträge.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Die zulässigen Anträge sind nicht begründet:

2.2.1. Die Antragsteller bringen vor, dass die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht gemäß §13 Abs6 in Verbindung mit §34 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020 idF BGBl II 478/2020, gegen Art2 StGG und Art7 Abs1 B‑VG sowie gegen Art2 1. ZPEMRK verstoße.

Sie begründen ihre Bedenken auf das Wesentliche zusammengefasst damit, dass der Verordnungsgeber die Entscheidungsgrundlagen für die angefochtenen Regelungen nicht hinreichend ermittelt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fuße und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt sei.

Die pauschale Umstellung auf ortsungebundenen Unterricht sei sachlich nicht rechtfertigbar und prinzipiell auch ungeeignet, um die Verbreitung von COVID‑19 zu verhindern. Schulen seien gerade keine Orte, in denen Ansteckungen mit COVID‑19 erfolgen würden. Zudem seien gelindere zum Ziel führende Mittel, wie Aufteilung der Klassen in Kleingruppen, unterschiedliche Zeiten für den Schulbeginn oder der Ausbau der hygienischen Konzepte, nicht in Betracht gezogen worden.

Ortsungebundener Unterricht verhindere eine adäquate Ausbildung und greife in den Wesensgehalt des Rechts auf Bildung gemäß Art2 1. ZPEMRK ein. Aus diesem Recht lasse sich ein grundlegender Anspruch auf Präsenzunterricht ableiten.

2.2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2020, V436/2020, erkannt hat, reagierte der Gesetzgeber mit dem 3. COVID‑19‑Gesetz, BGBl I 23/2020, auf die Herausforderungen im Schulwesen auf Grund der COVID‑19-Pandemie und schuf in den schulrechtlichen Bundesgesetzen zusätzliche Verordnungsermächtigungen für den BMBWF (siehe §82m SchUG, §132c SchOG, §72b SchUG‑BKV, §42 Land- und forstwirtschaftliches Bundesschulgesetz, §16e Schulzeitgesetz 1985). Damit sollte der BMBWF eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung erhalten, um die erforderlichen Regelungen zur Bewältigung der durch COVID‑19 ausgelösten Folgen im Schulwesen erlassen zu können und so die Gewährleistung des Schulunterrichts sicherzustellen (IA 402/A 27. GP , 33 ff.).

Regelungen zur Bewältigung der durch COVID‑19 ausgelösten Folgen im Schulwesen werden unter Unsicherheitsbedingungen getroffen. Die Auswirkungen und die Verbreitung von COVID‑19 unterliegen einer Prognose. Der BMBWF hat als Verordnungsgeber gemäß Art18 Abs2 B‑VG die Wahrnehmung seines durch die schulrechtlichen Verordnungsermächtigungen eingeräumten Entscheidungsspielraums nachvollziehbar zu machen und offen zu legen, indem er im Verordnungserlassungsverfahren dokumentiert, auf welcher Informationsbasis die Verordnungsentscheidung fußt und die gebotene Interessenabwägung erfolgt ist. Die Anforderungen dafür dürfen nicht überspannt werden. Es kommt darauf an, was in der konkreten Situation möglich und zumutbar ist. Auch dem Zeitdruck kommt dabei entsprechende Bedeutung zu.

Für die Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes sind deshalb der Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnungsbestimmungen und die zu diesem Zeitpunkt zugrunde liegenden aktenmäßigen Dokumentationen maßgeblich. Zur Beantwortung der Frage, ob die angefochtenen Verordnungsbestimmungen mit der jeweiligen gesetzlichen Grundlage im Einklang stehen, kommt es auf die Einhaltung bestimmter Anforderungen der aktenmäßigen Dokumentation im Verfahren der Verordnungserlassung an, sie ist aber kein Selbstzweck. Wenn für die Bewältigung von Situationen, in denen Maßnahmen anhand von Prognosen getroffen werden müssen, der Verwaltung zur Abwehr von möglichen Gefahren gesetzlich erhebliche Spielräume eingeräumt sind, kommt solchen Anforderungen eine wichtige, die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns sichernde Funktion zu.

2.2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof weist darauf hin, dass den Anforderungen der aktenmäßigen Dokumentation im Verordnungserlassungsverfahren (siehe hiezu insbesondere VfGH 14.7.2020, V363/2020; 14.7.2020, V411/2020) nicht durch die bloße Sammlung und Übermittlung von jeglichen zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Daten und Studien zu den Auswirkungen und zur Verbreitung von COVID‑19 entsprochen wird. Vielmehr müssen jene Entscheidungsgrundlagen nachvollziehbar dokumentiert werden, die für die Willensbildung des Verordnungsgebers zum Zeitpunkt der Erlassung tatsächlich ausschlaggebend waren. Bei Vorlage umfangreicher Verordnungsakten kann dem auch durch eine zusammenfassende nachvollziehbare Darstellung der zentralen, für den Verordnungsgeber besonders relevanten Umstände, insbesondere der Grundlagen für die Interessenabwägung beziehungsweise der Verhältnismäßigkeitsprüfung, unter Verweis auf die maßgeblichen Unterlagen entsprochen werden; dies ist notwendig, um die Gesetzmäßigkeit der Verordnung überprüfen zu können. Material, bei dem nicht nachvollziehbar ist, inwiefern es Grundlage für die Willensbildung war, vermag die Dokumentationspflicht nicht zu erfüllen.

2.2.2.2. Mit §13 Abs6 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 wurde für den Zeitraum vom 17. November bis 6. Dezember 2020 die Ampelphase "Rot" und somit ortsungebundener Unterricht nach §34 C‑SchVO 2020/21 angeordnet. Dem vom BMBWF vorgelegten Verordnungsakt, welcher der Änderung der C‑SchVO 2020/21 mit Verordnung BGBl II 478/2020 zugrunde liegt, ist hiezu – soweit für die Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes relevant – Folgendes zu entnehmen:

Die Bundesregierung habe auf Grund der Beurteilung der epidemiologischen Lage durch die Corona-Kommission am 29. Oktober 2020 zusätzliche Maßnahmen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens beschlossen, um die SARS‑CoV‑2‑Pandemie einzudämmen und Erkrankungen mit COVID‑19 zu vermeiden. Der Schulbetrieb werde deshalb flächendeckend, mit Ausnahme der Sonderschulen, auf ortsungebundenen Unterricht umgestellt. Als Zeitraum für die Ampelphase "Rot" im Sinne der C‑SchVO 2020/21 werde der 17. November bis 6. Dezember 2020 festgelegt.

Zur Beurteilung der epidemiologischen Lage durch die Corona-Kommission am 29. Oktober 2020 ergibt sich aus dem Verordnungsakt, dass die Corona‑Kommission auf Basis der Entwicklung der Fallzahlen von einer kritischen Situation für das Gesundheitswesen ausgegangen ist. Die Corona-Kommission stellte fest, dass die Situation das Ergreifen von geeigneten bundesweiten Maßnahmen – wie etwa nach §5 COVID‑19-Maßnahmengesetz – nahelegte, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung abzuwenden.

Für die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht verweist der Verordnungsakt auf einen Begleitakt, in welchem Entscheidungsgrundlagen beziehungsweise wissenschaftliche Unterlagen zur Rolle von Schulen im epidemiologischen Geschehen gesammelt werden. Der Begleitakt enthält insbesondere die von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) regelmäßig für den BMBWF erstellte Clusterfallanalyse zur epidemiologischen Lage in der Altersgruppe der Personen unter 25 Jahren. Darin analysiert die AGES getrennt nach fünf Altersgruppen (unter 6 Jahre, 6 bis 9 Jahre, 10 bis 14 Jahre, 15 bis 19 Jahre, 20 bis 24 Jahre) das Infektionsgeschehen und ordnet jene Fälle mit geklärter Infektionsquelle einem Übertragungssetting, wie etwa "Bildung", "Haushalt" oder "Freizeit", zu. Dem Begleitakt ist auch die Clusterfallanalyse mit Stand 12. November 2020 zu entnehmen, welche zwei Tage vor Kundmachung der Verordnung BGBl II 478/2020 am 14. November 2020 zur Verfügung stand.

Auf dieser Grundlage weist der BMBWF in seiner Äußerung darauf hin, dass die Datenlage vom 12. November 2020 bei den Altersgruppen 6 bis 9 Jahre sowie 10 bis 14 Jahre einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen nach dem Ende der Herbstferien am 31. Oktober 2020 zeige. Hingegen seien die Infektionszahlen bei den Schülerinnen und Schülern zwischen 15 bis 19 Jahren, welche sich ab dem 3. November 2020 größtenteils im ortsungebundenen Unterricht befanden, gesunken und auch niedrig geblieben.

2.2.2.3. Der BMBWF hat im Verordnungsakt zu BGBl II 478/2020 gerade noch hinreichend dargelegt, auf welcher Informationsbasis beziehungsweise auf welchen Grundlagen die Entscheidung über die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht für den Zeitraum vom 17. November bis 6. Dezember 2020 getroffen wurde.

2.2.3. Die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht erweist sich für den Zeitraum vom 17. November bis 6. Dezember 2020 als sachlich gerechtfertigt.

2.2.3.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Verordnungsgeber (VfGH 5.6.2014, V44/2013). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl zum Sachlichkeitsgebot bei Gesetzen VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass dem Verordnungsgeber in der Frage der Bekämpfung der COVID‑19‑Pandemie ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (vgl VfGH 14.7.2020, G202/2020 ua).

2.2.3.2. Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt nicht, dass die Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 im Schulwesen beziehungsweise die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs unter den Rahmenbedingungen der COVID‑19‑Pandemie im öffentlichen Interesse liegt. Der BMBWF konnte zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Maßnahme auch vertretbar davon ausgehen, dass die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht ein taugliches Mittel zur Erreichung dieser Zielsetzung ist.

2.2.3.3. Bei ortsungebundenem Unterricht erfolgt die Unterrichts- und Erziehungsarbeit unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel und ohne physische Anwesenheit einer Mehrzahl von Schülerinnen und Schülern am gleichen Ort (§82m Abs3 SchUG und §3 Z7 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020). Die Schülerinnen und Schüler befinden sich in der Regel außerhalb des Schulgebäudes.

Gemäß §38 C‑SchVO 2020/21 besteht allerdings in der Ampelphase "Rot" für Schülerinnen und Schüler der Volksschule, Mittelschule, Sonderschule, Polytechnischen Schule sowie der 5. bis 8. Schulstufe einer allgemein bildenden höheren Schule die Möglichkeit der pädagogischen Betreuung am Schulstandort, wenn sie einen geeigneten Arbeitsplatz, einen Zugang zu IT-Endgeräten oder pädagogische Unterstützung benötigen oder eine häusliche Betreuung ansonsten nicht sichergestellt ist.

2.2.3.4. Dem BMBWF ist nicht entgegenzutreten, wenn er auf Basis der im Verordnungsakt dokumentierten Entscheidungsgrundlagen – wie insbesondere die Clusterfallanalyse der AGES zur epidemiologischen Lage in der Altersgruppe der Personen unter 25 Jahren mit Stand 12. November 2020 – diese Maßnahme im Entscheidungszeitpunkt für den Zeitraum vom 17. November bis 6. Dezember 2020 für erforderlich hielt.

Der BMBWF weist in seiner Äußerung zudem nachvollziehbar darauf hin, dass die epidemiologische Abklärung des Beitrages von Schulen zum Infektionsgeschehen nach wie vor unvollständig und strittig sei. Der BMBWF hat deshalb die Schul‑SARS‑CoV‑2‑Monitoringstudie ("Gurgelstudie" an Schulen) in Auftrag gegeben, um die epidemiologische Rolle von Schülerinnen und Schülern bei der Verbreitung von COVID‑19 zu untersuchen und so eine wissenschaftliche Grundlage für regulatorische Maßnahmen im Schulbereich bereitzustellen. Die ersten Studienergebnisse, die am 13. November 2020 publiziert wurden, würden nahelegen, dass kein signifikanter Unterschied zwischen Kindern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen hinsichtlich der Verbreitung der Infektion bestehe. Laut BMBWF dürfe auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Schule zugleich ein Arbeitsplatz für Lehrpersonen und sonstiges schulisches Personal sei. Ein hoher Anteil der Lehrpersonen weise ein Alter von deutlich über 50 Jahren auf.

2.2.3.5. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass die Organisation des Unterrichts in ortsungebundener Form zu großen Belastungen für die Schüler, die Erziehungsberechtigten und das Lehrpersonal führt. Insbesondere kann eine solche Form des Unterrichts den verfassungsgesetzlich verankerten Bildungsauftrag der Schule gemäß Art14 Abs5a B‑VG, wonach Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen ist, auf Dauer nicht verwirklichen. Die Intensität der Belastungen für die Betroffenen steigt umso mehr, je länger und häufiger ortsungebundener Unterricht angeordnet wird.

Bei der vorliegend zu beurteilenden Maßnahme ist dementsprechend zu berücksichtigen, dass die Schulen zu Beginn des Schuljahres 2020/2021 zunächst im Präsenzunterricht geführt wurden. Ab dem 3. November 2020 wurde sodann für allgemein bildende höhere Schulen ab der 9. Schulstufe, berufsbildende mittlere und höhere Schulen sowie Berufsschulen ortsungebundener Unterricht angeordnet (§13 Abs4 iVm §31 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 464/2020). Schließlich wurde mit der zu beurteilenden Maßnahme für den Zeitraum vom 17. November bis 6. Dezember 2020 ortsungebundener Unterricht für alle Schulen angeordnet (§13 Abs6 iVm §34 C‑SchVO 2020/21, BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020).

2.2.3.6. In Anbetracht der bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheit hinsichtlich der Verbreitung von COVID‑19, der aus dem Verordnungsakt ersichtlichen Daten zur epidemiologischen Lage im Entscheidungszeitpunkt sowie insbesondere auch der Möglichkeit der pädagogischen Betreuung am Schulstandort nach §38 C‑SchVO 2020/21 vermag der Verfassungsgerichtshof daher nicht zu erkennen, dass die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht für den Zeitraum vom 17. November bis 6. Dezember 2020 – und nur für diesen Zeitraum hat der Verfassungsgerichtshof die Maßnahme zu beurteilen – außer Verhältnis zum Gewicht der damit verfolgten Zielsetzung stand.

2.2.4. Die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht verstößt ferner nicht gegen das Recht auf Bildung gemäß Art2 Satz 1 1. ZPEMRK.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte folgt aus Art2 Satz 1 1. ZPEMRK ein Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu bestehenden staatlichen Bildungseinrichtungen. Aus Art2 Satz 1 1. ZPEMRK lassen sich jedoch keine konkreten Verpflichtungen des Staates hinsichtlich Organisation und Ausgestaltung des Schulwesens ableiten (EGMR 23.7.1968, Fall Belgischer Sprachenfall, Appl 1474/63 ua [Z4 f.]).

Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller gewährt Art2 Satz 1 1. ZPEMRK kein ausnahmsloses "Recht auf Präsenzunterricht". Die Organisation des Unterrichts in ortsungebundener Form für einen bestimmten Zeitraum auf Grund der COVID‑19‑Pandemie verletzt daher vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht das Recht auf Bildung.

2.2.5. Die Antragsteller bringen schließlich vor, dass der BMBWF für die Erlassung der angefochtenen Bestimmungen nicht zuständig gewesen sei, weil die Überwachung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten gemäß Teil 2 litM Z9 der Anlage zu §2 Bundesministeriengesetz 1986 dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz obliegen würde.

Dem ist zu entgegnen, dass sich aus der in Teil 2 litM Z9 der Anlage zu §2 Bundesministeriengesetz 1986 vorgenommenen Zuweisung von Sachgebieten keine Zuständigkeiten zur Setzung von konkreten Vollziehungsakten ableiten lassen und diese somit auch keine gesetzliche Grundlage zur Erlassung von Verordnungen bietet (vgl Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts11, 2015, Rz 685; Schwartz/Muzak, Die sachliche Zuständigkeit zur Verordnungserlassung, ZÖR 1997, 159).

V. Ergebnis

1. Die ob der Gesetzmäßigkeit erhobenen Bedenken der Antragsteller gegen §13 Abs6 in Verbindung mit §34 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Bewältigung der COVID‑19 Folgen im Schulwesen für das Schuljahr 2020/21 (COVID‑19‑Schulverordnung 2020/21 – C‑SchVO 2020/21 ), BGBl II 384/2020, idF BGBl II 478/2020 sind nicht begründet. Die Anträge sind daher insoweit abzuweisen.

2. Im Übrigen sind die Anträge als unzulässig zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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