VfGH A16/2021

VfGHA16/202122.9.2021

Zurückweisung einer Staatshaftungsklage gegen den Bund wegen behaupteten Verstoßes einer Entscheidung des OGH gegen Unionsrecht betreffend die Verweigerung einer Konvertierung seitens der Bank im Rahmen einer "Multicurrency-Fremdwährungs-Einmalkreditverinbarung"

Normen

B-VG Art137 / sonstige Klagen
Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 05.04.1993
KSchG §6
ABGB §879, §864a
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:A16.2021

 

Spruch:

I. Die Klage wird zurückgewiesen.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung

I. Klage, Sachverhalt und Vorverfahren

1. Die Kläger begehren in ihrer gegen den Bund gerichteten Klage nach Art137 B‑VG die Zahlung von € 157.573,55 samt 4 % Zinsen seit 26. September 2018 aus dem Titel der Staatshaftung wegen des – ihrer Ansicht nach unionsrechtswidrigen – Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 26. September 2018, 7 Ob 155/18x. Darüber hinaus begehren die Kläger die mit € 5.000,– bewertete Feststellung, der Bund hafte für zukünftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden aus dem von den Klägern abgeschlossenen "Multicurrency-Fremdwährungs-Einmalbarkreditvertrag".

2. Dem genannten Beschluss des Obersten Gerichtshofes lag – soweit für den vorliegenden Zusammenhang von Belang – folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Die Kläger schlossen im Juli 2003 mit einer Bank einen "Multicurrency-Fremdwährungs-Einmalbarkreditvertrag" in Schweizer Franken mit variabler Verzinsung und Tilgung am Laufzeitende im Gegenwert von € 180.000,– ab. Die Laufzeit des Kredites endet im Juli 2028. Der ursprüngliche Kreditvertrag enthielt folgende Vereinbarung:

"Während der Kreditlaufzeit können Sie jederzeit im Einvernehmen mit der Bank in eine andere Währung umsteigen."

 

Im Jahr 2009 vereinbarten die Kläger mit der Bank in (teilweiser) Abänderung der im Kreditvertrag getroffenen Vereinbarung Folgendes:

"Während der Kreditlaufzeit können Sie im Einvernehmen mit der Bank in eine andere Fremdwährung umsteigen, eine Konvertierung in Euro ist jederzeit auch ohne Zustimmung der Bank möglich."

 

In den zugleich vereinbarten "Zusätzlichen Bedingungen" heißt es:

"Entsprechend dem Multicurrency-Gedanken können Sie während der Laufzeit die Kreditwährung wechseln, wobei ein Wechsel in den Euro ohne, in eine andere frei konvertierbare Fremdwährung mit Zustimmung der Bank möglich ist."

 

2.2. Mit 2. Jänner 2013 verabschiedete die Finanzmarktaufsichtsbehörde (in weiterer Folge: "FMA") neue Mindeststandards zum Risikomanagement und zur Vergabe von Fremdwährungskrediten und Krediten mit Tilgungsträgern (in weiterer Folge: "FMA-Mindeststandards").

Im Kapitel "Neuvergabe von Fremdwährungskrediten" ist in Rz 31 festgehalten, dass das Kreditinstitut grundsätzlich keine Fremdwährungskredite an Verbraucher vergeben soll. Eine Neuvergabe könne ausschließlich an die in lita bis c definierten Personengruppen erfolgen. In Rz 32 ist festgelegt, dass Fremdwährungskredite an die in Rz 31 lita bis c genannten Personengruppen nicht mit einem kapitalaufbauenden Tilgungsträger kombiniert werden sollen. In Rz 34 wird ausgesprochen, dass auch im Fall eines bestehenden Fremdwährungskreditvertrags, der eine Multi-Currency-Klausel beinhaltet, eine Neuvergabe im Sinne der Rz 31 vorliegt, wenn ein Wechsel zwischen den im Vertrag spezifizierten Währungen an das Zustimmungserfordernis des Kreditinstituts geknüpft ist.

2.3. Während der Laufzeit des Kreditvertrages erfolgten ungefähr 15 Konvertierungen; die letzte Konvertierung von Euro in Schweizer Franken, die vor Verabschiedung der FMA-Mindeststandards durchgeführt wurde, wurde im März 2012 vorgenommen. Im Juni 2015 erteilten die Kläger der Bank den Auftrag, die Konvertierung des Fremdwährungskredites von Schweizer Franken in Euro vorzunehmen, dem diese auch entsprach.

Nachdem die Kläger am 31. August 2015 der Bank wiederum den Auftrag erteilt hatten, von Euro in Schweizer Franken zu konvertieren, teilte ihnen die Bank mit, dass sie auf Grund der FMA-Mindeststandards einer neuerlichen Konvertierung nicht zustimmen könne.

2.4. In weiterer Folge erhoben die Kläger auf Grundlage dieses Sachverhaltes eine zivilrechtliche Klage gegen die Bank auf Herausgabe der begebenen Sicherheiten Zug- um- Zug gegen Zahlung von € 115.452,67, hilfsweise auf Zahlung von € 9.250,– zuzüglich Zinsen. Eventualiter stellten die Kläger ein Feststellungsbegehren. Mit Urteil vom 13. Oktober 2017 wies das Landesgericht Linz das Klagebegehren zur Gänze ab.

2.5. Diese Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 25. Juni 2018, wobei es zusammengefasst ausführte, dass die Vertragsbestimmungen über die Konvertierung weder unklar noch undeutlich seien. Mit derartigen Regelungen sei in Vertragsurkunden über die Vergabe von Fremdwährungskrediten zu rechnen; sie könnten daher nicht überraschend sein. Nach der getroffenen Vereinbarung sei die Bank auch ohne Angabe von Gründen berechtigt gewesen, einen Konvertierungsauftrag (von Euro in Schweizer Franken) zu verweigern. Sie könne sich zu Recht auf die FMA-Mindeststandards berufen. Die Regelung, wonach die Konvertierung des Kredits in eine Fremdwährung der Zustimmung der Bank bedürfe, sei rechtsgültig und begegne weder Bedenken im Hinblick auf §6 KSchG noch im Hinblick auf §864a oder §879 Abs3 ABGB.

3. Der Oberste Gerichtshof beurteilte den vorliegenden Sachverhalt auszugsweise wie folgt:

"2.2. Die Parteien haben vereinbart: 'Während der Kreditlaufzeit können Sie im Einvernehmen mit der Bank in eine andere Fremdwährung umsteigen, eine Konvertierung in Euro ist jederzeit auch ohne Zustimmung der Bank möglich.' Dass 'nur' im Einvernehmen mit der beklagten Bank in eine andere Währung umgestiegen werden könne, ist die rechtliche Schlussfolgerung des Berufungsgerichts aus der wiedergegebenen Konvertierungsvereinbarung und daher keine Aktenwidrigkeit.

 

3. Unter welchen Voraussetzungen eine Konvertierung zulässig ist, richtet sich nach den im Einzelfall darüber getroffenen Vereinbarungen (vgl RIS-Justiz RS0128727). Einzelfallbezogene Fragen sind nur dann der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich, wenn die Vorinstanzen bei ihrer Beantwortung einer groben Fehlbeurteilung erlegen sind (6 Ob 19/13g; vgl RIS-Justiz RS0044088; RS0042405), was hier nicht zutrifft:

 

3.1. §6 Abs2 Z1 KSchG ist nicht einschlägig, weil kein Vertragsrücktritt der Beklagten vorliegt.

 

3.2. §6 Abs2 Z3 KSchG schränkt die Zulässigkeit einseitiger Leistungsänderungen durch den Unternehmer ein, die nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Die bezeichnete Konvertierungsvereinbarung enthält kein einseitiges Leistungsänderungsrecht der Beklagten.

 

3.3. §6 Abs1 Z5 KSchG beschränkt das Recht des Unternehmers, 'für seine Leistung' ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zu verlangen. Diese Bestimmung regelt die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Preisänderungsklauseln (RIS-Justiz RS0121395) und soll den Verbraucher vor überraschenden Preiserhöhungen schützen (RIS-Justiz RS0124336). Die fragliche Konvertierungsvereinbarung ist aber keine Preisänderungsklausel und wird daher inhaltlich von der Regelung des §6 Abs1 Z5 KSchG nicht erfasst (vgl 2 Ob 22/12t).

 

3.4. Dass ein Anwendungsfall des §6 Abs1 Z10 KSchG vorläge, ist ebenfalls nicht erkennbar.

 

3.5. Die Vorinstanzen haben angenommen, dass die zu 2.2. wiedergegebene Konvertierungsregelung nicht unklar oder unverständlich abgefasst und daher nicht nach §6 Abs3 KSchG unwirksam ist. Diese Ansicht hat der Oberste Gerichtshof zu einer vergleichbaren Klausel bereits als vertretbar erachtet (6 Ob 19/13g). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Ein unzulässiger Querverweis liegt nicht vor (vgl RIS-Justiz RS0122040).

 

3.6. Für die Prüfung nach §879 Abs3 ABGB ist das dispositive Recht der Maßstab (vgl RIS-Justiz RS0016591; RS0014676). Die Konvertierung ist eine Änderung des Vertragsgegenstands (vgl 2 Ob 22/12t), die nach dispositivem Recht (Vertragsautonomie) nur einvernehmlich erfolgen kann. Besagte Konvertierungsregelung entspricht daher der geltenden (dispositiven) Rechtslage und ist demnach nicht gröblich benachteiligend.

 

3.7. Die Konvertierungsvereinbarung ist nicht überraschend iSd §864a ABGB, weil sie bloß die auch ohne die Klausel geltende Rechtslage wiedergibt.

 

3.8. Ob ein stillschweigender Verzicht der Beklagten auf das Recht zur Ablehnung von Konvertierungen in eine Fremdwährung vorlag, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt §863 ABGB einen strengen Maßstab an; es ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein stillschweigender Verzicht auf ein Recht vorliegt, besondere Vorsicht geboten (RIS-Justiz RS0014190, RS0014420). Wenn die Vorinstanzen aus früheren einvernehmlichen Konvertierungen nicht abgeleitet haben, dass die Beklagte sich für die Zukunft zur Durchführung jeder von den Klägern gewünschten Konvertierung verpflichtet habe, hält sich dies im Rahmen der Judikatur.

 

3.9. Dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe, immer nur aus wesentlichen Gründen die Konvertierung in eine Fremdwährung abzulehnen, ist ein genauso vertretbares Auslegungsergebnis wie die Annahme eines berechtigten Grundes im Hinblick auf die mit 2. 1. 2013 von der FMA verabschiedeten neuen Mindeststandards zum Risikomanagement und zur Vergabe von Fremdwährungskrediten und Krediten mit Tilgungsträgern (FMA-FXTT-MS). Ein Rückgriff auf die Lehre von der Geschäftsgrundlage hat zu unterbleiben, wenn ein Vertrag nach seinem von den Parteien festgelegten immanenten Zweck nicht lückenhaft ist, sondern ein im Vertrag geregelter bzw im Auslegungsweg klärbarer Fall vorliegt (RIS-Justiz RS0017453).

 

[…]

 

8. Die Kläger machen insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §502 Abs1 ZPO ist die Revision somit nicht zulässig und daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§510 Abs3 ZPO)."

 

4. Die Kläger bringen in ihrer Klage zusammengefasst das Folgende vor:

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes verstoße gegen Unionsrecht, weswegen die Haftungsvoraussetzungen gegeben seien: Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen bezwecke, dem einzelnen Konsumenten Rechte zu verleihen. Der Verstoß gegen diese Norm sei hinreichend qualifiziert und es bestehe zwischen dem Verstoß und dem den Klägern entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung habe Vorrang vor den anderen innerstaatlichen Auslegungsregeln. Die genannte Richtlinie sei dahin auszulegen, dass aus der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel jene Konsequenzen zu ziehen seien, die sich nach nationalem Recht aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit ergäben. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes begründe die Staatshaftung, zumal diese die Vorgaben des Gerichtshofes der Europäischen Union zur Richtlinie 93/13/EWG nicht beachte. Dieser habe ausgesprochen, dass ein Verstoß gegen Unionsrecht jedenfalls dann hinreichend qualifiziert sei, wenn seine Rechtsprechung offenkundig verkannt werde. Durch die verwendeten missbräuchlichen Vertragsklauseln sei – entgegen dem Gebot von Treu und Glauben und zum Nachteil der Kläger – ein ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten begründet worden. Durch die Verweigerung der Konvertierung in Schweizer Franken sei den Klägern die Möglichkeit genommen worden, ihren Kursverlust zu minimieren und Zinsvorteile zu lukrieren. Die von der Bank verwendete Klausel sei missbräuchlich im Sinne des Anhanges zur Richtlinie 93/13/EWG , weil der Verbraucher eine Verpflichtung eingehe, während der Gewerbetreibende die Erbringung der Leistung an eine Bedingung knüpfe, deren Eintreten von ihm abhänge. Der Bank werde die Möglichkeit eingeräumt, ohne Angabe von Gründen den für sie günstigsten Zeitpunkt abzuwarten, um eine Konvertierung des Fremdwährungskredites zu verweigern. Für eine solche Auslegung bestehe keine sachliche Rechtfertigung. Die FMA-Mindeststandards könnten keine Änderung bestehender Vertragsverhältnisse begründen. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes verstoße auch insofern gegen die genannte Richtlinie, als damit dem Gewerbetreibenden das Recht eingeräumt werde, zu bestimmen, ob die erbrachte Dienstleistung den Vertragsbestimmungen entspreche. Ihm werde auch das Recht zugestanden, die Auslegung einer Vertragsklausel einseitig vorzunehmen. In seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018, Rs C‑119/17 , Liviu Petru Lupean ua, habe der Gerichtshof der Europäischen Union ausgesprochen, die Art3 bis 5 der Richtlinie 93/13/EWG seien dahin auszulegen, dass eine Klausel in einem Darlehensvertrag, durch die das Wechselkursrisiko vollständig auf den Darlehensnehmer abgewälzt werde und die nicht in transparenter Weise abgefasst sei, sodass der Darlehensnehmer die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen nicht einschätzen könne, als missbräuchlich anzusehen sei.

5. Der Bund erstattete eine Gegenschrift, in der er die Zurückweisung der Klage, in eventu deren Abweisung unter Kostenzuspruch beantragt. Begründend führt der Bund auszugsweise das Folgende aus:

"B. Kein (qualifizierter) Verstoß gegen Unionsrecht

 

Die Kläger legen weder dar, dass eine von ihnen herangezogene Bestimmung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29), geändert durch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64), nicht in österreichisches Recht umgesetzt worden sei, noch vermögen sie einen Widerspruch der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zum Unionsrecht aufzuzeigen und auch keine einschlägige Rechtsprechung des EuGH zu nennen, wonach die – dem Grundsatz der Parteienautonomie entsprechende – vertragliche Bestimmung, dass die Konvertierung des Euro-Kredits in eine Fremdwährung im Einvernehmen mit der Bank zu erfolgen hat, gegen Unionsrecht verstoßen soll. Sie behaupten lediglich einen Verstoß des Obersten Gerichtshofs gegen Unionsrecht, zeigen diesen Verstoß jedoch nicht auf. Sie legen auch nicht dar, inwiefern die Begründung des Obersten Gerichtshof[es], der sich mit den Argumenten der Kläger in der außerordentlichen Revision (§506 Abs1 Z5 ZPO) zu §6 Abs2 Z1, §6 Abs2 Z3, §6 Abs1 Z5, §6 Abs1 Z10 KSchG, §6 Abs3 KSchG, §879 Abs3 ABGB und §864a ABGB auseinandersetzte, (offenkundig) gegen Unionsrecht verstoßen soll. Da die Konvertierung zu einer Änderung des Vertragsgegenstands führt (RIS-Justiz RS0128728: Änderung sowohl der Leistungspflichten der Kreditnehmer als auch jener des Kreditgebers, der den Kredit nun in einer anderen Währung abzuwickeln hat), die auch nach dispositivem Recht (Vertragsautonomie) nur einvernehmlich erfolgen kann, liegt weder eine missbräuchliche Vertragsklausel noch ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben und auch nicht ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner vor.

 

Grundlage der 15 über Auftrag der Kläger bereits durchgeführten Konvertierungen waren die nunmehr beanstandeten Konvertierungsvereinbarungen. Die im Jahr 2009 getroffene Vereinbarung begünstigt die Kläger gegenüber der dispositiven Rechtslage, weil für die Konvertierung in Euro keine Zustimmung der Kreditgeberin erforderlich ist. Kern der Beanstandung der Kläger ist die Weigerung der *** AG, entsprechend ihrem Auftrag vom August 2015 die Konvertierung des Euro-Kredits in einen Schweizer Franken-Kredit (mit dem bekanntlich ein erhebliches Währungs- und Zinsrisiko verbunden ist) vorzunehmen. Dass die Kreditgeberin ihre Zustimmung – speziell im Hinblick auf die von ihr zu beachtenden FMA-FXTT-MS – verweigerte, begründet keine Unionsrechtswidrigkeit.

 

Der von den Klägern beanstandeten Beurteilung des Obersten Gerichtshofs, aus früheren einvernehmlichen Konvertierungen könne nicht abgeleitet werden, dass sich die *** AG auch in Zukunft zur Durchführung jeder von ihnen gewünschten Konvertierung verpflichtet habe, fehlt ebenfalls jeder Bezug zum Unionsrecht. Vielmehr geht es allein um die im Einzelfall nach nationalem Recht zu beurteilende Frage, ob entsprechend §863 ABGB ein stillschweigender Verzicht auf ein Recht vorliegt.

 

Zu bedenken ist auch, dass die Kläger in der außerordentlichen Revision keine Ausführungen machten, warum die Rechtslage, von der auch die Vorinstanzen ausgingen, gegen Unionsrecht verstoßen sollte. Wenngleich Fragen des Unionsrechts von Amts wegen zu beachten sind, können sie sich nicht darauf berufen, dass ein allfälliger Verstoß qualifiziert ist, wenn sie selbst einen solchen Verstoß in dem der Staatshaftung zugrunde liegenden Verfahren nicht behauptet haben und der Oberste Gerichtshof ein überhaupt nicht auf der Hand liegendes unionsrechtliches Problem nicht selbst aufwirft (VfGH 14.6.2004, A17/03).

 

C. Unschlüssigkeit des Klagebegehrens

 

Aus welchen Gründen den Klägern aufgrund des Prozessverlusts ein Schaden von 96.936,16 EUR entstanden sein soll, wird in der gegenständlichen Staatshaftungsklage nicht schlüssig dargelegt. Nicht nachvollziehbar ist auch die Argumentation der Kläger, wonach sie berechtigt sein sollen, alle Zinszahlungen seit August 2003 zurückzufordern, nur weil die Bank – auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarung – 12 Jahre später die Konvertierung des Euro-Kredits in einen Schweizer Franken-Kredit abgelehnt hat. Aufgrund welcher Rechtsvorschriften eine Rückabwicklung des Kreditverhältnisses mit der Wirkung ex tunc vorzunehmen sein sollte, wird nicht schlüssig ausgeführt.

 

D. Fehlendes Feststellungsinteresse

 

Dem Feststellungsbegehren der Kläger kommt keine Berechtigung zu. Ein Feststellungsbegehren ist nur zulässig, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des bestrittenen Rechts hat (Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny 3 III/1 §228 ZPO Rz 75). Es obliegt daher den klagenden Parteien, das rechtliche Interesse am Feststellungsbegehren darzutun[.]

 

E. Bestreitung der Höhe nach

 

Der geltend gemachte Klagsanspruch wird auch der Höhe nach bestritten und auf die Beweispflicht der Kläger verwiesen. Im Übrigen ist anzumerken, dass der Klage nicht schlüssig zu entnehmen ist, wie sich der Schadensbetrag von 157.573,55 EUR errechnet. Die beklagte Partei macht daher auch in diesem Zusammenhang die Unschlüssigkeit der Klage geltend.

 

F. Bestreitung des Zinsenbegehrens

 

In der Staatshaftungsklage wird nicht näher ausgeführt, warum den Klägern Verzugszinsen aus 157.573,55 EUR bereits seit 26.9.2018 zustehen sollen. Das Aufforderungsschreiben der Kläger an die Finanzprokuratur, mit dem der gegenständliche Staatshaftungsanspruch erstmals geltend gemacht wurde, datiert vom 24.9.2019.

 

G. Die Kläger legen schon ausgehend von ihren maßgeblichen Behauptungen in ihrer Klage einen offenkundigen Verstoß gegen Unionsrecht nicht dar, weshalb es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung mangelt."

 

6. Mit Eingabe vom 31. August 2021 beantragten die Kläger die Fällung eines Versäumungsurteiles, weil der beklagte Bund seine Gegenschrift nicht rechtzeitig erstattet habe.

7. Mit Eingabe vom 8. September 2021 trat der Bund diesem Vorbringen entgegen; die Aufforderung zur Erstattung einer Gegenschrift sei am 13. Juli 2021 zugestellt worden. Die am 23. August 2021 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Gegenschrift sei daher innerhalb der sechswöchigen Frist erfolgt.

II. Zulässigkeit

1. Gemäß Art137 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Wie der Verfassungsgerichtshof zu seiner Zuständigkeit für die Geltendmachung eines unionsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruches ausgesprochen hat, ist es nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, – ähnlich einem Rechtsmittelgericht – die Richtigkeit der Entscheidungen anderer Höchstgerichte zu prüfen. Der Verfassungsgerichtshof ist nur zur Beurteilung berufen, ob ein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl ua EuGH 30.9.2003, Rs C-224/01 , Köbler, Slg. 2003, I‑10239) vorliegt (vgl VfSlg 17.095/2003, 17.214/2004, 19.361/2011; VfGH 5.12.2016, A8/2016).

Eine auf den Titel der Staatshaftung gestützte Klage nach Art137 B‑VG ist unter anderem nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein Verstoß gegen das Unionsrecht geltend gemacht wird, der im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig ist (VfSlg 19.361/2011, 19.428/2011; VfGH 23.11.2017, A8/2017). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Köbler (Rz 51 ff.) festhält, liegt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht durch ein nationales letztinstanzliches Gericht unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterlichen Funktion und der berechtigten Belange der Rechtssicherheit insbesondere dann vor, wenn gegen eine klare und präzise Vorschrift verstoßen oder eine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig verkannt wird (EuGH 30.9.2003, Rs C-224/01 , Köbler, Slg. 2003, I-10239 [Rz 51 ff.]; VfSlg 18.448/2008).

Die klagende Partei im Staatshaftungsverfahren hat daher nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes begründet darzulegen, dass eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist. Der behauptete Verstoß muss also der Art nach möglich sein. Lässt eine Klage dies jedoch vermissen oder werden lediglich Auslegungsfragen, wie etwa auf Grund einer Literaturmeinung und einer deswegen angenommenen Vorlagepflicht des letztinstanzlichen Gerichtes, aufgeworfen, wird dadurch dieser Anforderung nicht Genüge getan. Eine solche Klage ist unzulässig (VfGH 27.6.2017, A17/2016; 23.11.2017, A8/2017; 26.6.2020, A38/2020).

2. Die vorliegenden Klagebehauptungen vermögen eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes für die Geltendmachung eines unionsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruches, abgeleitet aus einem rechtswidrigen Verhalten des Obersten Gerichtshofes, nicht zu begründen:

Die Kläger behaupten zwar einen die Staatshaftung auslösenden Verstoß des Obersten Gerichtshofes gegen Unionsrecht, zeigen diesen Verstoß jedoch nicht nachvollziehbar auf. Es ist für den Verfassungsgerichtshof anhand des Klagevorbringens nicht erkennbar, in welcher Hinsicht die Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes einen Verstoß gegen eine klare und präzise Vorschrift der Richtlinie 93/13/EWG darstellen sollte.

Es ist darüber hinaus auch nicht zu erkennen, dass der Oberste Gerichtshof eine Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig verkannt hätte. Die von den Klägern ins Treffen geführte Entscheidung in der Rs C‑119/17 , Liviu Petru Lupean ua, erging zu einem vollkommen anders gelagerten Sachverhalt: Dort sei dem Darlehensnehmer ein in einer (ausländischen) Währung bezifferter Geldbetrag gewährt und der Darlehensnehmer zur Rückzahlung in derselben (ausländischen) Währung verpflichtet worden, während sich aus den Umständen des Vertragsabschlusses und der Vertragsdurchführung ergeben habe, dass der Betrag tatsächlich in einer anderen Währung zur Verfügung gestellt und die Währung, in der das Konto geführt wurde, nur als "virtuelle Recheneinheit" verwendet worden sei. Darüber hinaus habe der Darlehensnehmer das wirtschaftliche Risiko der virtuell verwendeten Währung tragen müssen, obwohl ihm die Valuta in einer anderen Währung ausgezahlt worden sei. Da die genannte Entscheidung somit zu einem gänzlich anders gelagerten Sachverhalt ergangen ist, vermag der Verfassungsgerichtshof eine offenkundige Missachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union nicht zu erkennen.

3. Die vorliegende Klage ist daher wegen des Fehlens der erforderlichen Darlegung eines offenkundigen Verstoßes gegen Unionsrecht zurückzuweisen. Damit erübrigt sich auch ein Abspruch über den von den Klägern gestellten – unberechtigten – Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles.

III. Ergebnis

1. Die Klage ist zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Der obsiegenden beklagten Partei sind Kosten nicht zuzusprechen, weil es nach Lage des vorliegenden Falles zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war, die Finanzprokuratur mit der Vertretung des Bundes zu betrauen (zB VfSlg 19.284/2011 mwN); sonstige ersatzfähige Kosten sind nicht angefallen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte