OLG Linz 8Bs17/25v

OLG Linz8Bs17/25v3.4.2025

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 17. September 2024, Hv1*-105, ferner über die Beschwerden der Angeklagten gegen einen Beschluss nach § 494a StPO nach der in Anwesenheit des Ersten Staatsanwalts Mag. Neher als Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts, der Angeklagten A* und B*sowie deren Verteidiger Mag. Fischer und Mag. Pföstl durchgeführten Berufungsverhandlung vom 3. April 2025

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0080BS00017.25V.0403.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Den Berufungen der Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die über A* verhängte Freiheitsstrafe auf acht Jahre und die über B* verhängte Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre erhöht.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II. den Beschluss gefasst:

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der A* vom Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 8. März 2022, Hv2*-60, gewährten bedingten Strafnachsicht und mit Beschluss vom 14. April 2022, BE*-8, gewährten bedingten Entlassung ebenso abgesehen wie vom Widerruf der B* mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23. Februar 2023, Hv3*-10, gewährten bedingten Strafnachsicht. Gemäß § 494a Abs 6 StPO werden die zu Hv2* des Landesgerichts Salzburg sowie zu Hv3* des Landesgerichts für Strafsachen Graz bestimmten Probezeiten auf fünf Jahre verlängert.

Mit ihren Beschwerden werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

 

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Mit dem angefochtenen Urteil – das auch einen rechtskräftigen Freispruch des A* von einem weiteren Vorwurf enthält – wurden

der am ** geborene A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (zu I.A.), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (zu I.B.1.), der Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (zu II.A.1.a. und II.A.1.b.) und nach § 84 Abs 4 StGB (zu II.A.1.c.), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (zu II.A.2.) und der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (zu II.B.1. und II.B.2.) sowie

der am ** geborene B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (zu I.A.) sowie Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (zu I.B.2.)

schuldig erkannt.

Dafür wurden sie jeweils unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu Freiheitsstrafen verurteilt, nämlich A* unter weiterer Anwendung von § 39 Abs 1 und 1a StGB zu sieben Jahren und B* zu drei Jahren. Gegenüber A* wurden EUR 11.250,00 für verfallen erklärt, gegenüber B* EUR 43.925,00. A* wurde darüber hinaus verpflichtet, Schadenersatzzahlungen an C*, B* und die Österreichische Gesundheitskasse zu leisten. Mit Beschluss wurde vom Widerruf mehrerer bedingter Strafnachsichten sowie einer bedingten Entlassung abgesehen, wobei teilweise die Probezeiten verlängert wurden.

Inhaltlich des Schuldspruchs haben – verkürzt wiedergegeben –

Dagegen richten sich – nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des A* durch den Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 21. Jänner 2025 (11 Os 146/24s-5) – die Berufungen des A* wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche, der eine Herabsetzung der Strafe und die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg anstrebt, und des B* wegen des Ausspruchs über die Strafe, die ebenfalls auf eine Reduktion der Strafe, außerdem auf deren zumindest teilweise bedingte Nachsicht und auf eine Aufhebung des Verfalls abzielt, sowie der Staatsanwaltschaft, die auf eine Erhöhung beider Freiheitsstrafen anträgt. Die Berufungen der Angeklagten implizieren Beschwerden gegen die jeweiligen Probezeitverlängerungen (§ 498 Abs 3 StPO).

Nur die Berufung der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

 

1. zu den Berufungen betreffend A*:

Bei diesem Angeklagten wertete das Erstgericht das eigene Suchtverhalten, den Umstand, dass seine Tathandlungen teilweise beim Versuch blieben (§ 34 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StGB), sowie die in geringem Ausmaß geständige Verantwortung (§ 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB) mildernd, vier einschlägige (vgl zum Vergehen der Sachbeschädigung: RIS-Justiz RS0091978) Vorstrafen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), das dreifache Überschreiten der übergroßen Menge, das Zusammentreffen mehrerer (konkret: vier) Verbrechen und Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), den raschen Rückfall (Riffel in WK-StGB² § 33 Rz 11; RIS-Justiz RS0091527 [T1], RS0091619, RS0090973) sowie die Tatbegehung in offener Probezeit dagegen erschwerend.

Diese Überlegungen sind zunächst dahingehend zu präzisieren, dass die Tatbegehung bei offenen Probezeiten sowohl zur teilweisen bedingten Strafnachsicht aus dem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 8. März 2022 (ON 45) als auch zur bedingten Entlassung durch das selbe Gericht mit Beschluss vom 14. April 2022 (jeweils Position 03 der Strafregisterauskunft) keinen besonderen Erschwerungsgrund darstellt, sondern allgemein schuldaggravierend zu werten ist (Riffel aaO § 33 Rz 10; RIS-Justiz RS0090597, RS0090954). Gleichfalls ist das mehr als dreifache Überschreiten der Übermenge (konkret 89 Grenzmengen) – aufgrund des Gebots, die Strafe auch nach der Größe der mit der Tat einhergehenden Gefährdung zu bemessen – im Rahmen des § 32 Abs 3 StGB zu berücksichtigen (Riffel aaO § 32 Rz 77; RIS-Justiz RS0106648; noch größere Mengenüberschreitungen begründen dagegen sehr wohl einen eigenen [besonderen] Erschwerungsgrund: Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 27 Rz 106; RIS-Justiz RS0088028, RS0131986).

Beim Versuch blieben die von von Punkt II.A.1.a. und b. erfassten Taten insoweit, als die vom bedingten Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) des Angeklagten umfasste schwere Verletzungsfolge (vgl zum Versuch beim Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB: RIS-Justiz RS0131591) nicht eintrat. Dessen ungeachtet zogen beide Angriffe (wenn auch nur) leichte Verletzungen nach sich (zur Bewusstlosigkeit bei Punkt II.A.1.b. des Schuldspruchs: Burgstaller/Schütz in WK-StGB² § 84 Rz 25), was den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StGB (der das Ausbleiben eines Schadens präsumiert [14 Os 38/89]) erheblich relativiert (OLG Linz 8 Bs 138/24m; RIS-Justiz RS0090934 [zu Verletzungen bei versuchtem Mord]; Birklbauer/Stiebellehner in SbgK-StGB § 34 Rz 98 f; Riffel aaO § 34 Rz 30).

Die Gewöhnung (vgl RIS-Justiz RS0124621) an Suchtgift (vgl US 11) wurde zu Recht mildernd berücksichtigt (Matzka/Zeder/Rüdisser aaO Rz 109; RIS-Justiz RS0087417 [T 19], RS0087956; OLG Linz 7 Bs 14/25w, 9 Bs 237/24b). Entgegen der Argumentation der Staatsanwaltschaft setzt dies nämlich nicht grundsätzlich voraus, dass (wie etwa von § 27 Abs 5 SMG verlangt) die Tat überwiegend zur Ermöglichung des eigenen Konsums begangen wird, sondern spiegelt sich darin schlicht die Wertung des Gesetzgebers wieder, der suchtgiftergebene (und damit behandlungsbedürftige [vgl zum Grundsatz „Therapie statt Strafe“: Schwaighofer in WK-StGB² § 35 SMG Rz 1]) Täter gleich in mehrerlei Hinsicht anders behandelt als solche, die keinerlei Suchtdruck unterliegen (vgl § 35 Abs 2 oder § 39 Abs 1 SMG). Das Gewicht dieses schuldmindernden Umstands kann jedoch im Einzelfall erheblich variieren. Mit Rücksicht auf die hier verhandelten Mengen und das parallel vorhandene Gewinnstreben (dazu später) ist der Einfluss auf die Strafzumessungsschuld im konkreten Fall eher gering.

Über die erstgerichtlichen Erwägungen hinaus ist zugunsten des Angeklagten die teilweise „objektive Schadensgutmachung“ durch Sicherstellung minimaler Suchtgiftmengen (3,7 g Cannabiskraut, US 4) zusätzlich schuldmindernd zu veranschlagen (Riffel aaO § 34 Rz 33; zuletzt: 12 Os 132/24i; von der Sicherstellung „des tatverfangenen Suchtgifts“ [vgl RIS-Justiz RS0088797] schlechthin zu sprechen, wäre jedoch verfehlt [vgl 12 Os 140/16d]).

Weitaus gewichtigere Umstände sind allerdings – teils in Übereinstimmung mit dem Berufungsvorbringen der Staatsanwaltschaft – zu seinem Nachteil zu ergänzen:

Im Besonderen sind das die Begehung der Tat vom 17. März 2024 (Punkt II.A.1.c. des Schuldspruchs) auf eine grausame und in einer für das Opfer qualvollen Weise (vgl US 9; § 33 Abs 1 Z 6 StGB; dazu: Riffel aaO § 33 Rz 21 f)sowie unter Einsatz gleich mehrerer Waffen (im funktionalen Sinn [RIS-Justiz RS0134002]: Stock, Feuerzeug; § 33 Abs 2 Z 6 StGB).

Unter dem Aspekt des § 32 StGB fällt außerdem das Gewinnstreben beim Suchtgifthandel (RIS-Justiz RS0088292; Matzka/Zeder/Rüdisser aaO Rz 112) ins Gewicht, haben die Angeklagten doch den überwiegenden Teil der Erträge aus ihren Geschäften durch Konsumationen in diversen Lokalen verwendet (US 7). Beim Vergehen der Nötigung (Punkt II.A.2. des Schuldspruchs) ist dem Angeklagten ferner eine verstärkte Tatbestandsmäßigkeit anzulasten, nachdem er dabei nicht nur sein Opfer selbst, sondern auch dessen Familienmitglieder als Sympathiepersonen (vgl Jerabek/Ropper in WK-StGB² § 74 Rz 27) bedrohte. Schuldaggravierend wirkt darüber hinaus die fortgesetzte Delinquenz während anhängigen Strafverfahrens aufgrund des Vorwurfs der Körperverletzung zum Nachteil des C* (Riffel aaO § 33 Rz 9), in welchem er spätestens am 22. Dezember 2023 einen Verteidiger mit seiner Vertretung bevollmächtigte (ON 53.2.10). Beachtung hat weiters der Umstand verdient, dass beim Angeklagten sowohl die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB als auch jene von dessen Abs 1a vorliegen. Und schließlich hat er eine mehrfache Erfolgsverwirklichung im Sinne des § 84 Abs 1 StGB gegen sich gelten zu lassen (vgl dazu Burgstaller/Schütz aaO § 84 Rz 29; Riffel aaO § 32 Rz 69 unter Hinweis auf 11 Os 97/22g [Randzahl 15]), haben doch die B* am 17. März 2024 zugefügten Verletzungen (Punkt II.A.1.c. des Schuldspruchs) nicht nur eine 24 Tage überdauernde Gesundheitsschädigung sondern (nach dem Akteninhalt [vgl zur Berufungsentscheidung als eigenständiger Ausspruch des Berufungsgerichts über die Straffrage: Ratz in WK-StPO Vor §§ 280–296a Rz 13; RIS-Justiz RS0100285]) auch eine diese Zeitspanne übersteigende Berufsunfähigkeit nach sich gezogen (vgl ON 34.2, 2: Krankengeldbezug von 21. März bis 28. April 2024).

Der Berufung des Angeklagten zuwider wurde dessen Gewöhnung an Suchtgift ausreichend gewürdigt. Bei seiner Argumentation blendet er nämlich die bereits referierten schöffengerichtlichen Konstatierungen zur überwiegenden Verwendung des Gewinns aus den Suchtgiftgeschäften für andere Zwecke (vgl erneut: US 7) völlig aus. Desgleichen übergeht er mit seiner Forderung, ihm eine bloß untergeordnete Rolle im gemeinschaftlichen Suchtgifthandel beizumessen, die gerade gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichtes (US 6). Die von ihm angesprochene Wirkung der bevorstehenden Haft auf sein Suchtverhalten hinwieder wird im Verfahren zur bedingten Entlassung durch das Vollzugsgericht zu prüfen und zu bewerten sein.

Die Überlegungen der Staatsanwaltschaft, dass die Angeklagten auch Minderjährigen Suchtgift überlassen haben könnten (vgl § 27 Abs 4 Z 1 SMG), sind zwar nicht von Vornherein von der Hand zu weisen. Sie finden jedoch (abgesehen von vagen Gerüchten: ON 104, 16 und 18) keinen Niederschlag im Beweisverfahren und erschöpfen sich damit in unzulässigen Spekulationen zu deren Lasten. Der große Abnehmerkreis ist für sich genommen nicht erschwerend, macht es doch im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Gesundheit einzelner Abnehmer massiv oder die Gesundheit vieler Abnehmer weniger stark beeinträchtigt wird (vgl zuletzt OLG Linz 8 Bs 260/24b).

Nichtsdestotrotz erweist sich angesichts des nach § 39 Abs 1 (und 1a) StGB erweiterten Strafrahmens von einem bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe allein die Berufung der Staatsanwaltschaft berechtigt. Erst die Verhängung einer achtjährigen Freiheitsstrafe wird dem maßgeblich vom Zusammentreffen von gleich vier Verbrechen (und weiteren Vergehen) gekennzeichneten Handlungsunwert sowie der von raschem Rückfall und im Einzelfall (Punkt II.A.1.c. des Schuldspruchs) von besonderer Grausamkeit geprägten Täterschuld gerecht.

Auch der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche ist kein Erfolg beschieden. Soweit er sich explizit gegen den Zuspruch an die Österreichische Gesundheitskasse wendet, ist er zunächst einmal auf das Protokoll der Hauptverhandlung hinzuweisen, nach dem er sehr wohl zu deren Anschlusserklärung gehört wurde und erklärt hat, deren Forderung nicht anzuerkennen (ON 104, 43). Die von ihm vermissten Beweisergebnisse für den im Rahmen der rechtlichen Beurteilung begründeten (US 18) Zuspruch an die Privatbeteiligte finden sich in ON 34.2 und decken sich – und nur so viel sei zur Berechtigung der unbedenklichen Regressforderung gesagt – mit den Angaben des B* zu den notwendigen Heilbehandlungen (ON 104, 11), den darauf fußenden Urteilsfeststellungen (US 9) und der schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit den dokumentierten Verletzungen (ON 8.2) verbundenen Krankenstandsdauer.

In Hinblick auf den abschließenden Rechtsmittelantrag (die Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg zu verweisen) und die Tatsache, dass das Gesetz bezüglich der privatrechtlichen Ansprüche keine Präzisierung der Berufung verlangt (Ratz aaO § 294 Rz 11), ist zu den Zusprüchen an B* und C* festzuhalten, dass die jeweils festgestellten Verletzungsfolgen (US 9 und 11) die zuerkannten Schmerzengeldteilbeträge (US 18) jedenfalls tragen (vgl nur aus Sicht der Rechtsprechung: Hartl, Schmerzengeldsätze in Österreich in Euro, in RZ 2025, 27).

 

2. zu den Berufungen betreffend B*:

Ihm wurden das umfassende und reumütige Geständnis, das einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung leistete (§ 34 Abs 1 Z 17 erster und zweiter Fall StGB), die Selbststellung (§ 34 Abs 1 Z 16 StGB), sowie sein eigenes Suchtverhalten mildernd zugute gehalten. Erschwerend fanden eine einschlägige Vorstrafe (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), das dreifache Überschreiten der Übermenge, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie die Tatbegehung in offener Probezeit Berücksichtigung.

Eine (originäre) Bedachtnahme im Rechtsmittelverfahren auf das zwischenzeitig gegen ihn ergangene weitere Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 19. Dezember 2024, Hv4*-13, kommt nicht in Betracht, weil die dort abgeurteilte Tat am 9. Oktober 2024 und damit zeitlich nach dem hier angefochtenen erstinstanzlichen Urteil begangen wurde (vgl dazu: RIS-Justiz RS0090926 [T 5]).

Auch bei ihm sind richtigerweise die Tatbegehung bei offener Probezeit (zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 23. Februar 2023, Hv3*-10 [ein rascher Rückfall wird übrigens zu seinen Gunsten aufgrund der Feststellungen zum Beginn des Tatzeitraums mit „Sommer 2023“ gerade noch nicht angenommen]) und das mehr als dreifache Überschreiten der Übermenge im Rahmen des § 32 StGB als schuldaggravierend zu werten. Zusätzlich sind unter diesem Aspekt wie bei A* das dem Suchtgifthandel zugrunde liegende Gewinnstreben und – schuldmindernd – die Sicherstellung minimaler Mengen an Kokain (0,5 g) und Cannabiskraut (2.6 g; jeweils US 4) zu berücksichtigen.

Zur zutreffenden Beachtung seiner Gewöhnung an Suchtgift (vgl US 11) gilt das oben zu A* Gesagte.

Der Milderungsgrund der Selbststellung (§ 34 Abs 1 Z 16 StGB) hat dagegen im Hinblick auf die bereits eine Woche vor der Aussage des Angeklagten (ON 8.4 und ON 8.5) aufgrund der Angaben eines Abnehmers eingeleiteten Ermittlungen samt Überwachungsmaßnahmen (ON 2 bis ON 7) zu entfallen. Objektive (vgl RIS-Justiz RS0091445) Voraussetzung dafür wäre nämlich eine leicht wahrzunehmende Fluchtmöglichkeit oder die Wahrscheinlichkeit, dass die Tat sonst unentdeckt bleibt (Riffel aaO § 34 Rz 37).

Soweit der Angeklagte in seiner Berufung auch die Tatbegehung unter Einwirkung des A* (§ 34 Abs 1 Z 4 StGB) für sich reklamiert, ist er teilweise im Recht. Denn während anfangs beide ihre Geschäfte noch gleichberechtigt führten ist (erst) gegen Ende des Tatzeitraums von einer entsprechenden Einwirkung (vgl Riffel aaO § 34 Rz 11; RIS-Justiz RIS-Justiz RS0095999) und nach den gewalttätigen Übergriffen ab Anfang März (Punkt A.II. des Schuldspruchs) von einem Handeln auch aus Furcht (Riffel aaO § 34 Rz 12) auszugehen (vgl US 6 und 8).

Ein niedriger Handlungs- und Gesinnungsunwert liegt bei einer Gesamtbetrachtung aber keinesfalls vor. Vielmehr darf nicht aus den Augen verloren werden, dass auch dieser einschlägig (RIS-Justiz RS0087884) vorbestrafte Angeklagte aufgrund einer (jedenfalls am Anfang) gemeinsamen Initiative bei offener Probezeit eine die Grenzmenge mehr als 89-fach übersteigende Menge an Suchtgift überlassen hat.

Auf dieser Basis ist eine Reduktion der mit einem Fünftel des möglichen Höchstmaßes ausgemessenen erstgerichtlichen Strafe nicht möglich, sondern wird erst eine (moderate) Erhöhung derselben auf dreieinhalb Jahren dem Schuldgehalt der Taten und des Täters gerecht. Diese Sanktion erweist sich auch im Vergleich zu A* als sachgerecht, liegen diesem doch weitere strafbare Handlungen (darunter drei Gewaltverbrechen) zur Last und findet auf ihn aufgrund seiner zusätzlichen Vorstrafen der nach § 39 StGB erweiterte Strafrahmen Anwendung. Insbesondere aber bewahren B* sein reumütiges Geständnis und der hier noch einmal hervorzuhebende wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung (vgl US 11 und 13) vor der Verhängung einer spürbar höheren Strafe.

Die von der Berufung angestrebte (teil-)bedingte Strafnachsicht ist jedoch bereits aufgrund des Strafmaßes den in § 41 Abs 3 StGB normierten und hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen vorbehalten.

Zum ebenfalls bekämpften Verfallsausspruch ist festzuhalten: Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, sind für verfallen zu erklären (§ 20 Abs 1 StGB). Soweit sie nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind, hat das Gericht einen Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den erlangten Vermögenswerten entspricht (§ 20 Abs 3 StGB). „Erlangen“ im Sinne des § 20 StGB bedeutet, dass der Täter einen Vermögenswert in seine faktische und wirtschaftliche Verfügungsmacht bringt und ihn wirtschaftlich ausnutzen kann (RIS-Justiz RS0134603). Der Vermögensvorteil muss ihm also wirtschaftlich zu Gute kommen. Nicht erlangt hat ein Täter den Vermögenswert, wenn er ihn nur kurzzeitig und vorübergehend innehat, etwa zu Transportzwecken, oder weil er ihn vereinbarungsgemäß aufgrund der faktischen und wirtschaftlichen Mitverfügungsmacht (zum Beispiel übergeordneter Kontroll- und Dispositionsbefugnis) von anderen Tatbeteiligten (als bloßen Durchgangserwerb) weiterzugeben hat, weil es insofern an einem rechtserheblichen Vermögenszufluss fehlt. Es ist daher zu berücksichtigen, wie eigenständig der Täter mit dem Gut verfahren durfte. Gewahrsam ist nicht mit Erlangen gleichzusetzen (11 Os 127/23w mzN). Der (hier allein in Frage kommende) Wertersatzverfall nach § 20 Abs 3 StGB ist ohne Berücksichtigung von Aufwendungen nach dem Bruttoprinzip zu berechnen (RIS-Justiz RS0133117). Dem Verfall unterliegende Vermögens- und Ersatzwerte (§ 20 Abs 1 und Abs 2 StGB) sowie der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) dürfen außerdem nur dem tatsächlichen Empfänger mittels Verfalls abgenommen werden. Sind daher Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, so ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären. Der Ausspruch einer Solidarhaftung mehrerer Angeklagter wäre demgegenüber verfehlt (RIS-Justiz RS0129964). Ebenso wenig wäre einer Person allein der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) für mehreren Personen zugekommene Vermögenswerte aufzuerlegen (erneut: 11 Os 127/23w).

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils haben die beiden Angeklagten bei ihrem gemeinsamen Suchtgifthandel 10.000 g Cannabiskraut zu einem Grammpreis von zumindest EUR 7,50, 1.008 g Kokain (eine Addition der im Urteilsspruch angeführten Einzelmengen ergibt 990 g) zu einem Grammpreis von zumindest EUR 65,00 und zwölf Ecstasy-Tabletten zum Stückpreis von EUR 15,00 umgesetzt (US 7). Daraus errechnet sich ein EUR 140.000,00 übersteigender Gesamterlös. Den mag zwar – worauf die Berufung zutreffend hinweist – A* verwaltet haben (so die vom Schöffengericht für glaubhaft befundene [US 14] Aussage des B* [ON 104, 5 und 41]). Verwendet wurde er jedoch (überwiegend) für gemeinsame Vergnügungen und teilweise zur Finanzierung des Eigenbedarfs (US 7 und 14). Wirtschaftlich betrachtet sind die erlangten Vermögenswerte daher beiden zugute gekommen. In Ermangelung von Hinweisen auf einen anderweitigen Aufteilungsschlüssel (auch B* sprach ja bloß davon, die von ihm inkassierten Erlöse zur Verwaltung an A* weitergegeben zu haben, nicht aber davon, von diesem bei deren Verwendung übervorteilt worden zu sein [ON 104,10: „...hat es eine Gewinnaufteilung nicht gegeben. Das Geld wurde jedes Mal in Partys oder in Diskotheken ausgegeben, viel blieb nicht über“]) ist es realistisch anzunehmen, dass die vereinnahmten Gelder für gemeinsame Zwecke ausgegeben worden sind und demnach jedem der Angeklagten etwa die Hälfte davon zugute gekommen ist.

Ausgehend davon hätten gegenüber dem Berufungswerber bis zu EUR 70.000,00 für verfallen erklärt werden können und kann er sich demgemäß durch die Festsetzung des Wertersatzverfalls mit (von dieser Warte aus: lediglich) EUR 43.925,00 nicht ernsthaft als beschwert erachten.

Seine Berufung bleibt demgemäß auch soweit sie sich gegen den Verfallsausspruch richtet ohne Erfolg.

 

3. zu den Beschlüssen nach § 494a StPO:

Die Abänderung der Strafaussprüche hat den Wegfall der darauf bezogenen Beschlüsse über den allfälligen Widerruf bedingter Strafnachsichten und Entlassungen zur Folge, die demnach vom Berufungsgericht (gegebenenfalls unter Beachtung des Verschlechterungsverbots) eigenständig neu zu fassen sind (zum Ganzen: Jerabek/Ropper in WK-StPO § 498 Rz 8; RIS-Justiz RS0101886, RS0100194).

Der Argumentation des Erstgerichts folgend, wonach der zusätzliche Widerruf bedingter Strafnachsichten und der A* gewährten bedingten Entlassung in Anbetracht der nunmehr verhängten Freiheitsstrafen spezialpräventiv nicht notwendig erscheint (US 17 f), ist das – von der Staatsanwaltschaft dezidiert nicht bekämpfte – Absehen davon sachgerecht. Soweit dies noch möglich ist, soll jedoch die Verlängerung der Probezeiten auf das höchstzulässige Maß möglichst nachhaltig auf ein Wohlverhalten der Angeklagten nach Entlassung aus den Freiheitsstrafen hinwirken (§ 53 Abs 1 und 3 StGB).

Darauf sind die Angeklagten mit ihren gegen diese Maßnahme gerichteten Beschwerden (§ 498 Abs 3 StPO) zu verweisen.

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