European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0090BS00237.24B.0129.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird in seinem Strafausspruch dahin abgeändert (und demgemäß der Beschluss nach § 494a StPO aufgehoben), dass die über B* verhängte Freiheitsstrafe auf drei Jahre herabgesetzt wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten B* auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II. beschlossen:
Gemäß § 494 Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der B* mit Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 6. März 2019, GZ2*, gewährten bedingten Strafnachsicht und der mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom 20. Oktober 2022, GZ3**, gewährten bedingten Entlassung abgesehen und gemäß § 494a Abs 6 StPO wird die Probezeit im Verfahren GZ3* des Landesgerichts Wels auf fünf Jahre verlängert.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz – B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 3 zweiter Fall SMG (C./ I./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (C./ II./) und des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (C./ III./) schuldig erkannt und unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 39 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 28a Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 17. August 2023, 09:20 Uhr bis 13:40 Uhr, sowie vom 15. Februar 2024, 16:30 Uhr, bis 26. Juli 2024, 12:36 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Weiters wurden gemäß §§ 26 Abs 1 StGB iVm § 34 SMG und gemäß § 19a Abs 1 StGB im Urteil genannte Gegenstände eingezogen und konfisziert. Unter einem wurde gemäß § 494 Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der B* mit Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 6. März 2019, GZ2*, gewährten bedingten Strafnachsicht und der mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom 20. Oktober 2022, GZ3*, gewährten bedingten Entlassung abgesehen und gemäß § 494a Abs 6 StPO wurde die Probezeit im Verfahren GZ3* des Landesgerichts Wels auf fünf Jahre verlängert.
Nach dem Schuldspruch hat B*
C./ I./ von 11. bis 15. Februar 2024 in C* als Mitglied einer im Urteil näher bezeichneten kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge Suchtgift anderen überlassen, indem er den als „Läufer“ für D* fungierenden Mitangeklagten A* und E* Unterkunft gewährte und sie dadurch dabei unterstützte, 300 g Heroin mit einem Reinhaltsgehalt von 3 % Heroin und 40 g Kokain mit einem Reinhaltsgehalt von 47,4 % Cocain an Abnehmer zu verkaufen, wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und diese Straftat vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;
II./von 17. August 2023 bis 15. Februar 2024 in C* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar Heroin und Cocain sowie eine Kapsel Substitol à 200 mg (Morphin);
III./ sich, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt, und im Rausch eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (1./ 1./), das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (1./ 2./), das Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB (1./ 3./) und das Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB (C./ 3./2.) zugerechnet würden, nämlich
1./ am 10. August 2023 in C*
1./1./ fremde bewegliche Sachen nachgenannten Geschädigten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
a./ F*, dem Inhaber des Lokals „G*“, Wechselgeld im Wert von EUR 830,00 sowie eine Motorradjacke im Wert von EUR 210,00;
b./ H* eine Geldbörse im Wert von EUR 10,00 samt Bargeld in Höhe von EUR 30,00;
1./ 2./ durch die unter 1./1./a./ angeführte Tathandlung den Studentenausweis der H*, mithin eine Urkunde, über die er nicht oder nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde;
1./ 3./ durch die unter 1./1./a./ angeführte Tathandlung sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht oder nicht allein verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte der H* mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde;
2./ am 17. August 2023 in ** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten I* als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, einen VE durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vortäuschung, ihm 0,7 g Kokain zu verkaufen, indem sie ein szenetypischen Angebot machten und auch den für Kokain üblichen Straßenpreis vereinbarten, zu einer Handlung, nämlich der Zahlung des Kaufpreises von EUR 30,00 (für Backpulver anstelle von Kokain) verleitet, die diesen (oder einen anderen) im genannten Betrag am Vermögen schädigte.
Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des B* wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 9. Dezember 2024, 15 Os 110/24a-9, zurückgewiesen. Mit seiner Berufung (ON 112, 7 ff) strebt der Angeklagte die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist berechtigt.
Das Erstgericht wertete bei der Strafbemessung das teilweise Geständnis sowie den teilweisen Versuch mildernd und neun einschlägige Vorverurteilungen, welchen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB erhöhtes Gewicht verleiht, sowie das Zusammentreffen strafbarer Handlungen erschwerend. Im Rahmen des § 32 StGB wurde zudem die Tatbegehung während zweier offener Probezeiten berücksichtigt.
In Übereinstimmung mit dem Rechtsmittelvorbringen können fallbezogen sowohl die Sicherstellung von tatverfangenem Suchtgift bei den Mitangeklagten (vgl RIS-Justiz RS0088797) als auch die durch den Akt indizierte und nicht widerlegbare Gewöhnung bzw. Abhängigkeit des Angeklagten (vgl Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 27 Rz 109 mwN) mildernd berücksichtigt werden.
Der von ihm weiters reklamierte besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 6 StGB kann dem Angeklagten allerdings schon deswegen nicht zu Gute kommen, weil die Mitangeklagten nach den Urteilsannahmen in der von B* gewährten Unterkunft auch das Suchtgift vor dem Verkauf „bunkern“ konnten (US 8). Da § 287 Abs 1 StGB auf einen Zustand voller Berauschung, der nach § 11 StGB die Zurechnungsfähigkeit ausschließt, abstellt, geht die auf den besonderen Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 11 StGB abzielende Berufungsargumentation von vornherein ins Leere.
Ausgehend davon und vor dem Hintergrund der allgemeinen Kriterien der Strafbemessung nach § 32 Abs 2 und 3 StGB ist die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren bei dem gegeben Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von bis zu siebeneinhalb Jahren (zweiter Strafsatz des § 28a Abs 3 SMG iVm § 39 Abs 1 StGB), und damit knapp unter der Hälfte des Möglichen, einer moderaten Reduktion zugänglich. Eine Freiheitsstrafe von drei Jahren ist tat- und schuldadäquat und der konkreten Täterpersönlichkeit entsprechend.
Da die Abänderung des Strafausspruchs den Beschluss nach § 494a StPO hinfällig macht und dessen Aufhebung bedingt (vgl Kirchbacher, StPO15 § 494a Rz 5/1 mwN), war diesbezüglich eine neue Entscheidung zu treffen. Einem Widerruf stünde bereits das Verschlechterungsverbot entgegen. Die Verlängerung der Probezeit im Verfahren GZ3* des Landesgerichts Wels ist schon angesichts des strafrechtlichen Vorlebens des Angeklagten geboten.
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