OGH 12Os140/16d

OGH12Os140/16d2.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Münür P***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 9. September 2016, GZ 50 Hv 40/16h‑214, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten sowie seiner Verteidigerin Dr. Steiner zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00140.16D.0302.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Münür P***** wird für die ihm zur Last liegenden Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und unter Bedachtnahme nach § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 25. August 2015, AZ 14 U 113/15t, nach § 28a Abs 2 SMG zu einer Zusatzstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 7. Oktober 2015 (ON 128) wurde Münür P***** – im ersten Rechtsgang – der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er – zusammengefasst wiedergegeben – in W***** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Pico,

1./ in der Zeit von Jänner 2015 bis Ende April 2015 in einer insgesamt das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge aus der Slowakei aus‑ und nach Österreich eingeführt, nämlich insgesamt zumindest 640 „Kubik“ à 0,7 Gramm, somit zumindest 313,6 Gramm reines Metamphetamin, und

2./ in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich zumindest 130,33 Gramm reines Metamphetamin, anderen im Urteilsspruch genannten sowie unbekannt gebliebenen Personen überlassen,

wobei er die Taten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde.

Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 12. Mai 2016, AZ 12 Os 3/16g, wurde in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 SMG umfassten Taten auch unter § 28a Abs 4 Z 3 SMG und in der hiezu gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch in dem den Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Münür P***** im zweiten Rechtsgang – unter verfehlter Wiederholung des im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs (RIS‑Justiz RS0100041; Lendl , WK‑StPO § 260 Rz 33) und unter neuerlicher fehlerhafter Wiedergabe einzelner von der Überlassung von Suchtgift umfasster, vom Obersten Gerichtshof im obgenannten Erkenntnis richtig gestellter Mengenangaben – wegen der Aus‑ und Einfuhr von insgesamt zumindest 500 „Kubik“ à 0,7 Gramm Pico, somit 250 (richtig: 245 [vgl US 5]) Gramm reinen Metamphetamins aus der Slowakei nach Österreich in der Zeit von Jänner 2015 bis Ende April 2015 des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1 SMG bezogen auf eine das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge und damit auch der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 3 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheisstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 5, Z 5a und Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter bei der Feststellung der aus‑ und eingeführten Suchtgiftquanten auf die Verantwortung des damals mitangeklagten Hasan S***** in der Hauptverhandlung am 17. September 2015 im ersten Rechtsgang gestützt, wonach Münür P***** zwei bis drei Mal pro Woche in der Slowakei gewesen sei, immer 10 bis 15 „Kubik“ Pico eingekauft und dieses nach Österreich eingeführt habe (ON 108 S 12), und daraus offenkundig und im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen unter Zugrundelegung von Durchschnittswerten von 2,5 Fahrten pro Woche und der Mitnahme von jeweils 12,5 „Kubik“ unter Zugrundelegung eines Umrechnungsschlüssels, wonach ein „Kubik“ 0,7 Gramm entspricht, einen Reinsubstanzgehalt von 245 Gramm Metamphetamin abgeleitet (US 5, 7).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) aus den Aussagen der Zeugen Gabor N***** und Multlo B***** günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, kritisiert sie nach Art einer Schuldberufung – im kollegialgerichtlichen Verfahren jedoch unzulässig – dessen Beweiswürdigung.

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Beweiswerterwägungen des Erstgerichts) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem die Rüge darauf hinweist, dass der Zeuge Hasan S***** seine Angaben zu den geschmuggelten Suchtgiftmengen nur „vom Hörensagen“ getätigt habe, die Verantwortung des Angeklagten im Gegensatz dazu schlüssig sei und neuerlich die Aussage des Zeugen Gabor N***** hervorhebt, der eine Vereinbarung von Hasan S***** und Christian Ba***** den Beschwerdeführer fälschlich zu belasten, behauptete, der das Schöffengericht jedoch die Glaubwürdigkeit versagte, gelingt es ihr nicht, Bedenken im dargestellten Sinn zu erwecken. Vielmehr kritisiert sie erneut nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Im Recht ist die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) jedoch mit ihrem Hinweis, dass das Erstgericht bei der Strafzumessung auch die „Gefährlichkeit der Delikte (Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz)“ als erschwerend in Rechnung stellte und auch daraus die Notwendigkeit der Verhängung einer empfindlichen unbedingten Freiheitsstrafe ableitete.

Da der Gesetzgeber der dem Handel und sonstigem Umgang mit Suchtgiften innewohnenden Gefährlichkeit bereits durch die aus §§ 27 bis 28a SMG ersichtlichen Strafdrohungen Rechnung getragen hat und das von einzelnen Suchtgiften ausgehende unterschiedliche Gefährdungspotenzial durch § 1 der

Suchtgift-Grenzmengenverordnung iVm § 28b SMG berücksichtigt wird, verstößt die pauschale aggravierende Bewertung der Gefährlichkeit von Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz bei der Strafbemessung gegen das im § 32 Abs 2 erster Satz StGB verankerte

Doppelverwertungsverbot (vgl RIS‑Justiz RS0102874).

Ohne dass auf das weitere Vorbringen der Sanktionsrüge einzugehen gewesen wäre, war der Nichtigkeitsbeschwerde daher insoweit Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Strafausspruch aufzuheben sowie gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen.

Bei der dadurch erforderlichen Strafneubemessung nach § 28a Abs 2 SMG war als mildernd der Beitrag zur Wahrheitsfindung und die Gewöhnung an Suchtmittel (vgl Litzka/Matzka/Zeder , SMG 2 § 27 Rz 109), als erschwerend hingegen die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB, der rasche Rückfall, die Begehung während offener Frist zum Strafantritt und während laufenden Strafverfahrens sowie die mehrfache Deliktsqualifikation zu werten. Demgemäß war beim Angeklagten, auch unter Berücksichtigung dessen, dass die ein‑ und ausgeführte Menge an Suchtgift fast das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge erreichte, unter Bedachtnahme nach § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 25. August 2015, AZ 14 U 113/15t, eine Zusatzstrafe von fünf Jahren als dem Unrecht der Tat entsprechend und seiner Schuld angemessen zu verhängen.

Zum Berufungsvorbringen wird darauf hingewiesen, dass angesichts der Einleitung von Ermittlungen gegen den Angeklagten wegen der in Rede stehenden Vorwürfe Ende Mai 2015 und dessen Vernehmung hiezu am 3. Juni 2015 (ON 51 S 53; vgl RIS‑Justiz RS0124901) noch nicht von einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer iSd § 34 Abs 2 StGB auszugehen ist. Da bei Münür P***** lediglich 1,2 Gramm Pico aufgefunden wurden (ON 128 S 29), kann von der behaupteten Sicherstellung des tatverfangenen Suchtgifts (RIS‑Justiz RS0088797) keine Rede sein.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Anrechnung der Vorhaft war dem Erstgericht zu überlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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