OGH 9ObA88/13a

OGH9ObA88/13a29.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Andreas Hach als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei H***** Z*****, vertreten durch Mag. Dr. Marc Gollowitsch, Rechtsanwalt in Pöchlarn, gegen die beklagte Partei R***** Ö***** (Bundesministerium für *****), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 2013, GZ 10 Ra 43/13m-64, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob die Beklagte die Kündigungsgründe des § 32 Abs 2 Z 1 und 6 VBG unverzüglich geltend gemacht hat, stellt eine Beurteilung im Einzelfall dar, die grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (9 ObA 155/09y; RIS-Justiz RS0031571).

Der Dienstgeber ist gehalten, von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust desselben unverzüglich nach Kenntnisnahme des die Kündigung rechtfertigenden Sachverhalts durch die für den Ausspruch der Kündigung zuständigen Organe Gebrauch zu machen. Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von Vertragsbediensteten können nur insoweit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls, sachlich begründet sind (RIS-Justiz RS0029273). Dabei ist insbesondere ein durch die obligatorische Einschaltung der zum Arbeitnehmerschutz berufenen Organe der Personalvertretung veranlasstes Zuwarten zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0028543). In der Rechtsprechung wurde auch stets darauf Bedacht genommen, dass bei juristischen Personen und insbesondere im öffentlichen Bereich die Willensbildung aufgrund der hierarchischen Strukturen umständlicher und langwieriger ist als bei physischen Personen; desgleichen wurde auch auf Aktenlauf, Kompetenzverteilung und dgl bei Gebietskörperschaften und anderen juristischen Personen entsprechend Bedacht genommen (9 ObA 182/88; 9 ObA 155/09y; RIS-Justiz RS0082158). Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf nicht überspannt werden (8 ObA 66/08a mwN).

Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen bei ihren Entscheidungen ausgegangen und nicht in krasser Fehlbeurteilung - nur diese könnte hier die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision des Klägers begründen - abgewichen.

Unrichtig ist, die Behauptung des Revisionswerbers, dass der Oberste Gerichtshof zur Beurteilung der Unverzüglichkeit einer Kündigung nach § 32 VBG grundsätzlich analog den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes eine Vierwochenfrist ab Kenntnis des Sachverhalts heranziehen würde. Vielmehr hat er in seinen Entscheidungen wiederholt und gerade ohne Bezugnahme auf starre Zeitgrenzen darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Unverzüglichkeit der Entlassung naturgemäß eine solche darstellt, die aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0031571, zuletzt 9 ObA 26/13h).

Auch die Frage der Einbindung der Personalvertretungsorgane in das gegenständliche Kündigungsverfahren stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, weil das Gesetz hier ohnedies eine klare Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656):

Gemäß § 8 Abs 1 PVG ist in jeder Dienststelle, in der mindestens 20 Bedienstete beschäftigt sind, ein Dienststellenausschuss zu wählen. Gemäß § 9 Abs 1 PVG ist der Dienststellenausschuss zur Erfüllung aller jener im § 2 PVG umschriebenen Aufgaben berufen, die nicht ausdrücklich anderen Einrichtungen der Personalvertretung vorbehalten sind. Dabei sind beabsichtigte Maßnahmen vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Dienststellenausschuss zu verhandeln. In diesem Sinne obliegt dem Dienststellenausschuss - neben vielen anderen ausdrücklich aufgezählten Aufgaben - gemäß § 9 Abs 1 lit i PVG die Mitwirkung bei der Auflösung des Dienstverhältnisses durch Entlassung oder Kündigung durch den Dienstgeber und bei der einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses. Beabsichtigte Maßnahmen des Dienststellenleiters iSd § 9 Abs 1 PVG sind dem Dienststellenausschuss gemäß § 10 Abs 1 PVG spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

Zentralausschüsse sind nach § 13 Abs 1 PVG am Sitz der Zentralstellen einzurichten; so gemäß Z 7 auch einer beim Bundesministerium für *****. Gemäß § 14 Abs 1 lit a PVG ist es Aufgabe des Zentralausschusses, in Angelegenheiten iSd § 9 PVG, die die Bediensteten des Ressorts betreffen, für die der Zentralausschuss errichtet ist, und die über den Wirkungsbereich der nachgeordneten Dienststellen- und Fachausschüsse hinausgehen, mitzuwirken. Gemäß § 14 Abs 2 PVG finden in diesem Fall die Bestimmungen des § 10 PVG sinngemäß Anwendung.

Aus § 10 PVG, insbesondere dessen Abs 4, ist zu folgern, dass eine Mitwirkung des Dienststellenausschusses grundsätzlich nur gegenüber dem Leiter jener Dienststelle in Betracht kommt, bei der der Ausschuss errichtet ist (4 Ob 171/85). Liegt die organisatorische oder verfahrensrechtliche Kompetenz für eine bestimmte beabsichtigte Maßnahme nicht bei dem Dienststellenleiter, bei dessen Dienststelle ein Dienststellenausschuss errichtet ist, sondern höher in der Verwaltungshierarchie auf einer Ebene, auf der ein Fachausschuss oder ein Zentralausschuss errichtet ist, so wird aus der Aufgabe des Dienststellenausschusses eine solche des Fach- oder Zentralausschusses (§§ 12 Abs 1 lit a, 14 Abs 1 lit a PVG). Der Wortlaut des § 9 PVG, nach dem die dort geregelten Aufgaben scheinbar ausschließlich dem Dienststellenausschuss obliegen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass - je nach der Struktur des Ressorts - in der Realität meistens höhere Ebenen der Personalvertretung zuständig sind. Die in § 9 Abs 1 lit i PVG aufgezählte Kompetenz des Dienststellenausschusses zur Mitwirkung an der Auflösung des Dienstverhältnisses „... durch Kündigung durch den Dienstgeber ...“ kommt daher dem Dienststellenausschuss nur dann zu, wenn die Dienstgeberkündigung von dem Dienststellenleiter ausgeht, bei dessen Dienststelle der Dienststellenausschuss errichtet ist (4 Ob 171/85).

Der Dienststellenausschuss hat hier zum beabsichtigten Antrag des Dienststellenleiters auf Kündigung des Klägers Stellung genommen. Da zum Ausspruch der Kündigung aber unstrittig nicht die Dienststelle des Klägers, sondern das Bundesministerium für ***** berufen war (vgl 9 ObA 171/89), war jedenfalls (auch) der Zentralausschuss gemäß § 14 Abs 1 lit a PVG beizuziehen (vgl 9 ObA 4/04k).

Auch die Frage, welchen Inhalt das hier vorliegende Kündigungsschreiben für einen redlichen Erklärungsempfänger haben musste, wurde vom Berufungsgericht in vertretbarer Weise beantwortet. Nach herrschender Rechtsprechung genügt es, wenn dem Kündigungsschreiben deutlich entnommen werden kann, was als Kündigungsgrund geltend gemacht wird. Dies ist dann der Fall, wenn entweder einer der im § 32 Abs 2 VBG (demonstrativ) aufgezählten Kündigungstatbestände angeführt oder wenn ein Hinweis auf einen entsprechenden Sachverhalt in das Schreiben aufgenommen wird (RIS-Justiz RS0082149 [T1 und T2]).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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