OGH 9ObA182/88

OGH9ObA182/8831.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Oder und Peter Pulkrab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Richard C***, Medizinalrat, Wien 20., Kapaunplatz 7/22, vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17, wegen 173.178,08 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. April 1988, GZ 31 Ra 15/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11. August 1987, GZ 4 Cga 1827/87-7, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.793,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 617,55 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. Juni 1981 bis 22. Jänner 1987 bei der beklagten Partei, Bundesministerium für Landesverteidigung, als Heeresvertragsarzt (§ 61 Abs 3 ÄrzteG) beschäftigt und bezog zuletzt ein Gehalt von 20.900 S. Die Anstellung des Klägers erfolgte im Rahmen der Bestimmungen der zwischen der beklagten Partei und der Österreichischen Ärztekammer abgeschlossenen Gesamtvereinbarung. Diese Gesamtvereinbarung hat (auszugsweise) folgenden wesentlichen Inhalt:

"Punkt II (2): Die Vertragspartner stellen einvernehmlich fest, daß für das Dienstverhältnis der Heeresvertragsärzte die Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches über den Dienstvertrag zur Anwendung zu kommen haben, soweit nicht in dieser Gesamtvereinbarung oder im Dienstvertrag selbst davon abweichende Bestimmungen getroffen werden.

Punkt V (1): Der Heeresvertragsarzt ist verpflichtet, die ihm bekanntgegebenen Instruktionen über die Durchführung des heeresärztlichen Dienstes gewissenhaft einzuhalten. Diese Instruktionen sind der Österreichischen Ärztekammer zeitgerecht zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Heeresvertragsarzt ist verpflichtet, eine Dienstverhinderung seiner Dienststelle umgehend bekanntzugeben. Er ist nicht verpflichtet, für einen Vertreter zu sorgen.

VI (15) Der Heeresvertragsarzt ist verpflichtet, seinen Dienst an Werktagen in der Zeit von 7 Uhr bis 12 Uhr (Dienststunden) - je nach Bedarf - zu versehen.

VIII (1) Der Heeresvertragsarzt hat Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 26 Werktagen; dieser Anspruch erhöht sich nach einer Dienstzeit von 10 Jahren als Heeresvertragsarzt auf 30 Werktage pro Kalenderjahr. Der Urlaubsanspruch ist ab einer Dauer des Dienstverhältnisses von 6 Monaten gegeben. Der Urlaubsantritt ist 8 Tage vorher unter Bekanntgabe eines etwaigen Vertreters dem Leitenden Sanitätsoffizier beim Militärkommando sowie dem Dienststellenleiter, dem die Bewilligung des Urlaubes obliegt, mitzuteilen. ....."

Am 22. Jänner 1987 wurde dem Kläger ein mit 14. Jänner 1987 datiertes Schreiben des Bundesministeriums für Landesverteidigung zugestellt, in dem seine fristlose Entlassung ausgesprochen wurde. Als Entlassungsgrund wurden einerseits eine grobe Verletzung der Dienstpflichten am 22. Oktober 1986 und andererseits eine Reihe von weiteren Dienstverfehlungen in den Jahren zuvor angeführt. Der Kläger entfernte sich am 22. Oktober 1986 um 8,45 Uhr von seiner Dienststelle. Dieses Verhalten wurde am selben Tage der vorgesetzten Dienststelle (Militärkommando) gemeldet. Am nächsten Tag beantragte der Leitende Sanitätsoffizier als zuständiger Fachvorgesetzter bei der Personalabteilung des Militärkommandos Wien die sofortige Entlassung des Klägers. Das Militärkommando beantragte aus Anlaß des Fehlverhaltens des Klägers vom 22. Oktober 1986 mit Schreiben vom 21. November 1986 beim Bundesministerium für Landesverteidigung die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers. Dieser Antrag langte am 25. November 1986 bei der Zentralstelle ein und am 27. November 1986 wurde der Zentralausschuß (Personalvertretung) über die beabsichtigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses in Kenntnis gesetzt und um Bekanntgabe des Einverständnisses ersucht. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1986 teilte der Zentralausschuß mit, daß gegen die Entlassung des Klägers kein Einwand erhoben werde. Dieses Schreiben langte am 22. Dezember 1986 bei der Zentralstelle ein. Am 24. und 31. Dezember war in der Zentralstelle Journaldienst zu verrichten. Am 2. und 5. Jänner 1987 hatten die Bediensteten keinen Dienst zu leisten. Der die Entlassung des Klägers betreffende Akt wurde am 14. Jänner 1987 approbiert und das Entlassungsschreiben auf dem Dienstweg vom Militärkommando Wien dem Kläger am 22. Jänner 1987 zugestellt.

Der Kläger begehrte nach Einschränkung des Klagebegehrens die Zahlung eines Betrages von 173.178,08 S brutto sA an Kündigungsentschädigung für 3 Monate (1. Februar 1987 bis 30. April 1987), ferner an aliquoten Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Die Voraussetzungen für eine Entlassung seien nicht vorgelegen, die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen seien haltlos. Die Entlassung sei überdies verspätet ausgesprochen worden. Die beklagte Partei ließ die Höhe des begehrten Betrages unbestritten, beantragte jedoch die Abweisung der Klage. Die Dienstverfehlung vom 22. Oktober 1986 sei nur die letzte in einer Serie von über Jahre hinweg begangenen Pflichtverletzungen. Diese Pflichtverletzungen hätten auch bereits zum Ausspruch einer Ermahnung geführt. Das Entlassungsschreiben sei nicht verspätet, weil bei Dienststellen der öffentlichen Hand solche Maßnahmen mehr Zeit erforderten.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt. Auf das Dienstverhältnis seien die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes anzuwenden. Eine vorzeitige Lösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen setze voraus, daß diese Maßnahme unverzüglich vorgenommen werde. Wenn auch einer Gebietskörperschaft ein längerer Zeitraum für die Entscheidung über die Vornahme einer Entlassung zuzubilligen sei, so sei doch eine erst drei Monate nach dem den Anlaß bildenden Vorfall ausgesprochene Entlassung verspätet. Die geltend gemachten Ansprüche seien in den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes begründet. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge; die Abänderung betraf nur einen Teilbetrag, hinsichtlich dessen das Erstgericht das Klagebegehren überschritten hatte. Im übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Zuständig für die Entlassung des Klägers sei das Bundesministerium für Landesverteidigung gewesen. Dieses habe von dem die Entlassung letztlich auslösenden Verhalten des Klägers vom 22. Oktober 1986 am 25. November 1986 Kenntnis erlangt. Das Entlassungsschreiben sei erst am 22. Jänner 1987 ausgehändigt worden. Auch wenn man gewisse, aufgrund der Behördenorganisation der beklagten Partei offenbar notwendige Verzögerungen in Rechnung stelle und berücksichtige, daß in diesem Zeitraum auch Weihnachten und Neujahrsfeiertage gelegen seien, so sei allein dieser Zeitraum von 2 Monaten objektiv nicht mehr gerechtfertigt. Dazu komme noch, daß das Militärkommando Wien vom Verhalten des Klägers noch am 22. Oktober 1986 telegraphisch in Kenntnis gesetzt worden sei, das allerdings erst am 21. November 1986 beim Bundesministerium für Landesverteidigung die Entlassung des Klägers beantragt habe. Auch diese Verzögerung habe die beklagte Partei zu vertreten. Die Entlassung sei daher verspätet ausgesprochen worden.

Auf das Dienstverhältnis des Klägers sei das Vertragsbedienstetengesetz anzuwenden. Ein freier Arbeitsvertrag liege nicht vor, weil die - näher ausgeführten - Voraussetzungen hiefür nicht gegeben seien. Ausgehend von den Bestimmungen des zwingend anzuwendenden Vertragsbedienstetengesetzes bestünden die erhobenen Ansprüche zu Recht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren des Klägers zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Dienst- oder Arbeitsvertrag im Sinn des § 1151 ABGB ist vor allem durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers gekennzeichnet, welche sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle - nicht notwendig auch an Weisungen über die Art der Ausführung der Tätigkeit - äußert (Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages 121). Für den Arbeitsvertrag wesentlich ist daher eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, welcher hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenen Verhaltens dem Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterworfen ist, oder, wenn dieses Verhalten schon im Arbeitsvertrag vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist, zumindest dessen laufender Kontrolle unterliegt (Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I3 37 f). Im Gegensatz dazu steht der "freie Arbeitsvertrag", welcher zur Arbeit ohne persönliche Abhängigkeit (Gschnitzer, Schuldrecht-Besonderer Teil 72; Koziol-Welser8 I, 367, vgl. auch Adler-Höller in Klang2 XI 156) weitgehend selbständig und frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens verpflichtet (Spielbüchler aaO 39; Martinek-Schwarz, AngG6, 27). Gerade die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln und jederzeit zu ändern, also das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit, unterscheidet diesen "freien" ("unabhängigen") Arbeitsvertrag vom ("echten") Arbeitsvertrag im Sinn des § 1151 ABGB (Arb. 10.055 mwN).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Kläger hatte seinen Dienst an Werktagen in der Zeit von 8 bis 12 Uhr an einem fest bestimmten Ort zu verrichten; er hatte die Instruktionen über die Durchführung des heeresärztlichen Dienstes gewissenhaft einzuhalten, eine Dienstverhinderung umgehend anzuzeigen, es war ihm ein fest bestimmter Urlaubsanspruch eingeräumt und er hatte die Verpflichtung, den Urlaubsantritt entsprechend mitzuteilen. Es trifft daher nicht zu, daß er bei seiner Tätigkeit für die beklagte Partei frei von persönlichen Beschränkungen und in der Lage gewesen wäre, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln und jederzeit zu ändern. Wenn er auch bezüglich seiner Tätigkeit an sich Weisungen nicht unterworfen war - die Weisungsgebundenheit auf diesem Gebiet ist im übrigen kein wesentliches Merkmal des "echten" Arbeitsvertrages und kam für die ärztliche Tätigkeit des Klägers kaum in Betracht - so hatte er seine Arbeitsleistung doch in dem im Vertrag bestimmt vorgegebenen Rahmen, der sowohl die genaue Zeit der Tätigkeit wie auch den Ort der Tätigkeit determinierte, zu erbringen. Damit fehlen aber wesentliche Merkmale der Selbständigkeit und der Freiheit von Beschränkungen, die das Wesen des freien Arbeitsvertrages charakterisieren. Aus der in der Revision zitierten Entscheidung Arb. 6487 (dort zitiert unter Entscheidung Nr. 15 zu § 1151 ABGB) ist ein anderes Ergebnis nicht zu gewinnen. Das Vorliegen eines freien Arbeitsvertrages wurde in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall deshalb angenommen, weil dem dort als Betriebsarzt tätigen Kläger anheimgestellt war, die Zeit seiner Ordination und der Visiten nach seinem Gutdünken zu bestimmen. Er war nur verpflichtet, die von ihm bestimmten Ordinationszeiten einzuhalten. Diese Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von dem hier zu entscheidenden Fall. Hier war der Kläger fest in die Organisation der beklagten Partei eingegliedert und durch die vertraglichen Bestimmungen auf eine Weise gebunden, die seine Dispositionsfreiheit wesentlich einschränkte.

Die beklagte Partei führt für die von ihr vertretene Ansicht, daß ein freier Arbeitsvertrag vorgelegen sei, unter anderem ins Treffen, daß der Kläger als selbständiger praktischer Arzt mit der beklagten Partei die vertraglichen Regelungen über seine Anstellung autonom vereinbart habe.

Dies spricht aber keineswegs gegen das Vorliegen eines "echten" Arbeitsvertrages. Bei Abschluß eines Arbeitsvertrages stehen sich regelmäßig zwei rechtlich gleichrangige Partner gegenüber, die die Richtlinien des Arbeitsverhältnisses vereinbaren, mag diese Einigung auch häufig nur in Form der Unterwerfung des künftigen Arbeitnehmers unter das vom Arbeitgeber unterbreitete Anbot bestehen. Wesentlich sind nicht die Vorgänge anläßlich des Abschlusses des Vertrages, sondern die Ausformung des Vertragsverhältnisses an sich. Wird der Arbeitnehmer - wie hier - zu einem sehr wesentlichen Teil in die Organisation des Arbeitgebers eingebunden, hat er feste Arbeitszeiten an einem bestimmten Arbeitsort einzuhalten und unterliegt er, wenn auch nur diesbezüglich, der Kontrolle des Arbeitgebers, so sind die Voraussetzungen für einen freien Arbeitsvertrag nicht gegeben.

Gemäß § 1 Abs 1 VBG findet dieses Bundesgesetz, soweit die Abs 3 bis 5 des § 1 nichts anderes bestimmen, auf Personen Anwendung, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen. Die Bestimmung des § 1 Abs 3 normiert unter anderem in lit i als Ausnahme von der Anwendung des Gesetzes Schul- und Theaterärzte. Gründe, die die analoge Anwendung der Bestimmung des § 1 Abs 3 lit i VBG auf Heeresvertragsärzte rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Die beklagte Partei weist zur Begründung dieser von ihr vertretenen Ansicht bloß auf die "Gleichheit des Rechtsgrundes und der Interessenlage" hin. Bei einer teleologischen Lücke, von deren Vorliegen die beklagte Partei offenbar ausgeht, fordert die mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte ratio legis in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgeanordnung einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall. Denn es trifft zwar nicht der Wortlaut des Gesetzes, wohl aber die ihm zugrundeliegende Wertung bzw. Zwecksetzung auf den offenen Fall zu (Bydlinski in Rummel Rz 2 zu § 7 ABGB).

Diese Voraussetzungen liegen aber hier nicht vor. Schon die im Vergleich zu einem Schul- oder Theaterarzt im allgemeinen erheblich intensivere zeitliche Bindung eines Heeresvertragsarztes - der Kläger hatte der beklagten Partei nach dem Inhalt des Vertrages 30 Stunden wöchentlich zur Verfügung zu stehen - an den Arbeitgeber unterscheidet die Fallgruppen wesentlich, sodaß nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Gesetzgeber Heeresvertragsärzte denselben Normen unterstellen wollte wie Schul- oder Theaterärzte. Die Voraussetzungen für die analoge Anwendung des § 1 Abs 3 lit i VBG auf Heeresvertragsärzte liegen sohin nicht vor. Da sohin der Kläger aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages ein Arbeitsverhältnis mit dem Bund begründete und keiner der Fälle, die eine Ausnahme von der Anwendung dieses Gesetzes statuieren, vorliegen, findet das Vertragsbedienstetengesetz auf das vorliegende Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Bestimmungen der §§ 61 Abs 3 ÄrzteG und 18 HGG sind gegenüber dem Vertragsbedienstetengesetz keine Sondernormen. Die erstgenannte Bestimmung definiert den Begriff des Militärarztes, § 18 HGG regelt die gesundheitliche Betreuung der Heeresangehörigen. Über den Inhalt des Dienstvertrages eines Heeresvertragsarztes wird in diesen Bestimmungen keine Aussage getroffen.

Da somit auf das Dienstverhältnis die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes Anwendung finden, unterlag die Ausgestaltung des Arbeitsvertrages nicht der freien, von diesem Gesetz abweichenden Disposition der Partner dieses Vertrages. Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes konnten zum Nachteil des Klägers als Arbeitnehmer nicht wirksam abbedungen werden. Gemäß § 34 Abs 1 VBG kann das Arbeitsverhältnis, wenn es für bestimmte Zeit eingegangen wurde, vor Ablauf dieser Zeit, sonst aber ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teil aus wichtigen Gründen aufgelöst werden. Gemäß § 32 Abs 1 VBG kann der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen. Gemäß § 32 Abs 2 lit a VBG liegt ein solcher wichtiger Grund unter anderem dann vor, wenn der Vertragsbedienstete seine Dienstpflichten gröblich verletzt, sofern nicht eine Entlassung in Frage kommt. Nach der ständigen Rechtsprechung hat der Arbeitgeber bei sonstiger Verwirkung seines Anspruches einen Entlassungsgrund nach Kenntnis des Sachverhaltes unverzüglich geltend zu machen, sofern nicht sachliche Gründe für die Verzögerung des Ausspruches der Entlassung vorliegen. Das gleiche gilt auch für die Kündigung von Vertragsbediensteten nach dem Vertragsbedienstetengesetz 1948. Auch hier ist der Arbeitgeber gehalten, von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust unverzüglich nach Kenntnisnahme des die Kündigung rechtfertigenden Sachverhaltes durch die für den Ausspruch der Kündigung zuständigen Organe Gebrauch zu machen (Arb. 6721 und die dort angeführten Entscheidungen). Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von Vertragsbediensteten können nur so weit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Arbeitsverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falles sachlich begründet sind. So ist in der Rechtsprechung stets darauf Bedacht genommen worden, daß bei juristischen Personen die Willensbildung umständlicher ist als bei physischen Personen; desgleichen wurde auch auf Aktenlauf, Kompetenzverteilung und dgl. bei Gebietskörperschaften und anderen juristischen Personen entsprechend Bedacht genommen (JBl 1960, 344).

Unerörtert kann hier bleiben, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß das Militärkommando - der Leitende Sanitätsoffizier als zuständiger Fachvorgesetzter des Klägers in der Personalabteilung - erst nach Verstreichen eines Zeitraumes von rund einem Monat ab Kenntnis von dem dem Kläger zur Last gelegten Sachverhalt wegen der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses an das Bundesministerium für Landesverteidigung herantrat. Auch auf der Grundlage der Auffassung der beklagten Partei, daß ihr diese Verzögerung nicht zuzurechnen sei, kann nämlich ihrer Ansicht, daß die Erklärung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtzeitig abgegeben worden sei, nicht gefolgt werden. Verzögerungen bei Ausspruch der Entlassung oder Kündigung von Vertragsbediensteten können nur so weit anerkannt werden, als eine sachliche Begründung für den zwischen dem zur Kündigung oder Entlassung führenden Verhalten und dem Ausspruch der Kündigung oder Entlassung verstrichenen Zeitraum gegeben ist, wobei insbesonders auf die bei juristischen Personen durch die Organisationsform häufig bestehenden Schwierigkeiten und Umständlichkeiten in der Willensbildung angemessen Bedacht zu nehmen ist.

Sämtliche in der Organisation der beklagten Partei begründeten Verzögerungen waren jedoch am 22. Dezember 1986 weggefallen. Zu diesem Zeitpunkt war der gesamte Sachverhalt bekannt, und die Personalvertretung hatte zu der beabsichtigten Maßnahme ihre Zustimmung erteilt. Es stand damit nur mehr der Ausspruch der Entlassung aus. Dieser erfolgte aber erst am 14. Jänner 1986 und wurde dem Kläger erst am 22. Jänner 1987 zugestellt. Abgesehen von der Zeit des erforderlichen Postlaufes für die Zustellung lag der Grund für die einmonatige Verzögerung allein in der Untätigkeit des zur Entscheidung berufenen Organs. Zumindest ab 22. Dezember 1986 lagen keine Gründe vor, die beklagte Partei bezüglich der Anforderungen an die umgehende Reaktion auf ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers anders zu behandeln als jeden anderen Arbeitgeber. Selbst wenn man berücksichtigt, daß in der fraglichen Zeit mehrere Feiertage und Tage mit eingeschränktem Dienstbetrieb lagen, ergibt sich eine Verzögerung von etwa 14 Tagen. Die beklagte Partei hat sohin den von ihr vorgetragenen Entlassungsgrund nicht "unverzüglich" geltend gemacht und damit ihr Entlassungsrecht schon aus diesem Grund verwirkt. Auch die Wirkung einer zum nächsten Kündigungstermin ausgesprochenen Kündigung gemäß § 32 Abs 2 lit a VBG konnte der Kündigung nicht zukommen, da auch für die wirksame Geltendmachung von Kündigungsgründen nach dem Vertragsbedienstetengesetz die unverzügliche Geltendmachung erforderlich ist. Diese Voraussetzung trifft aber hier für den Fall einer Kündigung ebensowenig zu wie für den Fall der Entlassung. Damit liegen aber auch die Voraussetzungen für den Entfall eines Abfertigungsanspruches gemäß § 35 Abs 2 Z 1 VBG nicht vor. Daß der Kläger letztlich davon ausging, daß sein Arbeitsverhältnis durch Kündigung zum 30. April 1987 beendet wurde, obwohl eine Kündigung von der beklagten Partei am 22. Jänner 1987 nicht mehr wirksam ausgesprochen werden konnte, vermag die Rechtslage zu seinem Nachteil nicht zu beeinträchtigen. Es liegen daher die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung vor. Das der Höhe nach unbestritten gebliebene Begehren des Klägers besteht daher zur Gänze zu Recht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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