OGH 9ObA4/04k

OGH9ObA4/04k21.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gabriele Jarosch und Eveline Umgeher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Leopold H*****, vertreten durch Mag. Martin Reihs, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 21.800) und Leistung (Streitwert EUR 13.081,56 sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Oktober 2003, GZ 8 Ra 130/03a-36, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Juni 2003, GZ 24 Cga 59/02m-30, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war seit 15. 4. 1998 in einer HTL als Facharbeiter (Hauselektriker) nach dem VBG 1948 beschäftigt. Die beklagte Partei kündigte das Dienstverhältnis mit einem dem Kläger am 15. 2. 2002 zugegangenen Schreiben vom 4. 2. 2002 zum 30. 4. 2002 auf.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Dienstverhältnis über den 30. 4. 2002 hinaus weiterhin bestehe, sowie die Zahlung der seiner Ansicht nach offenen Monatsentgelte. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, dass ein gesetzlicher Kündigungsgrund nicht vorliege. Weder der zuständige Dienstausschuss noch der Zentralausschuss seien von der beabsichtigten Kündigung gemäß den §§ 9 und 10 PVG fristgerecht verständigt worden. Die Kündigung sei schon allein deshalb rechtsunwirksam, weil vor ihrem Ausspruch die notwendige Zustimmung des Zentralausschusses und des Dienststellenausschusses nicht eingeholt worden sei. Der Dienststellenausschuss sei nicht gesetzeskonform in das Kündigungsverfahren eingebunden worden. Selbst wenn der Zentralausschuss am 5. 2. 2002 von der beabsichtigten Kündigung verständigt worden sein sollte, hätte diese erst 14 Tage danach ausgesprochen werden dürfen. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe nicht hervor, dass der Zentralausschuss seine Mitglieder geladen und abgestimmt hätte. Eine Erklärung des Vorsitzenden des Zentralausschusses sei dem Gremium nicht zuzurechnen. Im Übrigen seien die verwendeten Worte "Zur Kenntnis genommen" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch aber auch nach dem Wortlaut des § 10 Abs 1 PVG nicht als Zustimmung aufzufassen.

Die beklagte Partei führte dagegen das Vorliegen (im Einzelnen dargelegter) Kündigungsgründe ins Treffen. Die Personalvertretung sei in gesetzeskonformer Weise befasst worden. Der Vorsitzende des Zentralausschusses habe für dieses Gremium mit den Worten "Zur Kenntnis genommen" die Zustimmung des Zentralausschusses ausgedrückt. Diese Formulierung entspreche der gängigen Praxis in den Fällen der Zustimmung. Hätte der Zentralausschuss der Kündigung nicht zugestimmt, wäre das Kündigungsschreiben zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht abgefertigt worden.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf unter anderem folgende Feststellungen: Nach einer Besprechung am 17. 12. 2001, an dem der Schulleiter, der Kläger, sowie zwei Mitglieder des Dienststellenausschusses teilnahmen, ersuchte der Schulleiter die anwesenden Mitglieder des Dienststellenausschusses, ihre Zustimmung zur Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers zu erteilen. Die beiden Mitglieder des Dienststellenausschusses einigten sich auf die Durchführung einer Dienststellenausschusssitzung am selben Tag und beschlossen dabei, der Kündigung zuzustimmen; das dritte Mitglied des Ausschusses wurde zur Sitzung nicht geladen, weil es erkrankt war. Der Beschluss über die Zustimmung zur Kündigung wurde im Protokoll der Sitzung des Dienststellenausschusses festgehalten. Am selben Tag sandte der Schuldirektor ein mit 17. 12. 2001 datiertes Schreiben an das zuständige Bundesministerium, in dem er unter näherer Darstellung des Sachverhalts ersuchte, "ernsthaft zu überprüfen, ob in diesem Falle nicht eine Kündigung bzw Versetzung berechtigt wäre, um dem Bund weitere Unkosten zu ersparen". Dieses Schreiben langte am 27. 12. 2001 beim zuständigen Bundesministerium ein. Nach Verfassung eines mit 4. 2. 2003 datierten Entwurfs eines Kündigungsschreibens wurde der Akt am 5. 2. 2002 dem Vorsitzenden des Zentralausschusses für Bundesbedienstete vorgelegt. Dieser versah den Akt am 7. 2. 2002 mit der Stampiglie "Zur Kenntnis genommen. Für den Zentralausschuss" und unterschrieb diesen Vermerk. Ob vorher eine Sitzung des Zentralausschusses einberufen wurde und über die beabsichtigte Kündigung beraten wurde, ist nicht feststellbar. Das vorbereitete Kündigungsschreiben wurde schließlich am 13. 2. 2002 abgesandt. Am 11. 3. 2002 erfuhr der Kläger nach einem Anruf im Büro des Zentralausschusses, dass der Entwurf des Kündigungsschreibens am 7. 2. eingelangt und am 8. 2. abgefertigt worden sein soll. Aus dieser Information zog er den Schluss, dass Verfahrensbestimmungen des PVG missachtet worden seien. Auf die Anfrage vom 20. 3. 2002, ob und wann er von der beabsichtigten Kündigung in Kenntnis gesetzt worden ist, antwortete der Dienststellenausschuss nicht.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die beklagte Partei habe den Beweis nicht erbracht, dass eine schriftliche Zustimmungserklärung des Dienststellenausschusses oder eine Abschrift des Sitzungsprotokolls der Sitzung vom 17. 12. 2001 der Schulleitung vor Absendung des Schreibens an das Bundesministerium zugekommen ist. Der Beschluss des Dienststellenausschusses sei auch deshalb unwirksam, weil weder das dritte Ausschussmitglied noch ein Ersatzmitglied beigezogen worden sei. Darüber hinaus habe die beklagte Partei nicht nachgewiesen, dass der Zentralausschuss über die Kündigung des Klägers eine Sitzung abgehalten und darüber einen Beschluss gefasst habe. Auch dieser Umstand bewirke die Rechtsunwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung. Es sei daher gemäß § 10 Abs 9 PVG die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung auszusprechen. Angesichts des weiter aufrechten Dienstverhältnisses sei auch das Leistungsbegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Der Dienststellenleiter habe die Kündigungsabsicht dem Dienststellenausschuss in der Besprechung mit dem Kläger nachweislich zur Kenntnis gebracht. Eines schriftlichen Antrags auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers habe es nicht bedurft. In den einschlägigen Bestimmungen des PVG seien - anders als in § 9 Abs 3 PVG - schriftliche Mitteilungen nicht vorgesehen. Ebensowenig sei eine schriftliche Mitteilung des Dienststellenausschusses über eine erteilte Zustimmung zur Kündigung an den Dienststellenleiter erforderlich. Die Voraussetzungen für die Befassung des Zentralausschusses seien schon deshalb nicht vorgelegen, weil der Dienststellenausschuss keine Einwendungen erhoben, sondern vielmehr seine Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung erteilt hatte. Die vom Erstgericht aufgeworfene Frage, ob mit der "Kenntnisnahme" durch den Vorsitzenden des Zentralausschusses beim zuständigen Bundesministerium der Zentralausschuss "formell richtig" der Kündigung zugestimmt habe, stelle sich daher nicht. Die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der Personalvertretung sei vom Gericht nicht zu überprüfen. Sei die Personalvertretung gesetzmäßig eingeschaltet worden, habe die Dienstgeberseite ihre Pflichten erfüllt. Im fortzusetzenden Verfahren werde sich das Erstgericht materiellrechtlich mit dem Vorliegen der geltend gemachten Kündigungsgründe auseinanderzusetzen haben. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zu den entscheidungswesentlichen Fragen (Notwendigkeit der schriftlichen Verständigung des Dienststellenausschusses von der beabsichtigten Kündigung, schriftliche Mitteilung der Entscheidung der Personalvertretung) Rechtsprechung nicht vorliege.

Der Rekurs ist zulässig, weil sich das Berufungsgericht mit der entscheidenden Frage der Befassung des Zentralausschusses nicht näher auseinandergesetzt hat. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 9 Abs 1 PVG ist der Dienststellenausschuss zur Erfüllung aller jener in § 2 umschriebenen Aufgaben berufen, die nicht ausdrücklich anderen Einrichtungen der Personalvertretung vorbehalten sind. Dabei sind beabsichtigte Maßnahmen vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Dienststellenausschuss zu verhandeln. Dem Dienststellenausschuss obliegt in diesem Sinne etwa die Mitwirkung bei der Auflösung des Dienstverhältnisses durch Entlassung oder Kündigung durch den Dienstgeber und bei der einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses (§ 9 Abs 1 lit i PVG). Nach § 10 Abs 1 PVG sind beabsichtigte Maßnahmen des Dienststellenleiters im Sinne des § 9 Abs 1 dem Dienststellenausschuss spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

Aus gesetzestechnischen Gründen wird in § 10 Abs 1 bis 4 PVG - und auch in § 9 PVG - allein vom Dienststellenausschuss gesprochen; die sinngemäße Anwendung dieser Bestimmungen auf den Fachausschuss und den Zentralausschuss verfügen die §§ 12 Abs 2 bzw § 14 Abs 2 PVG für jene Angelegenheiten, die über den Wirkungsbereich des Dienststellenausschusses bzw Fachausschusses hinausgehen (vgl nur Schragel, PVG, Rz 7 zu § 3, Rz 2 zu § 10).

Im vorliegenden Fall geht es um die Rechtswirksamkeit der vom zuständigen Bundesminister ausgesprochenen Kündigung. Unstrittig ist, dass zum Ausspruch der Kündigung nicht der Dienststellenleiter, sondern vielmehr der Bundesminister (bzw eine von diesem ermächtigte Person) als Organ der zuständigen Zentralstelle berufen war. Auch wenn im konkreten Fall die Kündigung aufgrund einer entsprechenden Anregung des Dienststellenleiters erfolgte, stellt diese doch keine notwendige Voraussetzung für ein ordnungsgemäßes Kündigungsverfahren dar. Der Bundesminister kann eine Kündigung auch ohne Einvernehmen mit dem Dienststellenleiter aussprechen, auch wenn es in der Regel zweckmäßig sein wird, sich mit diesem abzustimmen. Da nun im vorliegenden Verfahren allein die Wirksamkeit der dem Kläger übermittelten Kündigungserklärung in Frage steht, nicht aber die "Wirksamkeit" der dieser zugrundeliegenden Anregung des Dienststellenleiters, kann dahingestellt bleiben, ob sich die Befassung des Dienststellenausschusses durch den Dienststellenleiter bzw dessen Schreiben an das zum Ausspruch der Kündigung zuständige Ministerium als gesetzeskonform darstellt. Sollte sich der Ausspruch der Kündigung selbst als mit den Bestimmungen des PVG im Einklang stehend erweisen, kann die Unwirksamkeit der Kündigung nicht darauf gestützt werden, dass im Vorfeld der Kündigung Personalvertretungsgremien nicht gesetzmäßig befasst worden oder deren Beschlüsse nicht gesetzmäßig zustandegekommen wären.

Entscheidende Bedeutung kommt daher der Befassung des Zentralausschusses mit der beabsichtigten Kündigung durch den Bundesminister zu. Die vom Rekurswerber grundsätzlich aufgeworfenen Fragen der Schriftlichkeit stellen sich hier nicht, weil dem Vorsitzenden des Zentralausschusses der - notwendigerweise schriftliche - Akt übermittelt wurde, in dem sich ein (ebenfalls schriftlicher) Entwurf eines Kündigungsschreibens befand. Die Einwendung, die schließlich vom Vorsitzenden des Zentralausschusses "für den Zentralausschuss" abgegebene Erklärung sei dem Zentralausschuss nicht zuzurechnen, wird im Rekursverfahren nicht aufrecht erhalten.

Zutreffend verweist der Kläger hingegen darauf, dass sich die Frage der Auslegung der in den Worten "Zur Kenntnis genommen" liegenden Erklärung des Zentralausschusses stellt. Dabei ist seiner Auffassung, es komme hier auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch an, da eine Überprüfbarkeit durch den Dienstnehmer gegeben sein müsse, nicht beizutreten. Es handelt sich ja ersichtlich um eine Erklärung, die nicht dem Dienstnehmer, sondern vielmehr dem Dienstgeber gegenüber abgegeben wird, sodass es nur auf dessen zu erwartendes Verständnis ankommen kann. Sollte sich hier eine ständige Praxis entwickelt haben, nach der beide Seiten die verwendete Wortfolge als Ausdruck der Zustimmung verstanden haben, so könnte dem der Dienstnehmer nicht entgegenhalten, ihm sei diese "Spezialbedeutung" nicht bekannt. Die einschlägigen Vorschriften des PVG bezwecken ja nicht primär eine leichtere Überprüfbarkeit der Vorgänge für den Dienstnehmer, sondern vielmehr die Sicherstellung der Befassung der zuständigen Personalvertretungsgremien.

Ebenso ist die Rechtsauffassung des Klägers nicht zu teilen, die Kündigung hätte nicht vor Ablauf "der 14-Tage-Frist" nach Verständigung des Zentralausschusses - außer im Falle der schriftlichen Zustimmung des Zentralausschusses zu einer derartigen Vorgangsweise - ausgesprochen werden dürfen. Selbst wenn man die für die "Einvernehmensfälle" des § 9 Abs 2 PVG im § 10 Abs 2 Satz 2 PVG enthaltene Anordnung auch auf Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs 1 PVG, für die die einschlägige Bestimmung des § 10 Abs 1 PVG keine näheren Regelungen enthält, sinngemäß anwenden wollte, so erweisen sich jene Fälle als ungeregelt, in denen das jeweilige Personalvertretungsorgan innerhalb der Frist von zwei Wochen eine neutrale Stellungnahme abgibt, die weder als ausdrückliche Zustimmung noch als Einwendung oder Gegenvorschlag anzusehen ist. Auch wenn das maßgebliche Verständnis der offenbar üblichen, weil mit Hilfe einer Stampiglie hergestellten, Äußerung mit den Worten "Zur Kenntnis genommen" von den Vorinstanzen nicht geklärt wurde, kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass mit dieser "Für den Zentralausschuss" abgegebenen - und ersichtlich an den Dienstgeber weitergeleiteten - Erklärung eine abschließende Stellungnahme des Zentralausschusses zur Frage der beabsichtigten Kündigung des Klägers erfolgte; tatsächlich ist auch in den nächsten Tagen bis zum Ablauf der Zweiwochenfrist eine weitere Äußerung nicht mehr abgegeben worden. Bringt nun das zuständige Personalvertretungsorgan durch eine derartige Erklärung zum Ausdruck, dass es zu der beabsichtigten Maßnahme des Dienstgebers weder in positiver noch in negativer Hinsicht eine (näher begründete) Stellungnahme abgeben will, so liegt jedenfalls nicht der in § 10 Abs 2 Satz 2 PVG geregelte Fall vor, dass sich das Organ zur geplanten Maßnahme gar nicht geäußert hat.

Dem Dienstgeber in einem derartigen Fall die Möglichkeit des Ausspruchs der Kündigung vor Ablauf der zweiwöchigen Frist zu verwehren, stellte nach Auffassung des erkennenden Senats einen reinen Formalismus dar, der sachlich nicht gerechtfertigt werden könnte. Hat das Personalvertretungsorgan eine inhaltlich neutrale Erklärung abgegeben und darüber hinaus erkennen lassen, dass eine weitere Äußerung zu der vorgesehenen Maßnahme nicht mehr erfolgen werde, so ist dem Regelungszweck der §§ 9 f PVG Genüge getan. Ein weiteres Zuwarten könnte lediglich zu einer (geringfügigen) Verschiebung der Maßnahme führen, die Interessen des durch die vom Gesetz geforderte Einschaltung der Personalvertretungsorgan geschützten Dienstnehmers aber nicht mehr fördern.

Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erweist sich damit im Ergebnis als berechtigt. Die Frage der Einhaltung der Vorschriften des PVG im Zusammenhang mit dem Kündigungsausspruch ist abschließend geklärt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO; das Rechtsmittel hat zur Klärung der Rechtslage beigetragen.

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