Spruch:
1. Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben, soweit der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in der Fassung des Nachtrags dazu sowie auf Exekutionsbewilligung abgewiesen (Spruchpunkt I. Absatz 1) und der betreibenden Partei eine Kostenersatzpflicht von 3.759,12 EUR auferlegt wurde (Spruchpunkt I. Absatz 2), und die Exekutionssache in diesem Umfang an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen, insbesondere zunächst über die im Rekurs gestellten Anträge der verpflichteten Partei auf Unterbrechung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens betreffend den Schiedsspruch in der Fassung des Nachtrags dazu wegen des anhängigen/anhängig zu machenden Anfechtungsverfahrens in Nigeria und auf Unterbrechung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens samt Auferlegung einer Sicherheitsleistung durch die betreibende Partei hinsichtlich des Schiedsspruchs in der Fassung des Nachtrags.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleibt vorbehalten.
2. Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wird zurückgewiesen soweit damit die Kostenentscheidung des Rekursgerichts bekämpft wird; im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs gemäß (§ 78 EO iVm) § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Betreibende beantragte wider die Verpflichtete, den zwischen ihnen ergangenen Schiedsspruch des ICC International Court of Arbitration (ICC) vom 8. Mai 2008, in der Fassung des Nachtrags vom 29. Juni 2008 zum Schiedsspruch vom 8. Mai 2008, GZ 14604/JB/JEM, und das Urteil der Cour d'Appel de Paris vom 10. September 2009, GZ 08/1157, für Österreich für vollstreckbar zu erklären; zugleich begehrte die Betreibende zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 254.977,65 EUR sA, der Kosten von 287.638,37 EUR (Schiedsspruch) und von 50.000 EUR (Urteil) sowie der Kosten des Exekutionsantrags die Bewilligung der Fahrnisexekution, der Forderungsexekution nach § 294 EO sowie der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Simultanpfandrechts ob zwei Liegenschaften.
Dem Antrag waren ua der Schiedsspruch vom 8. Mai 2008 (Beilage ./A) und der Nachtrag zum Schiedsspruch vom 29. Juni 2008, der eine Berichtigung der Kostenentscheidung des Schiedsspruchs enthält (Beilage ./B), je samt beglaubigter Übersetzung angeschlossen.
Die Beilage ./A stellt eine Kopie des mit 8. Mai 2008 datierten, mit einer Unterschrift „S***** I*****“ versehenen Schiedsspruchs („Award“) in englischer Sprache dar, auf der sich unter der erwähnten Unterschrift ein handschriftlicher Zusatz mit dem (übersetzten) Wortlaut befindet: „Ich, S***** I***** QC, bestätige hiermit, dass ich als ordnungsgemäß bestellter Einzelschiedsrichter den vorliegenden endgültigen Schiedsspruch, der mit 8. Mai 2008 datiert ist, erlassen habe und dass es sich bei der vorstehend angebrachten Unterschrift um meine echte und authentische Unterschrift handelt.“ Dieser Zusatz ist neuerlich mit der Unterschrift „S***** I*****“ und dem Datum 11. Dezember 2009 versehen. Die Kopie des Schiedsspruchs ist mit einem Beglaubigungsvermerk eines öffentlichen Notars in London vom 11. Dezember 2009 samt Apostille verbunden, in dem dieser bestätigt, dass die auf dem Schiedsspruch beigefügte Bestätigung, mit der dessen Authentizität bestätigt wird, am 11. Dezember 2009 „von S***** L***** I***** QC, Inhaber des britischen Reisepasses [...]“ in seiner Gegenwart unterschrieben worden ist. Unter dem handschriftlichen Zusatz und dessen Unterfertigung (und ebenso am unteren Ende der ersten Seite der Kopie des Schiedsspruchs) befindet sich ein Stempel mit dem englischen Wortlaut „Certified true copy of the Original, Paris, E***** J*****, General Counsel, ICC International Court of Arbitration“ (Beglaubigungsklausel laut Übersetzung: „Beglaubigte Kopie“), die handschriftlich mit 10. Dezember 2009 datiert und mit einer unleserlichen Unterschrift versehen ist. Der Schiedsspruch verfügt über ein Deckblatt, das den Zusatz enthält: „This document is a certified true copy of the original of the Addendum to the Final Award rendered in conformity with the Rules of Arbitration of the ICC International Court of Arbitration". Der Kopie ist eine Übersetzung ins Deutsche durch eine allgemein beeidete gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin ua für die englische Sprache angeschlossen, die unter Berufung auf ihren Amtseid die genaue Übereinstimmung der Übersetzung mit der „angehefteten/vorliegenden Urschrift/beglaubigten Fotokopie“ bestätigt.
Auch die Beilage ./B ist entsprechend ausgestaltet. Es handelt sich um die Kopie des Nachtrags zum Schiedsspruch vom 8. Mai 2008 („Addendum to the Award dated 8 May 2008“) in englischer Sprache, der mit 29. Juni 2008 datiert und ebenso mit einer Unterschrift „S***** I*****“ versehen ist. Auch unter dieser Unterschrift befindet sich ein handschriftlicher Zusatz mit dem (übersetzten) Wortlaut: „Ich, S***** I***** QC, bestätige hiermit, dass ich als ordnungsgemäß bestellter Einzelschiedsrichter, diesen Nachtrag zum endgültigen Schiedsspruch vom 29. Juni erlassen habe und dass die vorstehende Unterschrift meine echte und authentische Unterschrift ist.“ Dieser Zusatz ist neuerlich mit der Unterschrift „S***** I*****“ und dem Datum 11. Dezember 2009 versehen. Die Kopie des Schiedsspruchs ist mit einem Beglaubigungsvermerk eines öffentlichen Notars in London vom 11. Dezember 2009 samt Apostille verbunden, in dem dieser bestätigt, dass „die Bestätigung, die auf dem zur Verifizierung des an diese Urkunde angeschlossenen Nachtrags zum Schiedsspruch aufscheint, am heutigen Tag in meinem Beisein von S***** L***** I***** QC, Inhaber des britischen Reisepasses [...]“ unterzeichnet wurde. Unter dem handschriftlichen Zusatz und dessen Unterfertigung (und ebenso am unteren Ende der ersten Seite der Kopie des Nachtrags) befindet sich ein Stempel mit dem Wortlaut. „Certified true copy of the Original, Paris, E***** J*****, General Counsel, ICC International Court of Arbitration“ (Beglaubigungsklausel laut Übersetzung: „Beglaubigte echte Kopie der Urschrift“), die handschriftlich mit 10. Dezember 2009 datiert und mit einer unleserlichen Unterschrift versehen ist. Der Nachtrag verfügt über ein Deckblatt, das den Zusatz enthält: „This document is a certified true copy of the original of the Final Award rendered in conformity with the Rules of Arbitration of the ICC International Court of Arbitration." Der Kopie ist eine Übersetzung ins Deutsche durch eine allgemein beeidete gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin für die englische Sprache angeschlossen, die unter Berufung auf ihren Eid die genaue Übereinstimmung der Übersetzung mit der „angehefteten Ablichtung“ bestätigt.
Das Erstgericht entschied antragsgemäß.
In ihrem Rekurs beantragte die Verpflichtete mit an das Erstgericht gerichteten Anträgen ua die Aufschiebung der Exekution nach § 42 Abs 1 Z 7 EO sowie die Aufhebung der bereits vollzogenen Pfandrechtsbegründungen gegen volle Sicherheitsleistung nach § 43 Abs 2 EO.
Mit Beschluss vom 4. Juni 2010 bewilligte das Erstgericht die Aufschiebung der Fahrnis- und Forderungsexekution ohne Erlag einer Sicherheitsleistung, verweigerte jedoch die Aufhebung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung (ON 12). Diese Entscheidung erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten teilweise Folge. Im Spruchpunkt I. änderte es den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass die Anträge auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in der Fassung des Nachtrags und auf Bewilligung der Exekutionen zur Hereinbringung von 254.977,95 EUR sA, der Verfahrenskosten von 287.638,37 EUR und der Kosten des Antrags auf Vollstreckbarerklärung samt Exekutionsantrag von 14.909,59 EUR abwies und die Betreibende zum Ersatz der Rekurskosten verpflichtete; den nachträglich gestellten Antrag der Verpflichteten auf Zuerkennung von 2.180 EUR an Pauschalgebühr für den Rekurs wies es ab.
Zum Urteil der Cour d'Appel de Paris vom 10. September 2009, GZ 08/1157, wurde das Rekursverfahren über Antrag der Verpflichteten unterbrochen (Spruchpunkt II.).
Die handschriftlichen Zusätze des Schiedsrichters auf den Beilagen ./A und ./B änderten nichts daran, dass es sich um Abschriften im Sinne des Art IV Abs 1 lit a des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, BGBl 1961/200 (NYÜ) handle, deren Übereinstimmung mit der Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt sein müsse. Nach der Rechtsprechung reiche die Bestätigung eines den Schiedsverfahrensparteien als neutrale Person nahestehenden Funktionsträgers der Schiedsorganisation, wenn dies den Regeln der auf das Schiedsverfahren angewendeten Schiedsordnung entspreche. Die Schiedsgerichtsordnung der ICC (ICC-SchO) sehe in Art 28 Abs 2 zwar die Erteilung beglaubigter Abschriften durch deren Generalsekretär vor, nicht jedoch eine Beglaubigung durch einen Schiedsrichter. Die eigenhändige Unterschrift eines Funktionärs alleine genüge aber nicht, vielmehr bedürfe es zusätzlich der Bestätigung der Funktion des Beglaubigenden und der Beglaubigung der Echtheit von dessen Unterschrift. Dazu komme, dass aufgrund der Urkunden selbst Bedenken gegen die Übereinstimmung der Originale mit den Kopien bestünden, weil sich auf dem Deckblatt des Schiedsspruchs eine Bestätigung befinde, die auf den Nachtrag Bezug nehme und umgekehrt. Wegen all dieser Unstimmigkeiten sei die Vollstreckbarerklärung für Österreich zu versagen und der Exekutionsantrag abzuweisen. Da kein bloßes Formgebrechen im Sinn des § 78 EO iVm §§ 84, 85 ZPO vorliege, scheide ein Verbesserungsverfahren aus. Der Antrag der Verpflichteten auf Zuspruch der Pauschalgebühr für den Rekurs sei abzuweisen, weil ein Fall des § 54 Abs 2 ZPO nicht vorliege. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine von einem Schiedsrichter und nicht von dem in der Schiedsordnung vorgesehenen Organ beglaubigt unterfertigte Kopie eines Schiedsspruchs (ohne beglaubigte Bestätigung seiner Funktion) den Anforderungen des Art IV Abs 1 lit a NYÜ entspreche, fehle.
Die Cour d'Appel de Paris habe die gegen den Schiedsspruch gerichtete Aufhebungsklage abgewiesen und die Verpflichtete zur Bezahlung von 50.000 EUR an die Betreibende verpflichtet. Die Entscheidung enthalte eine Klausel, wonach sie im Ursprungsstaat vollstreckbar sei. Ein Verstoß gegen den nationalen ordre public sei darin nicht zu erblicken. Bei der vom Verpflichteten erhobenen Revision an die Cour de Cassation handle es sich um ein außerordentliches Rechtsmittel, das die Vollstreckbarkeit der Entscheidung nicht hemme, doch trete solange über ein derartiges Rechtsmittel nicht entschieden sei, keine Rechtskraft ein. Daher sei dem Antrag der Verpflichteten auf Unterbrechung des Rekursverfahrens nach § 84 Abs 5 EO Folge zu geben. Dagegen sei ein Rechtsmittel nach der Judikatur absolut unzulässig.
Gegen die Ablehnung der Vollstreckbarerklärung und die Abweisung der Exekutionsanträge richtet sich der Revisionsrekurs der Betreibenden mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Stattgebung der Anträge. Hilfsweise wird die Aufhebung beantragt. Die Verpflichtete erstattete Revisionsrekursbeantwortung, in der sie die Verspätung und Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ebenso geltend macht wie dessen inhaltliche Unrichtigkeit.
Primär gegen die Bejahung der Vollstreckbarkeit des Urteils der Cour d'Appel de Paris und sekundär als Folge davon gegen die deshalb erfolgte Unterbrechung des Rekursverfahrens sowie gegen die Höhe des Kostenzuspruchs an die Verpflichtete durch das Rekursgericht erhob die Verpflichtete einen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs mit dem Antrag, die Unterbrechung des Rekursverfahrens aufzuheben und die neuerliche Entscheidung über einen weiteren Kostenersatzanspruch der Verpflichteten von 17.474,03 EUR anzuordnen.
Rechtliche Beurteilung
I. Der Revisionsrekurs der Betreibenden ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, weil es einer Klarstellung zur Auslegung des NYÜ bedarf, und im Sinne der Aufhebung der Rekursentscheidung auch berechtigt.
I.1. Die von der Verpflichteten vorgetragenen Argumente für eine Zurückweisung des Rechtsmittels treffen nicht zu:
Der Revisionsrekurs der Betreibenden wurde nicht verspätet erhoben, weil § 84 Abs 1 EO durch seinen Verweis auf § 521a ZPO (auch in dessen Fassung nach der ZVN 2009) ausdrücklich die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens normiert und dafür (grundsätzlich) eine Rechtsmittelfrist von ein Monat vorsieht. Mangels spezieller Regelungen für die Frist zur Einbringung von Revisionsrekurs-(beantwortung-)en gilt diese Monatsfrist im Vollstreckbarerklärungsverfahren auch dafür (idS auch Jakusch in Angst² § 84 EO Rz 5; Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler EO § 84 Rz 27).
Für den vorliegenden ordentlichen Revisionsrekurs ist die Ausführung einer Zulassungsbeschwerde kein Inhaltserfordernis, weil dies nach § 528 Abs 3 iVm § 506 Abs 1 Z 5 ZPO nur für außerordentliche Revisionsrekurse vorgesehen ist.
I.2.1. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche erfolgt nach § 614 Abs 1 Satz 1 ZPO nach dem Vollstreckbarerklärungsverfahren der §§ 79 ff EO, soweit nicht nach Völkerrecht oder in Rechtsakten der Europäischen Union anderes bestimmt ist. Eine entsprechende Subsidiaritätsklausel enthält auch § 86 Abs 1 EO, weshalb zwischenstaatlichen Vereinbarungen der Vorrang zukommt. Hier kommt (unstrittig) das NYÜ zur Anwendung, zu dessen Mitgliedstaaten neben Frankreich auch Nigeria und Österreich zählen (vgl http://www.uncitral.org/uncitral/en/ uncitral_texts/arbitration/NYConvention_status.html); es knüpft an den Schiedsort an, der nicht im Anerkennungs- bzw Vollstreckungsstaat liegt (Art I Abs 1 Satz 1 NYÜ), hier Frankreich.
Nach Art IV Abs 1 lit a NYÜ ist zur Anerkennung und Vollstreckung erforderlich, dass die Partei, welche die Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, zugleich mit ihrem Antrag die gehörig beglaubigte (legalisierte) Urschrift des Schiedsspruchs vorlegt oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsgemäß beglaubigt ist.
I.2.2. Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits mehrfach ausgesprochen, dass in dem Übereinkommen nicht klar gesagt wird, ob an den Schiedsspruch und die Schiedsgerichtsvereinbarung oder deren Abschriften nur jene Anforderungen für die Echtheit beziehungsweise Richtigkeit gestellt werden können, die in dem Staat, in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch gefällt wurde, vorgesehen sind, oder ob auch die in dem Staat, in dem er geltend gemacht wird, vorgesehenen Beglaubigungserfordernisse für ausländische Urkunden erfüllt werden müssen (RIS-Justiz RS0075355 [T1]). Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof auch Beglaubigungen nach dem Recht des Staats, in dem der Schiedsspruch erging, als ausreichend angesehen, aber auch durch einen dem Schiedsgericht als neutrale Person nahestehenden Funktionsträger, etwa des Schiedsgerichtsvorsitzenden oder des Sekretärs der Schiedsorganisation, wenn jene dem Schiedsgericht nahestehende Person, die die Beglaubigung vornimmt, dazu nach der maßgeblichen Schiedsverfahrensordnung auch befugt ist (RIS-Justiz RS0108580 [T1]).
Begründet wird dies zum Einen damit, dass sich die Parteien ja dieser Schiedsverfahrensordnung unterworfen haben, weshalb es auch gerechtfertigt ist, sich bei den Voraussetzungen für eine Anerkennung und Vollstreckung mit solchen Beglaubigungen zu begnügen, die nach dieser Ordnung vorgesehen sind; zum Anderen mit der Textierung des Art IV NYÜ. Der englische Originaltext nennt nämlich (deutlicher als der deutsche) in Art IV Abs 1 lit a des NYÜ zwei klar unterschiedene Formen von Beglaubigung, was (für das Original) mit „duly authenticated“ und (für die Kopie) mit „duly certified“ bezeichnet wird. Demnach geht es beim Original um die Legalisation der Unterschriften der Schiedsrichter, während nur für die Kopie die geringere Form der Beglaubigung vorgesehen ist, für die nicht die strenge, in Österreich in § 79 NO geregelte Beglaubigung der Echtheit einer händischen Unterschrift zu verlangen ist. Aus der Möglichkeit, Kopien vorzulegen, kann aber nicht abgeleitet werden, man könnte auf die förmliche Bestätigung der Echtheit der Unterschriften der Schiedsrichter auf dem Original für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung völlig verzichten. Bei beglaubigten Abschriften muss zumindest mittelbar auch die Echtheit der Unterschriften auf der Urschrift beglaubigt werden (3 Ob 35/08f = RIS-Justiz RS0124091). Dabei wurde auch erkannt, dass die bloße Bestätigung der Übereinstimmung der vorgelegten Abschrift des Schiedsspruchs mit dem Original auch nicht als mittelbare Beglaubigung der Echtheit der Unterschriften der Schiedsrichter auf dem Schiedsspruch im Sinne des Art IV Abs 1 lit a des NYÜ angesehen werden kann.
I.2.3. Diese Entscheidung wurde im Schrifttum kritisiert. Otto (IPRax 2009, 362) und Öhlberger (JBl 2010, 65) bemängeln, dass die Formvorschrift in Art IV Abs 1 lit a NYÜ nicht als bloße Beweismittelbestimmung angesehen werden und es eine unnötige Förmelei sei, die Beglaubigung der Unterschriften der Schiedsrichter zu verlangen, selbst wenn der Gegner die Echtheit/Authentizität des Schiedsspruchs oder dessen Kopie gar nicht bestreite, sondern nur die fehlende Einhaltung der Formalien des Art IV Abs 1 lit a NYÜ moniere. Auch Czernich (in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art IV NYÜ Rz 6) hält die strikte Einhaltung der Authentizitätsvorschriften des Art IV NYÜ nur dann für erforderlich, wenn der Antragsgegner behauptet, der Schiedsspruch sei nicht echt oder die Übersetzung sei nicht korrekt; andernfalls verkomme die Einhaltung der Formvorschriften zum reinen Selbstzweck, weshalb mangels Bestreitung der Echtheit von der Verpflichtung zur Vorlage des öffentlich beglaubigt unterzeichneten Schiedsspruchs Abstand genommen werden könne. Dieser Autor verweist dazu auf Judikatur des BGH, wonach dann, wenn der Antragsgegner gar nicht in Zweifel zieht, dass der vorgelegten Abschrift des Schiedsspruchs eine damit übereinstimmende authentische Urschrift zugrunde liegt, die Vorlage einer beglaubigten, wenn auch nicht von einer legalisierten Urschrift des Schiedsspruchs gefertigten Abschrift genügt (NJW 2000, 3650; NJW 2001, 1730).
I.2.4. Für das Vollstreckbarerklärungsverfahren in erster Instanz in Österreich ist diese Rechtsansicht insofern nicht einschlägig, weil entsprechend § 83 Abs 1 EO (anders als nach § 1063 Abs 1 Satz 2 dZPO) über den Antrag ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernahme des Gegners zu entscheiden ist, also in einem einseitigen Urkundenverfahren (Hausmaninger in Fasching/Konecny² § 614 ZPO Rz 43 mwN), das eine Berücksichtigung der Haltung des Gegners (vorerst) nicht zulässt.
Überzeugend erscheint dem erkennenden Senat aber der Ansatz von Öhlberger (JBl 2010, 65), eine von der Schiedsinstitution ausgestellte, beglaubigte Kopie eines bei ihr erliegenden Originals des von den Schiedsrichtern unterfertigten Schiedsspruchs könne mittelbar die Echtheit der Unterschriften der Schiedsrichter auf dem Schiedsspruch bestätigen; dies auch dann, wenn die relevante Schiedsordnung (anders als Art 27 Z 4 der Wiener Regeln der Schiedsordnung des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich [abgedruckt in Fasching/Konecny² IV/2 Anh XII]) nicht enthalten sollte, dass die Schiedsinstitution durch Anbringen eines Stempels und/oder einer Unterschrift eines Funktionärs der Schiedsinstitution auch die Echtheit der Unterschriften der Schiedsrichter bestätigt.
Sieht eine Schiedsordnung (wie zum Beispiel die hier relevante ICC-SchO (./6, abgedruckt auch in Fasching/Konecny² IV/2 Anh XI) vor, dass die Schiedsinstitution für die Zustellung des vom/von den Schiedsrichter/n verfassten Schiedsspruchs an die Parteien zu sorgen hat (hier Art 28 Z 1 ICC-SchO), so umfasst diese Verpflichtung jedenfalls auch die Prüfung der Authentizität der vorhandenen Unterschriften des/der Schiedsrichter/s; andernfalls wäre nämlich nicht sichergestellt, dass den Parteien eine vollstreckbare Entscheidung als wesentlichstes Ziel eines Schiedsverfahrens übermittelt wird. Da die Schiedsinstitution regelmäßig in Kontakt mit den ernannten Schiedsrichtern steht, ist sie auch (zB anhand der ihr bekannten Unterschriften, der Absenderdaten oder durch direkte Nachfrage) in der Lage, zu beurteilen, ob der erhaltene Schiedsspruch tatsächlich vom/von den ernannten Schiedsrichter/n unterfertigt wurde. Verbleibt entsprechend der Schiedsordnung ein solches Original des Schiedsspruchs bei der Schiedsinstitution, so bedeutet die Bestätigung der Übereinstimmung der Abschrift/Kopie mit diesem Original durch dieselbe Schiedsinstitution auch die mittelbare Bestätigung der Echtheit der darauf befindlichen Unterschriften der/des Schiedsrichter/s, weil das Vorliegen eines auf Echtheit geprüften Originals zu unterstellen ist. In diesem Punkt geht der erkennende Senat also von der zitierten Vorentscheidung 3 Ob 35/08f ab.
I.2.5. Von einer durch die Schiedsinstitution beglaubigten Kopie des Schiedsspruchs ist auszugehen, wenn sie sowohl einen Stempel als auch eine Unterschrift eines dazu befugten Funktionärs dieser Schiedsinstitution samt Bezeichnung seiner Funktion aufweist. Dadurch wird sowohl die Herkunft der Beglaubigung ausreichend dokumentiert als auch die Überprüfbarkeit der Erfüllung der Voraussetzungen nach der jeweiligen Schiedsordnung gewährleistet.
Das Rekursgericht hat (ebenso wie die Verpflichtete im Rekurs) unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 320/97y als weitere Voraussetzung einer Beglaubigung der Abschrift durch eine Schiedsinstitution den Nachweis/die Bestätigung der Funktion und die Beglaubigung der Echtheit der Unterschrift des beglaubigenden Funktionärs verlangt. Auch die dort vertretene und zu 3 Ob 196/02y wiederholte Rechtsansicht wird für den Fall nicht mehr aufrecht erhalten, wenn die zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsordnung, die die Grundlage für die Beurteilung der vereinfachten Beglaubigung darstellt, eine solche Überbeglaubigung nicht vorsieht. Dann ist eine solche auch nicht zu verlangen. Andernfalls würde der mit der einvernehmlich zu Grunde gelegten Schiedsordnung angestrebte Vereinfachungseffekt verloren gehen.
I.2.6. Zusammengefasst ist daher im Sinne der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, dass Art IV Abs 1 lit a NYÜ die Beglaubigung der Übereinstimmung des Originals des Schiedsspruchs mit der vorgelegten Abschrift auch durch einen dem Schiedsgericht als neutrale Person nahestehenden Funktionsträger zulässt, sofern er nach der maßgeblichen Schiedsverfahrensordnung dazu auch befugt ist (RIS-Justiz RS0108580 [T1]). Eine solche Beglaubigung verlangt einen Stempel und eine Unterschrift des bestätigenden Funktionärs der Schiedsinstitution, falls die jeweils gültige Schiedsordnung keine Überbeglaubigung vorsieht. Dem Erfordernis, dass zumindest mittelbar auch die Echtheit der Unterschriften auf der Urschrift beglaubigt werden muss (RIS-Justiz RS0124091) ist entsprochen, wenn die Schiedsordnung dies ausdrücklich regelt (vgl Art 27 Z 4 der Wiener Regeln), aber auch, wenn sie bloß vorsieht, dass die Schiedsinstitution für die Zustellung des vom/von den Schiedsrichter/n verfassten Schiedsspruchs an die Parteien zu sorgen hat und ein Original des vom/von den Schiedsrichter/n unterfertigten Schiedsspruchs bei der Schiedsinstitution verbleibt (hier nach Art 28 Z 4 ICC-SchO), von dem die Abschrift hergestellt wird. Da Beurteilungsgrundlage für die Beantwortung der erörterten Fragen die jeweilige Schiedsordnung bildet, muss diese im einseitigen Urkundenverfahren nach § 83 Abs 1 EO neben der beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs (samt allfälligen wesentlichen Anhängen) vom Antragsteller/Betreibenden bei der Antragstellung vorgelegt werden; das ist zwar weder in der EO noch im NYÜ ausdrücklich vorgesehen, aber notwendige Konsequenz der gewählten Form der vereinfachten Beglaubigung der Abschrift.
Sofern - wie hier - keine Zweifel an der Zulässigkeit dieser vereinfachten Beglaubigung und keine augenscheinlichen Bedenken gegen die Authentizität der Urschrift(en) am Schiedsspruch und/oder der Beglaubigung bestehen, ist die Formvorschrift des Art IV Abs 1 lit a NYÜ als erfüllt anzusehen.
I.2.7. Für die hier zu beurteilende Vollstreckbarerklärung bedeutet dies Folgendes:
I.2.7.1. Art 1 der Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer, ICC-SchO (./6, gültig seit dem 1. Jänner 1998) bestimmt, dass der Gerichtshof der ICC für die Anwendung dieser Schiedsgerichtsordnung sorgt und sich eine Geschäftsordnung (Anhang II) gibt.
Art 28. ICC-SchO lautet ua:
„Zustellung, Hinterlegung und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs
1. Nach Erlass des Schiedsspruchs stellt das Sekretariat den Parteien ein vom Schiedsgericht unterzeichnetes Exemplar zu, jedoch erst nachdem sämtliche Kosten des Schiedsverfahrens an die ICC durch die Parteien oder eine von ihnen bezahlt worden sind.
2. Der Generalsekretär erteilt auf Antrag den Parteien und nur ihnen jederzeit von ihm beglaubigte Abschriften.
[...]
4. Jeder gemäß dieser Schiedsgerichtsordnung erlassene Schiedsspruch wird im Original im Sekretariat hinterlegt.
[...]
6. Jeder Schiedsspruch ist für die Parteien verbindlich. Jede Partei, die die Schiedsgerichtsbarkeit gemäß dieser Schiedsgerichtsordnung in Anspruch nimmt, verpflichtet sich damit, den Schiedsspruch unverzüglich zu erfüllen und von allen Rechtsmitteln, auf die sie verzichten kann, Abstand zu nehmen.“
Art 5 der Geschäftsordnung (Anhang II) sieht ua vor:
„Sekretariat des Gerichtshofs
1. Für den Fall seiner Abwesenheit kann der Generalsekretär dem General Counsel und dem Stellvertretenden Generalsekretär die Befugnis übertragen, gemäß den jeweiligen Bestimmungen in den Artikeln 9 (2), 28 (2) und 30 (1) der Schiedsgerichtsordnung zu bestätigen, Kopien von Schiedssprüchen zu beglaubigen und einen vorläufigen Kostenvorschuss anzufordern.
[...]“
I.2.7.2. Nach dem Inhalt der ICC-SchO einschließlich ihres Anhangs II hat also das Sekretariat jeder Partei ein vom Schiedsrichter unterzeichnetes Exemplar zuzustellen und einen weiteren Schiedsspruch im Original im Sekretariat zu hinterlegen. Weiters ist die Erteilung von Abschriften von Schiedssprüchen und deren Beglaubigung durch Funktionäre der Schiedsinstitution, konkret auch durch den General Counsel vorgesehen, ohne eine Überbeglaubigung vorzuschreiben. Daher sind sowohl die Voraussetzungen für eine vereinfachte Beglaubigung durch einen befugten Funktionär der Schiedsinstitution als auch das Erfordernis der mittelbaren Beglaubigung der Echtheit der Unterschrift des Schiedsrichters auf der Urschrift und daher die formellen Anforderungen des Art IV Abs 1 lit a NYÜ durch die hier gegebene Beglaubigung durch den General Counsel vom 10. Dezember 2009 auf beiden Abschriften (Beilagen ./A und ./B) erfüllt. Auf die notarielle Beglaubigung samt Apostille der erst am 11. Dezember 2009, also auf den Abschriften erfolgten „Selbstbeglaubigung“ seiner Unterschriften durch den Schiedsrichter, kommt es daher gar nicht an.
Der Umstand, dass die ICC-SchO samt Anhang II dem Erstgericht von der Betreibenden nicht vorgelegt wurde, schadet nicht, weil dieser Mangel - wenn auch von der Verpflichteten - durch Vorlage der Beilage ./6 im Rahmen der Neuerungserlaubnis des § 84 Abs 2 Z 2 EO saniert wurde, sodass nach Wahrung des rechtlichen Gehörs im Zeitpunkt der Rekursentscheidung ein ausreichender urkundlicher Nachweis gegeben war.
Beachtliche Bedenken gegen die Übereinstimmung des Originals des Schiedsspruchs samt Nachtrag mit den vorgelegten Abschriften (Beilagen ./A und ./B) erzeugt auch nicht die vom Rekursgericht aufgezeigte Diskrepanz einer Textpassage der (gar nicht unterfertigten oder gestempelten) Deckblätter der beiden Abschriften zu diesen, die darin besteht, dass sich auf dem Deckblatt des Schiedsspruchs eine Bestätigung befindet, die auf den Nachtrag Bezug nimmt und umgekehrt. Dem liegt ganz offensichtlich eine Verwechslung bei Anbringen der Deckblätter zugrunde, die wegen der völlig unbedenklichen und zulässigen Beglaubigung jeweils sowohl auf der ersten und letzten Seite der Beilagen ./A und ./B unbeachtet bleiben kann.
Auch die Rekursausführungen der Verpflichteten geben keinen Anlass, strengere Anforderungen an die erforderlichen Beglaubigungen zu stellen, weil inhaltlich die Echtheit/Authentizität des Schiedsspruchs samt Nachtrag oder dessen Abschrift gar nicht bestritten, sondern nur die fehlende Einhaltung behaupteter formeller Voraussetzungen gerügt wird. Fragen zur Vorlage ausreichender Übersetzungen wurden ebenso wenig releviert, sodass darauf nicht einzugehen ist.
Die vom Rekursgericht herangezogenen Versagungsgründe liegen somit nicht vor.
I.3. Es bedarf deshalb einer Auseinandersetzung mit den weiteren, vom Rekursgericht als Konsequenz seiner nicht zu teilenden Rechtsansicht übergangenen Rekursargumenten der Verpflichteten, die sie in der Revisionsrekursbeantwortung im Wesentlichen aufrecht erhielt. Sie betreffen sowohl Formalfragen als auch Versagungsgründe nach Art V Abs 1 lit a und Abs 2 lit b NYÜ.
I.3.1. Die Verpflichtete erblickt in der tatsächlich unleserlichen Unterschrift des General Counsel E***** J***** ein „Kraxel, Kringel oder Schnörkel“, das nicht als Unterschrift zu werten sei. Seinem Verweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, die zu § 18 AVG ergangen ist, kommt im vorliegenden Zusammenhang keine Relevanz zu. Das Erfordernis einer leserlichen Unterschrift des Funktionärs ist der ICC-SchO nicht zu entnehmen. Unlesbarkeit wird im Übrigen durch die Anführung des Namens und der Funktion des Beglaubigenden im Stempel saniert, weil so die erforderliche Überprüfbarkeit gegeben ist. Zweifel an der Echtheit der Unterschrift des E***** J***** als General Counsel hat die Verpflichtete ohnehin nicht geäußert.
I.3.2. Die Bestimmung des § 54 Abs 2 EO findet im vorliegenden Vollstreckbarerklärungsverfahren keine Anwendung (Czernich in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art IV NYÜ Rz 3). Der vorrangig (§ 614 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 86 EO) anzuwendende Art IV NYÜ räumt dem Antragsteller/Betreibenden die Wahl zwischen der Vorlage einer Urschrift oder einer Abschrift des Schiedsspruchs jeweils samt Beglaubigung ein und verlangt keine Bestätigung über die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Erkenntnisses (RIS-Justiz RS0002515; Czernich aaO). Die Ansicht der Verpflichteten, der Exekutionstitel wäre in Urschrift samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit vorzulegen gewesen, trifft daher nicht zu.
I.3.3. Soweit die Verpflichtete auf Exequaturerfordernisse nach französischem Recht verweist, übersieht sie, dass das NYÜ - wie sich aus dessen Art V Abs 1 lit e ergibt - (nur) auf die Verbindlichkeit des Schiedsspruchs abstellt.
Nach herrschender Ansicht ist es dafür sowohl unerheblich, ob Exequaturerfordernisse nach dem Recht des Ursprungsstaats gegeben sind, als auch, dass noch die Möglichkeit einer Aufhebungsklage oder eines außerordentlichen Rechtsbehelfs nach nationalem Recht besteht oder solche anhängig sind. Dies gilt auch dann, wenn das nationale Recht die Vollstreckbarkeit im Erlassstaat ausschließt, solange noch ein solcher Rechtsbehelf eingelegt werden kann oder ein solcher eingelegt worden ist (Czernich in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art V NYÜ Rz 49; Steindl in Torggler, Praxishandbuch Schiedsgerichtsbarkeit 265 f; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 377, 378 und 386 f; Adolphsen in MünchKomm ZPO³ Art V UNÜ Rz 55 mwN; Saenger, ZPO4 § 1061 Rz 4; BGH NJW 1988, 3090). Nur ein rechtskräftig aufgehobener Schiedsspruch ist nicht mehr verbindlich.
Für den vorliegenden Schiedsspruch ist in Art 28 Abs 6 ICC-SchO vorgesehen, dass die Verbindlichkeit unmittelbar eintritt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Schiedsspruch bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz oder mit einem Rechtsmittel bei einem staatlichen Gericht (iS einer vollumfänglichen Überprüfung) angegriffen werden könnte; die Verpflichtete behauptet auch gar nicht, dass er bereits aufgehoben worden sei. Daher ist von seiner Verbindlichkeit auszugehen, weshalb auch diese Beanstandungen der Verpflichteten ins Leere gehen.
I.3.4. Das soeben Gesagte gilt auch für den vorausgehenden Teilschiedsspruch zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Seine Vorlage mit dem Antrag konnte unterbleiben, weil dieser von der Betreibenden mit der Rekursbeantwortung vorgelegte Teilschiedsspruch (Beilage ./K) gar nicht für vollstreckbar erklärt werden soll. Im Übrigen wurde er ohnehin ua mit seinem Spruch im (End-)Schiedsspruch wiedergegeben (./A Rz 71).
I.3.5. Die Verpflichtete macht ausdrücklich Versagungsgründen nach Art V Abs 1 lit a und Abs 2 lit b NYÜ ua mit dem Hinweis geltend, der Schiedsspruch verstoße gegen das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (BGBl III 2006/47) und gegen das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption samt Abkommen über die Errichtung der Staatengruppe gegen Korruption - GRECO und Entschließung (99) 5 über die Einrichtung der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) samt Anhang (BGBl III 2006/155).
Diese beiden Staatsverträge traten für Österreich mit 10. Februar 2006 und 1. Dezember 2006 in Kraft und können daher für die Beurteilung der beiden schon am 16. Februar 2005 geschlossenen Vereinbarungen „Exclusive Projects Promotion Agreement“ (EPPA) und „Joint Venture-Vertrag“ („JVV“), die jeweils die Schiedsklauseln enthalten (vgl ./A Rz 7 bis 11) nicht herangezogen werden. Abgesehen davon ist in beiden Fällen vorgesehen, dass der Staatsvertrag im Sinne des Art 50 Abs 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, weshalb die Staatsverträge zunächst keine innerstaatliche Rechtswirkungen haben; sie sind nicht unmittelbar anwendbar, begründen keine subjektiven Rechte und können auch nicht Maßstab für die Rechtmäßigkeit eines anderen Rechtsakts sein (Mayer, B-VG4 Art 50 II.1 mwN).
Der Verweis der Verpflichteten auf diese Normen erweist sich daher schon von vornherein als unzutreffend, weshalb sich eine inhaltliche Auseinandersetzung damit erübrigt.
I.3.6. Alle verbleibenden Argumente (auch die zu Art V Abs 1 lit a NYÜ vorgetragenen) stellen inhaltlich die Geltendmachung von Verstößen gegen den ordre public dar und sind deshalb mit Rücksicht auf Art V Abs 2 lit b NYÜ zu prüfen.
Dem ist Folgendes vorauszuschicken:
Ein Verzicht auf die Geltendmachung der in Art V Abs 2 NYÜ genannten Gründe ist weder im Voraus noch im Stadium des Anerkennungsverfahrens möglich, weil diese Bestimmung der Berücksichtigung öffentlicher Interessen dient und deshalb der Parteiendisposition entzogen ist (Czernich in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art V NYÜ Rz 7; Reiner/Jahel, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit² Art 28 ICC-SchO Rz 4). Schon deshalb kommt der in Art 28 Abs 6 ICC-SchO enthaltenen (und im Revisionsrekurs angesprochenen) Verpflichtung, „von allen Rechtsmitteln, auf die verzichtet werden kann, Abstand zu nehmen“, keine Relevanz zu.
Das Gericht des Vollstreckungsstaats hat den in den zwischenstaatlichen Ab- bzw Übereinkommen normierten Versagungsgrund wegen Verstoßes gegen den ordre public im Vollstreckbarerklärungsverfahren autonom, dh unabhängig von einem möglichen Aufhebungsverfahren im Sitzstaat bzw dessen Inanspruchnahme durch die verpflichtete Partei zu prüfen (3 Ob 221/04b = RIS-Justiz RS0119799 = SZ 2005/9). Keinesfalls darf der genannte Versagungsgrund dazu führen, eine Überprüfung des ausländischen Titels in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht durchzuführen (Verbot der revision au fond), sondern nur, ob die Annahmen des Schiedsgerichts in seinem Schiedsspruch einen Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaats begründen. Zulässig und notwendig ist somit eine sachliche Nachprüfung der Entscheidung, allerdings nur im Rahmen der Vorbehaltsklausel des ordre public, ohne dass das Gericht des Vollstreckungsstaats zu überprüfen hätte, wie der Streitfall richtig zu entscheiden gewesen wäre (RIS-Justiz RS0002409; Czernich in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art V NYÜ Rz 1 f). Der relevante Maßstab bei der autonomen ordre public-Kontrolle des ausländischen Schiedsspruchs durch das Gericht des Vollstreckungsstaats Österreich ist, ob der Schiedsspruch mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung deshalb unvereinbar ist, weil ihm ein mit der inländischen Rechtsordnung vollkommen unvereinbarer ausländischer Rechtsgedanke zugrunde liegt. Bei dieser Vorbehaltsklausel handelt es sich um eine Ausnahmeregel, von der nur sparsamster Gebrauch gemacht werden darf, um den internationalen Entscheidungseinklang nicht unverhältnismäßig zu stören. Nicht ausreichend ist es, dass das Recht oder Rechtsverhältnis selbst dem ordre public widerspricht, es muss auch die Durchsetzung für die inländische Rechtsordnung untragbar sein (stRsp, RIS-Justiz RS0110743, RS0058323, RS0002402; RS0002409). Als vom ordre public erfasste Grundwertungen werden vor allem die tragenden Grundsätze der Bundesverfassung, aber auch des Strafrechts, des Privatrechts und des Prozessrechts verstanden werden müssen, wobei für die Vereinbarkeit nicht der Weg oder die Begründung, sondern das Ergebnis des Schiedsspruchs maßgeblich ist (3 Ob 221/04b mwN).
I.3.7. Die Verpflichtete erblickt eine denkunmögliche Rechtsanwendung in der Ansicht des Schiedsrichters, über den Einwand der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung sei bereits im Teilschiedsspruch abschließend entschieden worden, weshalb weiteres Vorbringen dazu nicht mehr zulässig sei.
Dem ist zu erwidern, dass sich das Schiedsgericht - ungeachtet seiner ausführlich begründeten Rechtsansicht, die Verpflichtete sei nicht berechtigt, „die Frage der Gültigkeit und Durchsetzbarkeit des EPPA und JVV nochmals vorzubringen“ (./A Rz 95 bis 100) - ohnehin „aus Gründen der Vollständigkeit“ inhaltlich mit dem neuen Vorbringen auseinander setzte und die Rechtsansicht der Verpflichteten begründet ablehnte (./A Rz 101 und 103).
I.3.8. Die Verpflichtete beanstandet auch die Verneinung der Ungültigkeit der beiden Verträge (EPPA und JVV) und als Folge davon auch der Schiedsvereinbarung sowohl im Teil- als auch im Endschiedsspruch. Sie vermag aber nicht, ein ordre public-widriges Verfahrensergebnis aufzuzeigen.
Die auf einen - hier unbeachtlichen - Widerspruch zu den bereits genannten Staatsverträgen (vgl Punkt I.3.4.) abzielende Argumentation bedient sich nämlich zahlreicher Tatsachenbehauptungen (zB einziger Zweck des Abschlusses der Vereinbarungen sei die missbräuchliche Nutzung der Kontakte in höchste Staatsämter gewesen, vereinbarte Provisionen hätten in Wahrheit der Abgeltung von Korruption gedient, die gemeinsam gegründete Gesellschaft sei massiv bevorzugt worden, etc), die keinen Niederschlag in den - von der Verpflichteten weder als willkürlich getroffen noch als unvollständig beanstandeten - Sachverhaltsannahmen der Schiedssprüche gefunden haben.
Die Bejahung der Gültigkeit der Verträge und damit der Schiedsvereinbarung auf Basis des vom Schiedsgericht angenommenen Sachverhalts stellt aber eine rechtliche Beurteilung des Schiedsgerichts dar, deren Überprüfung auf ihre Richtigkeit im vorliegenden Verfahren unzulässig ist und im Ergebnis einen Widerspruch mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht erkennen lässt.
I.3.9. Unter dem Titel „Betrug an [der Verpflichteten]“ macht sie eine Verletzung des ordre public geltend, weil sie der Schiedsspruch zum Ersatz von Aufwendungen verpflichte, obwohl der Eigentümer und Vorsitzende der Betreibenden (nach den Feststellungen im Schiedsspruch) unter Verletzung der Treuepflichten aus den Verträgen (EPPA und JVV) eine regelrechte Kampagne startete, um der Verpflichteten rechtswidrig die Anteile am gemeinsamen Unternehmen zu entziehen und den Verlust ihrer Aufwendungen zu bewirken. Es dürfe aber niemand aus einer strafbaren Handlung Vorteile erlangen.
Das Schiedsgericht hat die Verpflichtung zum Ersatz von Aufwendungen der Betreibenden für die Gesellschaft in der Zeit zwischen März 2005 und Jänner 2006 im Ausmaß von 50.963.591 Naira auf Punkt 4 der JVV gegründet; darin ist ua zwischen den Parteien vereinbart, dass die Verpflichtete die finanzielle Verantwortung für die zu gründende (und tatsächlich gegründete) Gesellschaft und deren betriebliche Angelegenheiten wahrnimmt. Deshalb sei sie für die Finanzierung des Betriebs verantwortlich. Grund des Zuspruchs ist somit ein vertraglicher Aufwandersatzanspruch, dem ein relevanter Zusammenhang mit den Aktivitäten des Organs der Betreibenden ab April 2006 fehlt, die die Verpflichtete als dessen strafbare Handlungen qualifiziert. Das Ergebnis des Schiedsspruchs besteht daher nicht darin, dass der Betreibenden finanzielle Ansprüche zugestanden werden, die aus strafbaren Handlungen ihres Organs resultieren; vielmehr nahm das Schiedsgericht einen aus dem JVV abgeleiteten Zuspruch an die Betreibende vor, auch wenn diese nach den begründeten Feststellungen des Schiedsgerichts später selbst dagegen rechtswidrig verstieß und der Verpflichteten Schaden zufügte.
Es steht daher (nur) die Rechtsfrage im Raum, ob die Geltendmachung des (an sich gerechtfertigten) Aufwandersatzanspruchs der Betreibenden wegen ihres späteren rechtswidrigen Verhaltens als schikanöse Rechtsausübung im Sinn des § 1295 Abs 2 ABGB anzusehen ist. Allerdings entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Frage der schikanösen Rechtsausübung nicht von Amts wegen aufgegriffen werden kann (RIS-Justiz RS0026717). Wenn aber die österreichische Rechtsordnung die Prüfung, ob schikanöse Rechtsausübung vorliegt, vom Einwand einer Partei abhängig macht, nimmt sie in Kauf, dass ohne einen solchen Einwand ein Verstoß gegen § 1295 Abs 2 ABGB unbeachtet bleibt. In einer dennoch erfolgten Verurteilung einer Partei zur Leistung kann daher kein Verstoß gegen elementare Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung erblickt werden.
Selbst wenn man daher eine schikanöse Rechtsausübung der Betreibenden bejahen wollte, bestünde deshalb kein Anlass, dem Schiedsspruch ./A die Vollstreckbarerklärung wegen Verstoßes gegen den ordre public zu versagen.
I.3.10. Schließlich wirft die Verpflichtete dem Schiedsgericht vor, sein Amt missbraucht zu haben, indem es der Betreibenden ohne jede Begründung den vollen Kostenersatz für die verlorene, betrügerische Hauptklage, die zurückgezogene Klage und die überwiegend verlorene Klage zuerkannt habe, was dem ordre public widerspreche.
Im Schiedsspruch ./A ist unter Rz 163 festgehalten:
„[Die Betreibende] brachte vor, dass die obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz haben solle. [Die Betreibende] beansprucht eine Gesamtsumme von USS 370.922,- und € 10.500,-. [Die Verpflichtete] stimmte dieser Summe unter dem Vorbehalt des Vorliegens einer Zahlungsverpflichtung zu und stellte nicht in Abrede, dass die obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz haben sollte.“
Die Begründung der Kostenentscheidung des Schiedsrichters liegt daher in der Wiedergabe des Standpunkts der Verpflichteten zum von der Betreibenden beanspruchten Kostenersatzbetrag. Darauf hat der Schiedsrichter in seinem Nachtrag zum Schiedsspruch auch ausdrücklich hingewiesen (./B Rz 44). Die erkennbare Auslegung dieses Standpunkts der Verpflichteten durch den Schiedsrichter dahin, sie akzeptiere für den Fall des Ausspruchs (irgend-)einer Zahlungsverpflichtung, dass sie der Betreibenden den von ihr verlangten Kostenbetrag zu ersetzen habe, stellt keine denkunmögliche Rechtsanwendung (vor allem zu Nebenansprüchen) dar.
Der Durchsetzung einer so begründeten Kostenentscheidung liegt deshalb kein mit der inländischen Rechtsordnung vollkommen unvereinbarer Rechtsgedanke zugrunde. Ein Verstoß gegen den ordre public ist somit auch in diesem Punkt zu verneinen.
I.4. Gründe für die Versagung der Vollstreckbarerklärung nach dem NYÜ liegen also nicht vor.
Dennoch ist eine Enderledigung durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich, weil über zwei an das Rekursgericht gerichtete Unterbrechungsanträge der Verpflichteten (S 20 f und 36 f des Rekurses) noch nicht entschieden wurde, für die dessen funktionelle Zuständigkeit besteht (Jakusch in Angst² § 84 EO Rz 23).
I.5. Zur Klarstellung sind dazu allerdings folgende Hinweise angebracht:
Die Rechtsgrundlage dieser Anträge liegt nicht in § 84 Abs 5 EO, sondern wegen der Subsidiaritätsklausel nach § 614 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 86 Abs 1 EO in Art VI NYÜ, der vorsieht: Wenn der Schiedsspruch zwar verbindlich ist, in seinem Ursprungsstaat jedoch ein Rechtsbehelf gegen ihn (zB eine Aufhebungsklage) ergriffen wurde, kann das Exequaturgericht das Anerkennungsverfahren, „sofern es das für angebracht hält“, bis zur Entscheidung des Gerichts im Ursprungsstaat unterbrechen; es kann aber auch aufgrund eines (hier nicht vorliegenden) Antrags der Partei, die die Vollstreckbarerklärung begehrt, der anderen Partei auftragen, angemessene Sicherheit zu leisten. Damit räumt Art VI NYÜ dem Gericht einen Ermessensspielraum sowohl zur Frage ein, ob das Verfahren auszusetzen ist, aber auch dazu, ob dies nur gegen Sicherheitsleistung des Vollstreckungsgegners erfolgt. Richtschnur für die Ermessensentscheidung ist die Orientierung an der Frage, ob der Rechtsbehelf im Urspungsland Aussicht auf Erfolg hat, was zwar allenfalls großzügig beurteilt werden kann, jedenfalls aber vom Vollstreckungsgegner darzulegen ist (Adolphsen in MünchKomm ZPO³ Art VI UNÜ Rz 2; Czernich in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art V NYÜ Rz 56 je mwN). Die Einleitung eines Aufhebungsverfahrens allein ist daher nicht ausreichend. Daneben muss der Vollstreckungsgegner konkret darlegen, dass und warum die von ihm geltend gemachten Aufhebungs-(und Rechtsmittel-)gründe tatsächlich Erfolg versprechend sein sollen (so auch Adolphsen aaO). Dem entspricht aber das Vorbringen der Verpflichteten im Rekurs nicht, weil dem Gericht nur die Tatsache der Anfechtung bescheinigt wurde, zum Inhalt des Rechtsmittels an die Cour de Cassation aber keine Behauptungen erstattet wurden.
Da Art VI NYÜ auf einen bereits gestellten Antrag abstellt, „den Schiedsspruch aufzuheben oder ihn in seinen Wirkungen zu hemmen“, kann weder in der (nicht einmal von der Verpflichteten) in Nigeria eingebrachten Klage einer F***** LTD ua gegen die Betreibende und die Verpflichtete, mit der Feststellungen zum Umfang und zur Wirksamkeit der Schiedsklauseln im EPPA und im JVV angestrebt werden (vgl ./A Rz 50 und ./L) noch in einer beabsichtigten Klageführung ein Unterbrechungsgrund nach Art VI NYÜ erblickt werden.
Wenn das Rekursgericht eine Unterbrechung ablehnen sollte, wird es über den Rekurs der Verpflichteten in Ansehung des Schiedsspruchs samt Nachtrag unter Beachtung der dargelegten Rechtslage zu entscheiden haben.
I.6. Die funktionelle Zuständigkeit des Rekursgerichts zur Entscheidung über die von der Verpflichteten im Rekurs gestellten Unterbrechungsanträge erfordert die Aufhebung der Rekursentscheidung im Spruchpunkt I Absatz 1 und 2 sowie die Zurückverweisung an die zweite Instanz.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
II. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten gegen die Kostenentscheidung (P 1.) und den Unterbrechungsbeschluss (P 2.) des Rekursgerichts ist aus folgenden Gründen unzulässig:
II.1. Die Verpflichtete erkennt selbst, dass ihr die Bekämpfung einer Kostenentscheidung beim Obersten Gerichtshof gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 3 ZPO verwehrt ist. Sie vermeint allerdings, das System des § 528 ZPO gehe dabei davon aus, dass der Oberste Gerichtshof als dritte Instanz einschreite. Damit übergeht sie die ständige Judikatur, nach der die Rechtsmittelbeschränkung auch für Kostenentscheidungen gilt, die das Rekursgericht funktionell als erste Instanz fällt (RIS-Justiz RS0044233 [T14]).
Der Versuch, Art 6 EMRK ins Treffen zu führen, verkennt, dass das Grundrecht auf Zugang zu den Gerichten nicht auch das Recht auf einen Instanzenzug gewährt (RIS-Justiz RS0043962; RS0074833 [T2]; RS0074613 [T1]). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigen weder Art 92 Abs 1 B-VG noch Art 6 EMRK Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsmittelbeschränkungen (RIS-Justiz RS0074833 [T1]; RS0079186; RS0043962; für § 528 Abs 2 Z 3 ZPO: RS0044057 [T15]).
Die Kostenbeschwerde erweist sich daher als jedenfalls unzulässig.
II.2. Im Übrigen bekämpft die Verpflichtete die vom Rekursgericht unter Berufung auf § 84 Abs 5 EO ausgesprochene Unterbrechung des Rekursverfahrens, weil vorausgehend zu Unrecht die Vollstreckbarkeit des Urteils der Cour d'Appel de Paris bejaht worden sei.
II.2.1. Entgegen der nicht bindenden Ansicht des Rekursgerichts ist nicht von der absoluten Unzulässigkeit des Revisionsrekurses auszugehen, weil nicht der von der Judikatur (vgl RIS-Justiz RS0118738) angesprochene Fall vorliegt, dass dem Antrag des Schuldners auf Unterbrechung/Aussetzung nicht Folge gegeben wurde (s § 192 Abs 2 ZPO). Hier gab das Rekursgericht dem (eventualiter gestellten) Antrag statt. Die Verpflichtete wendet sich im Kern auch nicht gegen die Unterbrechung an sich, sondern gegen die vom Rekursgericht als Vorfrage bejahte Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels.
Die Verpflichtete ist durch diese Entscheidung des Rekursgerichts beschwert, weil sie die Unterbrechung im Rekurs nur hilfsweise für den Fall beantragte, dass das Rekursgericht die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Urteils aufrecht erhalte (RIS-Justiz RS0037615), und die bewilligte zwangsweise Pfandrechtsbegründung bereits im Grundbuch vollzogen wurde.
Es gelingt ihr aber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:
II.2.2. Wie schon im Rekurs macht sie zunächst zusammenfassend geltend, es stelle einen Verstoß gegen den ordre public dar, dass die Anfechtung des Urteils der Cour d'Appel de Paris bei der Cour de Cassation entgegen Art 6 und Art 13 EMRK keine volle aufschiebende Wirkung habe und damit keine wirksame Beschwerde darstelle.
Dazu genügt der Hinweis auf die bereits referierte Judikatur, wonach Art 6 EMRK in Zivilrechtsfällen kein Recht auf einen Instanzenzug gewährt (vgl auch EGMR RIS-Justiz RS0121377) und für den Fall, dass der Zugang zu den Gerichten gewahrt ist, die weitere Ausgestaltung der Gerichtsbarkeit dem Ermessen der Staaten überlassen ist (9 ObA 85/08b). Auch die rein innerstaatliche Norm des § 79 EO setzt nur die Vollstreckbarkeit, nicht die Rechtskraft einer Entscheidung im Erststaat voraus. Gerade zum Ausgleich für die Vollstreckbarkeit noch nicht rechtskräftiger ausländischer Entscheidungen sieht § 84 Abs 5 EO Schutzmaßnahmen für den Verpflichteten vor. Aus diesem auch im rein innerstaatlichen Recht für die Vollstreckbarerklärung geltenden Regelungssystem folgt, dass die Vollstreckbarerklärung nicht rechtskräftiger ausländischer Entscheidungen, welcher Instanz auch immer, nicht gegen den österreichischen ordre public verstoßen kann (vgl 3 Ob 49/06m mwN; G. Kodek in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht³ Art 34 EuGVVO Rz 8).
Die Berufung auf Art 13 EMRK (Recht auf wirksame Beschwerde) ist nicht zielführend, weil dessen Verletzung wegen der normierten Akzessorietät der Gewährleistung des Rechts nur in Verbindung mit einem anderen materiellen Konventionsrecht geltend gemacht werden kann. Die Bedeutung des Art 13 EMRK für die Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK ist aber (außer der Verpflichtung zur Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist) begrenzt, weil die Einräumung von Beschwerdemöglichkeiten wegen Verletzung von Verfahrensgarantien in der Regel die Errichtung von mehrstufigen Verfahren verlangen würde, wozu die Mitgliedstaaten - jenseits der Verpflichtungen aus Art 2 7. ZPMRK (Rechtsmittel in Strafsachen) - aber nicht verpflichtet sind (Grabenwarter, EMRK4 § 24 Rz 165 ff).
Die Gewährung eines Rechtsmittels gegen ein zivilgerichtliches Urteil jedoch ohne aufschiebende Wirkung vermag daher keinen Verstoß gegen den ordre public zu verwirklichen, und daher auch keinen Grund, dem französischen Urteil die Vollstreckbarkeit zu versagen.
II.2.3. Die weiteren Ausführungen im Revisionsrekurs, die bisher nicht erhobenen Vorwürfe gegen die Erledigung der Rechtsschutzbegehren der Verpflichteten durch die genannten französischen Gerichte mit der Schlussfolgerung, damit werde gegen den ordre public verstoßen, zum Gegenstand haben, widersprechen dem Neuerungsverbot, das ungeachtet § 84 Abs 2 Z 2 EO für Revisionsrekurse gilt (RIS-Justiz RS0116742). Sie haben daher unbeachtet zu bleiben.
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