Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren auf Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung der klagenden Partei zur Gänze abgewiesen wird.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten erster Instanz, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die jeweils mit 554,14 EUR (darin jeweils 72,86 EUR Umsatzsteuer und jeweils 117 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und der Nebenintervenientin die mit 441,69 EUR (darin 44,25 EUR Umsatzsteuer und 175 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien sind verheiratet, leben aber getrennt. Sie haben am 27. Mai 2005 folgenden Unterhaltsvergleich geschlossen:
„Der Mann verpflichtet sich, unter Abrechnung der Überzahlungen für März, April und Mai 2005 an die Frau ab 1. 03. 2005 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von € 105,00 zu bezahlen, fällig am Ersten des jeweiligen Monats im Voraus, rückständige Beiträge binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches.
Vergleichsgrundlage:
durchschnittliches Monatsnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen: € 1.374,75, x 12, weitere Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen: 1 (23-jährige studierende Tochter) durchschnittliches Monatseinkommen d. Unterhaltsberechtigten: € 609,11, 12x."
Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bezog die Beklagte von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) noch keine Ausgleichszulage. Erst aufgrund der Unterhaltsfestsetzung mit 105 EUR durch den Vergleich wurde ihr mit Bescheid vom 16. November 2005 eine Ausgleichszulage von 8,71 EUR rückwirkend per 1. März 2005 zuerkannt. Infolge zweier gesetzlicher Erhöhungen der Richtsätze, die über die vorher übliche jährliche Anpassung weit hinausgingen, wurde die Ausgleichszulage in den Folgejahren ab 1. Jänner 2006 auf 35,72 EUR und ab 1. Jänner 2007 auf monatlich brutto 62,93 EUR erhöht.
Mit der am 10. Juli 2007 zu gerichtlichem Protokoll gegebenen Klage beantragte der Kläger die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf monatlich 65 EUR „ab tatsächlichem Bezug der Ausgleichszulage durch die Beklagte".
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses hätten die Parteien auf das schon anhängige Gerichtsverfahren über die Gewährung einer Ausgleichszulage Bedacht nehmen können und müssen. Entgegen der Entscheidung 7 Ob 531/93 sei eine Reduktion des Unterhaltsbeitrags wegen einer der Unterhaltsberechtigten gewährten Ausgleichszulage nicht zulässig, weil letztere gegenüber dem Unterhaltsanspruch nur subsidiär sei und nicht dazu diene, den Unterhaltsschuldner zu entlasten. Die PVA sei nicht bereit, im Fall einer rückwirkenden Herabsetzung des Unterhalts die Ausgleichszulage zu erhöhen.
Auch die auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenientin beigetretene PVA steht auf dem Standpunkt, dass die Ausgleichszulage nicht auf den Unterhaltsanspruch der Frau anzurechnen sei. Gegenteilige Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs seien vor der Aufhebung von Wortfolgen des § 294 Abs 1 ASVG durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) ergangen. Hier sei erst aufgrund des Unterhaltsvergleichs eine Ausgleichszulage gewährt worden. Es könne nicht sein, dass diese Gewährung zur Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags führen könne und die PVA die Ausgleichszulage erhöhen müsse, was wiederum zu einem Unterhaltsherabsetzungsantrag berechtigen und zu einer Entlastung des Unterhaltsschuldners auf Kosten der Allgemeinheit führen würde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt, setzte die Unterhaltsverpflichtung des Klägers auf monatlich 65 EUR ab 1. Jänner 2007 herab und wies das Mehrbegehren für den Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Dezember 2006 ab. Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus auf den Seiten 10 bis 12 die Einkommensverhältnisse der Parteien inklusive der an die Beklagte ausbezahlten Ausgleichszulagenbeträge fest. Da es im Revisionsverfahren auf diese Feststellungen nicht ankommt, kann auf den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt verwiesen werden.
In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter im Wesentlichen aus, dass der Unterhalt bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse vom Gericht neu zu bestimmen sei. Die Gewährung einer Ausgleichszulage an die Beklagte sei ein neuer Sachverhalt. Soweit die Unterhaltsbedürfnisse infolge einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung von einem Dritten gedeckt werden, bestehe kein Unterhaltsanspruch, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung bestehe. Öffentlich-rechtliche Leistungen seien in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, dies gelte nach zahlreichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs auch für die Ausgleichszulage. Diese sei als Einkommen zu qualifizieren. Dies habe der Oberste Gerichtshof erst kürzlich wieder ausgeführt (8 Ob 164/06k). Die Sozialhilfe nach verschiedenen Landesgesetzen, die Notstandshilfe, die Mietzinsbeihilfe, das Karenzurlaubsgeld, aber auch die Ausgleichszulage seien als Einkommen zu qualifizieren.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin teilweise Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass die Unterhaltsverpflichtung des Klägers ab dem 1. Jänner 2007 auf 80 EUR monatlich herabgesetzt wurde. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen und die Revision für zulässig erklärt.
Das Berufungsgericht teilte unter Zitierung oberstgerichtlicher Judikatur die Rechtsauffassung des Erstgerichts über die Anrechenbarkeit der Ausgleichszulage auf den Unterhaltsanspruch.
Durch die Aufhebung der lit a und b des § 294 Abs 1 ASVG durch den VfGH sei der Norminhalt des § 292 ASVG berührt. Infolge dieser Rechtsänderung könne man zur Ansicht gelangen, dass zuerst die Unterhaltsleistung und erst anschließend die Höhe einer allfälligen Ausgleichszulage zu bestimmen wäre. Andernfalls müsse es geradezu zwangsläufig zu der von der Nebenintervenientin angeführten „Unterhaltsspirale" kommen. Es sei auch denkbar, im Bezug auf die Ausgleichszulage eine getrennte Beurteilung in Ansehung der Situation eines Unterhaltspflichtigen bzw eines Unterhaltsberechtigten vorzunehmen. Der Anspruch des Unterhaltsberechtigten richte sich nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und nach den Bedürfnissen und dem Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten. Die Ausgleichszulage könne nur dazu dienen, die Lücke aufzufüllen, welche entstehe, wenn die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht ausreiche, einen gewissen Mindeststandard zu sichern. Mit dieser konkreten Fragestellung habe sich der Oberste Gerichtshof noch nicht auseinandergesetzt.
Mit ihrer Revision beantragt die Nebenintervenientin die Abänderung der Entscheidung dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist trotz des geringen Werts des Entscheidungsgegenstands nicht jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 4 ZPO), sondern aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Die Nebenintervenientin wiederholt mit ihrem Revisionsvorbringen das schon im bisherigen Verfahren vorgetragene Argument, dass die Gewährung einer Ausgleichszulage nicht den Zweck habe, den Unterhaltsschuldner zu entlasten. Bei einer Stattgebung des Unterhaltsherabsetzungsantrags müsste die Ausgleichszulage erhöht werden, was wiederum zu einem neuerlichen Unterhaltsherabsetzungsantrag führen könnte, sodass es letztlich dazu käme, dass keine Unterhaltsverpflichtung bestünde. Eine solche „Unterhaltsspirale" stünde mit dem Grundsatz der Vermeidung der Entlastung des Unterhaltspflichtigen im Widerspruch. Die Ausgleichszulage sei nur subsidär nach Feststellung der Pensionshöhe und der sonstigen Einkommen zu gewähren. Dazu ist Folgendes auszuführen:
I. Der Revisionsstandpunkt entspricht der in der Entscheidungsanmerkung Dullingers zur Entscheidung 10 ObS 264/97i (DRdA 1998, 426) vertretenen Rechtsansicht. In der Entscheidung ging es um die Klage einer unterhaltsberechtigten Frau gegen die bescheidmäßige (teilweise rückwirkende) Herabsetzung der Ausgleichszulage. Die dort beklagte PVA war iSd damaligen Rechtslage (vor Aufhebung von Wortfolgen im § 294 Abs 1 ASVG durch den VfGH) von dem im Gesetz angeführten Unterhaltspauschalsatz und nicht vom niedrigeren, in einem Unterhaltsprozess rechtskräftig festgestellten Unterhaltsbeitrag des unterhaltspflichtigen Mannes ausgegangen. Der Oberste Gerichtshof anerkannte die Richtigkeit der Zurechnung des höheren gesetzlichen Pauschalsatzes des Nettoeinkommens des geschiedenen Ehegatten zum Pensionseinkommen der Frau. S. Dullinger kritisierte nicht diese Entscheidung, sondern die vorangegangene Unterhaltsentscheidung, bei der die gewährte Ausgleichszulage (iSd damaligen oberstgerichtlichen Rechtsprechung) als unterhaltsminderndes Einkommen der Unterhaltsberechtigten angesehen wurde. Dies führe zu einer dem subsidären Charakter der Ausgleichszulage entgegengesetzten Entlastung des Unterhaltsschuldners auf Kosten der Allgemeinheit. In seiner weiteren Entscheidung 10 ObS 190/04w = RdW 2005, 635 = SSV-NF 19/15 äußerte der 10. Senat unter Hinweis auf die Entscheidungsanmerkung Dullingers Zweifel an der Qualifizierung öffentlich-rechtlicher Leistungen wie eben auch der Ausgleichszulage als unterhaltsminderndes Einkommen der Unterhaltsberechtigten. Diese Frage war allerdings dort nicht entscheidungswesentlich, weil die auf die Gewährung einer Ausgleichszulage im höchstmöglichen gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klage schon aufgrund des Umstands erfolgreich war, dass der Unterhaltsanspruch aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs feststand und der Klägerin im Zusammenhang mit dem Vergleichsabschluss kein rechtsmissbräuchlicher Verzicht auf einen höheren Unterhalt vorzuwerfen war (die zitierte Entscheidung erging bereits zu der nach Aufhebung der Pauschalanrechnungsvorschrift durch den VfGH geänderten Rechtslage, wie sie im vorliegenden Verfahren zu beurteilen ist).
II. Zur Rechtslage vor dem VfGH-Erkenntnis vom 17. Juni 2000, G 26/00 und zur oberstgerichtlichen Rechtsprechung über die Anrechnung öffentlich-rechtlicher Leistungen im Unterhaltsverfahren:
1. Nach dem durch die Entscheidung des VfGH unberührt gebliebenen § 292 ASVG hatte und hat ein Pensionist, dessen Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommens nicht den Richtsatz des § 293 ASVG erreicht, Anspruch auf Ausgleichszulage (§ 292 Abs 1 ASVG). Nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle war und ist unter Nettoeinkommen die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge zu verstehen. § 294 Abs 1 und 3 ASVG lauteten:
„(1) Bei Anwendung des § 292 sind Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen
a) den Ehegatten (die Ehegattin), sofern der (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt,
b) den geschiedenen Ehegatten (die geschiedene Ehegattin) - aufgehoben durch den VfGH, C 104/00 BGBl I 37/201,
c) die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben,
gleichviel, ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, dass dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten in den Fällen der lit a 25 vH und in den Fällen der lit b und c 12,5 vH des monatlichen Nettoeinkommens der dort genannten Personen zuzurechnen sind. Der so festgestellte Betrag vermindert sich jedoch in dem Ausmaß, in dem das dem Verpflichteten unterbleibende Nettoeinkommen den Richtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit b unterschreitet.
(2) ...
(3) Wenn und solange das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen in den Fällen des Abs 1 lit a und b nicht nachgewiesen wird, ist anzunehmen, daß die Höhe der monatlichen Unterhaltsverpflichtung 25 vH des Dreißigfachen der Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (§ 45 Abs 1) beträgt. Eine Zurechnung zum Nettoeinkommen erfolgt nur in der Höhe eines Vierzehntels der jährlich tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung, wenn die nach Abs 1 und 2 berechnete Unterhaltsforderung der Höhe nach trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches in dieser Höhe offenbar aussichtslos oder offenbar unzumutbar ist."
2. Zur Frage, ob öffentlich-rechtliche Leistungen in die Bemessungsgrundlage eines Unterhaltsverpflichteten einzubeziehen oder auf Seiten des Unterhaltsberechtigten als dessen unterhaltsminderndes Eigeneinkommen zu qualifizieren sind, werden in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung folgende Grundsätze vertreten:
a. Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen ist nach dessen Gesamteinkommen zu beurteilen, das aus der Summe der ihm tatsächlich zufließenden verfügbaren Mitteln besteht (stRsp, zuletzt 10 Ob 30/08x; RIS-Justiz; RS0107262; RS0009550). Auch öffentlich-rechtliche Leistungen sind (grundsätzlich) in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (RIS-Justiz RS0047465). Beispielsweise werden Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Wohnbeihilfen als für die Unterhaltsbemessung relevantes Einkommen sowohl auf Seiten des Unterhaltspflichtigen (Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage) oder des Unterhaltsberechtigten (unterhaltsminderndes Eigeneinkommen) aufgefasst (zu letzterem: RIS-Justiz RS0047465; RS0009550; RS0080404 uva). Bei der Sozialhilfe kommt es dann zu keiner Anrechnung auf den Unterhaltsanspruch, wenn das Gesetz (die Landesgesetze) eine Legalzession oder Rückzahlungsverpflichtung normiert und dadurch das Weiterbestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten vorausgesetzt hat (RIS-Justiz RS0118565). Wenn die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten durch öffentlich-rechtliche Leistungen gedeckt sind, besteht zur Vermeidung einer Doppelversorgung kein Unterhaltanspruch. Eine solche wird durch eine angeordnete Legalzession vermieden (RIS-Justiz RS0063121). Der Unterhaltspflichtige soll durch die Gewährung von Sozialhilfe aber nicht zu Lasten des Sozialhilfeträgers entlastet werden (RIS-Justiz RS0063121 [T5]; zuletzt 3 Ob 25/07h = Zak 2007, 151). Die Unterhaltsrelevanz von öffentlich-rechtlichen Leistungen gilt grundsätzlich sowohl für Unterhaltsverpflichtete als auch für Unterhaltsberechtigte (6 Ob 257/01i; 7 Ob 225/04w = ÖA 2005, 249).
b. Diese Grundsätze wurden bislang in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung auch zur Ausgleichszulage vertreten. Diese wurde wie die Sozialhilfe und die Notstandshilfe als Einkommen behandelt (RIS-Justiz RS0047465), auch als unterhaltsminderndes Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten (RIS-Justiz RS0009545). Zu letzterer Judikatur ist Folgendes auszuführen:
c. Dass eine tatsächlich bezogene Ausgleichszulage des Unterhaltsberechtigten dessen Unterhaltsanspruch mindert, wurde vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 531/93 unter Ablehnung gegenteiliger Judikatur der Gerichte zweiter Instanz ausgesprochen und mit dem Wortlaut des § 294 Abs 1 ASVG begründet. Die weiteren Entscheidungen in der Rechtssatzkette RS0009545 belegen den Rechtssatz nur obiter (7 Ob 620/93; 1 Ob 550/94; 1 Ob 590/95), weil es um den Bezug von Sozialhilfe bzw um eine Ausgleichszulage eines Unterhaltspflichtigen ging. In der Entscheidung 10 ObS 278/99a ging es um die Rückforderung einer zu Unrecht ausbezahlten Ausgleichszulage nach § 107 ASVG. Die von Dullinger glossierte Entscheidung 10 ObS 264/97i wurde schon erläutert. In der ebenfalls schon erwähnten Entscheidung 10 ObS 190/04w wurden Zweifel an der Richtigkeit der unterhaltsmindernden Anrechnung der von einem Unterhaltsberechtigten bezogenen Ausgleichszulage auf den Unterhaltsanspruch angemeldet. Bei dieser Entscheidung war im Übrigen auch schon die nach dem VfGH-Erkenntis gegebene Rechtslage anzuwenden.
Schließlich sind ergänzend zur Leitentscheidung 7 Ob 531/93 = ÖA 1993, 145 noch die Entscheidungen anzuführen, in denen entweder nur obiter die Ausgleichszulage in die Liste unterhaltsrelevanter öffentlich-rechtlicher Leistungen aufgenommen wurde oder in denen es um eine von einem Unterhaltspflichtigen bezogene Ausgleichszulage ging (8 Ob 503, 1505/92; 1 Ob 108/01s; 6 Ob 257/01i; 7 Ob 152/03h; 8 Ob 164/06k; 10 Ob 96/05y). In den Entscheidungen wurde mehrfach der subsidiäre Charakter der Ausgleichszulage betont (8 Ob 503/92; 10 Ob 96/05y).
d. Zur Kritik an dieser Judikatur:
Gegen die Qualifizierung der Ausgleichszahlung als Einkommen eines Unterhaltspflichtigen und die Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Dass ein mit der Ausgleichszulage über eine Mindestpension verfügender Unterhaltspflichtiger nur solcherart in der Lage ist, den ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten zumindest in geringem Ausmaß Unterhalt leisten kann, ist einsichtig (zur Heranziehung auch solcher Unterhaltsschuldner ist auf die Judikatur zu § 292b EO zu verweisen: RIS-Justiz RS0017946; RS0047455 ua). Grundsätzlich und auf den ersten Blick scheint auch die in der Judikatur vertretene Gleichbehandlung naheliegend, die Ausgleichszulage also auch beim Unterhaltsberechtigten als unterhaltsrelevantes Einkommen zu behandeln, um so eine Doppelversorgung zu vermeiden. Ein zweiter Blick führt aber zu der von Dullinger aufgezeigten „Spiralwirkung" mit dem Ergebnis, dass sich zu Lasten des Pensionsträgers (also der Allgemeinheit) die Unterhaltsverpflichtung bis auf Null reduzieren könnte, ein Ergebnis, das sich mit dem erwähnten und aus dem Gesetz auch ableitbaren subsidiären Charakter der Ausgleichszulage nicht in Einklang bringen lässt. Subsidiär kann nur bedeuten, dass zuerst eine Unterhaltsfestsetzung zu erfolgen hat und danach sich die Höhe der Ausgleichszulage bestimmt. Eine solche Reihenfolge war aber auf dem Boden der alten Rechtslage nicht vorgegeben, weil ja der Unterhaltsanspruch des Pensionsberechtigten im Wege der Pauschalanrechnung mit dem gesetzlichen Pauschalsatz der Berechnung zugrunde zu legen war und es nicht entscheidend war, wie hoch der Unterhaltsanspruch in einem Gerichtsverfahren bestimmt worden wäre und ob Unterhalt in welcher Höhe auch tatsächlich geleistet wurde. Neben dem wohl triftigen Argument der Subsidiarität der Ausgleichszahlung und dem Gebot der Vermeidung einer Entlastung des Unterhaltsschuldners zu Lasten der Allgemeinheit hätte gegen die unterhaltsmindernde Wirkung der Ausgleichszulage schon zur alten Rechtslage die Rückforderungsmöglichkeit des Pensionsversicherungsträgers (§ 107 ASVG) ins Treffen geführt werden können, wie dies in den Fällen der Sozialhilfe judiziert wurde (1 Ob 200/05a mwN). Auf dieses Thema wird noch einzugehen sein.
III. Zu der hier nach dem Erkenntnis des VfGH G 26/00 anzuwendenden Rechtslage:
1. Der VfGH hat mit seinem Erkenntnis vom 17. Juni 2000 im § 294 Abs 1 ASVG die Wortfolgen „a. den Ehegatten (die Ehegattin), sofern er (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt" sowie „in Fällen der lit a 25 vH und" sowie die Wendung „a und" in § 294 Abs 3 ASVG als verfassungswidrig wegen Gleichheitswidrigkeit der pauschalierten Anrechnung des Unterhaltsanspruchs bei nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten aufgehoben. Die Normierung eines verfahrensökonomischen Pauschalsatzes finde ihre Grenze dort, wo der Pauschalsatz für die Unterhaltsanrechnung nur einem in der Praxis nur selten auftretenden Fall entspreche, nicht aber dem im Regelfall auftretenden Durchschnittsfall, bei dem nach der Rechtsprechung der Unterhalt nach der sogenannten 40 %-Regel bemessen wird (40 % des Familieneinkommens abzüglich des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten). Für den Pensionsversicherungsträger sei die Ermittlung des einer Ausgleichszulage beantragenden Ehegatten und die Ermittlung des Nettoeinkommens des anderen Ehegatten unerlässlich. Beide Berechnungsgrößen würden durch die pauschalierende Regelung nicht berührt. Diese habe lediglich zur Folge, dass an die Stelle einer Berechnung nach der genannten Unterhaltsformel der Pauschalsatz von 25 % vH des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen trete. Die Pauschalregelung trage also zur Verfahrensvereinfachung nichts bei.
Mit seinem Erkenntnis vom 27. Februar 2001, G 104/00, hob der VfGH mit gleicher Begründung in § 294 Abs 1 die Wortfolge der lit b ebenfalls als verfassungswidrig auf.
3. Die ersatzlose Aufhebung der pauschalierten Anrechnung von Unterhaltansprüchen der Pensionsberechtigten gegen den getrennt lebenden oder den geschiedenen Ehegatten führt dazu, dass für die Frage der Anrechnung des Unterhaltsanspruchs nur mehr § 292 Abs 3 ASVG herangezogen werden kann, also die Bestimmung, dass unter Nettoeinkommen die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und Verminderung um die gesetzlich geregelten Abzüge zu verstehen ist, eine Definition, die derjenigen entspricht, wie sie im Unterhaltsrecht zum Einkommen des Unterhaltspflichtigen aber auch des Unterhaltsberechtigten in der Rechtsprechung vertreten wird. Bei der Berechnung der Ausgleichzulage vertritt der 10. Senat zur geltenden Rechtslage nach den beiden VfGH-Erkenntnissen die Ansicht, dass Unterhaltsansprüche unter den allgemeinen Einkommensbegriff des § 292 Abs 3 ASVG fielen. Dies habe die Konsequenz, dass auch diese Einkünfte nur im tatsächlich zufließenden Ausmaß für die Ermittlung der Ausgleichszulage heranzuziehen seien. Der bloße Anspruch auf bestimmte Geld- und Sachleistungen reiche dafür nicht aus. Der subsidiäre sozialhilfe-ähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbiete es im Allgemeinen, dass der Berechtigte von sich aus auf realisierbare Einkünfte verzichte. Ein solcher Verzicht sei bei der Ausgleichszulagenfeststellung dann unbeachtlich, wenn er rechtsmissbräuchlich erfolgt sei. Unterhaltsansprüche seien bei der Ausgleichszulagenbemessung als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden (10 ObS 190/04w).
IV. Im Unterhaltsverfahren ist entgegen der früher in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung eine vom Unterhaltsberechtigten schon tatsächlich bezogene Ausgleichszulage (§ 292 Abs 1 ASVG) aus folgenden Gründen kein unterhaltsminderndes Eigeneinkommen:
1. Der mehrfach betonte subsidäre, sozialhilfe-ähnliche Charakter ergab sich schon nach der alten Rechtslage (und damals noch deutlicher) aus den Pauschalanrechnungsvorschriften des § 294 ASVG und der dem Gesetzgeber zu unterstellenden Absicht, nicht den Unterhaltsschuldner zu Lasten der Allgemeinheit entlasten, sondern nur einem Mindestpensionisten das vom Unterhaltspflichtigen nicht gedeckte Existenzminimum zur Verfügung stellen zu wollen. Eine Anrechnung der Ausgleichszulage auf Unterhaltsansprüche gegenüber Unterhaltsschuldnern, die zu Unterhaltsleistungen in der Höhe des Richtsatzes (§ 293 ASVG) oder darüber hinaus im Stande sind, würde im Sinne der erläuterten „Spirale" zu einer völligen Entlastung des Unterhaltspflichtigen führen.
2. Gegen den subsidiären Charakter kann nicht das Argument der Doppelversorgung ins Treffen geführt werden:
Dieses Argument entfällt wie in den Sozialhilfefällen dann, wenn die öffentlich-rechtliche Leistungen nicht endgültig im Vermögen des Beziehers verbleiben, also insbesondere dann nicht, wenn das Gesetz eine Rückforderungsmöglichkeit oder eine Zession vorsieht. Eine solche Rückforderungsmöglichkeit zu Unrecht erbrachter Leistungen ist im § 107 ASVG normiert. Dass eine Leistung zu Unrecht erbracht wurde, ist bescheidmäßig festzustellen (§ 107 Abs 2 lit a ASVG). Der Rückforderungsanspruch verjährt erst binnen drei Jahren ab Kenntnis des Versicherungsträgers von dem den Rückforderungsanspruch auslösenden Sachverhalt. Der Rückforderungsanspruch ist mit Klage vor dem ordentlichen Gericht geltend zu machen (10 ObS 278/99a = SSV-NF 13/126).
3. Die zur Ausgleichszahlung vorliegende Vorjudikatur ging bei der Behandlung öffentlich-rechtlicher Leistungen von einer nicht näher begründeten notwendigen Gleichstellung der Fälle aus und behandelte diese Leistungen sowohl beim Unterhaltspflichtigen als auch beim Unterhaltsberechtigten als unterhaltsrelevantes Einkommen. Einziges Sachargument war in Ansehung der Ausgleichszulage der Wortlaut des (nun nicht mehr maßgeblichen) § 294 Abs 1 ASVG (7 Ob 531/93). Daraus allein (nunmehr ist das, was als Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu verstehen ist, nach § 292 ASVG zu beurteilen) war schon damals der Zweck der öffentlich-rechtlichen Zuwendung aber nicht zu erschließen. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung ist daher aus den dargelegten Gründen nicht fortzuschreiben. Der erkennende Senat erachtet sich dazu auch ohne Befassung eines verstärkten Senats für berechtigt, weil das Abgehen von der zitierten und überwiegend unbegründet gebliebenen Vorjudikatur zumindest zum Teil auf die mit den Erkenntnissen des VfGH geänderte Rechtslage zurückgeführt werden kann.
Der Senat gelangt aus den dargelegten Gründen zu folgendem Rechtssatz:
Eine vom unterhaltsberechtigten Ehegatten bezogene Ausgleichszulage (§ 292 Abs 1 ASVG) ist wegen ihres subsidiären, sozialhilfe-ähnlichen Charakters kein unterhaltsminderndes Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten (Abkehr von 7 Ob 531/93), rechtfertigt also nicht eine Unterhaltsherabsetzung.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf § 41 ZPO, in Ansehung der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO. Im Revisionsverfahrens ist der 36-fache noch strittige monatliche Unterhalt Kostenbemessungsgrundlage.
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