OGH 1Ob550/94

OGH1Ob550/943.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Werner W*****, geboren *****, und des mj. Alexander W*****, geboren *****, beide vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie für den 21. Bezirk, Wien 21., Am Spitz 1, als besonderer Sachwalter, infolge Revisionsrekurses des Werner und des Alexander W***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 9. November 1993, GZ 44 R 654/93-88, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 3. Juni 1993, GZ 13 P 151/89-79, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im übrigen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden insoweit aufgehoben, als der Vater Werner S*****, geboren am *****, für die Zeit vom 1.8.1990 bis 31.7.1992 von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber Werner W*****, geboren am *****, und gegenüber Alexander W*****, geboren am *****, enthoben wurde; in diesem Umfang wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Werner S***** (vormals W*****) ist der eheliche Vater des am ***** geborenen Werner und des am ***** geborenen Alexander W*****. Seine Ehe mit Margarete W***** wurde am 17.10.1989 gemäß § 55a EheG geschieden. Mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem Scheidungsvergleich vom 17.10.1989 verpflichtete sich der Vater, zum Unterhalt der beiden genannten Kinder ab 1.11.1989 bis auf weiteres, längstens bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit, einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je S 1.500,-- zu bezahlen. Als Vergleichsgrundlage wurde angeführt, daß der Vater einkommenslos sei; im Falle wesentlicher Änderungen der Verhältnisse werde der gesetzliche Unterhalt gemäß § 140 ABGB geschuldet (ON 6).

Am 20.9.1991 beantragte der Vater, ihn von seiner Unterhaltsverpflichtung ab 1.1.1990 zur Gänze zu entheben, weil er zumindest seit 1989 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeitsfähig sei (ON 24). Am 11.12.1992 modifizierte er diesen Antrag hinsichtlich des mj. Alexander dahin, daß die Unterhaltsenthebung lediglich bis zum 31.12.1992 währen solle, ab 1.1.1993 möge der für Alexander W***** zu leistende Unterhalt auf S 457,60 monatlich herabgesetzt werden (ON 56).

Bereits mit Beschluß vom 12.11.1992 wurde der Vater von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber Werner W***** mit Wirkung ab 20.8.1992 enthoben, das Begehren des Vaters um Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung bezüglich des Zeitraums 1.1.1990 bis 19.8.1992 wurde einer gesonderten Beschlußfassung vorbehalten (ON 54).

Mit Beschluß vom 17.5.1993 wurde der von Werner S***** für Alexander W***** zu leistende monatliche Unterhalt ab 1.8.1992 auf S 457,60 herabgesetzt, der Antrag des Vaters auf gänzliche Enthebung für die Zeit vom 1.8.1992 bis 31.12.1992 abgewiesen, und die Entscheidung über den Enthebungsantrag für die Zeit vom 1.1.1990 bis 31.7.1992 einer gesonderten Beschlußfassung vorbehalten (ON 77).

Das Erstgericht enthob mit Beschluß vom 3.6.1993 den Vater für die Zeit vom 1.8.1990 bis 31.7.1992 gänzlich von seiner Unterhaltspflicht gegenüber Werner und Alexander W*****, für die Zeit vom 1.8.1992 bis 19.8.1992 setzte es den vom Vater für Werner W***** zu leistenden monatlichen Unterhalt auf S 460,-- herab. Das Mehrbegehren des Vaters wurde abgewiesen.

Das Erstgericht ging davon aus, daß die in Pflege und Erziehung der Mutter befindlichen Minderjährigen vermögenslos seien. Alexander W***** habe bis 2.8.1992 kein Einkommen erzielt. Werner W***** absolviere seit 20.8.1990 eine Tischlerlehre. Seit Beginn des dritten Lehrjahrs (20.8.1992) sei Werner W***** aufgrund der von ihm bezogenen Lehrlingsentschädigung selbsterhaltungsfähig. Der Vater sei zum Zeitpunkt der letzten Unterhaltsbemessung im Zuge der Ehescheidung am 17.10.1989 keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Dies sei auch derzeit der Fall. Er habe zum Zeitpunkt der Scheidung weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe bezogen. Die Mutter habe im Zuge der Antragstellung angegeben, daß der Vater Gelegenheitsarbeiten verrichte. Erst seit 15.5.1991 beziehe der Vater Geldaushilfen des Sozialreferates für den 21. Wiener Gemeindebezirk in Höhe des Richtsatzes zuzüglich eines Zuschlages für seine Lebensgefährtin bzw. spätere Gattin und zuzüglich einer Mietzinsbeihilfe (gegen Nachweis der Bezahlung derselben). Ab 1.8.1992 habe der Vater Anspruch auf eine Invaliditätspension im Betrag von S 4.245,30 brutto monatlich zuzüglich zweier Kinderzuschüsse von S 915,20 monatlich, Ausgleichszulage von S 2.254,70, und abzüglich eines monatlichen Krankenversicherungsbeitrags von S 222,40 gehabt. Die Verrechnung der Pension sei im Wege des Sozialreferats erfolgt, weshalb der Vater im August 1992 lediglich Sozialhilfe in Richtsatzhöhe zuzüglich eines Zuschlags für die Lebensgefährtin und die Mietzinsbeihilfe erhalten habe. Erstmals im Jänner 1993 sei dem Vater eine Pension ausbezahlt worden. Er leide an verschiedenen Beschwerden, die ihm schon ab 1.1.1990 eine geregelte Berufsausübung nicht möglich gemacht hätten. Auch einer Teilzeitbeschäftigung als Chauffeur oder Hilfsarbeiter hätte er nicht mehr nachgehen können. Vor Juli 1990 wären dem Vater prinzipiell Gelegenheitsarbeiten möglich gewesen, die Tätigkeit als Chauffeur oder Hilfsarbeiter wäre aber auch da ausgeschlossen gewesen. Er hätte nur leichte Arbeiten im Sitzen durchführen können. Laut eigenen Angaben des Vaters habe er zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch etwa S 20.000,-- an Ersparnissen aus einer Erbschaft gehabt. Er sei lediglich für die beiden Kinder Alexander und Werner sorgepflichtig.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß beim Vater erst seit August 1990 eine erhebliche Änderung der Umstände vorliege, weil nach Amputation seiner linken Großzehe die Arbeitsfähigkeit gänzlich weggefallen sei, und er auch das bisherige Einkommen aus Gelegenheitsarbeiten nicht mehr habe erzielen können. Dem Vater stehe erst seit 1.8.1992 ein Pensionsanspruch zu. Für die Zeit vom 1.8.1990 bis 31.7.1992 bestehe keine Unterhaltspflicht des Vaters, da er gänzlich leistungsunfähig sei. Der Sozialhilfebezug habe lediglich zur Befriedigung der eigenen dringenden Bedürfnisse ausgereicht.

Lediglich gegen den Teil des Beschlusses, mit dem die gänzliche Enthebung des Vaters von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber Werner und Alexander W***** für die Zeit vom 1.8.1990 bis 31.7.1992 ausgesprochen wurde, erhoben die Minderjährigen Rekurs, die übrigen Beschlußpunkte blieben unangefochten. Die Rekurswerber vertreten die Auffassung, es sei seit Abschluß des Unterhaltsvergleiches im Zuge des Scheidungsverfahrens keine Änderung in den Einkommensverhältnissen des Vaters eingetreten, zumal dessen Verdienst vor Vergleichsabschluß durch Gelegenheitsarbeiten etwa S 5.000,-- bis S 6.000,-- monatlich betragen habe, der aus dem Titel der Sozialhilfe späterhin gewährte Betrag sei etwa gleich hoch gewesen, bzw. hätte der Vater schon früher um Gewährung von Sozialhilfe ansuchen müssen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Es ging davon aus, daß ab August 1990 eine wesentliche Änderung der Leistungsfähigkeit des Vaters eingetreten sei, zumal infolge gänzlichen Wegfalls der Arbeitsfähigkeit das zuvor erzielte Erwerbseinkommen nicht mehr habe ins Verdienen gebracht werden können. Sozialhilfe habe der Vater erst ab Mai 1991 bezogen, weil zuvor seine damalige Lebensgefährtin mit S 8.000,-- monatlich ein „zu hohes Haushaltseinkommen“ bezogen habe. Nach der ständigen Praxis der Sozialhilfeträger werde bei aufrechter Lebensgemeinschaft des Anspruchswerbers keine Sozialhilfe gewährt, solange der Lebensgefährte über ein ausreichendes Einkommen verfügt. Freiwillige Unterhaltsleistungen seien mindernd auf den Sozialhilfeanspruch anzurechnen. Die Lebensgefährtin des Vaters sei moralisch zum Beistand und zur Erbringung von Unterhaltsleistungen verpflichtet gewesen; es habe vom Vater nicht verlangt werden können, die Lebensgemeinschaft zu beenden, um dadurch die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe zu schaffen. Auf den Bezug von Sozialhilfe könne Werner S***** sohin nicht angespannt werden. Der Umstand, daß der Vater ab 15.5.1991 Sozialhilfe etwa in der Höhe bezog, wie es seinem unregelmäßigen Einkommen aus Gelegenheitsarbeiten vor Abschluß des Scheidungsvergleiches entsprach, bewirke nicht, daß die Unterhaltspflicht des Vaters im früheren Umfang wieder auflebe. Es sei lediglich eine abermalige Neubemessung erforderlich. Die Sozialhilfe selbst decke nur den eigenen notwendigen Lebensbedarf, eine Unterhaltsleistung sei einem Sozialhilfebezieher nicht zumutbar.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Zur Frage, ob Sozialhilfe als Einkommen zu betrachten ist, und ob ein Sozialhilfeempfänger aufgrund der von ihm bezogenen Sozialhilfe Unterhalt zu leisten hat, besteht keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, sodaß die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu bejahen ist.

Vorweg ist die Frage zu klären, ob in den für die Unterhaltsbemessung entscheidenden Verhältnissen seit Abschluß des Unterhaltsvergleichs eine Änderung eingetreten ist, die eine Neubemessung des vom Vater zu leistenden Unterhalts rechtfertigt, bzw. ob die im Vergleich festgelegte Relation beizubehalten ist.

Richtig ist, daß Unterhaltsvergleichen die Umstandsklausel innewohnt und der Unterhaltsanspruch (nur) bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu zu bestimmen ist (EFSlg. 68.421, 68.423, 1 Ob 568/93). Die Umstandsklausel gilt auch für jeden Unterhaltsvergleich (EFSlg. 65.754 ua). Ausgangsbasis für die Beurteilung, ob eine Änderung der Verhältnisse gegeben ist, sind sowohl die nachträglich objektiv feststellbaren, für die Unterhaltsbemessung bestimmenden Umstände, als auch die von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzten oder zugrundegelegten einzelnen Bemessungsgrundlagen (EFSlg. 63.491). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Eltern im Zuge der Ehescheidung einen in der Folge pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich geschlossen haben, mit welchem sich der Vater zur Bezahlung eines monatlichen Unterhalts von S 1.500,-- je Kind ab 1.11.1989 verpflichtet hat, wobei die Einkommenslosigkeit des Vaters als (einzige) Vergleichsgrundlage festgehalten und festgestellt wurde, daß im Falle wesentlicher Änderungen der Verhältnisse der gesetzliche Unterhalt geschuldet werde (GZ 13 P 151/89-6). Bei Einkommenslosigkeit des Vaters ist vorauszusetzen, daß er über Geldzuwendungen - welcher Art immer - oder über Vermögen verfügt haben muß, sonst wäre ihm die Leistung von Unterhalt überhaupt nicht möglich gewesen. In diesem Sinne haben die Vorinstanzen auch festgestellt, daß der Vater vor Juli 1990 durch Gelegenheitsarbeiten monatlich etwa S 5.000,-- bis S 6.000,-- ins Verdienen gebracht und daß er weiters zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses (17.10.1989) noch Ersparnisse von etwa S 20.000,-- hatte (AS 397). Diese Feststellungen blieben auch seitens der Rechtsmittelwerber unbekämpft. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist nicht nur bei Vorliegen neuer Tatsachen anzunehmen, sondern auch dann, wenn schon zur Zeit der früheren Entscheidung (hier: Vergleich) eingetretene Tatsachen dem Gericht erst später bekannt werden (EFSlg. 65.746). Grundsätzlich ist die in einem Vergleich festgelegte Relation zwischen Einkommenshöhe des Unterhaltspflichtigen und Höhe der Unterhaltsleistung weiterhin beachtlich (RZ 1992/58; RZ 1991/72), die Relation spielt aber dann keine Rolle, wenn die Änderung der Verhältnisse nicht nur in einer Änderung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen besteht (ÖAV 1994, 26). Nun wurde einerseits im vorliegenden Fall keine echte Relation zwischen der vom Unterhaltspflichtigen zu erbringenden Leistung und der Bemessungsgrundlage hergestellt, denn bei Einkommenslosigkeit und Nichtanführung weiterer Bemessungskriterien kann nicht davon gesprochen werden, daß die Streitteile eine Bindung an ein festgelegt zu behandelndes Verhältnis, das nach den Umständen des Einzelfalls ohnehin einem gewissen Spielraum unterliegt (6 Ob 1529/93), eingehen wollten. Andererseits ist eine Änderung im Vermögen des Vaters eingetreten, da er festgestelltermaßen zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch Vermögen (S 20.000,- -) hatte. Es hat sich also das Vermögen des Vaters seit Vergleichsabschluß zumindest verringert. Die völlige Neubemessung des Unterhalts aufgrund der geänderten Verhältnisse, unabhängig von der seinerzeitigen vergleichsweisen Unterhaltsbemessung, erweist sich sohin als dem Gesetz und der Judikatur des Obersten Gerichtshofes entsprechend (EFSlg. 59.519, 43.719 uva). Der vom Vater zu leistende Unterhalt ist sohin per 1.8.1990 tatsächlich neu zu bemessen.

Es ist auch nicht der Ansicht der Revisionsrekurswerber zu folgen, daß bei einer nach Änderung der Verhältnisse neuerlich eingetretenen Veränderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände, die zu einer ähnlichen Situation wie vor der ersten Änderung führt, keine Neufestsetzung stattzufinden hätte, sondern der Unterhalt im Sinne der ursprünglich vorgenommenen Festsetzung bzw. Vereinbarung „wiederherzustellen“ wäre. Jede wesentliche Änderung der Verhältnisse führt zu einer Neufestsetzung des Unterhalts (EFSlg. 68.423 uva). Ist daher in einem Verfahren der Unterhalt neu festzusetzen gewesen und treten Umstände ein, die eine Neufestsetzung abermals erfordern, ist diese Neufestsetzung unter Bedachtnahme auf sämtliche Bemessungskriterien durchzuführen, wobei dies durchaus andere Ergebnisse zeitigen kann als die ursprüngliche Unterhaltsbemessung. Ganz abgesehen davon wurde im vorliegenden Fall - wie schon ausgeführt - gar keine echte Relation zwischen einer Unterhaltsbemessungsgrundlage und dem vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt hergestellt, sodaß eine Rückkehr zur ursprünglichen Festsetzung von vornherein ausgeschlossen ist.

Erstmals im Revisionsrekurs wird die von den Vorinstanzen getroffene Feststellung, daß der Vater arbeitsunfähig sei, bestritten. Diese Feststellung wurde aufgrund eines in einem Zivilverfahren eingeholten Gutachtens durchaus begründet getroffen (AS 395). Abgesehen davon handelt es sich bei den Ausführungen, daß dem Vater Gelegenheitsarbeiten möglich wären, und dem hiezu nunmehr erstatteten Beweisanbot (Vernehmung eines der Unterhaltsberechtigten) um auch im Außerstreitverfahren unbeachtliche Neuerungen (EFSlg. 70.290 f, 67.379 f uva).

Ab dem 1.5.1991 hat der Vater Sozialhilfe im Ausmaß von monatlich etwa S 5.000,-- bezogen. Die Revisionsrekurswerber vertreten die Ansicht, daß der Vater bereits seit dem 1.8.1990 Sozialhilfe hätte beziehen können, die Unterlassung einer entsprechenden Antragstellung könne nicht zum Nachteil der Unterhaltsberechtigten gereichen. Es ist daher vorerst zu klären, ob ein Unterhaltspflichtiger, der lediglich Sozialhilfe empfängt, überhaupt zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet werden kann.

Zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Judikatur der Rekursgerichte. Während einerseits die Ansicht vertreten wurde, es sei auch von der Sozialhilfe Unterhalt zu leisten (zB EFSlg. 53.151), wurde andererseits ausgesprochen, daß ein Sozialhilfeempfänger zu einer Unterhaltsleistung nicht fähig sei (zB EFSlg. 53.152, 50.378). Unter Zitierung der zuletzt genannten Judikatur vertreten auch Purtscheller-Salzmann die Ansicht, daß Sozialhilfe kein Einkommen darstelle (Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 223). Der Oberste Gerichtshof hat schon zu 1 Ob 559/92 angedeutet, daß er auch Sozialhilfe als Einkommen betrachtet, weil er in der genannten Entscheidung ausgeführt hat, daß sich ein Unterhaltspflichtiger für den Fall des Unterlassens der Antragstellung bezüglich ihm gebührender Leistungen (aus Sozialhilfe....) im Sinne der Anspannungstheorie zumindest ein ihm mögliches Einkommen für die Unterhaltsleistung anrechnen lassen müsse (EFSlg. 68.035). Es wurde aber nicht ausdrücklich ausgesprochen, daß Leistungen aus dem Titel der Sozialhilfe tatsächlich Einkommen darstellen.

Unter Einkommen ist grundsätzlich alles zu verstehen, was einer Person als Naturalleistung oder in Geldleistungen welcher Art immer aufgrund eines Anspruches zukommt, sofern gesetzliche Bestimmungen die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte auf den Unterhalt nicht ausschließen. Es bleiben nur jene Teile der Einkünfte, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes dienen, außer Betracht. Wird unter Einkommen die Summe aller verfügbarer Mittel verstanden, folgt daraus, daß auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Die in der Leistung liegende Zweckbestimmung allein führt noch nicht zum Ausscheiden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage (ÖAV 1993, 145; 7 Ob 620/93; EFSlg. 68.133). In diesem Sinne wurden bereits die Ausgleichszulage und die Notstandshilfe trotz ihres öffentlich-rechtlichen Charakters als Einkommen beurteilt (RZ 1992/87; EFSlg. 68.133; 7 Ob 620/93; 7 Ob 531/93). Im Hinblick auf den Wortlaut des § 8 Abs. 1 WSHG besteht kein Anlaß, eine vom Unterhaltspflichtigen bezogene Sozialhilfe nicht als eigenes Einkommen zu behandeln. Die Sozialhilfe hat ebenso wie eine Ausgleichszulage oder Notstandshilfe subsidiären fürsorgerechtlichen Charakter (vgl. 7 Ob 531/93 mwH), und soll die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglichen (Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 359). Sozialhilfeleistungen sollen nur subsidiär gewährt werden (Pfeil, aaO, 364). Eine Sozialhilfezahlung fällt in die freie Verfügbarkeit des Beziehers und dient nicht der Abgeltung eines bestimmten Sonderbedarfs. Dann ist sie aber ebenso wie Notstandshilfe oder Ausgleichszulage als Einkommen der Bemessungsgrundlage zugrundezulegen (vgl. 7 Ob 620/93).

Den Feststellungen nach hat der Vater von Mai 1991 bis einschließlich Juli 1992 Sozialhilfe bezogen. Es wird daher zu klären sein, ob der Vater aufgrund des Sozialhilfebezugs in der festgestellten Höhe von etwa S 5.000,-- zur Leistung von Unterhalt an seine beiden Kinder verpflichtet werden kann. Hiebei wird zu beachten sein, daß dem Vater die zur Deckung seiner notwendigsten Lebensbedürfnisse erforderlichen Mittel verbleiben müssen. Generell kann aber auch bei geringer Einkommenshöhe die Leistung von Unterhalt nicht ausgeschlossen werden, da ein pflichtbewußter Familienvater auch bei geringem Einkommen seine Kinder an den wenngleich kärglichen Einkommensverhältnissen teilhaben lassen würde. Es wird aber zu beachten sein, daß Werner W***** bereits seit 20.8.1990 ein Eigeneinkommen als Tischlerlehrling bezog, das sich auf seinen Unterhaltsanspruch zumindest mindernd auswirken müßte.

Es wird aber auch die Frage zu klären sein, ob der Vater schon ab 1.8.1990 Sozialhilfe hätte erlangen können. Wie der Oberste Gerichtshof schon zu 1 Ob 559/92 (= EFSlg. 68.035) ausgeführt hat, müßte er sich im Sinne der Anspannungstheorie für den Fall der Unterlassung der Antragstellung aus in seiner Sphäre liegenden Gründen ein ihm mögliches Einkommen für die Unterhaltsleistung anrechnen lassen. Dies wird bei einem der Hilfe bedürftigen Unterhaltspflichtigen, der in Lebensgemeinschaft lebt, nicht zur Folge haben können, daß er seine Lebensgemeinschaft aufgeben müßte, um in den Genuß von Sozialhilfe gelangen zu können; er wird aber dann allenfalls den von seinem Lebensgefährten gereichten Unterhalt zum Teil zur Deckung des von ihm für seine Kinder zu leistenden Unterhaltsbetrags verwenden müssen. Die Feststellungen der Vorinstanzen, es werde nach ständiger Praxis der Sozialhilfeträger bei aufrechter Lebensgemeinschaft eines Anspruchswerbers keine Sozialhilfe gewährt, solange der Lebensgefährte über ein ausreichendes Einkommen verfüge, entsprechen zwar dem Sinn des § 8 Abs. 1 WSHG, wonach faktische Unterhaltsleistungen des Lebensgefährten bei der Bedarfsprüfung zu berücksichtigen sind (Pfeil, aaO, 411); es wird aber keine konkrete Aussage dahin getroffen und keine Begründung dafür gegeben, ob bzw. daß im vorliegenden Fall die Lebensgefährtin des Vaters Einkünfte in einer Höhe bezog, daß einem Antrag des Vaters auf Gewährung von Sozialhilfe kein Erfolg beschieden gewesen wäre. In dieser Richtung erweist sich das Verfahren auch hinsichtlich des Zeitraums vom 1.8.1990 bis 30.4.1991 als ergänzungsbedürftig.

Was die von den Revisionsrekurswerbern monierte allfällige Überschreitung der Richtsätze für den Lebensunterhalt betrifft, erscheint es durchaus denkbar, daß dem Vater zusätzliche Geld- oder Sachleistungen seitens des Sozialhilfeträgers im Sinne des § 5 Abs.1 der Richtsatzverordnung 1989 (siehe Pfeil, aaO, 350 f) gewährt werden könnten; ob dies der Fall gewesen wäre, bzw. ob der Vater die diesbezüglich ihm zuerkannten Beträge für seinen tatsächlichen Mehrbedarf hätte verwenden müssen, bedarf ergänzender Feststellungen.

Insgesamt erweist sich sohin der Revisionsrekurs im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags als berechtigt.

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