OGH 10ObS190/04w

OGH10ObS190/04w18.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Partei Anna E*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Pichler und Schütz Rechtsanwälte und Strafverteidiger KEG in Judenburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. September 2004, GZ 7 Rs 69/04b-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. März 2004, GZ 23 Cgs 382/02t, 23 Cgs 62/03k-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreter die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 23. 4. 1982, 6 Cg 148/82, wurde die zwischen der Klägerin und Adolf E***** am 7. 4. 1958 geschlossene Ehe geschieden und ausgesprochen, dass das Alleinverschulden an der Scheidung den beklagten Ehemann treffe.

Die Klägerin bezieht seit 1994 von der beklagten Partei eine vorzeitige Alterspension samt Ausgleichslage in wechselnder Höhe. Die Ausgleichszulage betrug im Jahr 2001 ATS 2.465,10 monatlich. Mit rechtskräftigem Bescheid der beklagten Partei vom 12. 3. 2002 wurde die Höhe der Ausgleichszulage ab 1. 4. 2002 mit EUR 65,66 monatlich neu festgestellt. Die vorzeitige Alterspension der Klägerin betrug im Jahr 2002 EUR 438,76 brutto monatlich (abzüglich EUR 18,92 an Krankenversicherungsbeitrag) und im Jahr 2003 EUR 440,95 brutto monatlich (abzüglich EUR 19,53 an Krankenversicherungsbeitrag). Der geschiedene Ehegatte der Klägerin bezog (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) im Jahr 2002 ein monatliches Pensionseinkommen von EUR 1.309,13 und ab 1. 1. 2003 von EUR 1.328,27.

In einem am 21. Oktober 2002 vor dem Bezirksgericht Weiz zu 1 C 71/02h abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der geschiedene Ehegatte, der Klägerin vom 1. 5. 2002 bis 31. 10. 2002 EUR 300 an rückständigem Unterhalt und ab 1. 11. 2002 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 50 zu bezahlen. Diesem Unterhaltsvergleich ging eine Berechnung des Unterhaltsanspruches der Klägerin durch den Verhandlungsrichter des Bezirksgerichtes Weiz voraus, welcher das damalige Pensionseinkommen des geschiedenen Ehegatten von EUR 1.309,13 monatlich unter Abzug des vom Finanzamt gewährten Freibetrages für Minderung der Erwerbsfähigkeit und Krankendiätverpflegung von EUR 94,50 monatlich sowie das bereits erwähnte Pensionseinkommen der Klägerin (einschließlich Sonderzahlungen) und die der Klägerin aufgrund des rechtskräftigen Bescheides vom 12. 3. 2002 von der beklagten Partei gewährte Ausgleichszulage von EUR 65,66 monatlich zu Grunde gelegt wurden. Unter Berücksichtigung der sonstigen Unterhaltspflichten des geschiedenen Ehemannes (für die Ehefrau und ein Kind) war ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von EUR 56,94 monatlich (= Differenz auf 35 % des Gesamteinkommens) ermittelt worden. Weiters hielten die Parteien fest, dass die derzeit von der Klägerin bezogene Ausgleichszulage in Höhe von EUR 65,66 monatlich aufgrund einer fiktiven Unterhaltsanrechnung laut Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 2. (richtig: 12.) 3. 2002 in der Höhe von EUR 126,50 gekürzt werde. Die Klägerin gab die Erklärung ab, nach Rechtswirksamkeit des Vergleiches unverzüglich bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter wegen einer Verringerung dieses Abzuges vorstellig zu werden und das diesbezügliche Ergebnis zwecks nachträglicher Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten dem Klagevertreter bekannt zu geben.

Mit Bescheid vom 26. 11. 2002 stellte die beklagte Partei die Ausgleichszulage der Klägerin ab 1. 5. 2002 mit EUR 95,33 monatlich neu fest. In der Begründung verwies die beklagte Partei darauf, dass laut Vergleich des Bezirksgerichtes Weiz vom 21. 10. 2002 für die Unterhaltsbemessung anstelle von 37 % lediglich 35 % des Familieneinkommens maßgebend seien, weshalb sich zum 1. 5. 2002 eine monatlich anrechenbare Unterhaltsleistung von EUR 96,83 ergebe. Den Ausführungen im Vergleich, bei der Feststellung des Familieneinkommens die zur Pension gebührende Ausgleichszulage einfließen zu lassen, könne unter Hinweis auf die Bestimmungen des Ausgleichszulagenrechtes im ASVG nicht Folge geleistet werden.

Mit weiteren Bescheid vom 18. 2. 2003 stellte die beklagte Partei den Ausgleichszulagenanspruch der Klägerin ab 1. 1. 2003 mit EUR 79,98 monatlich fest und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz des Überbezuges von EUR 14,77 für Jänner 2003. In der Begründung wurde auf die Änderung der anrechenbaren Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehemannes verwiesen.

Gegen die Bescheide vom 26. 11. 2002 und vom 18. 2. 2003 richten sich die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen mit dem Begehren auf Gewährung der Ausgleichszulage im höchstmöglich gesetzlichen Ausmaß ab 1. 5. 2002 bzw 1. 1. 2003.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung des Überbezuges von EUR 14,77. Sie wendete im Wesentlichen ein, die im Unterhaltsvergleich vereinbarte Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehemannes im Umfang der von der Klägerin bezogenen Ausgleichszulage komme einem Verzicht gleich, der nicht zu Lasten des Sozialversicherungsträgers gehen dürfe. Es sei daher bei der Berechnung des Unterhaltsanspruches der Klägerin die von ihr bezogene Ausgleichszulage nicht zu berücksichtigen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. 5. 2002 bis 31. 12. 2002 eine Ausgleichszulage von EUR 135,22 monatlich und ab 1. 1. 2003 eine solche von EUR 152,59 monatlich zu bezahlen und sprach aus, dass der Rückforderungsanspruch von EUR 14,77 nicht zu Recht bestehe.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Anspruch auf Ausgleichszulage nach § 292 ASVG habe zur Voraussetzung, dass die Pension zuzüglich des aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens - dazu gehöre nach der Aufhebung der im § 294 ASVG vorgesehenen Pauschalanrechnung durch den Verfassungsgerichtshof auch der Unterhaltsanspruch - die Höhe des geltenden Richtsatzes nicht erreiche. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei sei bei der Unterhaltsbemessung die von der Klägerin bezogene Ausgleichszulage zu berücksichtigen, weil nach der Rechtsprechung öffentlich-rechtliche Leistungen wie Karenzgeld, Ausgleichszulage, Notstandshilfe und Sozialhilfe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Unterhaltsansprüche seien bei der Ausgleichszulagenberechnung als sonstiges Einkommen nur zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert worden seien. Der Klägerin könne kein Vorwurf dahingehend gemacht werden, dass sie keine über den errechneten Unterhaltsanspruch von EUR 56,94 monatlich hinausgehende Unterhaltsleistung vereinbart habe, weil ihr damals aufgrund der gebotenen Berücksichtigung der Ausgleichszulage als Einkommen kein höherer Unterhaltsanspruch zugestanden sei. Vorwerfbar sei der Klägerin lediglich, dass sie den Unterhaltsvergleich nicht in Höhe der errechneten Unterhaltsverpflichtung von EUR 56,94 monatlich, sondern nur in Höhe von EUR 50 abgeschlossen habe. Aus der von der Klägerin anlässlich dieses Vergleiches abgegebenen Erklärung ergebe sich das offensichtliche Bemühen, die Unterhaltsbelastung des geschiedenen Gatten mit Hilfe der Ausgleichszulage „abzufedern".

Unter Berücksichtigung der festgestellten Einkommensverhältnisse ergebe sich unter Einbeziehung der von der Klägerin bezogenen Ausgleichszulage für den Zeitraum vom 1. 5. 2002 bis einschließlich 31. 12. 2002 ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von EUR 56,94 monatlich. Der Ausgleichszulagenanspruch der Klägerin für den genannten Zeitraum (2002) sei unter Anwendung des Richtsatzes von EUR 630,92 aus der Differenz zwischen Richtsatz und Summe der Pension (EUR 438,76) und Unterhaltsanspruch (EUR 56,94) mit EUR 135,22 monatlich zu ermitteln.

Für das Jahr 2003 betrage das anrechenbare Einkommen der Klägerin unter Einbeziehung einer monatlichen Ausgleichszulage von EUR 135,22 insgesamt EUR 649,41 monatlich, sodass sich bei einem Gesamteinkommen von EUR 1.883,18 monatlich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin (35 % des Gesamteinkommens abzüglich Eigeneinkommen der Klägerin) von EUR 9,70 ergebe. Da die Klägerin aber laut Unterhaltsvergleich Anspruch auf einen monatlichen Unterhalt von EUR 50 habe, sei dieser Betrag bei der Ermittlung der Ausgleichszulage heranzuziehen. Diese errechne sich ab 1. 1. 2003 unter Anwendung des Richtsatzes von EUR 643,54 aus der Differenz zwischen Richtsatz und Summe von Pension und Unterhalt (insgesamt EUR 490,95) mit EUR 152,59 monatlich. Ein Rückersatzanspruch von EUR 14,77 für den Monat Jänner 2003 bestehe mangels Überzahlung nicht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichtes an und verwies ergänzend noch darauf, dass nach der Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht ein krankheitsbedingter Mehraufwand für die Anschaffung der erforderlichen Diätnahrung die Unterhaltsbemessungsgrundlage für den Unterhaltspflichtigen vermindere. Der dem geschiedenen Ehemann der Klägerin erwachsende Mehraufwand für Diätverpflegung und Minderung der Erwerbsfähigkeit, der vom Finanzamt im Rahmen eines Freibetrages berücksichtigt worden sei, sei daher zu Recht von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug gebracht worden.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Berücksichtigung von bereits gewährter Ausgleichszulage bei Bildung der Unterhaltsbemessungsgrundlage und Ausmittlung des Unterhaltsanspruches im Ausgleichszulagenverfahren fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Ausgleichszulage (ohne Einbeziehung der bereits laufenden Ausgleichszulage in die Unterhaltsbemessungsgrundlage der unterhaltsberechtigten Klägerin) ab 1. 5. 2002 in Höhe von EUR 102,34 monatlich und ab 1. 1. 2003 in Höhe von EUR 108,33 monatlich festgesetzt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei bekämpft die Entscheidung der Vorinstanzen nur noch unter dem Gesichtspunkt, dass von den Vorinstanzen die von ihr an die Klägerin geleistete bzw zu leistende Ausgleichszulage als Einkommen der Klägerin in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen worden sei. Das Erstgericht gelange durch die Einbeziehung der Ausgleichszulage zu einem immer höheren Nettoeinkommen der Klägerin. Mit dem betragsmäßigen Anstieg der Ausgleichszulage verringere sich zwangsläufig der anrechenbare Unterhaltsanspruch gegenüber dem unterhaltspflichtigen Ehegatten, da keine Doppelversorgung eintreten dürfe. So gelange das Erstgericht für das Jahr 2002 noch zu einem rechnerischen Unterhaltsanspruch der Klägerin von EUR 56,94 monatlich. Bei annähernd gleich ansteigendem Einkommen der geschiedenen Ehegatten würde jedoch im Jahr 2003 nur noch ein anrechenbarer Unterhaltsanspruch von EUR 9,70 monatlich verbleiben. Im Jahr 2004 hätte die Klägerin überhaupt keinen anrechenbaren Unterhaltsanspruch mehr.

Es entspreche zwar der herrschenden Rechtsprechung, dass auch öffentlich-rechtliche Leistungen, wie Sozialhilfe, Ausgleichszulage, Notstandshilfe und Karenzurlaubsgeld, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Es sei jedoch darauf Bedacht zu nehmen, ob durch öffentlich-rechtliche Leistungen Verpflichtungen Dritter (hier Unterhaltsansprüche) gedeckt werden sollen. Die Regelungen im ASVG über den Anspruch auf Ausgleichszulage ließen in Bezug auf das Prinzip der Nachrangigkeit der Ausgleichszulage, die umfangreichen Meldeverpflichtungen und die Pflicht zum Rückersatz von aufgewendeten Leistungen klar erkennen, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtige, unterhaltsberechtigten Personen eine Doppelversorgung zukommen zu lassen bzw unterhaltspflichtige Personen von ihren privatrechtlichen Verpflichtungen zu entlasten. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung 6 Ob 237/03a vom 23. 10. 2003 ausgesprochen, dass einer anderen Rechtsansicht auch in Bezug auf eine bereits laufende Geldleistung im Rahmen der Sozialhilfe nicht beigetreten werden könne, da sie auf das Prinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe nicht Bedacht nehme. Da dies auch für eine bereits laufende Ausgleichszulage im Rahmen des ASVG gelten müsse, hätte das Berufungsgericht die bereits laufende Ausgleichszulage nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage der Klägerin einbeziehen dürfen.

Weiters verweist die beklagte Partei darauf, dass der Berechtigte aufgrund des subsidiären sozialhilfeähnlichen Charakters der Ausgleichszulage im Allgemeinen nicht von sich aus auf realisierbare Einkünfte verzichten dürfe, sodass das bloße Nichtgeltendmachen und Nichteintreiben offener Forderungen für die Ausgleichszulagenfeststellung unbeachtlich sei und insofern daher nicht auf den Unterhaltsvergleich abzustellen sei.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen (SSV-NF 16/97, 17/63; DRdA 2004/29 [Dumpfhart], 10 ObS 223/02w, 10 ObS 429/02i, 10 ObS 114/03t sowie jüngst 10 ObS 38/04t) zur Anrechnung von Unterhaltsansprüchen auf die Ausgleichszulage - nach der Aufhebung der Pauschalanrechnungsvorschrift durch den Verfassungsgerichtshof - eingehend Stellung genommen. Es wurde dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass seit der Aufhebung der Unterhaltspauschalierung Unterhaltsansprüche unter den allgemeinen Einkommensbegriff des § 292 Abs 3 ASVG fallen. Dies hat die Konsequenz, dass auch diese Einkünfte nur im tatsächlich zufließenden Ausmaß für die Ermittlung der Ausgleichszulage heranzuziehen sind. Der bloße Anspruch auf bestimmte Geld- und Sachleistungen reicht dafür nicht aus. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass es der subsidiäre sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage jedoch im Allgemeinen auch verbietet, dass der Berechtigte von sich aus auf realisierbare Einkünfte verzichtet. Die Judikatur hat aus dem Gedanken des Verbots missbräuchlicher Rechtsausübung gefolgert, dass der Verzicht auf bestehende, im Rahmen der Ausgleichszulagenfeststellung zu berücksichtigende Ansprüche (worunter auch das bloße Nichtgeltendmachen und Nichteintreiben offener Forderungen zu verstehen ist) für die Ausgleichszulagenfeststellung unbeachtlich ist, sofern dieser Verzicht (bzw die Rechtsaufgabe) offenbar den Zweck hat, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, indem die Leistungslast vom persönlich haftenden (Unterhalts-)Schuldner auf die öffentliche Hand abgewälzt werden soll. Demnach sind nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Unterhaltsansprüche, die nicht der Pauschalanrechnung des § 294 Abs 1 lit c ASVG unterliegen, bei der Ausgleichszulagenbemessung als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden.

Von diesen Grundsätzen geht auch die Revisionswerberin in ihrem Rechtsmittel aus. Es ist im vorliegenden Fall auch nicht strittig, dass von den Vorinstanzen bei der Berechnung des Anspruches der Klägerin auf Ausgleichszulage die der Klägerin im maßgebenden Zeitraum tatsächlich zugeflossenen Pensions- und Unterhaltszahlungen zur Gänze berücksichtigt wurden. Die Revisionswerberin wendet sich ausschließlich gegen die Einbeziehung der von ihr an die Klägerin geleistete bzw zu leistende Ausgleichszulage als Einkommen der Klägerin in die Unterhaltsbemessungsgrundlage und die damit verbundene Schmälerung des Unterhaltsanspruches der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehegatten. Nach Ansicht der Revisionswerberin habe die Klägerin insoweit einen ihr zustehenden gesetzlichen Unterhaltsanspruch rechtsmissbräuchlich nicht realisiert und die Leistungslast vom persönlich haftenden Unterhaltsschuldner auf die öffentliche Hand abgewälzt.

Ein Rechtsmissbrauch liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht erst dann vor, wenn die Absicht des Ausgleichszulagenwerbers, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, der einzige Grund des Verzichtes ist, sondern schon dann, wenn das unlautere Motiv des Verzichtes die lauteren Motive eindeutig überwiegt, also so augenscheinlich in den Vordergrund tritt, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, demnach zwischen den vom Verzichtenden (vorsätzlich) verfolgten und den beeinträchtigten Interessen des Trägers der Ausgleichszulage ein krasses und zu missbilligendes Missverhältnis besteht. Ein Verzicht entfaltet gegenüber dem Versicherungsträger jedoch jedenfalls dann Wirksamkeit, wenn er hinsichtlich unrealisierbarer Forderungen abgegeben wird (in diesem Fall ändert sich an der Einkommenssituation des Pensionisten nichts). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalles zu klärende Rechtsfrage. Nach der Rechtsprechung hat der Versicherungsträger, der sich auf einen solchen Rechtsmissbrauch beruft, nach der auch in Sozialrechtssachen geltenden Grundregel, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen beweisen muss, die objektive Beweislast für die Umstände zu tragen, aus denen sich ein eindeutiges Überwiegen der unlauteren Motive des Verzichtenden ergibt (ZAS 1995,19 [Brodil]; SSV-NF 9/76, 7/81 ua).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann hat die beklagte Partei den ihr obliegenden Beweis für einen rechtsmissbräuchlichen Verzicht der Klägerin auf realisierbare (höhere) Unterhaltsansprüche gegen ihren geschiedenen Ehegatten nicht erbracht. Wie bereits das Erstgericht zutreffend angemerkt hat, ergibt sich zwar aus der festgestellten Erklärung der Klägerin anlässlich des Vergleichsabschlusses ihr Bemühen, die Unterhaltsbelastung des geschiedenen Ehegatten mit Hilfe der Ausgleichszulage „abzufedern"; es haben aber bereits die Vorinstanzen zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Verhandlungsrichter vorgenommene Berechnung des Unterhaltsanspruches der Klägerin im Einklang mit der im Unterhaltsrecht herrschenden Rechtsprechung steht. Danach entspricht es der aktuellen Rechtsprechung, dass grundsätzlich auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Die in der Leistung liegende Zweckbestimmung allein führt noch nicht zum Ausscheiden aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage. In diesem Sinn wurde auch die Ausgleichszulage trotz ihres subsidiären, fürsorgerechtlichen Charakters als eigenes Einkommen (auch) des Unterhaltsberechtigten beurteilt (vgl 7 Ob 531/93 = EFSlg 70.610; die Entscheidung 7 Ob 152/03h = EvBl 2003/184 betraf die vom Unterhaltspflichtigen bezogene Ausgleichszulage). Diese Rechtsansicht wurde bis in die jüngste Zeit unter anderem in den bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidungen 1 Ob 108/01s = JBl 2002, 449 und 6 Ob 237/03a fortgeschrieben, ohne dass allerdings in diesen Fällen konkret ein Anspruch auf Ausgleichszulage zu beurteilen gewesen wäre. Ob diese Rechtsauffassung in solchen Fällen, in denen sie zur Entlastung eines an sich finanziell leistungsfähigen Unterhaltsschuldners auf Kosten der aus Steuergeldern finanzierten Ausgleichszulage führt, aufrechterhalten werden könnte (vgl dazu beispielsweise die Entscheidungsanmerkung von Dullinger in DRdA 1998/61, 428f, die frühere gegenteilige Rechtsprechung EFSlg 63.516 (LGZ Wien) sowie 8 Ob 503/92 und auch die in der Revision zitierte neuere Rechtsprechung zur Frage der Einbeziehung der Sozialhilfe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage, die eine undifferenzierte Wertung der Sozialhilfe als Einkommen des Unterhaltsberechtigten bei gleichzeitiger endgültiger Entlastung des Unterhaltspflichtigen zu Lasten des Sozialhilfeträgers ablehnt), ist hier - wie auch bereits in der Entscheidung SSV-NF 11/150 - nicht zu beurteilen. Es sei in diesem Zusammenhang allerdings angemerkt, dass der erkennende Senat im Sinne des Rechtsstandpunktes der beklagten Partei bereits ausgesprochen hat, dass die aus öffentlichen Mitteln finanzierte und subsidiären Charakter aufweisende Ausgleichszulage nicht dazu dient, nach bürgerlichem Recht zum Schadenersatz verpflichtete und finanziell leistungsfähige Schädiger zu entlasten (SSV-NF 13/126).

Im vorliegenden Verfahren ist vielmehr nur zu prüfen, ob der Klägerin ein rechtsmissbräuchlicher Verzicht auf realisierbare (höhere) Unterhaltsansprüche gegen ihren geschiedenen Ehegatten zur Last zu legen ist. Diese Frage ist mit den Vorinstanzen schon deshalb zu verneinen, weil auch die im Unterhaltsverfahren anwaltlich vertretene Klägerin aufgrund der zitierten Rechtsprechung davon ausgehen durfte, dass der Zuspruch höherer Unterhaltszahlungen durch den geschiedenen Ehegatten nicht erreichbar ist. Es liegt daher, wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, ein rechtsmissbräuchlicher Verzicht der Klägerin auf realisierbare Einkünfte nicht vor. Die beklagte Partei kann sich schließlich auch nicht dadurch beschwert erachten, dass für das Jahr 2002 ein Unterhaltsanspruch der Klägerin von EUR 56,94 monatlich errechnet, im Unterhaltsvergleich jedoch lediglich die Zahlung eines Unterhaltes von EUR 50 monatlich vereinbart wurde, weil das Erstgericht bei der Berechnung des Anspruches der Klägerin auf Ausgleichszulage ohnehin den höheren Unterhaltsbetrag von EUR 56,94 in Ansatz gebracht hat. Weitere Einwände gegen die vom Erstgericht vorgenommene Berechnung des Ausgleichszulagenanspruches der Klägerin werden auch in der Revision nicht vorgebracht.

Dem Rechtsmittel der beklagten Partei muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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