OGH 6Ob237/03a

OGH6Ob237/03a23.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Maria P*****, vertreten durch Mag. Albrecht Zauner, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Otmar P*****, vertreten durch Dr. F.X. Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterhalt, über die Revisionsrekurse der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 1. Juli 2003, GZ 15 R 235/03i-16, mit dem der Beschluss (die einstweilige Verfügung) des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 28. April 2003, GZ 4 C 152/02b-11, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat die Kosten seines Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig und die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 300,10 EUR (darin enthalten 50,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind seit 1981 verheiratet. Sie sind je zur Hälfte Eigentümer eines Hauses, das als Ehewohnung diente. Mit am 4. 11. 2002 eingebrachter Klage begehrte die Klägerin rückständigen Unterhalt seit November 1999 von insgesamt 10.440 EUR und laufenden Unterhalt von 290 EUR monatlich ab 1. 11. 2002. Zugleich stellte sie das auf § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO gegründete Begehren auf einstweiligen laufenden Unterhalt in der selben Höhe und auf Verpflichtung des Beklagten zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses von 1.500 EUR. Sie beziehe kein Einkommen. Auf Grund ihrer psychischen Erkrankung könne ihr eine Vernachlässigung der Haushaltsführung und das Verlassen des ehelichen Haushaltes nicht vorgeworfen werden. Ihr Verhalten sei im Übrigen bloß eine Reaktion darauf, dass der Beklagte die Klägerin in eine kleine Dachkammer verwiesen und jede Kommunikation mit ihr unterlassen habe. Die von der Klägerin bezogene Sozialhilfe sei auf ihren Unterhaltsanspruch ohne Einfluss. Die teilweise auch für die Klägerin geleisteten Darlehensrückzahlungen im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Haus und die Begleichung von Strom- und Heizkosten durch den Beklagten seien im Ausmaß von 221 EUR und 20 EUR monatlich als anrechenbarer Naturalunterhalt zu werten. Im Hinblick auf das Einkommen des Beklagten von 1.400 EUR 14 x jährlich sei der begehrte Unterhalt angemessen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie eine ehewidrige Beziehung aufgenommen habe, für einige Zeit zu ihrem Freund gezogen sei und im Übrigen den ehemaligen Haushalt vernachlässigt habe, wofür sie trotz ihrer Erkrankung auch subjektiv verantwortlich sei. Es liege keine Gefährdung der Klägerin vor, weil sie ohnehin betreut werde und für ihren Unterhalt gesorgt sei. Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an: Die Klägerin leidet an Depressionen, einer dipolaren affektiven Störung und Manie und ist immer wieder in stationärer Behandlung. Sie kann sich nicht selbst erhalten. Sie ist derzeit in einem von einem Verein betreuten Wohnheim untergebracht, wofür sie 160 EUR monatlich zu zahlen hat. Sie bezieht Sozialhilfe von 547 EUR monatlich zuzüglich einer vierteljährlichen Sonderzahlung von 193,50 EUR. Der Beklagte verdient als Kraftfahrer 1.473 EUR netto im Monatsschnitt. Er erbringt die Darlehensrückzahlungen für das gemeinsame Haus alleine. Hievon entfällt ein Anteil von 221 EUR monatlich auf die Klägerin. Der Beklagte trägt auch die Betriebskosten für das Haus. Weitere Sorgepflichten treffen ihn nicht. Die drei Kinder der Streitteile sind bereits selbsterhaltungsfähig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Klägerin auf Grund ihrer psychischen Erkrankung kein Verschulden an den behaupteten Eheverfehlungen vorgeworfen werden könne. Sie habe daher gemäß § 94 Abs 2 ABGB Anspruch auf Unterhalt. Der begehrte Betrag entspreche den Einkommensverhältnissen des Beklagten und sei unter Berücksichtigung des teilweise geleisteten Naturalunterhaltes (Darlehensrückzahlungen, Zahlung der Betriebskosten) angemessen. Zum vorläufigen Unterhalt gehöre auch der Prozesskostenvorschuss, der ebenfalls in der begehrten Höhe angemessen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten insoweit Folge, dass es den Antrag auf Zahlung des Prozesskostenvorschusses von 1.500 EUR abwies und die Kostenentscheidung abänderte. Im Übrigen - hinsichtlich des laufenden Unterhaltes - bestätigte es die einstweilige Verfügung. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches sei infolge der als bescheinigt anzunehmenden geistigen Erkrankung der Klägerin im Provisorialverfahren nicht anzunehmen. Der Sozialhilfebezug sei auf den Unterhaltsanspruch nicht anzurechnen. Es bestünden zwar grundsätzlich keine Unterhaltsansprüche gegen den zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen, wenn der Unterhaltsbedarf des Berechtigten auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Gänze von Dritten gedeckt werde, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung bestehe. Von diesen Grundsätzen seien aber jene Fälle ausgenommen, in denen der (Landes-)Gesetzgeber dem Sozialhilfeträger einen Ersatzanspruch gegen den Unterhaltsempfänger oder den Unterhaltspflichtigen einräume und eine aufgeschobene Legalzession anordne. Dies treffe nach den §§ 46, 47 und 49 OöSHG zu. Dass der Beklagte bereits Ersatz an den Sozialhilfeträger leisten würde (§ 52 Abs 4 und 5 OöSHG), sei nicht behauptet worden.

Die Deckung notwendiger Prozess- und Anwaltskosten zähle zum Unterhalt; solche Kosten seien daher aus dem Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB zu decken und nicht außerhalb des einstweiligen Unterhaltes als gesonderter Vorschuss zuzusprechen. Wenn sich aber aus der Prozessgefahr ein besonderer Unterhaltsbedarf ergebe, den der Unterhaltsberechtigte aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen nicht decken könne, sei ein Prozesskostenvorschuss auch im Provisorialverfahren zuzusprechen, sofern dies dem Unterhaltspflichtigen neben der laufenden Unterhaltsleistung zumutbar sei. Im vorliegenden Fall fehle es aber an einem besonderen, zusätzlichen Unterhaltsbedarf der Klägerin, weil ihr Rechtsvertreter gleichzeitig ihr Sachwalter sei und nicht ein frei gewählter Rechtsanwalt, der einen Kostenvorschuss von seiner Mandantin verlangen könne. Gemäß § 267 Abs 1 letzter Satz ABGB (iVm § 282 Abs 1 ABGB) gebühre einem rechtskundigen Sachwalter für den Einsatz seiner beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten nur dann ein angemessenes Entgelt - insbesondere nach dem RATG - vom Betroffenen, soweit nicht die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben seien. Diese Voraussetzungen lägen bei der Sozialhilfe beziehenden Klägerin wohl vor, sodass nicht ersichtlich sei, worin der besondere Unterhaltsbedarf für die Prozessführung bestehen solle. Daran ändere auch die Rechtsprechung nichts, wonach der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht auf die Beigebung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenshilfe verwiesen werde dürfe, weil dies nur den frei gewählten Anwalt betreffe. Da somit derzeit kein zusätzlicher Unterhaltsbedarf für die Führung des Unterhaltsverfahrens bestehe, stelle sich die Frage der Zumutbarkeit eines Prozesskostenvorschusses für den Beklagten nicht mehr. Dem Rekurs des Beklagten sei daher hinsichtlich des Prozesskostenvorschusses Folge zu geben und der diesbezügliche Antrag abzuweisen.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung der Sozialhilfe bei Unterhaltsleistungen uneinheitlich sei und in der Entscheidung 1 Ob 108/01s Sozialhilfe als Einkommen qualifiziert worden sei, ohne dass auf das Problem der Ersatzpflicht und der aufgeschobener Legalzession eingegangen worden sei.

Gegen diesen Beschluss erhoben beide Parteien Revisionsrekurse. Die Klägerin bekämpft die Abweisung ihres Antrages auf Prozesskostenvorschuss, der Beklagte den Zuspruch vorläufigen laufenden Unterhaltes.

Die Revisionsrekurse sind zwar zulässig, sie sind aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 4.000 EUR übersteigt, weil entgegen der Ansicht der Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auch im Provisorialverfahren vom Dreifachen der Jahresleistung (§ 58 Abs 1 JN) auszugehen ist. Bei Ansprüchen auf den gesetzlichen Unterhalt bedarf es keines Bewertungsausspruches durch das Gericht zweiter Instanz (6 Ob 236/98v).

2. Zum Revisionsrekurs der Klägerin:

Die Klägerin vermag den zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes, auf die gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO verwiesen werden kann, nichts Wesentliches entgegenzuhalten. Dass ihr Rechtsvertreter in dieser Rechtssache zugleich einstweiliger Sachwalter ist, der im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenbereiches (Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und Vertretung der Klägerin vor Gericht) das Verfahren namens der Klägerin führt, ist unstrittig. Dass das Sachwalterbestellungsverfahren bereits beendet und er seiner Funktion enthoben worden sei, wurde nicht behauptet. Der Rechtsvertreter der Klägerin hat sich auch nicht auf eine ihm erteilte Prozessvollmacht gemäß § 30 Abs 2 ZPO berufen. Die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG ist sofort wirksam und schränkt die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen entsprechend ein. Nur wenn kein einstweiliger Sachwalter nach dieser Gesetzesstelle bestellt wurde, tritt diese Rechtsfolge erst mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Bestellung des (endgültigen) Sachwalters ein (1 Ob 63/01y). Der Entlohnungsanspruch des einstweiligen Sachwalters ist nicht anders geregelt als jener des endgültig bestellten Sachwalters (§ 282 iVm §§ 266, 267 ABGB). Führt demnach der einstweilige Sachwalter ein Verfahren für die behinderte Person, der Verfahrenshilfe hätte gewährt werden können, besteht - unabhängig davon, ob ein entsprechender Antrag gestellt oder schon bewilligt wurde - ein derartiger Entgeltanspruch nicht (296 BlgNR 21. GP 79). Dass hier die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe zu bejahen sind, hat das Rekursgericht zu Recht ausgeführt. Die Klägerin hat daher - zumindest derzeit - keine Anwaltskosten zu tragen, sodass ihr der hiefür aus dem Titel des einstweiligen Unterhaltes begehrte Vorschuss nicht zusteht.

3. Zum Revisionsrekurs des Beklagten:

Dem Vorbringen, es sei unklar, ob der Klägerin überhaupt Sozialhilfe nach dem OöSHG gewährt werde oder ob das Oö. Behindertengesetz Rechtsgrundlage der von ihr bezogenen Zahlungen sei oder "irgendein öffentlicher oder privater Fonds" die Klägerin unterstütze, ist zu erwidern, dass beide Parteien im bisherigen Verfahren unstrittig davon ausgingen, die Klägerin beziehe Sozialhilfe, die - letztlich - vom Land Oberösterreich getragen wird, wie dieses auch bestätigt hat (Blg D). Es ist daher auszuschließen, dass die festgestellten Zahlungen von "irgendeinem Fonds" stammen. Es wurde auch nicht behauptet, dass der sowohl von den Parteien als auch von der im Bescheinigungsverfahren einvernommenen Sozialarbeiterin und in der vorgelegten Bestätigung des Landes Oberösterreich gewählte Begriff der Sozialhilfe zufällig verwendet worden und in Wahrheit eine Behindertenhilfe gemeint gewesen sei. Der Umstand, dass kein schriftlicher Bescheid erlassen wurde, spricht nicht dagegen, dass das OöSHG Rechtsgrundlage des Sozialhilfebezuges ist, das in § 25 entsprechende Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erlassung eines Bescheides vorsieht. Wie sich andere öffentlich-rechtliche oder private Hilfestellungen auf den Unterhaltsanspruch auswirken, ist daher hier nicht zu prüfen.

Zu den nach dem Oö. Sozialhilfegesetz 1998, LGBl Nr 82/1998, Oö.SHG 1998 (OöSHG) bezogenen Geldleistungen ist im Anschluss an die Entscheidung des Senates vom 2. 10. 2003, 6 Ob 8/03z, auszuführen:

Nach ständiger Rechtsprechung zu § 94 ABGB ist unter Einkommen alles zu verstehen, was einer Person an Natural- oder Geldleistung welcher Art immer auf Grund eines Anspruches zukommt, sofern gesetzliche Bestimmungen die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte auf den Unterhalt nicht ausschließen. Außer Betracht bleiben nur jene Teile der Einkünfte, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes dienen. Wird unter Einkommen die Summe aller verfügbaren Mittel verstanden, sind auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (SZ 68/157). Soweit die Unterhaltsbedürfnisse einer Person infolge einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung von einem Dritten gedeckt werden, bestehen keine Unterhaltsansprüche gegen einen nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung besteht. Deshalb werden auch Sozialleistungen, die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes für einen Sonderbedarf dienen oder nach den gesetzlichen Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind, als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen. Anderes kann nur für Sozialleistungen zur Deckung des Mehraufwandes für einen bestimmten Sonderbedarf gelten. Die öffentlich-rechtliche Leistung wird im Unterhaltsverfahren daher grundsätzlich als Einkommen behandelt, und zwar sowohl dann, wenn es um dasjenige des Unterhaltspflichtigen als auch, wenn es um das Einkommen des Unterhaltsberechtigten geht. Im zweiten Fall ist der Gesichtspunkt entscheidend, dass kein Anspruch auf Doppelversorgung besteht. Daher wurden in der Rechtsprechung die Sozialhilfe nach verschiedenen Landesgesetzen, die Notstandshilfe, die Ausgleichszulage und das Karenzurlaubsgeld als Einkommen qualifiziert, Pflegegeld und Hilflosenzuschuss aber nicht, soweit damit ein Mehraufwand (Sonderbedarf) gedeckt wird (vgl 6 Ob 257/01i mwN).

In der Rechtsprechung wurde allerdings die Frage, in welcher Weise sich die in den einzelnen Sozialhilfegesetzen für erbrachte Leistungen geregelten Ersatzpflichten und Legalzessionen auf den Unterhaltsanspruch des Leistungsempfängers auswirken, bisher nicht völlig einheitlich gelöst. Einerseits wurde bei landesgesetzlich vorgesehenen aufgeschobenen Legalzessionen (bei diesen wird die Zession mit einer Verständigung des Unterhaltsverpflichteten durch den Sozialhilfeträger bewirkt) entschieden, dass mangels einer schriftlichen Anzeige des Rechtsüberganges Sozialhilfeleistungen nicht auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen seien (SZ 60/191; 8 Ob 550/89; vgl auch 8 Ob 621/90 ua), andererseits aber, dass Sozialhilfeleistungen auf den Unterhalt auch dann anzurechnen seien, wenn der Gesetzgeber eine (aufgeschobene) Legalzession angeordnet habe (7 Ob 642/88; 7 Ob 591/94 ua).

Bei der Frage, ob sich der Bezug einer laufenden Geldleistung im Rahmen der Sozialhilfe, hier etwa die Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 16 OöSHG durch den Unterhaltsberechtigten, gegenüber dem Unterhaltspflichtigen unterhaltsmindernd auswirkt, muss jedenfalls die Erwägung, eine Doppelversorgung zu vermeiden, im Vordergrund stehen, wenn eine solche Doppelversorgung nicht dem Gesetzeszweck entspricht (7 Ob 642/88; 8 Ob 591/91; 6 Ob 257/01i). Anhaltspunkte für die Absicht des Gesetzgebers bieten die gesetzlichen Regelungen über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und über die Kostenbeitragspflicht. Dass der oberösterreichische Landesgesetzgeber nicht beabsichtigte, dem unterhaltsberechtigten Sozialhilfeempfänger eine Doppelversorgung zukommen zu lassen, ergibt sich klar aus der auch im Oö.SHG 1998 vorgesehenen Regelung über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und über die Rückersatzpflicht des Unterhaltsberechtigten.

Nach den hier maßgebenden Bestimmungen des Oö.SHG 1998 ist soziale Hilfe, auf die gemäß § 16 Abs 8 ein Rechtsanspruch besteht, nur soweit zu leisten, als der jeweilige Bedarf nicht durch Leistungen Dritter tatsächlich gedeckt ist (§ 2 Abs 5). Soziale Hilfe kann grundsätzlich (unter anderem) nur Personen geleistet werden, die von einer sozialen Notlage bedroht werden, sich in einer sozialen Notlage befinden oder eine solche noch nicht dauerhaft überwunden haben (§ 6 Abs 1 Z 2). Eine soziale Notlage liegt (ua) bei Personen vor, die ihren Lebensunterhalt oder den Lebensunterhalt von ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben, nicht decken können (§ 7 Abs 1 Z 1). Als Geldleistungen der sozialen Hilfe kommen einmalige oder laufende Zahlungen in Betracht (§ 13 Abs 1). Die §§ 45 ff OöSHG regeln den Ersatz für die geleistete soziale Hilfe und den Übergang von Ansprüchen. Ersatzpflichtig sind der Empfänger sozialer Hilfe (§ 45 Abs 1 Z 1) und - soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung - dem Empfänger sozialer Hilfe gegenüber unterhaltspflichtige Angehörige (Z 3) und Personen, denen gegenüber der Empfänger sozialer Hilfe Rechtsansprüche zur Deckung jenes Bedarfes besitzt, der die Leistung sozialer Hilfe erforderlich gemacht hat (Z 4). Der Empfänger sozialer Hilfe ist (ua) zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt (§ 46 Abs 1 Z 1). Gemäß § 47 Abs 1 haben gesetzlich zum Unterhalt verpflichtete Angehörige des Empfängers sozialer Hilfe im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Ersatz zu leisten. Eine Ersatzpflicht besteht nicht, wenn der Ersatz wegen des Verhaltens des Hilfeempfängers gegenüber der unterhaltspflichtigen Person sittlich nicht gerechtfertigt wäre oder wenn durch den Ersatz der Erfolg der Hilfe gefährdet würde. Ausnahmen von der Ersatzpflicht gelten sowohl hinsichtlich des Empfängers sozialer Hilfe (etwa wenn dieser minderjährig ist oder wenn die soziale Hilfe einen bestimmten Betrag nicht übersteigt) als auch für bestimmte unterhaltspflichtige Angehörige (§ 46 Abs 2, § 47 Abs 3). In § 49 ist der Übergang von Rechtsansprüchen geregelt. Der hier wesentliche § 49 Abs 1 Satz 1 lautet: "Vertraglich oder gerichtlich festgesetzte Ansprüche des Empfängers sozialer Hilfe gegen einen Dritten, die der Deckung jenen Bedarfes dienen, der die Leistung sozialer Hilfe erforderlich gemacht hat, gehen für den Zeitraum, in dem soziale Hilfe geleistet wurde, bis zur Höhe der aufgewendeten Kosten auf den Träger sozialer Hilfe über, sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstattet hat". Gemäß § 52 Abs 2 dürfen Ansprüche gemäß den §§ 46 bis 49 nicht geltend gemacht werden, wenn dadurch die wirtschaftliche Existenz der leistungspflichtigen Person und der ihr gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen sowie des Lebensgefährten gefährdet wird. Gemäß § 52 Abs 3 kann von der Geltendmachung von diesen Ansprüchen abgesehen werden, wenn das Verfahren mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

Zunächst ist hervorzuheben, dass nach der hier maßgebenden Gesetzeslage die Legalzession der Unterhaltsansprüche der Sozialhilfeempfängerin gegen den Unterhaltspflichtigen zu Gunsten des Sozialhilfeträgers gemäß § 49 OöSHG nicht nur die schriftliche Anzeige des Überganges gegenüber dem Unterhaltspflichtigen voraussetzt, sondern auch, dass die Unterhaltsansprüche bereits vertraglich oder gerichtlich festgesetzt sind. Daher kann sich der Sozialhilfeträger, wenn vor der gerichtlichen Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung Sozialhilfe gewährt wird, um den Berechtigten bei Bestreitung des Lebensunterhaltes zu unterstützen, nicht im Wege der Legalzession beim Unterhaltspflichtigen regressieren, wenn das Gericht das Unterhaltsbegehren des Unterhaltsberechtigten abweist, sei es auch mit der Begründung, dass der Bezug der Sozialhilfeleistung als Einkommen des Unterhaltsberechtigten gilt und daher den Unterhaltsanspruch in diesem Umfang mindert oder zum Erlöschen bringt. Wird kein Unterhaltstitel geschaffen, hat der Unterhaltsberechtigte auch keine Möglichkeit, Unterhalt vom Unterhaltspflichtigen hereinzubringen, sodass der Sozialhilfeträger auch nicht den Empfänger der Sozialhilfe mit der Begründung, dieser sei infolge Unterhaltsnachzahlungen zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt, zum Ersatz der bereits gewährten Sozialhilfe heranziehen kann. Dies führt zu dem unhaltbaren Ergebnis, dass der Unterhaltspflichtige zu Lasten des Sozialhilfeträgers - endgültig - von seiner Unterhaltspflicht entlastet würde, wäre die Sozialhilfe undifferenziert als Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu werten. Wird hingegen der Unterhaltspflichtige zur Unterhaltsleistung ungeachtet des Bezuges von Sozialhilfeleistungen durch den Unterhaltsberechtigten gerichtlich verpflichtet, hat der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, Unterhaltsrückstände und allenfalls auch die laufenden Unterhaltsbeiträge - etwa wenn Schwierigkeiten bei der Hereinbringung zu befürchten sind, die dem Unterhaltsberechtigten abgenommen werden sollen - selbst zu vereinnahmen, indem er von der Anzeigemöglichkeit des § 49 OöSHG Gebrauch macht. Er kann aber auch davon absehen und im Fall seitens des Unterhaltspflichtigen geleisteter Nachzahlungen und (problemlos) laufender Unterhaltszahlungen den Unterhaltsberechtigten zum Ersatz bereits geleisteter Sozialhilfe in Anspruch nehmen (§ 45 Abs 1 Z 1) und seine laufenden Leistungen einstellen, weil sich der unterhaltsberechtigte Sozialhilfeempfänger nicht mehr in einer anspruchsbegründenden Notlage befindet (§ 27). Diesen trifft auch eine besondere Anzeigepflicht hinsichtlich jeder Änderung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse (§ 28 Abs 1). Zu einer Doppelzahlung kann es nur dann kommen, wenn der Sozialhilfeträger von einer Rückersatzpflicht überhaupt, also sowohl gegen den Empfänger der Sozialhilfe als auch gegen den Unterhaltspflichtigen, Abstand nimmt. Die Frage des Rückersatzes von Sozialhilfeleistungen steht aber nicht in der Willkür des Sozialhilfeträgers (vgl §§ 45 ff OöWHG: "... haben Ersatz zu leisten

..."; "... ist zum Ersatz verpflichtet ..."), sondern ist von

bestimmten gesetzlich geregelten Voraussetzungen abhängig. Dass der Sozialhilfeträger hier solche Voraussetzungen - zumindest bei der unterhaltsberechtigten Klägerin - nicht für gegeben erachtet, wonach sie die Sozialhilfe im Fall der Zuerkennung vom Unterhalt zurückerstatten muss, ist nach dem bescheinigten Sachverhalt anzunehmen.

Durch die aufgezeigte Konstellation unterscheidet sich der hier vorliegende Fall von jenen Fällen, in denen die Rechtsprechung Sozialhilfeleistungen als unterhaltsminderndes Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten qualifizierte. Soweit der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 108/01s eine andere Rechtsansicht entnommen werden sollte, könnte ihr nicht beigestimmt werden, weil sie auf das Prinzip der Nachrangigkeit der Sozialhilfe nicht Bedacht nimmt.

Den Revisionsrekursen ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht hinsichtlich der Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin zum erfolglosen Rechtsmittel des Beklagten auf § 393 Abs 1 EO, im Übrigen auf den §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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