OGH 7Ob591/94

OGH7Ob591/9431.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schwarz, Dr.Schinko und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Alexander B*****, hier vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft S***** als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Rekursgericht vom 25.April 1994, GZ 6 R 30/94-49, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgeriches Linz der Beschluß des Bezirksgerichtes Steyr vom 9. März 1994, GZ P 74/86-45, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Untergerichte werden dahin abgeändert, daß die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Steyr vom 27.12.1993, GZ P 74/86-41, für die Zeit vom 1.5.1993 bis 31.7.1995 auf S 2.850,-- erhöhten Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom 1.3.1994 bis 30.6.1994 und vom 1.9.1994 bis 30.6.1995 auf S 2.000,-- monatlich herabgesetzt werden. Die übrigen Anordnungen des genannten Beschlusses bleiben aufrecht.

Die Entscheidung über die Einbehaltung der zu Unrecht ausgezahlten Beträge bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung

Der mj. Alexander B***** ist das uneheliche Kind der Barbara G***** und des Alexander H*****. Alexander wächst bei seiner Mutter auf. Die vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeiträge wurden mit Beschluß des Erstgerichtes vom 7.9.1993, der vom Gericht zweiter Instanz bestätigt wurde, ab 1.5.1993 von S 2.300,-- auf S 2.850,-- monatlich erhöht. Dementsprechend wurden mit Beschluß des Erstgerichtes vom 27.12.1993 auch die gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährten Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom 1.5.1993 bis 31.7.1995 auf S 2.850,-- monatlich erhöht.

Am 15.2.1994 beantragte der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz, die Vorschüsse mit Wirksamkeit vom 28.2.1994 einzustellen, weil der Minderjährige in einem Heim untergebracht worden und daher der Anspruch auf Vorschußgewährung gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG weggefallen sei.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es traf folgende Feststellungen: Alexander befindet sich seit 10.10.1993 aufgrund einer zwischen der Mutter und der Bezirksverwaltungsbehörde vereinbarten Maßnahme der freiwilligen Unterstützung der Erziehung im Schülerinternat S*****. Zweck dieser Maßnahme ist die soziale, pädagogische und schulische Förderung des Kindes. Die Wochenenden - von Freitag nachmittags bis Sonntag abends - , die Ferien, die Feiertage und die schulfreien Tage verbringt Alexander im Haushalt der Mutter. Während eines Schuljahres von September bis Anfang Juli ist Alexander etwa 110 bis 120 Tage zu Hause. Die Mutter kommt auch für Taschengeld, Schulartikel und die Kosten diverser Schulveranstaltungen auf. Der Jugendwohlfahrtsträger finanziert lediglich die Mehrkosten, die mit der notwendigen Unterbringung des Alexander im Internat verbunden sind.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß die Bevorschussung weiterhin notwendig sei, um die allgemeinen Lebensbedürfnisse des Minderjährigen abzudecken. Es bestehe weder die Gefahr der Doppelalimentation noch der Überwälzung von Kosten vom Jugendwohlfahrtsträger auf den Bund, weil die Unterstützung der Bezirksverwaltungsbehörde nur den Mehraufwand der Internatsunterbringung abgelte.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Der Einstellungsgrund des § 2 Abs 2 Z 2 UVG liege nicht vor, weil keine Maßnahme der vollen Erziehung, sondern eine freiwillige Unterstützung der Erziehung vorliege. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliege, ob bei einer Unterbringung im Internat noch von einer Unterstützung der Erziehung gesprochen werden könne oder ob bereits volle Erziehung anzunehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG besteht kein Anspruch auf Vorschuß, wenn das Kind aufgrund einer Maßnahme der Sozialhilfe oder der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung untergebracht ist. § 26 JWG und § 35 oö.JWG unterscheiden bei den Arten der Hilfen zur Erziehung zwischen der Unterstützung der Erziehung (§ 27 JWG, § 36 oö.JWG) und der vollen Erziehung (§ 28 JWG, § 37 oö.JWG) einerseits sowie der freiwilligen Erziehungshilfe und der Erziehungshilfe gegen den Willen der Erziehungsberechtigten andererseits. Gemäß § 33 JWG und § 47 oö.JWG sind (nur) die Kosten der vollen Erziehung vom Minderjährigen und seinem Unterhaltspflichtigen - unter den in den zitierten Bestimmungen normierten Voraussetzungen - zu tragen. Dementsprechend ist eine Legalzession der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen gegen den Unterhaltspflichtigen zugunsten des jeweiligen Kostenträgers nur bei der Maßnahme der vollen Erziehung vorgesehen (§ 34 JWG, § 48 oö.JWG). Die Unterstützung der Erziehung (§ 27 JWG) wird jedoch - im Sinn des allgemeinen Betreuungsauftrages der öffentlichen Jugendwohlfahrt und der Familienbezogenheit ihrer Tätigkeit - aus öffentlichen Mitteln gewährt. Die näheren Regelungen dieser Kostentragung sind in den §§ 44 und 46 oö.JWG iVm den §§ 40 ff oö.Sozialhilfegesetz enthalten.

Nach der im Akt erliegenden Urkunde der Bezirkshauptmannschaft S***** über die Vereinbarung zwischen dieser Behörde und der Mutter, die die Maßnahme der Unterbringung im Schülerinternat S***** und der angeschlossenen Privatschule in S***** zur sozialpädagogischen und schulischen Förderung des Kindes ausdrücklich als freiwillige Unterstützung der Erziehung bezeichnet, kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Kosten dieser Maßnahme von der öffentlichen Hand getragen werden und keine Inanspruchnahme der Unterhaltspflichtigen erfolgen soll. Abgesehen davon, daß der Jugendwohlfahrtsträger die Maßnahme selbst als eine solche der Unterstützung der Erziehung bezeichnet, bei der weder eine Kostentragungspflicht der Unterhaltspflichtigen noch eine Legalzession vorgesehen ist, verbietet auch die Art der Maßnahme, diese unter den Begriff der vollen Erziehung zu subsumieren. Wird dem Minderjährigen volle Erziehung gewährt, so wird er in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung untergebracht. Der Minderjährige verbleibt also bei der vollen Erziehung - anders als bei der Maßnahme der Unterstützung der Erziehung - nicht in seiner bisherigen Umgebung. Er wird vielmehr aus dem Einflußbereich seiner Familie weitgehend entfernt. Davon kann aber bei der festgestellten Internatsunterbringung während der Schulwoche keine Rede sein. Bei einer derartigen außerhäuslichen Betreuungsform bleibt der Einfluß der gewohnten Umgebung auf Pflege und Erziehung - nicht anders als in denjenigen Fällen, in denen Eltern ihre Kinder ohne Inanspruchnahme von Erziehungshilfe während der Schulwoche in Internaten unterbringen - in einem wesentlichen Ausmaß erhalten.

Da die Maßnahme der Unterstützung der Erziehung im Gegensatz zur Maßnahme der vollen Erziehung, die hier jedoch nicht angeordnet wurde, nicht im § 2 Abs 2 Z 2 UVG aufgezählt ist und auch keine Maßnahme der Sozialhilfe vorliegt, weil die Maßnahme aufgrund des Jugendwohlfahrtsrechtes und nicht des Sozialhilferechtes angeordnet wurde (vgl EFSlg 63.646), kommt eine Einstellung der Vorschüsse aufgrund dieser Bestimmung nicht in Betracht. Es kann auch zu keiner Überwälzung von Kosten oder des Risikos ihrer Uneinbringlichkeit von den Trägern der Jugendwohlfahrt auf den Bund kommen, weil kein Rückgriffsrecht auf den Unterhaltspflichtigen besteht und die Kosten jedenfalls endgültig vom Jugendwohlfahrtsträger zu tragen sind. Die Unterhaltsvorschußbeiträge können daher auch nicht zum Ersatz herangezogen werden.

Die Entscheidungen der Untergerichte lassen jedoch außer Betracht, daß der Minderjährige durch die für ihn kostenlose Verpflegung und Betreuung während der Schulwoche Leistungen Dritter erhält, die seine Unterhaltsbedürfnisse zum Teil befriedigen.

Wie der erkennende Senat unter anderem in seiner Entscheidung vom 22.9.1988, 7 Ob 642/88, veröffentlicht in RZ 1990/24, ausgeführt hat, soll die Anordnung des § 140 ABGB dem Unterhaltsberechtigten die Deckung jener Bedürfnisse sichern, die im § 672 ABGB aufgezählt sind. Nur soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, diese Bedürfnisse aus eigenem zu decken, wird der Unterhaltspflichtige hiezu herangezogen. Zweck der Unterhaltsbestimmungen ist es nicht, eine bestimmte Person zu belasten, sondern den Unterhaltsberechtigten in den Stand zu versetzen, bestimmte Lebensbedürfnisse entsprechend zu befriedigen. Werden diese Bedürfnisse auf andere Weise befriedigt - etwa durch Leistungen Dritter - , so würde es dem Ziel der die Unterhaltspflicht regelnden gesetzlichen Bestimmungen geradezu widersprechen, wenn man einer weiteren Person die Pflicht auferlegte, die zur Deckung dieser Bedürfnisse erforderlichen Beträge neuerlich an den Unterhaltsberechtigten zu zahlen. Diesfalls käme es nämlich zu einer doppelten Befriedigung dieser Bedürfnisse. Soweit also Zuwendungen Dritter, wozu sowohl Leistungen des Sozialhilfeträgers als auch Sozialleistungen des Jugendwohlfahrtsträgers bei der Unterstützung der Erziehung zu zählen sind, der Deckung der im § 672 ABGB genannten Bedürfnisse dienen, ist der diesbezügliche Unterhalt des Unterhaltsberechtigten gedeckt, sodaß kein Platz für eine entsprechende Forderung gegen den Unterhaltspflichtigen bleibt. Nur dort, wo mit der Drittleistung ein bestimmter Sonderbedarf gedeckt werden soll, bleiben dieser Bedarf und diese Beihilfe bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht. Die zur Deckung eines bestimmten Bedarfes gegebenen Leistungen dürfen also nicht auf jenen Anspruch angerechnet werden, der zur Befriedigung anderer Leistungen besteht.

Im vorliegenden Fall ist der Minderjährige nicht nur der Unterbringungskosten im Internat und der Privatschulkosten, die allenfalls als Sonderbedarf aufgrund der notwendigen sozialpädagogischen Betreuung zu werten sind, enthoben. Er wird zudem auch während der Dauer des Schuljahres an den überwiegenden Tagen kostenlos verköstigt. Im Umfang der hierauf entfallenden, von dritter Seite getragenen Kosten ist daher der Unterhaltspflichtige jedenfalls von seiner Unterhaltspflicht zu befreien, soll es nicht zu einer nicht zu rechtfertigenden Doppelalimentierung in diesem Bereich kommen.

Hingegen ist der Einwand des Revisionsrekurses, daß sich der Minderjährige nun nicht mehr ständig im Haushalt seiner Mutter befindet, bei der Bemessung der vom getrennt lebenden Vater zu erbringenden Geldleistung zu vernachlässigen. Die Mutter wird nur in einem relativ geringen Ausmaß ihrer Betreuungsleistung und Fürsorge für den offenbar erzieherisch nicht einfachen Sohn enthoben, für den sie grundsätzlich weiterhin die Verantwortung trägt und um den sie sich nach wie vor an allen schulfreien Tagen kümmern muß. Es entspricht der Absicht des Gesetzgebers (JA 587 BlgNR 14.GP, 4 f) und der herrschenden Rechtsprechung, daß der betreuende Elternteil auch dann seine Betreuungsleistung im Sinn des § 140 Abs 2 erster Satz ABGB voll erbringt, wenn das Kind zwecks Ausbildung wochentags auswärts lebt und etwa in einem Internat untergebracht ist, sofern es nur während der Wochenenden und Ferien überwiegend von dem haushaltsführenden Elternteil betreut wrid (EFSlg 50.404, 50.505, 53.249, 61.794/8 ua).

Begründete Bedenken im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 UVG liegen jedoch gegen die Höhe der festgesetzten Unterhaltsbeiträge insofern vor, als das Kind während des Schuljahres nicht unbeträchtliche kostenlose Verpflegungsleistungen im Internat erhält. Es erscheint gerechtfertigt, diese mit etwa einem Drittel seines Bedarfes, der entsprechend seiner Altersgruppe derzeit bei etwa S 3.000,-- monatlich liegt, zu bewerten. Insoweit ist daher von einer Verringerung der Unterhaltspflicht des Vaters auszugehen, die gemäß § 19 Abs 1 UVG zu einer entsprechenden Herabsetzung der Vorschüsse in der Zeit zwischen dem Beginn und dem Ende des Schuljahres zu führen hat.

In teilweiser Stattgebung des Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz waren daher die Vorschüsse ab dem im Antrag begehrten Zeitpunkt auf S 2.000,-- monatlich - und zwar jeweils mit Ausnahme der Zeit der Sommerferien, in der der Minderjährige keinerlei Kostenbegünstigung erhält - herabzusetzen.

Das Erstgericht wird gemäß § 19 Abs 1 letzter Halbsatz UVG über die Einbehaltung der Vorschüsse zu entscheiden haben.

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