OGH 10ObS114/03t

OGH10ObS114/03t27.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johann Ellersdorf (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ingrid F*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Roswitha Ortner, Rechtsanwältin in Villach, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Dezember 2002, GZ 7 Rs 279/02g-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Juli 2002, GZ 35 Cgs 159/02i-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der am 27. 1. 1946 geborenen Klägerin mit Rudolf Karl F***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts ***** vom 6. 11. 1992 (rechtskräftig seit 14. 12. 1992) gemäß § 55 Abs 3 EheG geschieden. Gemäß § 61 Abs 3 EheG wurde ausgesprochen, dass Rudolf Karl F***** das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Mit Vergleich vom 28. 10. 1992 verpflichtete sich Rudolf Karl F***** zu einer monatlichen Unterhaltsleistung an die Klägerin in einer nach dem VPI 1986 wertgesicherten Höhe von 500 S ab 1. 11. 1992. Die Wertsicherung geht von der Indexzahl für November 1992 aus, wobei Wertschwankungen bis zu 5 % unberücksichtigt bleiben, darüber hinausgehende Schwankungen voll angerechnet werden (Stufenindex). Weiters wurde festgehalten, dass - abgesehen von der Wertsicherung - die Umstandsklausel ausdrücklich ausgeschlossen wird und über den vereinbarten Unterhalt hinaus von den Ehegatten gegenseitig auf jedweden Unterhalt aus allen Umständen, somit auch für den Fall der Not, Krankheit, Änderung der Verhältnisse oder Änderung der gesetzlichen Bestimmungen verzichtet wird.

Die Klägerin erhält von ihrem geschiedenen Mann regelmäßig den vereinbarten monatlichen Unterhalt in der nicht aufgewerteten Höhe von 500 S = 36,34 EUR.

Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter sprach der Klägerin ab dem Stichtag 1. 2. 1998 die Invaliditätspension zu, die im Jahr 2001 (monatlich) 386,79 EUR brutto bzw 372,28 EUR netto betrug und seit 1. 1. 2002 391,04 EUR brutto bzw 376,38 EUR netto. Ab 1. 7. 1998 gewährte die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter der Klägerin unter Hinzurechnung von 12,5 % des Nettoeinkommens ihres geschiedenen Ehegatten eine Ausgleichszulage.

Der geschiedene Ehegatte der Klägerin, den keine weiteren Sorgepflichten treffen, bezog im Jahr 2001 vom A***** einen Betrag von 16.380,01 EUR netto monatlich inklusive Sonderzahlungen.

Mit Bescheid vom 7. 3. 2002 sprach die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter aus, dass der Anspruch der Klägerin auf die zur Pension gewährte Ausgleichszulage mit 31. 7. 2001 ende.

Das Erstgericht wies die auf Weitergewährung der Ausgleichszulage über den 31. 7. 2001 gerichtete Klage ab. Infolge Aufhebung der Pauschalanrechnungsbestimmung des § 294 Abs 1 (lit b) ASVG durch den VfGH sei vom tatsächlichen Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehemann auszugehen. Ein Unterhaltsverzicht hindere eine Anrechnung nur, wenn er spätestens 10 Jahre vor dem Stichtag abgegeben worden sei. Da die Klägerin nach § 55 Abs 3 EheG mit Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG geschieden worden sei, habe sie einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch, der nach § 94 ABGB auszumessen sei. Nach der Rechtsprechung habe der schlechter verdienende Ehegatte Anspruch auf 40 % des Familieneinkommens. Dieses betrage im Anlassfall 1.799,30 EUR monatlich. Unter Anrechnung ihres Eigeneinkommens mache der Unterhaltsanspruch 284,99 EUR bzw unter Berücksichtigung der aliquoten Sonderzahlungen 244,28 EUR monatlich aus. Da dieser Unterhaltsanspruch zusammen mit dem Pensionseinkommen der Klägerin den Ausgleichszulagenrichtsatz für 2001 von 613,14 EUR und für 2002 von 630,92 EUR übersteige, bestehe kein Anspruch auf Ausgleichszulage.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Ansicht der Berufungswerberin, dass sich § 292 ASVG nicht auf fiktive Ansprüche, sondern ausschließlich auf tatsächlich dem Pensionsberechtigten zufließende Einkünfte beziehe (hier: Invaliditätspension und tatsächlicher Unterhalt von 36,34 EUR monatlich), könne nicht gefolgt werden. Die Definition des § 292 Abs 3 ASVG zähle auch Unterhaltsansprüche jeglicher Art zu den anzurechnenden Einkünften. Der Verzicht des Versicherten auf einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Sozialversicherer sei auch dann wirkungslos, wenn er nicht in der Absicht abgegeben worden sei, den Pensionsversicherungsträger zu schädigen. Die Privilegierung des § 294 Abs 5 ASVG sei in concreto nicht anwendbar.

Durch das Erkenntnis des VfGH vom 27. 2. 2001, G 104/00-9, mit dem § 294 Abs 1 lit b aufgehoben worden sei, sei es zwar zum Entfall der Pauschalanrechnung gekommen, aber nicht zu einer Änderung der Rechtslage dahin, dass statt gesetzlicher Unterhaltsansprüche bei der Ausgleichszulagenberechnung nur mehr - wie bei vertraglichen Unterhaltsansprüchen - die tatsächlichen Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen seien. Der allein oder überwiegend schuldig geschiedene Ehegatte habe dem anderen nach § 66 EheG Unterhalt zu gewähren. Für die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts nach § 66 EheG würden weitgehend die gleichen Grundsätze wie für den Unterhalt nach § 94 ABGB gelten. Habe der Unterhaltspflichtige keine weiteren Sorgepflichten, so stehe dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten, der ein eigenes Einkommen beziehe, im Allgemeinen ein Unterhaltsanspruch im Ausmaß von etwa 40 % des Einkommens beider Teile abzüglich des eigenen Einkommens zu.

Nicht gefolgt werden könne auch der Ansicht der Klägerin, dass der Klägerin ein rechtskräftiger Bescheid über die Zuerkennung einer Ausgleichszulage vorliege, der ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht abgeändert werden könne. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter habe zwar im Jahr 1998 den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage anerkannt, über die Höhe der Ausgleichszulage aber mit mehreren Bescheiden in der Folge gesondert entschieden. Zuletzt sei mit Bescheid vom 26. 7. 2001 die Ausgleichszulage vom 1. 1. 2001 bis 31. 7. 2001 der Höhe nach festgelegt und ausgesprochen worden, dass über die ab 1. 8. 2001 gebührende Höhe der Ausgleichszulage gesondert entschieden werde. Überdies habe der Sozialversicherungsträger nach § 296 Abs 3 ASVG bei einer Änderung der für die Zuerkennung der Ausgleichszulage maßgeblichen Sach- und Rechtslage die Ausgleichszulage neu festzustellen. Dass die Aufhebung einer Anrechnungsvorschrift durch den VfGH eine Änderung der Rechtslage bedeute, die die Neufeststellung der Ausgleichszulage rechtfertige, bedürfe wohl keiner näheren Erklärung.

Zusammenfassend stehe der Klägerin aufgrund ihres Anspruchs auf gesetzlichen Unterhalt jedenfalls ab 1. 8. 2001 keine Ausgleichszulage, weil unter Berücksichtigung ihres Unterhaltsanspruchs (bzw des gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter unwirksamen Teilverzichts auf Unterhalt) und ihrer Pension der Ausgleichszulagenrichtsatz überschritten werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Gewährung der Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß abzuändern.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF der 59. ASVGNov BGBl I 2002/1).

Zur Anrechnung von Unterhaltsansprüchen auf die Ausgleichszulage - nach der Aufhebung der Pauschalanrechnungsvorschriften des § 294 Abs 1 lit b und c ASVG durch den Verfassungsgerichtshof - hat der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 10 ObS 37/02t und 10 ObS 223/02w eingehend Stellung bezogen.

Das Ausgleichszulagenrecht des ASVG wurde mit der 29. Novelle zum ASVG (BGBl 1973/31) neu gefasst (s etwa Sedlak, Aus dem Pensionsversicherungsrecht nach der 29. ASVG-Novelle, DRdA 1973, 106 [112 f]), ohne dass damit allerdings an dem bis dahin geltenden System der Unterhaltsanrechnung Wesentliches geändert worden wäre; diese wurde damals in den § 294 ASVG aufgenommen. Dessen Abs 1 lautete in der Fassung der 29. ASVG-Novelle:

"Bei Anwendung des § 292 sind Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen

a) den Ehegatten, sofern er mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt,

b) den geschiedenen Ehegatten,

c) die Eltern, sofern sie mit dem Pensionsberechtigten im gemeinsamen Haushalt leben,

gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, dass dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten in den Fällen der lit a 30 vH und in den Fällen der lit b und c 15 vH des monatlichen Nettoeinkommens der dort genannten Personen zuzurechnen sind."

§ 292 Abs 2 sah eine Verminderung dieser Prozentsätze um 2 vH bei Vorhandensein weiterer unterhaltsberechtigter Angehöriger vor.

Die Hundertsätze, nach denen der dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten zuzurechnende Pauschalbetrag bemessen wird, sollten - so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage wörtlich - in ihrer Höhe ungefähr den üblichen Unterhaltsverpflichtungen entsprechen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass erfahrungsgemäß die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einer Ehegattin in aufrechter Ehe höher bemessen wird, als im Falle einer geschiedenen Ehe (RV 404 BlgNR XIII. GP 115, rechte Spalte 3. Absatz).

Nach "geschlechtsneutraler" Formulierung des § 294 ASVG mit der 36. ASVG-Novelle (BGBl 1981/282) verminderte die 48. Novelle zum ASVG (BGBl 1989/642) die Pauschalsätze für Ehegatten von 30 vH auf 25 vH und für geschiedene Ehegatten sowie für Kinder von 15 vH auf 12,5 vH. Dies wird in den Gesetzesmaterialien (RV 1098 BlgNR XVII. GP iVm RV 1102 BlgNR XVII. GP) nicht näher begründet.

Mit Erkenntnis vom 17. 6. 2000, G 26/00-7 (VfSlg 15.819 = ZASB 2000, 46 = ARD 5142/22/2000), hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Oberlandesgerichts Wien die Wortfolgen "a) den Ehegatten (die Ehegattin), sofern er (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt" sowie "in Fällen der lit a 25 vH und" in § 294 Abs 1 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben. In seiner Begründung hat der VfGH darauf hingewiesen, die Aufhebung bewirke, dass der der Klägerin des damaligen Ausgangsverfahrens tatsächlich nach § 94 ABGB zustehende Unterhalt bei Ermittlung des Nettoeinkommens im Sinne des § 292 Abs 1 ASVG anzurechnen sei. Diese Aufhebung des § 292 Abs 1 lit a ASVG erfolgte nicht deshalb, weil die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen an sich verfassungswidrig wäre, sondern weil der seinerzeit vorgesehene Pauschalsatz für die Unterhaltsanrechnung nur in seltenen Fällen zu mit der zivilrechtlichen Unterhaltsbemessung übereinstimmenden Ergebnissen führte.

Weiters hat der VfGH über Antrag des Oberlandesgerichts Innsbruck mit Erkenntnis vom 27. 2. 2001, G 104/00-9 (ARD 5217/17/2001) die Wortfolgen "b) den geschiedenen Ehegatten (die geschiedene Ehegattin)" sowie "b und" in § 294 Abs 1 erster Satz ASVG als verfassungswidrig aufgehoben. Unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 17. 6. 2000, G 26/00-7, führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass eine Regelung der sachlichen Rechtfertigung entbehre, die die Anrechnung eines fiktiven Unterhalts anordne, der von jenem abweiche, der sich mittels der von den ordentlichen Gerichten entwickelten, einen Durchschnittsfall ausdrückenden Berechnungsformel (40 vH des Familieneinkommens unter Abzug des Eigeneinkommens) ergibt, sodass diese Regelung im Ergebnis nicht den Regel-, sondern den Ausnahmefall zugrunde lege.

Mit der Aufhebung der lit a und b in § 294 Abs 1 ASVG ist auch dem § 294 Abs 5 ASVG betreffend die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Ehegatten bzw dem geschiedenen Ehemann der Boden entzogen. Nach dieser Bestimmung kommt "eine Anrechnung nach Abs 1" - also eine pauschale Anrechnung - dann nicht in Betracht, wenn die Ehe aus dem Verschulden des anderen Ehegatten geschieden wurde, eine Unterhaltsleistung aus dieser Scheidung auf Grund eines Unterhaltsverzichts nicht erbracht wird und dieser Verzicht spätestens 10 Jahre vor dem Stichtag abgegeben wurde.

Unabhängig davon, dass dem § 294 Abs 5 ASVG kein Anwendungsbereich mehr bleibt, bewirkt die Aufhebung der lit a und b in § 294 Abs 1 ASVG nun aber nicht, dass eine mehr oder minder fiktive Zurechnung von Unterhaltsansprüchen entsprechend der familienrechtlichen Judikatur vorzunehmen wäre.

Generell ist bei der Anrechnung der dem Pensionsberechtigten gebührenden Unterhaltsansprüche zwischen den nach § 294 Abs 1 ASVG zu berücksichtigenden Pauschalbeträgen und den sonstigen Unterhaltsansprüchen zu differenzieren. Dass auch die zweitgenannte Kategorie eine anzurechnende Einkunft darstellt, lässt sich § 292 Abs 4 lit e ASVG entnehmen, worin als vom Nettoeinkommen auszuklammernder Bezug nur die ohnedies nach § 294 ASVG einzubeziehenden Unterhaltspauschalbeträge erwähnt werden. Diese Bestimmung zeigt klar, dass die in § 292 Abs 3 ASVG statuierte Legaldefinition des Einkommens auch den Komplex der Unterhaltsforderungen umfasst (SSV-NF 4/47 und 7/28; Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 89 [96]; Barnas, ZAS 1988, 205 [207] in der Anmerkung zu ZAS 1988/28 = DRdA 1990/7 [Ivansits] = SSV-NF 2/15 = SZ 61/26; Teschner/Widlar, BSVG [32. ErgLfg] 378). Die pauschalierte Anrechnung von Unterhaltsansprüchen in einzelnen Fällen findet ihren Zweck darin, dass eine Pauschalierung speziell dann eingreifen soll, wenn die objektive und aktuelle Feststellung der Höhe zufließender Leistungen einen unvertretbaren Aufwand hervorruft (vgl Barnas aaO 207). Dies ist gerade bei einem gemeinsamen Haushalt zwischen dem unterhaltsberechtigten Kind und dem Unterhaltsverpflichteten der Fall.

Greift - wie im vorliegenden Fall - keine Pauschalierung ein, kann als Einkunft iSd § 292 Abs 3 ASVG nur ein tatsächlich anfallender Bezug gewertet werden ("Bezüge aus Unterhaltsansprüchen"; SSV-NF 10/77 und 12/77; RIS-Justiz RS0106714; Radner ua, Bauernsozialversicherung3 [2. Lfg] 710 f). Der bloße Anspruch auf bestimmte Geld- und Sachleistungen reicht dafür nicht aus. Auf Unterhaltsansprüche, die nicht der Pauschalanrechnung unterliegen, ist daher nur insoweit Bedacht zu nehmen, als sie auch tatsächlich realisiert wurden (Binder aaO 93, 96; Barnas aaO 208). Insoweit differenziert das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. 6. 2000, G 26/00 (VfSlg 15.189) nicht genau, wenn unter Punkt II.1.3. auf den "tatsächlich zustehenden Unterhalt" Bezug genommen wird.

Der subsidiäre sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbietet es jedoch im Allgemeinen, dass der Berechtigte von sich aus auf realisierbare Einkünfte verzichtet (SSV-NF 9/76; RIS-Justiz RS0040296, RS0038599). Die Judikatur hat aus dem Gedanken des Verbots rechtsmissbräuchlicher Rechtsausübung gefolgert, dass der Verzicht auf bestehende, im Rahmen der Ausgleichszulagenfeststellung zu berücksichtigende Ansprüche (worunter auch das bloße Nichtgeltendmachen und Nichteintreiben offener Forderungen zu verstehen ist) für die Ausgleichszulagenfeststellung unbeachtlich ist, sofern dieser Verzicht (bzw die Rechtsaufgabe) offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen (10 ObS 152/91 = ZAS 1995/2, Brodil = JBl 1994, 191; 10 ObS 161/91 = SSV-NF 7/19 = DRdA 1994/5, [tw krit] Binder), indem die Leistungslast vom persönlich haftenden Schuldner auf die öffentliche Hand abgewälzt werden soll (Binder, ZAS 1981, 94).

Demnach sind Unterhaltsansprüche, die nicht der Pauschalanrechnung des § 294 Abs 1 lit c ASVG unterliegen, bei der Ausgleichszulagenbemessung als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden.

Nach den Feststellungen kann aber nicht ausreichend beurteilt werden, ob die Klägerin einen ihr zustehenden gesetzlichen Unterhaltsanspruch - soweit er über den Betrag von 500 S = 36,34 EUR hinausgeht - rechtsmissbräuchlich nicht realisiert hat. Wie bereits dargestellt wäre der Verzicht auf bestehende, im Rahmen der Ausgleichszulagenfeststellung zu berücksichtigende Ansprüche (worunter auch das bloße Nichtgeltendmachen und Nichteintreiben offener Forderungen, etwa auf Wertsicherung zu verstehen ist) für die Ausgleichszulagenfeststellung unbeachtlich, sofern dieser Verzicht (bzw die Rechtsaufgabe) offenbar den Zweck hatte, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, indem die Leistungslast vom persönlich haftenden Schuldner auf die öffentliche Hand abgewälzt werden soll.

Im Fall der Klägerin ist somit - bevor eine fiktive Zurechnung erfolgt - zu klären, ob Umstände vorliegen, die den Schluss zulassen, dass sie auf einen über den Betrag von 500 S = 36,34 EUR hinausgehenden gesetzlichen Unterhaltsanspruch (etwa auch durch Nichtgeltendmachung der Wertsicherung) rechtsmissbräuchlich verzichtet hat. Dabei kann die im Jahr 1992 geltende Rechtslage nicht außer Acht gelassen werden. Damals bestand die Regelung über die Pauschalanrechnung, die die Klägerin in der ersten Zeit ihres Pensionsbezuges auch in Kauf nehmen musste. Die Aufhebung der pauschalen Anrechnung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem geschiedenen Ehegatten erfolgte erst 2001 und seitdem stellt sich die Frage einer möglichen Anrechnung eines über den Pauschalbetrag hinausgehenden Unterhalts. Somit könnte der Klägerin im Zusammenhang mit dem von ihr im Jahre 1992 erklärten Verzicht eine Schädigungsabsicht höchstens in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Unterhalt und dem seinerzeit pauschal anzurechnenden fiktiven Unterhaltsanspruch unterstellt werden.

Sollte die Klägerin rechtsmissbräuchlich auf einen über den Betrag von 500 S = 36,34 EUR monatlich hinausgehenden Unterhaltsanspruch verzichtet haben, ist der fiktive gesetzliche Anspruch nach § 69 EheG (§ 94 ABGB) so zu bemessen, dass dem schlechter verdienenden geschiedenen Ehegatten als Orientierungshilfe 40 % des Gesamteinkommens beider Ehegatten abzüglich des Eigeneinkommens als Unterhalt zusteht. (1 Ob 288/98d = SZ 72/74 = JBl 1999, 725; 4 Ob 42/01g = JBl 2002, 449; RIS-Justiz RS0012492). Daran hat auch das EheRÄG 1999 nichts geändert (4 Ob 42/01g = JBl 1999, 449).

Da es zur Abklärung dieses Feststellungsmangels einer Verhandlung erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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