European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00088.24H.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen
Spruch:
Der Revisionrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 4.855,83 EUR (darin 808,87 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, soweit es den Hälfteanteil der Antragsgegnerin an einer Liegenschaft, auf der sich die ehemalige Ehewohnung befindet, in das Eigentum des Antragsgegners übertrug, und reduzierte die diesem als Ausgleich für ein Kraftfahrzeug (2.000 EUR) und aus Gründen der Billigkeit auferlegte Ausgleichszahlung auf insgesamt 152.000 EUR. Soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz führte es aus, dass das vor Eheschließung auf einer dem Mann von seinem Vater geschenkten Liegenschaft errichtete Haus während der Ehe keine Wertsteigerung erfahren habe, die in die Aufteilung einzubeziehen wäre. Die während aufrechter Ehe erfolgte Schenkung des halben Liegenschaftsanteils an die Frau sei vom Mann in Erwartung des Fortbestands der Ehe vorgenommen worden. In einem solchen Fall sei die Schenkung rückgängig zu machen, ohne dass dafür im Regelfall ein Ausgleich zu leisten sei. Aufgrund der besonderen Umstände entspreche es jedoch der Billigkeit, dem Mann dennoch eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Anordnung einer Ausgleichszahlung bei Rückübereignung eines geschenkten Liegenschaftsanteils von der auf den „Regelfall“ zugeschnittenen Rechtsprechung des Höchstgerichts abweiche und keine gesicherte Rechtsprechung bestehe, nach welchen Kriterien in einem solchen Fall dennoch ein Ausgleichsanspruch zugebilligt werden könne und wie eine solche dann zu bemessen wäre.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen richtet sich (nur) der vom Antragsgegner beantwortete Revisionsrekurs der Frau, der entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 71 Abs 1 AußStrG), nicht zulässig ist.
[3] 1. Der Aufteilung unterliegt grundsätzlich nur das Vermögen, das die Ehegatten gemeinsam geschaffen und zu dessen Erwerb sie während der ehelichen Lebensgemeinschaft beigetragen haben (RS0057287). Der Beitrag eines Partners zur Vermögensbildung des anderen während einer vorehelichen Lebensgemeinschaft – und ein daraus allenfalls resultierender Bereicherungsanspruch wegen (teilweiser) Zweckverfehlung – findet im Aufteilungsverfahren keine Berücksichtigung (1 Ob 85/22i Rz 5 mwN).
[4] 1.1. Sachen, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder ihm ein Dritter geschenkt hat, unterliegen nicht der Aufteilung (§ 82 Abs 1 Z 1 EheG). Die Ausnahme wegen Schenkung gilt jedoch nicht für Sachen, die einem Ehepartner vom anderen Ehegatten (und nicht von einem Dritten) geschenkt wurden (RS0057377; 1 Ob 208/19y Pkt 3.2.).
[5] 1.2. Nach den Feststellungen wurde die Liegenschaft mit der späteren Ehewohnung dem Mann von seinem Vater Jahre vor der Eheschließung geschenkt und damit von ihm im Sinn von § 82 Abs 1 Z 1 EheG in die Ehe eingebracht. Mit Übergabsvertrag vom 18. 4. 2014 übertrug der Mann die Liegenschaft zur Hälfte der Frau, um die Ehe zu retten und im Vertrauen auf deren Fortbestand. Eine echte Schenkung aus Freigiebigkeit, die bei der nachehelichen Aufteilung nicht als Vermögensbeitrag des Mannes zu werten wäre (vgl dazu 1 Ob 10/18d, Pkt 2.; 1 Ob 208/19y, Pkt 3.5.; RS0057377 [T1]), liegt daher nicht vor. Auch der Notariatsakt vom 22. 4. 2014, auf den sich die Frau in ihrem Revisionsrekurs stützt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Darin wird ausdrücklich auf die Übergabsvereinbarung Bezug genommen und festgehalten, dass die Frau nur eine Sachhaftung und nicht auch eine persönliche Haftung für die auf der Liegenschaft lastenden Verbindlichkeiten treffen soll, sowie eine Regelung über die Verwendung eines allfälligen Verkaufserlöses getroffen. Anhaltspunkte, dass damit eine Vereinbarung nach § 97 Abs 1 EheG bezweckt gewesen wäre, finden sich darin nicht. Allein, dass die Vereinbarung in Form eines Notariatsakts getroffen wurde, wie die Frau offenbar meint, reicht dafür nicht aus. Eine Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht, weil es den der Frau geschenkten Liegenschaftsanteil in die Aufteilung losgelöst von den Voraussetzungen des § 97 Abs 2 EheG einbezog, ist daher nicht zu erkennen.
[6] 1.3. Damit haben die Vorinstanzen zu Recht die Rechtsprechung angewendet, wonach das einem Ehegatten (hier der Frau) während der Ehe vom anderen geschenkte Vermögensgut (hier der geschenkte Liegenschaftsanteil) in die Aufteilung einzubeziehen ist, obwohl der schenkende Teil die Liegenschaft „in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder [ob sie] ihm ein Dritter geschenkt hat“ (vgl nur 1 Ob 208/19y mit ausführlicher Begründung). Das auf der Liegenschaft vor Eheschließung errichtete Haus, das den Streitteilen später als Ehewohnung diente, teilt als unbeweglicher Teil der Liegenschaft (§ 294 ABGB) deren rechtliches Schicksal. Warum der Liegenschaftsanteil von der Aufteilung auszunehmen wäre, weil das Erstgericht nicht feststellen konnte, ob die Ehewohnung mit Mitteln aus einem Kredit oder mit dem Erlös aus der Veräußerung von Liegenschaften, die dem Mann ebenfalls schon vor Eheschließung von seinem Vater geschenkt worden waren, errichtet wurde, kann die Antragstellerin nicht nachvollziehbar darstellen.
[7] 1.4. Für die in einer solchen Konstellation typischen Fälle wird judiziert, dass der Wert einer einem Ehegatten vom anderen geschenkten Sache – hier der Liegenschaftsanteil – dem schenkenden Ehegatten ohne wertmäßigen Ausgleich rückzuübertragen ist (1 Ob 208/19y mwN; RS0113358 [T4, T5]; RS0115775 [T2]). Das impliziert, dass im Einzelfall ein Ausgleich gerechtfertigt sein kann. So wurde bereitsausgesprochen, dass etwa die auf Arbeitsleistungen oder Investitionen des beschenkten Ehegatten beruhenden Wertsteigerungen angemessen berücksichtigt werden können (RS0115775 [T2]).
[8] 1.5. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist damit bereits grundsätzlich geklärt, dass bei Rückübertragung der geschenkten Liegenschaft(-santeile) im Einzelfall ein wertmäßiger Ausgleich gerechtfertigt sein kann. Ob das auch für den vorliegenden Fall zutrifft, muss nicht abschließend geklärt werden. Der Mann wendet sich nämlich nicht gegen die Zuerkennung einer Ausgleichszahlung an die Antragstellerin, sodass dieser Umstand zu ihren Lasten auch nicht aufgegriffen werden könnte. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte ist die Billigkeit (RS0079235). Die Prüfung, ob eine auferlegte Ausgleichszahlung diesem Grundsatz entspricht, richtet sich dabei stets nach den Umständen des Einzelfalls (RS0115637). Damit entzieht sich diese Frage aber einem abstrakten Korsett generalisierender Tatbestände. Dass das Rekursgericht allgemeine Kriterien zur Ausmittlung des Ausgleichsbetrags im konkret zu beurteilenden Fall vermisst, begründet damit entgegen dessen Ansicht ebenfalls keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.
[9] 2. Die Antragstellerin kann auch nicht darlegen, dass das Rekursgericht das ihm bei der Ausmessung der Ausgleichszahlung eingeräumte Ermessen (dazu RS0113732 [T2]) zu ihrem Nachteil überschritten hätte und deswegen eine aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit aufzugreifende Fehlbeurteilung vorläge:
[10] 2.1. Die Aufteilung des ehelichen Vermögens ist kein Instrument der Bestrafung bzw Belohnung für ehegerechtes oder ehewidriges Verhalten (RS0057387). Das Verschulden an der Auflösung der Ehe kann nach der Rechtsprechung daher nur ausnahmsweise ein Kriterium für die Billigkeitsentscheidung nach § 83 EheG sein, etwa wenn es für die vermögensrechtliche Entwicklung während der Ehe im weitesten Sinn bedeutsam war (vgl dazu RS0057630). Derartiges behauptet die Antragstellerin in ihrem Rechtsmittel aber nicht konkret.
[11] 2.2. Wertsteigernde Investitionen in die Liegenschaft mit der vormaligen Ehewohnung während aufrechter Ehe lagen nach den Feststellungen nicht vor. Wurde die von einem (oder auch beiden) Ehepartnern in die Ehe eingebrachte Liegenschaft (oder die darauf errichtete Ehewohnung) fremdfinanziert, entspricht in einem solchen Fall die betragsmäßige Reduktion des Kreditsaldos regelmäßig der im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigenden Wertsteigerung (RS0130671; vgl auch 1 Ob 238/21p).
[12] Nicht festgestellt werden konnte, dass die vormalige Ehewohnung der Streitteile mit Mitteln aus einem Kredit finanziert worden wäre. Diese Negativfeststellung geht entgegen der Ansicht der Frau aber nicht zu Lasten des Antragsgegners. Auch im Bereich des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens außer Streitsachen sind subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist (RS0006261 [T1]). Grundsätzlich hat damit auch im Verfahren außer Streitsachen jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (vgl RS0037797). Ob die vormalige Ehewohnung mit Fremdmitteln finanziert wurde und damit eine Wertsteigerung durch eine Reduktion des Kreditsaldos überhaupt in Betracht kommt, hatte daher die Antragstellerin nachzuweisen, die daraus ein ihrem Standpunkt günstiges Ergebnis ableitet. Damit ist es auch unerheblich, dass das Rekursgericht – wie sie grundsätzlich zu Recht anmerkt – ungeachtet der Negativfeststellung rechtlich als gesichert unterstellte, die Ehewohnung sei mit Mitteln aus der Veräußerung von Liegenschaften errichtet worden, die der Mann von seinem Vater vor Eheschließung geschenkt erhalten hatte. Welche sonstige Wertsteigerung die Liegenschaft während aufrechter Ehe erfahren haben soll, die zu ihren Gunsten bei der Aufteilung zu berücksichtigen wäre, legt die Antragstellerin gar nicht erst näher dar.
[13] 2.3. Während der Ehe erzielte Wertsteigerungen von nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der Aufteilung ausgenommenen Liegenschaften sind nicht in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, wenn diese auf die allgemeine Preisentwicklung (zB steigender Immobilienpreis) und nicht auf gemeinsame Leistungen der Ehegatten zurückzuführen sind (RS0057486 [T8, T9, T10]). Soweit die vom Mann nach seinem Vater geerbten und überwiegend später veräußerten Liegenschaften sowie das ihm noch verbliebene Grundstück eine Wertsteigerung erfuhren, geht nach dem festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen auf deren im Jahr 2000 und damit vor Eheschließung erfolgte Einordnung als „Bauerwartungsland“ und nicht auf die spätere Umwidmung in Bauland zurück. Inwieweit hier eine eheliche Errungenschaft vorliegen soll, die der Aufteilung unterläge, ist daher nicht zu erkennen. Die Bemühungen der Frau, um deren Umwidmung in Bauland zu erreichen und einen Notverkauf zu verhindern, hat das Rekursgericht ohnedies angemessen berücksichtigt, indem es ihr eine Ausgleichszahlung von 150.000 EUR für die im Regelfall ohne Wertersatz dem schenkenden Ehegatten zurückzustellende, geschenkte Sache (hier den Liegenschaftsanteil) zubilligte. Mit ihrem Hinweis auf die Verwendung der Erlöse der vom Mann geerbten und nach Umwidmung verkauften Grundstücke kann sie schon deshalb kein im Einzelfall korrekturbedürftiges Ergebnis aufzeigen, weil damit ohnedies überwiegend Hypothekarschulden, die zur Finanzierung der Lebensführung eingegangen worden waren, beglichen wurden.
[14] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Der Antragsgegner hat Anspruch auf Ersatz seiner im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses entstandenen Kosten, weil er in seiner Rechtsmittelbeantwortung darauf hinwies, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist (RS0122774). Das Kostenverzeichnis war jedoch zu korrigieren, weil darin die Verdienstsumme ausgehend vom Entscheidungsgegenstand zu hoch angesetzt war.
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