OGH 1Ob87/15y

OGH1Ob87/15y21.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans H*****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Reinhard H*****, und 2. Maria H*****, beide vertreten durch die Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH, Altenmarkt im Pongau, wegen Feststellung und Einverleibung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Februar 2015, GZ 4 R 9/15v‑36, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 27. Oktober 2014, GZ 1 Cg 129/13g‑32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.076,51 EUR (darin 179,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 185 eines bestimmten Grundbuchs, die Beklagten sind jeweils Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 50 dieses Grundbuchs, bestehend unter anderen aus Grundstück Nr 492/1. 1971 räumten die vormaligen Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 50 der Mutter des Klägers als Voreigentümerin der Liegenschaft EZ 185 das Recht ein, sich an eine bereits errichtete Wasserversorgungsanlage anzuschließen und die notwendigen Wasserleitungen zu verlegen. Dieses Recht hat den Wasserbezug aus einer Quelle auf einer anderen Grundparzelle der Beklagten und die Errichtung einer Leitung zu einem ehemals oberhalb der Liegenschaft des Klägers befindlichen Hochbehälter zum Gegenstand. Neben diesem Hochbehälter wurde mit Zustimmung der Rechtsvorgänger der Beklagten im Jahr 1976 auf Kosten der Rechtsvorgängerin des Klägers ein überdachtes und versperrbares Wasserbassin errichtet, welches als Überlaufbecken für den im Jahr 1969 errichteten Hochbehälter diente. Die Rechtsvorgängerin des Klägers bezahlte die Errichtungskosten dieses Überlaufbeckens.

Aufgrund wiederholter Versorgungsengpässe bei Trockenheit fassten der (damals 16-jährige) Kläger und der (15 Jahre alte) Erstbeklagte im Jahr 1984 auf dem Grundstück Nr 492/1 der Liegenschaft EZ 50 eine Quelle mit Hilfe eines Plastikbehälters. Von dieser Quellfassung weg wurde im selben Jahr ein teils oberirdisch und teils unterirdisch verlaufender Wasserschlauch mit einer Länge von ca 250 Laufmeter verlegt, mit dem das Wasser dieser Quelle in den Überlaufbehälter und von dort zur Gänze unterirdisch über eine Rohrleitung hangabwärts zur Liegenschaft des Klägers geleitet wurde. Sowohl die Fassung als auch die Ableitung der Quelle auf der Grundstücksparzelle Nr 492/1 erfolgte mit Zustimmung des Vaters des Erstbeklagten und mit Duldung der Zweitbeklagten. Bis zur Einantwortung an den Erstbeklagten im Jahr 2004 waren der Vater des Erstbeklagten und die Zweitbeklagte je Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 50.

Bei der Quelle handelt es sich um einen lokalen, seichten Wasseraustritt mit geringer, jahreszeitlich und witterungsbedingt stark schwankender Ergiebigkeit; sie reicht allerdings zur Versorgung des Anwesens des Klägers mit Nutzwasser aus. Das aus dieser Quelle gewinnbare Brauchwasser ist nicht als Trinkwasser geeignet. Seit 1992 ist (unstrittig) die Versorgung des Haushalts und des Betriebs des Klägers über die öffentliche Wasserversorgung gewährleistet.

Nachdem der Erstbeklagte in den Jahren zwischen 2003 und 2008 mehrfach die Wasserleitung unterbrochen hatte, zerstörte er diese im Jahr 2008. Im selben Jahr riss er auch die Quellfassung (Wasserbehälter) heraus. Während der Kläger die Zerstörungen an der Wasserleitung immer wieder beseitigte, hat er die vom Erstbeklagten im Jahr 2008 beseitigte Quellfassung nicht wiederhergestellt.

Mit der am 21. 4. 2011 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Feststellung und Einverleibung der Grunddienstbarkeit der Wasserleitung, Wasserbenützung und Fassung der auf Grundstück Nr 492/1 liegenden Quelle.

Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR übersteige, nicht jedoch 30.000 EUR, und ließ über Antrag des Klägers nachträglich die ordentliche Revision zu, weil „nicht ausgeschlossen werden“ könne, dass es von (nicht genannter) höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der konkludenten Einräumung einer Dienstbarkeit abgewichen sei.

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ab. Eine solche Rechtsfrage zeigt auch die Revision nicht auf:

1. Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge ‑ anders als hier ‑ eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (RIS‑Justiz RS0043253 [T1, T2, T8, T18]; vgl RS0044358 [zum Dienstbarkeitsbestellungsvertrag T14, T23]). Ebenso entzieht sich wegen der Einzelfallbezogenheit der grundsätzlichen Erörterung des Obersten Gerichtshofs, welche konkreten Aufwendungen des Begünstigten vorliegen müssen, um die Zustimmung des Grundeigentümers nicht nur als nachbarschaftliche Gefälligkeitshandlung zu beurteilen, und welche den Schluss auf einen rechtsgeschäftlichen Willen des Liegenschaftseigentümers zur Einräumung eines (dinglichen oder) obligatorischen Gebrauchsrechts zulassen (1 Ob 81/01w).

2. Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist ‑ neben den anderen in § 480 ABGB genannten Fällen ‑ grundsätzlich ein Vertrag, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann (RIS‑Justiz RS0114010). Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist allerdings größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn wären. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (RIS‑Justiz RS0013947; RS0014150). An die Annahme der schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit sind, weil dies einem Teilrechtsverzicht gleichkommt, strenge Anforderungen zu stellen. Die sonst an die Ersitzung anknüpfenden Erfordernisse des rechtmäßigen, redlichen und echten Besitzes, einschließlich dem Ablauf der Ersitzungszeit, sollen nicht dadurch einfach umgangen werden können, dass man aus der Nichtausübung eines Rechts oder der stillschweigenden Duldung der Nutzung des Grundstücks durch eine andere Person während eines kürzeren Zeitraums als jenes für die Ersitzung bereits einen konkludenten Rechtsverlust durch rechtsgeschäftliche konkludente Einräumung von Dienstbarkeitsrechten bejaht. Selbst wenn die Benützung länger als zehn Jahre währt, kann kein Wille des Eigentümers abgeleitet werden, dass er sein Eigentumsrecht zu Gunsten einer dritten Person, insbesondere ohne Gegenleistung, beschränken will. Für eine konkludente Dienstbarkeitseinräumung müssen somit über die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs hinausgehende Sachverhaltselemente vorliegen, die auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Belasteten im Hinblick auf die Begründung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht schließen lassen (10 Ob 10/13p mwN = immolex 2014/17, 56 [zustimmend Hagen ]; vgl 3 Ob 132/09x = RIS‑Justiz RS0011661 [T4]; Spath in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 480 Rz 2; Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 480 Rz 3; vgl RS0011650 [T11]).

3. Zutreffend argumentierten die Vorinstanzen, dass aus der Errichtung des Überlaufbeckens im Jahr 1976 nicht auf eine konkludente Servitutsvereinbarung zu Gunsten des Klägers acht Jahre später geschlossen werden kann. Das Wasserbassin diente als Überlaufbecken für den Hochbehälter und sicherte das bereits bestehende und 1971 vertraglich eingeräumte Wasserleitungsrecht zu einer anderen Quelle ab. 1976 war weder die gegenständliche Quelle gefasst, noch von dort ein Wasserschlauch verlegt. Dass die Vorinstanzen schon aus der zeitlichen Abfolge nicht auf eine konkludente Servitutseinräumung im Jahr 1984 schlossen, ist nicht zu beanstanden.

4. Steht eine Liegenschaft im Miteigentum, so können einzelne der Miteigentümer allein diese ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer weder zu einem ideellen Teil noch als Ganzes mit einer Dienstbarkeit belasten oder eine solche erweitern (1 Ob 227/97g = RIS‑Justiz RS0013190 [T2]). Es handelt sich dabei zufolge § 828 Abs 1 ABGB um eine Verfügung über das Recht der Miteigentümer im Ganzen, sodass hiezu das Einverständnis aller Teilhaber notwendig ist (RIS‑Justiz RS0049051 [T1]; RS0114010). Das gilt selbstverständlich auch, wenn ‑ wie hier im Jahr 1984 ‑ die Miteigentümer Ehegatten sind (RIS‑Justiz RS0011646; RS0049051 [T2]).

Zwar erfolgte die Fassung und Ableitung der Quelle auf der Grundparzelle Nr 492/1 durch den Kläger und den Erstbeklagten mit Zustimmung des Vaters des Erstbeklagten (Hälfteeigentümer), wobei nicht feststeht, was dieser in diesem Zusammenhang mit der Mutter und Rechtsvorgängerin des Klägers besprach. Jedenfalls wäre Voraussetzung für die wirksame Einräumung der Dienstbarkeit der Wasserleitung nach § 497 ABGB auch die Einwilligung der Zweitbeklagten als Miteigentümerin der dienenden Liegenschaft in die Servitutsbestellung. Dass sie als Hälfteeigentümerin die Fassung der Quelle und die Wasserableitung duldete, kann ‑ wie das Berufungsgericht vertretbar darlegte ‑ noch nicht als Zustimmung zu einem Dienstbarkeitsrecht angesehen werden, sodass es auf die diesbezüglich unterlassene Behandlung der Beweisrüge der Beklagten durch das Berufungsgericht nicht ankommt.

4.1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, selbst unter Zugrundelegung der vom Kläger gewünschten Feststellung zu den von seiner Mutter getragenen Materialkosten der Errichtung der Wasserleitung im Jahr 1984 rechtfertige nicht die Annahme einer konkludenten Servitutseinräumung durch die Zweitbeklagte, weil es sich nicht um eine beträchtliche finanzielle Investition handle (vgl RIS‑Justiz RS0011661 [T3]; RS0114010), und der Umstand, dass die Quelle mit einfachsten Mitteln erschlossen und dann bis zum Überlaufbecken einfach ein teils oberirdisch und teils unterirdisch verlaufender Wasserschlauch verlegt worden sei, spreche nicht dafür, dass die Duldung dieser Maßnahme durch die Zweitbeklagte gerade zum Zweck einer Rechtseinräumung zu Gunsten der Rechtsvorgängerin des Klägers erfolgt wäre, begegnet keinen Bedenken. Die gegenteilige Argumentation des Klägers, der von einer „kostspieligen Anlage“ ausgeht, vernachlässigt das Ausmaß der behaupteten Materialkosten und auch den Umstand, dass er und seine Rechtsvorgängerin zumindest bis 2003 Nutzwasser beziehen konnten. Eine beträchtliche finanzielle Investition seiner Mutter, woraus sich die Annahme einer konkludenten Servitutseinräumung durch die Zweitbeklagte rechtfertigen ließe, liegt jedenfalls nicht vor.

4.2. Auch der Umstand, dass die Liegenschaft des Klägers über ca 19 Jahre (von 1984 bis 2003) über die Wasserleitung mit Nutzwasser (und nicht mit Trinkwasser) versorgt wurde, rechtfertigt nicht die Duldung der Zweitbeklagten als schlüssige Einräumung einer diesbezüglichen Servitut anzusehen. Dem Zeitablauf allein ist kein Erklärungswert beizumessen. Es bedarf ‑ in Abgrenzung zur Ersitzung ‑ mehr als des bloßen Zeitablaufs, um einen Rechtsfolgewillen der Miteigentümerin der belasteten Liegenschaft im Hinblick auf die Einräumung einer Dienstbarkeit zu unterstellen. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen betreffen mit dem gegenständlichen nicht vergleichbare Sachverhalte. In der Entscheidung 1 Ob 57/87 gelangte der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass die bewusste Duldung der Ausübung der Servitut durch Betreiben einer Dreikammer-Kläranlage durch ca 19 Jahre mit Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) als stillschweigende Genehmigung der Dienstbarkeit angesehen werden muss. In diesem Fall lag ‑ anders als hier ‑ die Errichtung und Benützung einer „kostspieligen Anlage“ vor. In der Entscheidung 2 Ob 593/89 wurde das schlüssige Zustandekommen einer Grunddienstbarkeitsvereinbarung deswegen bejaht, weil die Liegenschaftseigentümerin in Kenntnis des Umstands, dass ihr Grundstück seit ca 50 Jahren regelmäßig und unwidersprochen zu Weidezwecken benutzt worden war und auf diesem Grundstück Anlagen vorhanden waren und benützt wurden, die diesem Zweck dienten, die weitere regelmäßige Benützung dieses Grundstücks für Weidezwecke ohne jeden Einwand durch einen Zeitraum von 15 Jahren duldete.

Wenn der Kläger mit einem „primären“ Interesse der Beklagten an der Quellfassung und Zuleitung zum Überlaufbehälter im Jahr 1984 argumentiert, so steht dieses einerseits nicht fest und andererseits erfolgte die Ableitung ausschließlich auf die nunmehrige Liegenschaft des Klägers.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen.

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