OGH 1Ob57/87

OGH1Ob57/8720.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried B***, Tischler, Sulzberg, Stein 221, vertreten durch Dr. Norbert Kohler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Herbert V***, Landwirt, Sulzberg, Simlisgschwend 87, vertreten durch Dr. Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Feststellung (Streitwert S 20.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 6. Oktober 1987, GZ 1 c R 30/87-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 2. Jänner 1987, GZ 2 C 11/86-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Bregenz vom 20. Oktober 1950, A 141/50, wurde der Hälfteanteil der Katharina V***, der Mutter des Beklagten, am Grundstück 2787/1 der EZ 82 KG Sulzberg den zehn Kindern der Verstorbenen zu gleichen Teilen eingeantwortet. August V***, der Vater des Beklagten, übergab mit Vertrag vom 1. Juli 1964 seinen Hälfteanteil an der EZ 82 KG Sulzberg, zu der u.a. das Grundstück 2787/1 gehörte, dem Beklagten. Dieser Vertrag wurde am 13. März 1965 einvernehmlich aufgehoben und durch den Übergabs-, Schenkungs- und Erbverzichtsvertrag vom 11. März 1965 ersetzt, wonach August V*** seinen Hälfteanteil u.a. am Grundstück 2787/1 und die Geschwister des Beklagten mit Ausnahme der Helga F*** ihren je 1/18-Anteil am vorgenannten Grundstück dem Beklagten ins Eigentum übertrugen, wodurch der Beklagte zu 17/18-Anteilen Eigentümer wurde. Mit Kaufvertrag vom 26. November 1965 verkaufte Helga F*** dem Beklagten ihren 1/18-Anteil am Grundstück, wodurch der Beklagte Alleineigentümer der Liegenschaft wurde.

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 336 KG Sulzberg, bestehend aus den Grundstücken 365 und 2786/3. Die Grundgrenze nach Südosten zum Grundstück des Beklagten wird durch eine betonierte Mauer gebildet. Am nordöstlichen Ende der Mauer, jedoch schon auf dem Grundstück 2787/1 des Beklagten, steht eine betonierte Dreikammer-Kläranlage, die dem Haus des Klägers dient. Die geklärten Abwässer führen von der Kläranlage durch eine Überlaufleitung in einen südöstlich auf dem Grundstück des Beklagten gelegenen Sammelschacht; von diesem Sammelschacht werden die Wässer über einen zweiten Sammelschacht in ein öffentliches Gerinne geleitet. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks 365 KG Sulzberg die Dienstbarkeit bestehe, an der Stützmauer zwischen den Grundstücken 2786/3 und 2781/1 je KG Sulzberg, ca. 1,6 m vom nördöstlichen Ende dieser Stützmauer entfernt, eine Dreikammer-Kläranlage mit einer Länge von 3,25 m und einer Breite von 1,6 m und einer Tiefe von 1,5 m zu halten und zu betreiben. Der Kläger führte aus, seine Mutter und der Vater des Beklagten August V*** hätten im Jahre 1965 eine Kleinentwässerungsanlage erbaut. Im Zuge der Errichtung dieser Anlage habe sich die Notwendigkeit der Errichtung einer Dreikammer-Kläranlage ergeben. August V*** habe seiner Mutter eine Dienstbarkeit, wie sie im Klagebegehren wiedergegeben wurde, eingeräumt. August V*** sei zwar im Zeitpunkt der Rechtseinräumung nicht Alleineigentümer des Grundstücks 2787/1 gewesen, sei aber als Bevollmächtigter der Miteigentümer aufgetreten; zumindest läge eine Duldungsvollmacht vor, jedenfalls aber eine Vollmacht kraft äußeren Tatbestandes. Der Beklagte habe auch bis zum Jahre 1984 die Anlage, von deren Errichtung er Kenntnis gehabt habe, geduldet und niemals ihre Entfernung gefordert. Nunmehr verweigere er im Rahmen eines Verfahrens vor der Baubehörde grundlos die Zustimmung zur Errichtung dieser Hauskläranlage.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. August V*** sei nicht berechtigt gewesen, die Erlaubnis zur Errichtung der Anlage zu erteilen. Er, Beklagter, sei bereits am 16. März 1965 Alleineigentümer des Grundstücks 2787/1 geworden. Die Kläranlage sei erst in den Jahren 1969 bis 1971 errichtet worden. Sowohl der Kläger als auch dessen Mutter Berta B*** seien von ihm immer wieder aufgefordert worden, die Kläranlage, die der Kläger ohne sein Wissen errichtet habe, zu entfernen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, jedoch nicht S 300.000 übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht stellte nach Wiederholung des Beweisverfahrens fest:

Im Oktober 1965 wurde von den Interessenten August V***, Heinrich H*** und Berta B*** mit Subventionierung durch das Landeswasserbauamt Bregenz auf den Grundstücken 2787/1 und 2782/1 eine Kleinentwässerungsanlage errichtet, in die auch die Dachwässer des auf dem Grundstück 365 errichteten, nunmehr dem Kläger gehörenden Hauses abgeleitet werden sollten. Als Antragsteller für die Familie V*** sei im Verfahren vor dem Landeswasserbauamt Bregenz August V*** aufgetreten. Im Jahre 1965 beabsichtigte Berta B*** die Errichtung der in Rede stehenden Kläranlage. Auch August V*** war daran interessiert, daß das Dachwasser vom Hause B*** ordnungsgemäß abgeleitet werde. Etwa im September 1965 kam es zu einem Gespräch zwischen August V*** und Berta B***. Beabsichtigt war, an der östlichen Ecke des Grundstücks 2786/3, jedoch bereits auf dem Grundstück 2787/1, eine Kläranlage zu errichten. In der Annahme, daß August V*** Eigentümer des Landwirtschaftsbetriebes sei und in Unkenntnis der wahren Eigentumsverhältnisse ersuchte Berta B*** ihn um die Einwilligung zur Errichtung der Kläranlage. August V*** stimmte der Errichtung der Hauskläranlage unter der Voraussetzung zu, daß diese direkt im Anschluß an die Geländemauer errichtet werde. Nach Erteilung dieser Zustimmung wurde die Anlage in den Monaten September und Oktober 1965 errichtet. Dabei wurde auch das Dachwasser vom Hause der Berta B*** mit der Abwasserleitung der Kläranlage zusammengeschlossen und die Abwässer dann in einem Rohr zum Sammelschacht der im Zuge der Errichtung der Kleinentwässerungsanlage angelegt worden war, geführt. Der Beklagte erfuhr von der Errichtung der Kläranlage noch während ihrer Erbauung. Er unternahm bis zum Jahre 1984 keine gerichtlichen oder sonstigen Schritte zu ihrer Beseitigung. Eine baupolizeiliche Genehmigung zur Errichtung der Anlage wurde seinerzeit nicht eingeholt, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauwerk handelte. Der Beklagte ersuchte mit Schreiben vom 14. August 1984 die Gemeinde Sulzberg festzustellen, ob für die Kläranlage eine baurechtliche Bewilligung vorliege. Daraufhin wurde ein Baubewilligungsverfahren eingeleitet, mit dem bis zum Abschluß des Rechtsstreits innegehalten wurde.

Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht diesen Sachverhalt dahin, daß weder der Kläger noch Berta B*** im Zeitpunkt der mit August V*** getroffenen Vereinbarung über die Eigentumsverhältnisse am Grundstück 2787/1 unterrichtet gewesen seien. Da August V*** noch im Jahre 1964 in der Landwirtschaft, wenn auch nur mehr im eingeschränkten Umfang, mitgearbeitet habe, hätten die äußeren Umstände darauf hingedeutet, daß August V*** zur Einräumung der Dienstbarkeit berechtigt sei. Dazu komme, daß der Beklagte, der von der Errichtung der Kläranlage sogleich Kenntnis erlangt habe, durch 19 Jahre hindurch bis zum Jahre 1984 keine gerichtlichen oder sonst behördlichen Schritte zur Beseitigung der Anlage unternommen habe. Es könne auch nicht festgestellt werden, daß der Beklagte den Kläger oder Berta B*** außergerichtlich jemals aufgefordert hätte, die Kläranlage zu entfernen. Er habe damit das weitere Bestehen der Kläranlage geduldet. Dem Kläger sei es damit aber gelungen, den gültigen Titel für den Erwerb der von ihm behaupteten Dienstbarkeit nachzuweisen. Im Hinblick auf die Rechtsbestreitung durch den Beklagten habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens der Dienstbarkeit.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Beklagten ist nicht gerechtfertigt.

Soweit der Beklagte in der Revision vom Berufungsgericht nach Beweiswiederholung getroffene Feststellungen bekämpft, ist darauf zu verweisen, daß die unrichtige Beweiswürdigung kein Revisionsgrund ist und daher die vom Berufungsgericht in einem mangelfreien Verfahren geschaffene Tatsachengrundlage nicht bekämpft werden kann. Die weiteren Revisionsausführungen, im Jahre 1965 hätten sich Anteile am Grundstück 2787/1 im Eigentum minderjähriger Kinder befunden, August V*** hätte die in Rede stehende Dienstbarkeit nur mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung einräumen können, stellen im Revisionsverfahren unbeachtliche Neuerungen dar. Der Revisionswerber entfernt sich auch von der vom Berufungsgericht geschaffenen Tatsachengrundlage, wenn er davon ausgeht, daß er die Miteigentumsanteile aller seiner Geschwister erst mit dem Vertrag vom 26. November 1965, also nach Errichtung der Kläranlage, übernommen habe.

Entscheidende Bedeutung kommt der Feststellung des Berufungsgerichtes zu, daß der Beklagte, der auf Grund des Übergabs-, Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages vom 11. März 1965 zu 17/18-Anteilen Eigentümer der Liegenschaft geworden war, von der Errichtung der Kläranlage Kenntnisse hatte und dagegen nicht einschritt. Wenn auch die Einräumung einer Dienstbarkeit nur durch die Gesamtheit der Miteigentümer möglich ist (JBl. 1960, 441; SZ 41/30; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 472 ABGB), so forderte der Beklagte auch nach dem Erwerb des Alleineigentums (Kaufvertrag vom 26. November 1965) nicht die Entfernung der Anlage. Die bewußte Duldung der Ausübung der Servitut durch ca. 19 Jahre muß mit Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) als stillschweigende Genehmigung der Dienstbarkeit angesehen werden. Demnach bedarf es keiner Prüfung der Frage mehr, ob August V*** der Berta B*** wirksam eine Dienstbarkeit mit dem in Rede stehenden Inhalt einräumen konnte.

Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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