OGH 10Ob10/13p

OGH10Ob10/13p28.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Freyer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J*****, vertreten durch Rosecker & Killer Rechtsanwaltspartnerschaft in Wiener Neustadt, 2. R*****, 3. M*****, 4. A*****, 5. S*****, 6. S*****, 7. K*****, 8. G*****, 9. A*****, 10. R*****, 11. I*****, 12. Z*****, die dritt‑ und viertbeklagte sowie die sechst‑ bis zwölftbeklagte Partei vertreten durch Dr. Johannes Hübner und Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, Beseitigung und Einverleibung (Gesamtstreitwert 8.400 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 19. Juni 2012, GZ 18 R 238/11w‑29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Ebreichsdorf vom 31. August 2011, GZ 2 C 1272/10k‑25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Begründung

Die Klägerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** T***** mit dem Grundstück Nr ***** in T*****58. Die Beklagten sind jeweils grundbücherliche Mit‑ und Wohnungseigentümer zu den im Grundbuch angeführten Mindestanteilen an der unmittelbar angrenzenden Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** T***** mit dem Grundstück Nr ***** in T***** 60. Die Gebäude auf den Grundstücken der Parteien sind derart angeordnet, dass sich im Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze die beiden Einfahrtsbereiche mit Park‑ und Haltemöglichkeiten zu den jeweiligen Grundstücken befinden.

Mit Bescheid vom 5. 5. 1976 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde T***** den Rechtsvorgängern der Klägerin, Dr. H***** und M***** F*****, unter anderem die Baubewilligung zum Zubau einer Garage und von drei überdachten Einstellplätzen. Die Genehmigung enthält keine Hinweise zur Benützung des erwähnten Grundstücks der Beklagten. Dr. H***** F***** ließ die drei Garagenboxen längs zur *****Straße verlaufend an das Wohnhaus mit Ausfahrt in Richtung des Grundstücks der Beklagten errichten. Die beiden erwähnten Liegenschaften der Parteien waren damals und auch in weiterer Folge bis zum 13. 6. 2010 im Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze baulich nicht voneinander abgegrenzt. Es gab damals auch noch keine Tore, welche die Liegenschaften von der *****Straße trennten. Die Zufahrt zu den beiden Grundstücken erfolgte über die Liegenschaft der Beklagten. Nach Errichtung der Garagenboxen wurden diese auch von der Familie F***** bis 1983 benutzt. Auf welcher rechtlichen Grundlage diese Nutzung erfolgte, konnte nicht festgestellt werden. Es konnte insbesondere nicht festgestellt werden, dass Dr. F***** diese im Rahmen einer Servitut und nicht etwa im Rahmen einer bloß prekaristischen Gestattung nutzte. Die Benützung erfolgte durch PKWs.

Von 1983 bis Frühsommer 1984 stand das Haus der Ehegatten F***** leer. In der Folge kaufte die Mutter der nunmehrigen Klägerin die Liegenschaft und zog im Sommer 1984 in das Haus ein. Im Zuge des Kaufs der Liegenschaft wurden der Mutter der Klägerin von Dr. F***** das Haus und die Garagen gezeigt und er erklärte dabei, die Garagen sollten auch benutzt werden, weil im Einfahrtsbereich keine Fahrzeuge stehen dürfen, damit eine Zufahrtsmöglichkeit für Feuerwehr und Rettung bestehe. Es wurde damals nicht besprochen, dass die Zufahrt zum Grundstück über die Nachbarliegenschaft erfolge bzw es eine entsprechende Dienstbarkeit gebe. Auch im Kaufvertrag zwischen Dr. F***** und der Mutter der Klägerin findet sich darüber keine Bemerkung. Die Einfahrt zum Grundstück der Beklagten war damals bereits befestigt und asphaltiert. Im Jahr 1986 wurde auf der Liegenschaft der Beklagten auch ein Tor errichtet. Aus diesem Anlass ließ auch die Mutter der Klägerin die Zufahrt zu ihrem Grundstück befestigen und asphaltieren. In der Zeit zwischen der Montage des Tores auf der Liegenschaft der Beklagten und der Errichtung der eigenen Zufahrt wurde von der Mutter der Klägerin und den ihr zuzurechnenden Personen ausschließlich die Einfahrt über die Liegenschaft der Beklagten benützt, um zu den Garagenboxen zu gelangen. Nach der Befestigung der Einfahrt zur Liegenschaft der nunmehrigen Klägerin wurde auch diese Einfahrt benützt. Zum Reversieren und Einfahren in die Garagenboxen wurde jedoch auch weiterhin das Grundstück der Beklagten befahren.

Mit Schenkungsvertrag vom 21. 12. 2000 übergab die Mutter der Klägerin die erwähnte Liegenschaft an ihre Tochter, die nunmehrige Klägerin. Der auf beiden Grundstücken bestehende Zufahrtsbereich wurde seit 1984 von der Klägerin bzw deren Mutter als Rechtsvorgängerin und den ihnen zuzurechnenden Personen bei der Fahrt zu den Garagenboxen auch durch das Befahren des Grundstücks der Beklagten benutzt. Die Klägerin und ihre Mutter gingen davon aus, dass sie aufgrund der für die Garagenboxen erteilten Baugenehmigung zum Befahren der Liegenschaft der Beklagten berechtigt seien. Auch von den Beklagten wurde gelegentlich das Grundstück der Klägerin zum Parken von Fahrzeugen bzw zum Befahren der eigenen Liegenschaft verwendet. Am 13. 6. 2010 wurde im Auftrag der Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses ***** 60 entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein Maschendrahtzaun errichtet. Seither ist es der Klägerin und ihr zuzurechnenden Personen nur mehr durch mehrmaliges Reversieren möglich, mit Kraftfahrzeugen in ihre Garagenboxen zu gelangen.

Mit ihrer am 14. 7. 2010 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin gegenüber den Beklagten die Feststellung, dass ihr als Alleineigentümerin der erwähnten Liegenschaft, ihren Rechtsnachfolgern und Mitbewohnern, Besuchern und beauftragten Personen ein näher umschriebenes Durchfahrtsrecht mit Fahrzeugen aller Art über das Grundstück der Beklagten zustehe und die Beklagten in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen und den errichteten Maschendrahtzaun auf ihre Kosten zu entfernen hätten. Sie stützte ihr Begehren auf den Rechtsgrund der Ersitzung sowie auf eine schlüssige Vereinbarung einer Dienstbarkeit zwischen den Streitteilen bzw deren Rechtsvorgängern. Diese schlüssige Vereinbarung ergebe sich insbesondere daraus, dass die Beklagten die Benützung ihrer Liegenschaft durch die Klägerin gestattet und selbst den Bereich des Grundstücks der Klägerin benutzt hätten. Seit 1976 habe die einzige Zufahrt zum Grundstück der Klägerin über die Liegenschaft der Beklagten geführt. Die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger seien immer davon ausgegangen, das Grundstück der Beklagten berechtigt zu nutzen. Es sei daher von Seiten der Klägerin bzw ihrer Rechtsvorgänger die Dienstbarkeit des Fahrens erworben worden.

Während der Erstbeklagte das Klagebegehren anerkannte und sich der Zweitbeklagte nicht am Verfahren beteiligte, beantragten die Dritt‑ bis Zwölftbeklagten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendeten im Wesentlichen ein, der Klägerin und ihren Mitbewohnern sei es problemlos möglich, beim Zufahren in die drei Garagenboxen ausschließlich ihr eigenes Grundstück zu benützen. Die behauptete Ersitzung einer Grunddienstbarkeit sei nicht eingetreten. So fehle es an der erforderlichen Ersitzungszeit, weil die Klägerin erst seit dem Jahr 2000 Eigentümerin der Liegenschaft sei und die Liegenschaft der Beklagten jedenfalls in den Jahren 1982 bis 1984 nicht in Anspruch genommen worden sei. Weiters fehle es jedenfalls seit Mitte der 80iger Jahre an der Redlichkeit und Rechtmäßigkeit der Besitzausübung, weil einzelne Miteigentümer der Liegenschaft der Beklagten die Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgefordert hätten, das Befahren der Liegenschaft der Beklagten zu unterlassen. Auch eine schlüssige Vereinbarung einer Dienstbarkeit sei nicht zustandegekommen. Ein von der Klägerin behauptetes Fahrrecht sei den Beklagten nicht bekannt gewesen und sei auch nicht ersichtlich gewesen, sodass die Beklagten jedenfalls gutgläubig und lastenfrei ihre Liegenschaftsanteile erworben hätten. Hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Entfernung des Maschendrahtzauns an der Grundstücksgrenze werde die mangelnde Passivlegitimation der Beklagten eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den im Wesentlichen bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass eine Ersitzung der von der Klägerin behaupteten Dienstbarkeit schon deshalb nicht in Betracht komme, weil für den Zeitraum bis 1984 eine bloß prekaristische Nutzung der Liegenschaft der Beklagten nicht ausgeschlossen werden könne und somit ein nachweisbarer Ersitzungsbesitz frühestens seit dem Erwerb der Liegenschaft durch die Mutter der Klägerin im Jahr 1984 vorliege. Auch das weitere Vorbringen der Klägerin über eine konkludente Vereinbarung einer Dienstbarkeit sei nicht berechtigt, weil das bloße Dulden der Benutzung eines Weges nicht zur stillschweigenden Einräumung einer Dienstbarkeit führe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, hielt die von der Klägerin unter anderem bekämpfte negative Feststellung des Erstgerichts zur Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die Nutzung der Liegenschaft der Beklagten durch die Familie F***** in den Jahren 1976 bis 1983 erfolgt sei, für unbedenklich und erachtete die weitere Tatsachen‑ und Beweisrüge der Klägerin in ihrer Berufung ebenso wenig für entscheidungsrelevant wie die von den Beklagten in ihrer Berufung erhobene Tatsachen‑ und Beweisrüge. In rechtlicher Hinsicht schloss sich das Berufungsgericht der Rechtsansicht des Erstgerichts an, wonach eine konkludente Vereinbarung einer Dienstbarkeit nicht erwiesen sei, weil in der bloßen Duldung der Zufahrt durch längere Zeit hindurch noch nicht die schlüssige Einräumung eines Fahrrechts erblickt werden könne. Es teilte auch die weitere Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach ein nachweisbarer Ersitzungsbesitz frühestens seit dem Erwerb der Liegenschaftt durch die Mutter der Klägerin im Jahr 1984 vorliege und daher die erforderliche Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen sei. Im Übrigen ergebe sich auch kein Hinweis darauf, dass die Rechtsvorgänger der Beklagten die Duldung der Zufahrt über ihren Grund als Erfüllung einer Schuldigkeit und die Rechtsvorgänger der Mutter der Klägerin die Zufahrt über die Liegenschaft der Beklagten als Ausübung eines Rechts betrachtet hätten. Weiters schließe eine vertragliche Gebrauchsüberlassung (Duldung bzw Gestattung) jedenfalls auch die uneigentliche Ersitzung (§ 1477 ABGB) aus, wenn die Rechtsausübung Ausfluss der vertraglich eingeräumten Rechtsstellung sei. Die Ersitzung müsse insoweit an der mangelnden Redlichkeit scheitern. Bereits aufgrund dieser Erwägungen erweise sich das Klagebegehren insgesamt als nicht berechtigt, weshalb auf die weiteren Berufungsausführungen nicht mehr eingegangen werden müsse.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es änderte über Antrag der Klägerin seinen Zulässigkeitsausspruch mit Beschluss vom 8. 1. 2013 dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Es begründete dies damit, dass es die als unbedenklich übernommene negative Feststellung des Erstgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass Dr. F***** das Durchfahrtsrecht mit dem Willen in Anspruch genommen habe, dieses im Rahmen einer Dienstbarkeit und nicht etwa im Rahmen einer bloß prekaristischen Gestattung zu nützen, zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Nach der von der Klägerin in ihrer Zulassungsbeschwerde zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs habe jedoch der Ersitzungsgegner die fehlende Absicht der Rechtsausübung zu beweisen. Das Berufungsgericht habe daher die Beweislast betreffend die erwähnte Negativfeststellung allenfalls unrichtig beurteilt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die dritt‑ und viertbeklagte sowie die sechst‑ bis zwölftbeklagte Partei erstatteten eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in der Frage der Beweislastverteilung für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Die Klägerin macht ‑ stark zusammengefasst ‑ geltend, bereits die unwidersprochene Planung, Errichtung und Benützung der Garagen mit Ausrichtung in Richtung des Grundstücks der Beklagten sei als schlüssige Einräumung einer Wegedienstbarkeit zu werten. Das Berufungsgericht sei in wesentlichen Fragen der Beweislastverteilung (Vorliegen eines Prekariums, Unterbrechung des Ersitzungsbesitzes, Redlichkeit des Ersitzungsbesitzers) nicht der ständigen Rechtsprechung gefolgt. Weiters habe sich das Berufungsgericht ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht über die Frage der Beweislastverteilung mit der Tatsachenrüge der Klägerin in ihrer Berufung nicht ausreichend auseinandergesetzt.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Die Dienstbarkeit (Servitut) ist das dingliche Recht der beschränkten Nutzung einer fremden Sache. Ob die Parteien eine Dienstbarkeit oder ein obligatorisches (Nutzungs‑)Recht vereinbaren wollten, ist durch Auslegung des Vertrags hinsichtlich des verfolgten Zwecks zu beurteilen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass eine Dienstbarkeit und kein obligatorisches Recht eingeräumt wurde. Die unentgeltliche Einräumung eines beschränkten Gebrauchsrechts an einem Grundstück ist, wenn sie mit dinglicher Wirkung erfolgt, Dienstbarkeit, ansonsten ein inhaltlich einer Dienstbarkeit entsprechender obligatorischer Nutzungsvertrag oder ‑ nach den Umständen des Falls ‑ eine bloß prekaristische Gestaltung (vgl Spath in Schwimann/Kodek , ABGB4 § 472 Rz 1 mwN).

2. Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist ‑ neben den anderen in § 480 ABGB genannten Fällen ‑ grundsätzlich ein Vertrag, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann (vgl Spath aaO § 480 Rz 2; Hofmann in Rummel, ABGB³ § 480 Rz 1 jeweils mwN). Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist allerdings größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn wären. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt. Für die Annahme einer schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit sind, da dies einem Teilrechtsverzicht gleichkommt, strenge Anforderungen zu stellen. Die sonst an die Ersitzung anknüpfenden Erfordernisse des rechtmäßigen redlichen und echten Besitzes, einschließlich dem Ablauf der Ersitzungszeit, sollen nicht dadurch einfach umgangen werden können, dass man aus der Nichtausübung eines Rechts bzw der stillschweigenden Duldung der Nutzung des Grundstücks durch eine andere Person während eines kürzeren Zeitraums als jenes für die Ersitzung bereits einen konkludenten Rechtsverlust durch rechtsgeschäftliche konkludente Einräumung von Dienstbarkeitsrechten bejaht. Selbst wenn die Benützung länger als zehn Jahre währt, kann kein Wille des Eigentümers abgeleitet werden, dass er sein Eigentumsrecht zu Gunsten einer dritten Person, insbesondere ohne Gegenleistung, beschränken will. Für eine konkludente Dienstbarkeitseinräumung müssen somit über die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs hinausgehende Sachverhaltselemente vorliegen, die auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Belasteten im Hinblick auf die Begründung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht schließen lassen ( Spath aaO § 480 Rz 2 mwN; 7 Ob 21/04w ua).

2.1 So gibt etwa der Eigentümer des belasteten Grundstücks zu erkennen, dass er mit der Begründung der Dienstbarkeit einverstanden ist, wenn er die Errichtung kostspieliger Anlagen zur Ausübung einer Dienstbarkeit, zB einer Wasserleitung, auf seinem Grundstück oder die Befestigung und Asphaltierung eines Weges duldet. Hingegen kann das Schweigen eines Grundeigentümerns zur Errichtung einer Anlage auf dem Nachbargrundstück nicht als schlüssige Einräumung einer Dienstbarkeit auf seiner Liegenschaft betrachtet werden. Aus der Zustimmung zur Erschließung eines Baugrundstücks, wenn diese im Baubewilligungsverfahren im Zuge der Bauverhandlung abgegeben wurde, lässt sich eine entsprechende privatrechtliche Willenserklärung über die Einräumung einer uneingeschränkten Wegbenützung ebenfalls nicht ableiten (eine solche Zustimmung muss als Anbot zum Abschluss eines entsprechenden Dienstbarkeitsvertrags mit noch zu vereinbarendem Inhalt ‑ im Zweifel gegen eine angemessene Gegenleistung ‑ verstanden werden); dies gilt selbst dann, wenn der Eigentümer des angeblich dienenden Gutes in der Folge die Wegbenützung jahrelang duldet, sodass in diesem Fall nicht von der konkludenten Begründung einer Wegedienstbarkeit auszugehen ist (vgl Spath aaO § 480 Rz 2 mwN).

2.2 Die Beweislast für das Vorliegen einer konkludenten Vereinbarung zur Begründung einer Dienstbarkeit trifft den, der dies behauptet (sohin den Berechtigten). Nur wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Parteienabsicht auf die Begründung eines dinglichen Rechts gerichtet war, trifft die Beweislast dafür, dass entgegen der Vermutung des § 479 ABGB tatsächlich eine jederzeit widerrufliche Gebrauchsgestattung vorliegt, jenen, der diese Einschränkung behauptet, also den Verpflichteten (vgl Spath aaO § 480 Rz 2 mwN).

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann daher, entgegen der Rechtsansicht der Klägerin, aus dem Umstand, dass nach den insoweit unstrittigen Feststellungen des Erstgerichts die drei Garagenboxen und die Garage bereits im Zuge ihrer Planung mit Ausfahrt in Richtung des Grundstücks der Beklagten und somit auf dessen Benützung ausgerichtet waren und die entsprechende Bewilligung zur Errichtung der Garagen von der Baubehörde erteilt wurde, die schlüssige Einräumung der Wegedienstbarkeit nicht abgeleitet werden, weil das bloße Schweigen eines Grundeigentümers zur Errichtung einer Anlage auf dem Nachbargrundstück nicht als schlüssige Einräumung einer Dienstbarkeit auf seiner Liegenschaft betrachtet werden kann.

3.1 Der der Entscheidung 10 Ob 45/11g zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem im gegenständlichen Fall zu beurteilenden Sachverhalt insofern wesentlich, als damals die Einräumung eines Wegerechts bereits im Kaufanbot der Verpflichteten vorgesehen war, die Aufnahme dieser Dienstbarkeit in die Kaufverträge nur irrtümlich unterblieb und sich die damals Berechtigten bzw deren Rechtsvorgänger auch an Investitionen sowie an Erhaltungs‑ und Pflegemaßnahmen bezüglich der strittigen Fläche beteiligt hatten. Auch die Entscheidung 6 Ob 155/00p (= NZ 2001, 343 [abl Hoyer ]) ist mit dem vorliegenden Fall nicht unmittelbar vergleichbar, weil damals die Berechtigten den strittigen Weg auf eigene Kosten befestigt und asphaltiert hatten, ohne dass die Verpflichteten dies beanstandet hätten.

3.2 Nach ständiger Rechtsprechung kann in der ‑ hier vorliegenden ‑ bloßen Duldung der Zufahrt durch längere Zeit hindurch noch nicht die schlüssige Einräumung einer Wegedienstbarkeit erblickt werden (vgl RIS‑Justiz RS0011661). Ein solches Dulden führt daher ‑ ohne Hinzutreten starker Indizien für einen klaren rechtsgeschäftlichen Willen ‑ noch nicht zum Zustandekommen eines konkludenten Dienstbarkeitsvertrags. Die Klägerin vermag in ihren Revisionsausführungen auch keine weiteren Anhaltspunkte anzuführen, aus denen ein objektiver Erklärungsempfänger schließen konnte, die Beklagten bzw deren Rechtsvorgänger wollten ihr Eigentumsrecht an der Liegenschaft auf Dauer einschränken und der Klägerin bzw deren Rechtsvorgängern unentgeltlich eine Dienstbarkeit einräumen.

3.3 Die Vorinstanzen sind daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass ein konkludenter Dienstbarkeitsvertrag zwischen den Parteien bzw deren Rechtsvorgängern nicht zustandegekommen ist.

4. Die Klägerin stützt ihr Recht zur Benützung des Grundstücks der Beklagten auch darauf, sie hätte die entsprechende Dienstbarkeit ersessen.

4.1 Ersitzung ist der Erwerb eines Rechts durch qualifizierten Besitz während der gesetzlich bestimmten Frist. Sie führt zu einem originären Rechtserwerb, der zur Folge hat, dass der bisherige Rechtsinhaber sein Recht verliert (§ 1478 ABGB). § 1460 ABGB nennt die Ersitzungserfordernisse überblicksweise. Neben der Fähigkeit der Person des Ersitzenden (§ 1453) und des Ersitzungsgegners (§ 1454) sind die Ersitzungsfähigkeit der Sache (§§ 1455 bis 1459) und der rechtmäßige (§§ 1461, 1462), redliche (§ 1463) und echte (§ 1464) wirkliche Besitz (§ 1460) sowie der Ablauf der Ersitzungszeit (§§ 1465 ff) nötig. Die Aufzählung ist insofern ungenau, als es bei der uneigentlichen Ersitzung (§ 1477) keines Titels bedarf ( Perner in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON § 1460 Rz 1).

4.2 Die hier zu beurteilende außerbücherliche Ersitzung von Dienstbarkeiten und anderen Rechten auf fremden Grund ist in § 1470 ABGB geregelt. Sie erfordert eine ordentliche Ersitzungsfrist von 30 Jahren sowie die Redlichkeit und Echtheit des Besitzes. Rechtmäßigkeit des Besitzes ist nicht erforderlich. Die bloß prekaristische Ausübung des Inhalts einer Dienstbarkeit kann daher nicht zur Ersitzung führen. Wie oft der Inhalt des Rechts während der Ersitzungszeit ausgeübt werden muss, damit vom „Besitz“ gesprochen werden kann, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls (vgl Mader/Janisch in Schwimann , ABGB³ § 1470 Rz 1 mwN). Nach § 1493 ABGB ist derjenige, der eine Sache von einem rechtmäßigen und redlichen Besitzer redlich übernimmt, als Nachfolger berechtigt, die Ersitzungszeit seines redlichen Rechtsvorgängers miteinzurechnen. Dies gilt auch bei der Ersitzung von Dienstbarkeiten (vgl Mader/Janisch aaO § 1493 Rz 2 mwN).

4.3 Für die Begründung einer Dienstbarkeit durch Ersitzung ist nach ständiger Rechtsprechung eine für den Eigentümer des belasteten Gutes erkennbare Rechtsausübung während der Ersitzungszeit im Wesentlichen gleichbleibend zu bestimmten Zwecken und in bestimmtem Umfang notwendig. Auf die positive Kenntnis des Eigentümers der belasteten Sache kommt es dagegen nicht an. Ob der Eigentümer der belasteten Liegenschaft erkennen kann, dass Benützungshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt nicht auf die objektive Erkennbarkeit einzelner Ersitzungshandlungen schlechthin an. Der Eigentümer der belasteten Liegenschaft muss aus der Art der Benützungshandlungen erkennen können, dass damit ein Recht ausgeübt wird (vgl 1 Ob 33/09y; 7 Ob 637/94 = NZ 1996, 175 jeweils mwN ua). Deshalb kann etwa der Entlehner eines Grundstücks auf die im Zuge des Leihverhältnisses ausgeübten Nutzungshandlungen keinen Ersitzungsbesitz gründen. Auch die Nutzung eines fremden Grundstücks im Rahmen des Gemeingebrauchs reicht für einen Ersitzungsbesitz nicht aus (7 Ob 637/94 = NZ 1996, 175 mwN). Andererseits ist es nicht erforderlich, dass, wer über einen Weg geht oder fährt, ausdrücklich erklärt, er übe ein Recht aus. Da niemand ohne ein solches Recht einen Grund betreten darf, liegt in der regelmäßigen Benützung eines Weges zum Gehen oder Fahren schon die Ausübung eines wirklichen oder angemaßten Rechts. Dies ist die gewöhnliche Art der Ersitzung derartiger Dienstbarkeiten (vgl EvBl 1966/277 ua). Auch die Regelmäßigkeit der Benützung und die Bedürfnisse für die Liegenschaft des Rechtsausübenden bilden wesentliche Anhaltspunkte für die Erkennbarkeit, dass Benützungshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen (vgl 7 Ob 637/94 = NZ 1996, 175).

4.4 Für die Ersitzung bedarf es ununterbrochener Besitzausübung während der gesamten Ersitzungszeit. Sowohl Innehabung als auch Besitzwille müssen daher während der gesamten Ersitzungszeit fortdauern. Es kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, ob eine Unterbrechung tatsächlicher Besitzausübungshandlungen während der Ersitzungszeit die Rechtsausübung noch als kontinuierlich oder schon als nicht mehr kontinuierlich erscheinen lässt. Nur bei kontinuierlicher Rechtsausübung kann eine Dienstbarkeit ersessen werden. Aus dem Erfordernis der Kontinuität der Besitzausübung ergibt sich auch, dass schon die einmalige Rechtsausübung durch den Ersitzungsgegner reicht, um die Ersitzung zu hindern ( Perner aaO § 1460 Rz 3 mwN).

4.5 Das Ausmaß einer ersessenen Dienstbarkeit ergibt sich aus den Besitzergreifungshandlungen. Die Dienstbarkeit wird nur in den räumlichen Grenzen erworben, in denen sie schon vor 30 Jahren ausgeübt wurde und die Dienstbarkeit kann nur zu dem Zweck verwendet werden, zu dem das belastete Grundstück am Beginn der Ersitzungszeit verwendet wurde. Der Ersitzungsbesitzer hat nachzuweisen, auf welchen Teilen der betroffenen Grundstücke während der Ersitzungszeit Besitzergreifungsakte gesetzt wurden. In den Fällen einer Besitzausweitung beginnt erst mit diesem Zeitpunkt eine Ersitzung (der erweiterten Dienstbarkeit) zu laufen ( Perner aaO § 1460 Rz 11 mwN).

4.6 Auch beim Erwerb von Dienstbarkeiten durch Ersitzung ist das Utilitätserfordernis zu wahren (vgl § 473), wobei allerdings kein strenger Maßstab anzulegen ist. Die Dienstbarkeit muss der vorteilhafteren und bequemeren Benützung der herrschenden Liegenschaft dienen. Nur die völlige Zwecklosigkeit, Unwirtschaftlichkeit oder die dauernde Unmöglichkeit der Ausübung hindert daher das Entstehen der Dienstbarkeit durch Ersitzung ( Perner aaO § 1460 Rz 12 mwN).

4.7 Hinsichtlich der Beweislast für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen hat der Ersitzende Art und Umfang der Besitzausübung (also das Ausmaß des Rechtserwerbs) sowie die Vollendung der Ersitzungszeit zu beweisen, wobei es genügt, dass er Beginn und Ende der Ersitzungszeit nachweist. Der Ersitzungsgegner muss den Nachweis der Unredlichkeit oder der Unechtheit erbringen. Da eine bloß prekaristische Duldung im Zweifel nicht anzunehmen ist, hat der Ersitzungsgegner, der eine bloß prekaristische Gestattung behauptet, dies zu beweisen. Der Ersitzungsgegner hat weiters einen in der Ersitzungszeit eingetretenen Besitzverlust oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen. Auch dass die Absicht der Rechtsausübung überhaupt fehlt, hat der Ersitzungsgegner zu beweisen (vgl Perner aaO § 1460 Rz 14 mwN). Auch der Beweis, dass entgegen der Vermutung des § 479 ABGB keine Dienstbarkeit, sondern nur eine jederzeit widerrufbare Nutzungsvereinbarung vorliegt, obliegt dem, der diese Einschränkung behauptet (vgl 1 Ob 11/05g ua).

5. Bei Anwendung der dargelegten Grundsätze, insbesondere der Regeln über die Beweislast (vgl Punkt 4.7), auf den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts die vom Erstgericht getroffene und vom Berufungsgericht als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung übernommene negative Feststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin das strittige Durchfahrtsrecht (im Zeitraum von 1976 bis 1983) mit dem Willen in Anspruch genommen habe, dieses im Rahmen einer Dienstbarkeit und nicht etwa im Rahmen einer bloß prekaristischen Gestattung zu nutzen, nicht zu Lasten der Klägerin auszulegen ist. Es trifft nämlich die Beklagten als Ersitzungsgegner die Behauptungs‑ und Beweislast für eine bloß prekaristische Gestattung der Benützung ihres Grundstücks durch die Klägerin bzw deren Rechtsvorgänger. Die Annahme des Berufungsgerichts, es liege im Hinblick auf diese Negativfeststellung ein nachweisbarer Ersitzungsbesitz frühestens seit dem Erwerb der Liegenschaft durch die Mutter der Klägerin im Jahr 1984 vor, weshalb die Klägerin die geforderte Ersitzungszeit von 30 Jahren nicht erfülle, erweist sich daher als nicht zutreffend. Die vom Berufungsgericht im Wesentlichen auf diese Rechtsansicht gestützte Bestätigung der Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht erweist sich somit als nicht haltbar.

6. Da das Berufungsgericht aufgrund seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht über die Beweislastverteilung die in der Berufung der Klägerin und auch in der Berufungsbeantwortung der Beklagten geltend gemachte Tatsachen‑ und Beweisrüge, die entscheidungswesentliche Sachverhaltsfeststellungen betrifft, nicht umfassend behandelt hat, ist eine abschließende rechtliche Beurteilung der Rechtssache noch nicht möglich. Das Berufungsgericht wird daher auch die weiteren Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsmittelschriften inhaltlich zu behandeln und eine neuerliche Entscheidung unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze zu fällen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

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