Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden teils bestätigt und teils abgeändert, sodass die Entscheidung insgesamt lautet:
„1) Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, jede Beeinträchtigung des Geh- und Fahrrechtes der klagenden Parteien am Grundstück Nr 248 des Grundbuches ***** im Bereich, der eine Dreiecksfläche bildet zwischen der Verlängerung der südlichen Begrenzung der asphaltierten Garageneinfahrt des Hauses *****, und zwar 5 m in Richtung Osten bis zur verlängerten südlichen Begrenzung des asphaltierten Interessentenweges, welcher in der Natur durch Bordsteine ersichtlich ist, wobei die dritte Abgrenzung der Dreiecksfläche die Grundgrenze zwischen den Grundstücken 248 und 241/2 je KG ***** bildet, wird abgewiesen.
2) Der Zwischenfeststellungsantrag der beklagten Parteien, es möge festgestellt werden, dass zu Gunsten des Grundstückes 241/2 der KG ***** die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts über den in Punkt 1) näher bezeichneten Teil des Grundstückes 248 KG ***** nicht bestehe, wird abgewiesen.
3) Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 1.192,97 (darin enthalten EUR 154,11 USt und EUR 268,27 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben."
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 166 Grundbuch *****, zu welcher auch das Grundstück Nr 241/2 gehört. Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 17 Grundbuch *****, welche das Grundstück 248 mitumfasst.
Mit ihrer - vorerst - allein gegen den Erstbeklagten gerichteten Klage begehrten die Kläger wie aus Punkt 1) des Spruchs ersichtlich. Zugleich beantragten sie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands eines Grundstücksteils durch Anbringung einer Asphaltdecke. Sie brachten vor, an den von ihnen befahrenen Teilen des Grundstücks 248 die Dienstbarkeit des Fahrens und Gehens ersessen und deshalb im Jahr 1995 auf eigene Kosten diesen Bereich mit einer Asphaltdecke versehen zu haben. Diese habe der Erstbeklagte entlang der westlichen Grundstücksgrenze entfernt. Entgegen seiner Zusage habe er diesen Bereich in der Folge nicht mit Pflastersteinen versehen. Im Übrigen sei die Dienstbarkeit (auch) durch konkludente Vereinbarung begründet worden (S 2 des Protokolls vom 20. 4. 2004).
In der Tagsatzung vom 8. 2. 2002 „dehnte" der Klagevertreter das Klagebegehren auf die nunmehrige Zweitbeklagte, die Ehegattin des Erstbeklagten, aus. Gegen diese „Klagsausdehnung" erhob der damalige Vertreter des Erstbeklagten keinen Einwand. Nachdem der Ehegattin des Erstbeklagten über deren Antrag ein Verfahrenshelfer beigegeben worden war, beteiligte sie sich als Zweitbeklagte am Verfahren.
In der Verhandlung vom 10. 2. 2003 schränkten die Kläger das Klagebegehren um das Wiederherstellungsbegehren ein und brachten vor, die Beklagten hätten den Wegteil nunmehr gepflastert und sohin wiederhergestellt. In derselben Verhandlung stellten die Beklagten den Zwischenantrag auf Feststellung, „es möge festgestellt werden, dass zugunsten des Grundstücks 241/2 der KG ***** die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über den in der Klage näher bezeichneten Teil des Grundstückes 248 KG ***** nicht besteht." Sie brachten zusammengefasst dazu vor, die Ersitzung eines Geh- und Fahrrechtes habe schon deshalb nicht stattgefunden, da der zuvor bestehende „alte" Weg ausschließlich landwirtschaftlich und seit den 60-er Jahren gar nicht mehr benutzt worden sei. Überdies sei die Trasse dieses Wegs nicht im Bereich der nunmehrigen Garagenzufahrt des Hauses der Kläger verlaufen.
Das Erstgericht wies den Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten ab und gab dem verbliebenen Klagebegehren im Wesentlichen mit der Begründung statt, die Kläger hätten das Wegerecht durch Ausübung ersessen. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Bei der das Einfamilienhaus der Kläger betreffenden Bauverhandlung wurde darüber gesprochen, dass diese zu ihrer Garage über das Grundstück 248 (im westlichen Bereich) der Beklagten zufahren können. Dagegen wurden keine Einwände erhoben. Tatsächlich fuhren die Kläger schon während der in den Jahren 1990/91 beginnenden Bauarbeiten über das Grundstück 248 zu, weshalb dieser von ihnen verwendete Bereich befestigt und geschottert wurde. Die Kläger lagerten zudem Baumaterialien im Grenzbereich auf dem Grundstück 248 der Beklagten, ohne dass diese dagegen Einwände erhoben.
Im Jahr 1995 ließen die Kläger den Zufahrtsbereich zu ihrer Garage - inklusive des von ihnen genutzten Bereichs des Grundstücks 248 - auf ihre Kosten asphaltieren. Auch dagegen sprachen sich die Beklagten nicht aus.
Im Jahr 2001 entfernten die Beklagten den auf ihrem Grund befindlichen Asphalt in der Absicht, dort Pflastersteine anstelle des Asphalts aufzubringen. Der (Erst-)Beklagte führte die Pflasterungsarbeiten erst nach Klagseinbringung, letztendlich von Ende August 2002 bis Anfang September 2002, durch.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 Euro, jedoch nicht 20.000 Euro übersteige. Die ordentliche Revision wurde letztlich für zulässig erklärt. Die in der Berufung beanstandete „Klagsausdehnung" auf die Zweitbeklagte sei „zulässig geworden", da sich der Beklagtenvertreter nicht gegen die Einbeziehung der Zweitbeklagten in das Verfahren ausgesprochen habe. Da bis zur Errichtung des Hauses der Kläger im Jahr 1990 der „alte Weg" nur für landwirtschaftliche Zwecke genutzt worden sei, während nunmehr die strittige Fläche eine Garagenzufahrt darstelle und der Weg überdies verlegt worden sei, könnte eine Erweiterung der Benützung gegeben sein. Es sei aber ein konkludenter Vertrag als Erwerbstitel für die Dienstbarkeit zustandegekommen. Die Beklagten hätten seit dem Jahr 1990 die Benützung eines Teils ihrer Liegenschaft geduldet; sie hätten auch zugelassen, dass die Kläger zunächst den Weg befestigt und geschottert und 1995 schließlich auf ihre Kosten asphaltiert hätten. Daraus ergebe sich die schlüssige Einräumung einer Wegedienstbarkeit, sodass die Frage der Ersitzung nicht mehr zu prüfen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig und zum Teil berechtigt.
Die Beklagten bringen vor, die hinsichtlich der Zweitbeklagten erfolgte „Klagsausdehnung" stelle einen im österreichischen Zivilprozessrecht nicht vorgesehenen Parteibeitritt dar und hätte als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Sie übersehen dabei, dass der von ihnen behauptete Verfahrensmangel bzw das Vorliegen eines allfälligen Nichtigkeitsgrundes bereits vom Berufungsgericht als nicht gegeben angesehen wurde (S 12 f des Berufungsurteils), weshalb die entsprechende Rüge in der Revision nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden kann (SZ 62/157 uva; Kodek in Rechberger, ZPO2, Rz 2 und 3 zu § 503 mwN).
Des weiteren wendet sich die Revision erfolglos gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Wegeservitut sei konkludent eingeräumt worden:
Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist - neben den in § 480 ABGB genannten Fällen - grundsätzlich ein Vertrag, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann (Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB3 Rz 2 zu § 480; JBl 1963, 377; 6 Ob 155/00p). Nach stRsp kommt es allein durch das bloße Dulden einer Wegbenützung nicht zur konkludenten Einräumung einer Wegeservitut (MietSlg 48.006; 6 Ob 554/86; 1 Ob 18/90; 3 Ob 101/01a). Hingegen ist die konkludente (§ 863 ABGB) Einräumung einer Servitut in jenen Fällen anzunehmen, in denen der Liegenschaftseigentümer die Errichtung einer kostspieligen Anlage zu ihrer Ausübung duldet, weil der Liegenschaftseigentümer wissen musste, dass der Begünstigte solche Aufwendungen nicht getätigt hätte, wenn ihm das Gebrauchsrecht jederzeit entzogen werden könnte. In diesen Fällen ist somit der Schluss erlaubt, dass der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende Wille des Belasteten sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezog (JBl 1963, 377; SZ 48/78; NZ 1999, 110; 1 Ob 81/01w; 3 Ob 101/01a).
Im vorliegenden Fall wurde der Weg bereits während der 1990/1991 begonnenen Bauarbeiten von den Klägern geschottert und befestigt; 1995 ließen ihn die Kläger - einschließlich des von ihnen benutzten Teils des Grundstücks der Beklagten - mit nicht unerheblichem Kostenaufwand asphaltieren und benutzten ihn weiterhin. Diese Gegebenheiten waren für die Beklagten offensichtlich, ohne dass sie dagegen Einwände erhoben. Spätestens nach der Asphaltierung und aufgrund der weiterhin gegebenen Benützung hatten sie somit konkludent eine Wegeservitut eingeräumt.
Bestehen Anhaltspunkte für die Annahme der Parteienabsicht, ein dingliches Recht begründen zu wollen, obliegt der Beweis dafür, dass entgegen der Vermutung des § 479 ABGB tatsächlich nur eine jederzeit widerrufbare Gebrauchsgestattung vorliegt, dem, der diese Einschränkung behauptet (4 Ob 545/95 mwN; RIS-Justiz RS0058319; Kiendl-Wendner aaO, Rz 6 zu § 479 ABGB mwN). Diesen Beweis haben die Beklagten nicht erbracht, sodass die zweite Instanz rechtsrichtig von einem Servitutsrecht ausgegangen ist und den auf Feststellung des Nichtbestehens des Servitutsrechts gerichteten Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten abgewiesen hat.
Der von den Revisionswerbern gerügte angebliche Mangel des Berufungsverfahrens infolge Nichterledigung der Tatsachenrüge (soweit sich diese auf die Feststellung zum Ablauf der Bauverhandlung bezieht) liegt nicht vor. Wie schon das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, steht die gewünschte ergänzende Feststellung über die Nichtteilnahme der Beklagten an der Bauverhandlung im Jahr 1990 der konkludenten Einräumung einer Wegeservitut nach Vollendung der Asphaltierungsarbeiten (im Jahr 1995) nicht entgegen.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass bei gesetzmäßig erhobener Rechtsrüge die Gesetzmäßigkeit des Berufungsurteils nach allen rechtlichen Richtungen zu überprüfen ist, erweist sich die Revision, soweit sie sich gegen die Klagsstattgebung richtet, infolge Nichtbestehens von Wiederholungsgefahr dennoch als berechtigt:
Die Gefahr einer Wiederholung der bereits erfolgten Störung muss nach ständiger Rechtsprechung in gleicher oder ähnlicher Art noch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz bestehen; ohne eine solche ist mit Klagsabweisung vorzugehen (Hofmann in Rummel, ABGB3, Rz 3 zu § 523 mwN; SZ 48/45).
In ihrem Schriftsatz vom 10. 9. 2002 (ON 19 im erstgerichtlichen Akt) brachten die Kläger vor, dass nach Durchführung der Pflasterungsarbeiten wieder ein ordnungsgemäßes Zufahren - wie vor Klagseinbringung - möglich sei. Die Beklagten hätten seit Vornahme der Pflasterung „bis dato" das Geh- und Fahrrecht nicht mehr gestört. Auch im fortgesetzten Verfahren behaupteten die Kläger nicht die ernstliche Besorgnis weiterer Eingriffe (etwa dahingehend, es bestehe Gefahr, dass die Beklagten nunmehr auch die Pflastersteine entfernen könnten). Die Wiederholungsgefahr ergibt sich nach Meinung der Kläger aus dem von den Beklagten im Verfahren aufrecht erhaltenen Standpunkt, das Bestehen des Sevitutsrechts sei zu verneinen. Allein aus diesem Vorbringen ist aber die konkrete Gefahr einer Wiederholung der bereits erfolgten Störung nicht ableitbar. Aus ojektiver Sicht liegen ab Vornahme der Pflasterungsarbeiten keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, die Beklagten würden den von ihnen finanzierten Wegbelag im strittigen Bereich wieder entfernen und das Geh- und Fahrrecht der Kläger beeinträchtigen. Ein derartiges Verhalten der Beklagten ist aus wirtschaftlichen Gründen vernünftigerweise nicht zu befürchten und nach den gegebenen sonstigen Umständen auch nicht zu erwarten (s SZ 64/97). Den Klägern ist daher der ihnen obliegende Beweis nicht gelungen, die Wiederholungsgefahr bestehe trotz Vornahme der Pflasterungsarbeiten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz weiterhin fort (vgl SZ 52/99). Damit ist die Berechtigung des auf Unterlassung weiterer Störungen gerichteten Klagebegehrens zu verneinen.
Der Revision ist daher - soweit sie sich gegen die klagsstattgebende Entscheidung über das Unterlassungsbegehren richtet - Folge zu geben. Nicht berechtigt erweist sich die Revision hingegen hinsichtlich der Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Den Beklagten sind nur die Kosten des ersten Verfahrensabschnitts, der das Verfahren bis zur Einschränkung des Klagebegehrens und das Wiederherstellungsbegehren umfasst, aufzuerlegen. Die Kosten des nachfolgenden Verfahrens erster Instanz, in welchem der Klage der Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten gegenüberstand, sind in analoger Heranziehung der für die Widerklage geltenden Grundsätze gegeneinander aufzuheben (M. Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozess, 371). Gleiches gilt für die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)