OGH 4Ob545/95

OGH4Ob545/9527.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede P*****, vertreten durch Dr.Klaus Reisch und Dr.Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Franz P*****, vertreten durch Dr.Gerald Kleinschuster ua Rechtsanwälte in Graz, wegen Zustimmung zur Einverleibung eines Wohnungsrechtes (Streitwert S 75.000),infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 23.Februar 1995, GZ 1 R 626/94-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 29.Oktober 1993, GZ 5 C 1521/92i-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.130,88 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 2.418,48 Umsatzsteuer und S 6.620 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG K*****. Im Jahr 1987 wurden Veräußerungs- und Belastungsverbote für Franz P***** jun (auf beiden Hälfteanteilen) und für Ernst W***** (nur auf dem Hälfteanteil der Klägerin) einverleibt. Die Ehe der Streitteile wurde am 5.6.1987 geschieden. Im Scheidungsvergleich haben die Streitteile ua vereinbart:

"Die Liegenschaft in EZ ***** steht im ideellen Hälftemiteigentum der geschiedenen Eheleute Franz P***** und Elfriede P*****, geborene F*****. Dieses Miteigentum soll auch nach Scheidung der Ehe aufrechterhalten werden und bestehen bleiben. Franz P***** räumt jedoch seiner geschiedenen Ehegattin Elfriede P*****, geborene F*****, das ausschließliche Wohnrecht an der Wohnung im 3.Stockwerk des Hauses in K*****, bestehend aus fünf Zimmern, Küche, drei Bädern, vier WCs, Vorraum und drei Abstellräumen, im Ausmaß von 200 m2 ein. Elfriede P*****, geborene F*****, ist sohin berechtigt, diese Wohnung ausschließlich für sich und ihre Angehörigen zu Wohnzwecken zu nutzen. Ein Entgelt für die Benützung der Wohnung ist von Elfriede P***** an Franz P***** nicht zu entrichten, wohl aber hat Elfriede P***** die für die gegenständliche Wohnung anfallenden anteiligen Betriebskosten und öffentlichen Abgaben an die Hausverwaltung zu leisten."

Vor diesem Vergleich fanden in der Kanzlei des gemeinsamen Vertreters der Streitteile Gespräche über die Einräumung des Wohnungsrechtes statt. Daß dabei über eine mögliche Verbücherung gesprochen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Die Streitteile wurden von ihrem Vertreter und vom Gericht nicht über unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten dieses Rechtes informiert. Auch anläßlich der Scheidungsverhandlung ist über diesen Punkt nicht gesprochen worden. Die Klägerin wollte jedenfalls ihr Recht gesichert haben. Der Beklagte wollte, daß die Klägerin die Wohnung für sich, ihre Mutter und ihren Sohn gesichert hat. Beide Streitteile gingen davon aus, daß das Wohnrecht der Klägerin auf Lebenszeit eingeräumt werden soll.

Der Vergleich wurde dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern nicht angezeigt. Eine Verbücherung des Wohnrechtes wurde nicht in die Wege geleitet.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes am gesamten

3. Stock des Hauses K*****, bestehend aus fünf Zimmern, Küche, drei Bädern, vier WCs, Vorraum und drei Abstellräumen im Ausmaß von 200 m2 einzuwilligen. Die getroffene Vereinbarung enthalte auch die Verpflichtung, das Wohnungsrecht der Klägerin in das Grundbuch einzutragen. Die Klägerin habe die Verbücherung bisher nur deshalb nicht betrieben, weil die Begründung von Wohnungseigentum beabsichtigt worden sei. Die Verbücherung sei nunmehr geboten, weil bei der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft immer wieder Meinungsverschiedenheiten aufträten.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Verbücherung des der Klägerin im Scheidungsvergleich zugesicherten Wohnungsrechtes sei nie vereinbart worden. Daher habe die Klägerin diese bisher auch nicht begehrt. In Wahrheit liege in der Vereinbarung vom 5.6.1967 nur eine - nicht verbücherbare - Benützungsvereinbarung. Im Zweifel sei nur eine Vereinbarung obligatorischer Natur anzunehmen. Hätten die Streitteile die Verbücherung gewollt, dann hätte die Vereinbarung dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern angezeigt werden müssen. Die Verbücherung sei aber auch unmöglich, weil die Streitteile ihre Liegenschaftsanteile mit Notariatsakt vom 27.3.1987 ihrem Sohn Franz P***** und dem Sohn der Klägerin Ernst W***** geschenkt und zur Sicherung dieses Vertrages ein Veräußerungs- und Belastungsverbot eingeräumt hätten. Die Bemühungen der Streitteile, die gemeinsame Liegenschaft in Wohnungseigentumseinheiten aufzulösen, sei nur deshalb gescheitert, weil die Klägerin immer wieder neue Aufteilungsvorschläge gemacht habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - im zweiten Rechtsgang - statt. Die strittige Frage, ob ein dingliches Wohnungsrecht vereinbart worden sei, hänge von der Parteienabsicht ab. Aus dem Wortlaut der Vereinbarung ergebe sich, daß der Klägerin ein ausschließliches Wohnungsrecht eingeräumt worden sei. Diese Formulierung deute auf die Einräumung eines dinglichen Rechtes hin. Eine vom Wortlaut abweichende Absicht aber habe derjenige zu beweisen, der sie behaupte. Dieser Beweis sei dem Beklagten nicht gelungen. Im Zweifel sei bei Vereinbarung eines Wohnungsrechtes die Absicht anzunehmen, ein dingliches Recht zu begründen. Daß der gemeinsame Vertreter der Streitteile die Verbücherung des Wohnungsrechtes nicht eingeleitet habe, spreche nicht gegen die Vereinbarung eines dinglichen Wohnungsrechtes. Auf die - nicht geäußerten - Vorstellungen des Vertragsverfassers komme es nicht an. Die Veräußerungs- und Belastungsverbote stünden dem Begehren der Klägerin nicht entgegen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Bei Zweifeln über den Inhalt des eingeräumten Wohnungsrechtes sei nicht schon die Verpflichtung des Servitutsbestellers zur Einverleibung dieses Rechts anzunehmen. Das Recht auf Einverleibung hänge vielmehr davon ab, ob die Absicht der Parteien darauf gerichtet gewesen sei, ein dingliches Recht zu begründen. Daher sei auch auf die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung Bedacht zu nehmen. Im Scheidungsvergleich sei notwendigerweise eine Regelung über die Weiterbenützung der bisherigen Ehewohnung zu treffen gewesen. Da die Liegenschaft im Miteigentum der Streitteile stehe, habe keine Notwendigkeit bestanden, das Wohnungsrecht zu verbüchern. Auch hätten die Streitteile dabei nicht auf die bestehenden Veräußerungs- und Belastungsverbote Bezug genommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist - ungeachtet der entgegenstehenden Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - zulässig im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, weil hier nicht nur ein singulärer Vertrag auszulegen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit im Ergebnis eine Abweichung von Grundsätzen der Rechtsprechung und der in § 479 ABGB enthaltenen Beweislastregel wahrzunehmen ist.

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Im Scheidungsvergleich haben die Streitteile ein - auch an einer gemeinsamen Liegenschaft verbücherbares (SZ 27/172; SZ 43/117; Petrasch in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 521; Gamerith in Rummel aaO Rz 3 zu § 826 mwN) - der Sicherung des Wohnungsbedürfnisses der Klägerin an der vormaligen Ehewohnung dienendes Wohnungsrecht vereinbart, das inhaltlich dem Wohnungsgebrauchsrecht im Sinne der §§ 504 ff, 521 ABGB entspricht. Da Wohnungsrechte nach der Rechtsprechung durch Innominatkontrakte auch ohne dingliche Wirkung begründet werden können (Petrasch in Rummel aaO Rz 3 zu § 521 SZ 28/68; MietSlg 28.110, 29.057, 31.159, 33.146, 39.038, 40.032, 42.025, 42.603), kann sich der Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Verbücherung nicht allein aus dem Umstand ergeben, daß inhaltlich ein der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechtes entsprechendes Recht eingeräumt wurde. Andererseits folgt aus der Einräumung einer Dienstbarkeit auch ohne besondere Vereinbarung die Pflicht des Bestellers zur Einwilligung in die Einverleibung (MietSlg 35.045; JBl 1991, 642; Petrasch aaO Rz 1 zu § 481 ABGB). Die in SZ 44/41 vertretene Auffassung, daß ohne (ausdrückliche) Vereinbarung der Verbücherung der vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit die Einwilligung in die Einverleibung nicht begehrt werden könne, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl 1991, 642 ausdrücklich abgelehnt und im Anschluß an die Rechtsprechung, wonach die Einräumung eines Wohnungsrechtes in der Form einer Dienstbarkeit die Absicht der Parteien voraussetzt, ein dingliches Recht zu begründen (EvBl 1962/366; EvBl 1970/190; MietSlg 29.057; MietSlg 39.038), ausgesprochen, daß der Anspruch auf Verbücherung auch ohne dahin gerichtete ausdrückliche Vereinbarung bestehen kann, wenn er sich nach den Auslegungsregeln des § 914 ABGB aus dem Vertrag ergibt; dabei sind alle Umstände heranzuziehen, aus denen sich Schlüsse auf die Parteienabsicht ergeben, so auch die Entstehungsgeschichte des Vertrages. Für die von den Parteien verfolgte Absicht kommt auch dem Zweck des gesamten Geschäfts erhebliche Bedeutung zu. Rechtfertigen demnach die Umstände insgesamt den Schluß, daß nicht ein bloß obligatorisches, sondern ein gegen jedermann wirkendes Recht eingeräumt werden sollte, dann besteht die Verpflichtung zur Zustimmung zur Einverleibung auch dann, wenn sie nicht ausdrücklich vereinbart wurde.

Das Berufungsgericht hat zwar diese Grundsätze erkannt, die Umstände des Einzelfalls aber nicht ausreichend gewürdigt und dabei den in § 479 ABGB enthaltenen Grundsatz, wonach zwar Begünstigungen, die ordentlicherweise Servituten sind, nur auf Widerrufen zugestanden werden können, Abweichungen von der Natur der Servituten jedoch nicht vermutet werden, sondern von dem zu beweisen sind, der sie behauptet, nicht Rechnung getragen.

Beide Parteien strebten die Sicherung des Rechtes der Klägerin an der vormaligen Ehewohnung an. Daß das Wohnungsgebrauchsrecht in einem Scheidungsvergleich eingeräumt wurde, besagt über das Fehlen der Verbücherungsabsicht der Parteien entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nichts. Im Zusammenhang mit der Bezeichnung des Rechtes der Klägerin als "ausschließliches Wohnrecht" liegt der Schluß nahe, daß ihr ein auch gegen Rechtsnachfolger des Beklagten durchsetzbares Recht eingeräumt werden sollte. Das wäre aber bei einem obligatorischen Wohnrecht nicht sichergestellt gewesen, weil Einzelrechtsnachfolger des Belasteten ein solches Recht nur zu übernehmen haben, wenn ihnen die Liegenschaft mit allen Rechten und Pflichten, mit denen diese ihre Rechtsvorgänger benützt hatten, übertragen wurde (MietSlg 34.060; 7 Ob 547/95). Beide Streitteile wollten überdies erreichen, daß das Wohnungsrecht der Klägerin durch diese Vereinbarung auf Lebenszeit "gesichert" ist. Eine solche Sicherheit ist aber nur dann gegeben, wenn das Recht auch gegen Einzelrechtsnachfolger durchgesetzt werden kann. Bestehen derartige Anhaltspunkte für die Annahme der Parteienabsicht, ein dingliches Recht begründen zu wollen, dann obliegt der Beweis, daß entgegen der Vermutung des § 479 ABGB bloß die Einräumung eines obligatorischen Rechts beabsichtigt war, demjenigen, der diese Einschränkung behauptet. Urkunden müssen daher eindeutig ein obligatorisches Recht ergeben, sonst gilt diese Rechtsvermutung (Petrasch aaO Rz 2 zu § 479 ABGB). Damit in Einklang steht auch der in der Rechtsprechung bereits ausgesprochene Gedanke, daß die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechtes obligatorischer Natur nur ausnahmsweise anzunehmen ist (MietSlg 31.159). Daß die Streitteile keine Vorkehrungen für die Einverleibung des Wohnungsgebrauchsrechts der Klägerin getroffen haben, kann unter diesen Umständen keine entscheidende Bedeutung mehr haben, weil bei Rechtsunkundigen aus der Unterlassung der für die Durchführung der Verbücherung erforderlichen Maßnahmen keine Schlüsse auf ihre Rechtsfolgeabsichten gezogen werden können. Der Vertragsverfasser aber hat nach den im ersten Rechtsgang unbekämpft getroffenen Feststellungen die unrichtige Meinung vertreten, daß ein dingliches Wohnungsgebrauchsrecht unter Miteigentümern nicht vereinbart werden könne.

Haben die Streitteile ein dingliches Wohnungsgebrauchsrecht beabsichtigt, dann ist der Beklagte ungeachtet entgegenstehender bücherlicher Rechte Dritter verpflichtet, die Zustimmung zur Einverleibung zu erteilen. Sache der Klägerin ist es allerdings, die Zustimmung vorrangiger Buchberechtigter beizubringen. In Stattgebung der Revision war daher das klagestattgebende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte