European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00045.15X.0423.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.982,16 EUR (darin 330,36 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin zeigte im Rahmen der Veranstaltung „Tag der offenen Tür“ im Jahr 2013 in der HTBLA und VA V***** im Chemiesaal „Feuerspucken“ vor und erlitt dabei Brandverletzungen.
Sie begehrt vom Beklagten Schadenersatz und die Feststellung der Haftung mit der Begründung, die Chemieshow für den „Tag der offenen Tür“ sei unter seiner Leitung und Aufsicht gestanden. Der Beklagte sei schon vor dem Vorfall pensioniert worden und gelte seit diesem Zeitpunkt als schulfremde Person. Er habe sich offenbar widerrechtlich den Zugang zum Chemikalienraum der Schule verschafft. Weder dem provisorischen Schulleiter noch dem Abteilungsvorstand sei bis zum „Tag der offenen Tür“ bekannt gewesen, dass der Beklagte die Chemieshow leiten würde; er habe dafür weder um Erlaubnis angesucht, noch sich in der Direktion der Schule gemeldet. Der „Tag der offenen Tür“ sei auch keine Veranstaltung iSd § 13a SchulunterrichtsG gewesen oder zu einer solchen erklärt worden. Der Beklagte hafte demnach als Privatperson nach den Bestimmungen des ABGB.
Der Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung der Klage und entgegnete, die Klägerin sei als erfahrene Chemieschülerin selbst mit der Idee, am „Tag der offenen Tür“ Feuer zu spucken, an ihn herangetreten. Die Klägerin habe mehrere von ihm instruierte Sicherheitsvorkehrungen beim Unfall nicht eingehalten, damit habe er nicht rechnen müssen. Es sei ihm der Schlüssel für den Chemiesaal vom Direktor zur Vorbereitung der Chemieolympiade auch nach seiner Pension belassen worden. Dieser habe genehmigt, dass er am Unfallstag das Fach Chemie im Rahmen der Schulveranstaltung „Tag der offenen Tür“ präsentiere. Die Klägerin hätte daher den Schulträger zu klagen gehabt, weil er als Organ des Bundes im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig geworden sei. § 44a SchulunterrichtsG stelle ausdrücklich auf die Beaufsichtigung von Schülern in der Schule ab und spreche auch Personen an, die nicht in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen. Da es sich um einen Schulunfall handle, komme das Haftungsprivileg der §§ 333 ff ASVG zum Tragen.
Aufgrund der Streitverkündung des Beklagten trat die Republik Österreich dem Verfahren auf dessen Seite bei und brachte vor, der Beklagte habe behauptet, er habe für den Fall, dass er doch zivilrechtlich von der Klägerin in Anspruch genommen werden könne, einen Anspruch auf Ersatz ihr gegenüber, weil er als Vollzugsorgan des Bundes bzw dessen Gehilfe tätig geworden sei. Aufgrund dieses Sachverhalts habe sie ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Beklagten, insbesondere dann, wenn sich im Verfahren herausstellen sollte, dass sich der Unfall im Rahmen einer Schulveranstaltung ereignet habe. Den Beklagten treffe kein Verschulden am Zustandekommen der Verletzung. Das Klagebegehren sei insbesondere auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 333 ASVG abzuweisen. Es sei die erst im Verfahren zu klärende Frage, ob der Beklagte als Vollzugsorgan tätig geworden sei oder nicht, für sie auch in rechtlicher Hinsicht von Relevanz, sodass ihr rechtliches Interesse vorhanden sei.
Die Klägerin beantragte die Zurückweisung der Nebenintervenientin. Diese könne ein rechtliches Interesse nur am Obsiegen der Klägerin haben; wenn der Beklagte durchdringe, bestehe ohnehin keine Haftung der Nebenintervenientin.
Das Erstgericht ließ die Nebenintervention zu und führte aus, die Republik Österreich habe ein rechtliches Interesse an der Beteiligung im Verfahren, da in diesem die Rechtsstellung des Beklagten zu klären sei und nicht ausgeschlossen werden könne, dass dieser zwar als schulfremde Person anzusehen, dennoch aber im Sinne seines Vorbringens mit Zustimmung des Direktors tätig gewesen sei, sodass Regressansprüche des Beklagten nicht ausgeschlossen werden könnten.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung ab und wies die Nebenintervention zurück. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Erteilung des Unterrichts an öffentlichen Schulen hoheitliche Tätigkeit sei. Auch bei Vernachlässigung der Aufsicht über die Schüler durch den Lehrer könne nur Amtshaftung eintreten und der Schaden daher gemäß § 9 Abs 5 AHG gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend gemacht werden. Dabei komme es nicht auf die Rechtsbehauptungen des Klägers an, sondern es sei allein der geltend gemachte und durch das Gericht zu beurteilende Streitgegenstand maßgeblich.
Die Republik Österreich habe ihr rechtliches Interesse darauf gestützt, dass der Beklagte Anspruch auf Ersatz ihr gegenüber habe, weil er als ihr Vollzugsorgan bzw Gehilfe tätig geworden sei. Durch das Obsiegen des Beklagten in der Hauptsache werde ihre Rechtslage nicht verbessert, durch sein Unterliegen aber auch nicht verschlechtert, weil Letzteres voraussetze, dass er für die Verletzung der Klägerin persönlich hafte und damit nicht als Organ tätig geworden sei. Dann sei ein Regress ausgeschlossen. Es sei ein die Nebenintervenientin über den Regressweg belastendes klagsstattgebendes Urteil gegen den Beklagten undenkbar. Selbst wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs für die vorliegende Klage zu Unrecht bejaht werden würde, müsste diese Nichtigkeit von den Rechtsmittelinstanzen aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels von Amts wegen aufgegriffen werden.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage darin liege, ob die Klärung der Frage der Organeigenschaft nach dem AHG in einem gegen das mutmaßliche Organ geführten Prozess nicht doch ein rechtliches Interesse an der Beteiligung am Prozess durch den für das allfällige Organ in Betracht kommenden Rechtsträger begründen könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Republik Österreich ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiegt, kann dieser Partei nach § 17 Abs 1 ZPO im Rechtsstreit beitreten. Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient dann, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf seine privatrechtlichen oder öffentlich‑rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das rechtliche Interesse muss allerdings ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über das bloß wirtschaftliche Interesse hinausgeht (RIS‑Justiz RS0035724).
Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse dann gegeben sein, wenn die Rechtslage des Dritten durch das Obsiegen der Hauptpartei verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RIS‑Justiz RS0035724 [T3]); es ist insbesondere im Falle drohender Regressnahme in einem Folgeprozess als Folge des Prozessverlustes der streitverkündenden Partei im Hauptprozess zu bejahen (5 Ob 67/10d ua; RIS‑Justiz RS0106173 [T2]; 7 Ob 148/06z = SZ 2006/100, je mwN).
2. Nicht die widersprechende Gegenpartei, sondern der Nebenintervenient hat infolge des Zurückweisungsantrags sein rechtliches Interesse zu konkretisieren und zu bescheinigen. Die Zulässigkeit der Nebenintervention darf nicht aus anderen als den von der Nebenintervenientin vorgebrachten Tatsachen abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0035678).
3. Ob ein Nebenintervenient das erforderliche rechtliche Interesse an einem Beitritt hat, kann grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0035724 [T8]; RIS‑Justiz RS0106173 [T4]).
4. Die Auffassung des Rekursgerichts, das rechtliche Interesse der Nebenintervenientin sei zu verneinen, bedarf ausgehend von deren eigenem Vorbringen keiner Korrektur:
Höhere technische Bundeslehranstalten sind gemäß § 78 Abs 1 und 2 SchulorganisationsG „berufsbildende höhere Bundesschulen“, woraus bereits ersichtlich ist, dass der Bund gesetzlicher Schulerhalter, gleichzeitig aber auch Träger der Ausbildung, in dessen Vollzugsbereich Ausbildungsleistungen erbracht werden, ist (RIS‑Justiz RS0121425).
Die Erteilung des Unterrichts wird an sich hoheitlich ausgeübt ( Schragel , AHG³ Rz 78). Lehrer werden in ihrer eigentlichen Funktion, der Unterrichts- und Erziehungsarbeit, zu der auch die Beaufsichtigung gehört, hoheitlich tätig (vgl RIS‑Justiz RS0049933; RS0022978; RS0050061). Zu den Aufgaben nach dem Schulunterrichtsgesetz (SchUG) gehört eben auch die Beaufsichtigung der Schüler bei Schulveranstaltungen (14 Os 27/91 RIS‑Justiz RS0049933 [T4]). Gemäß § 44a Abs 1 SchUG kann die Beaufsichtigung von Schülern in der Schule und ua bei Schulveranstaltungen oder schulbezogenen Veranstaltungen auch durch andere geeignete Personen als durch Lehrer oder Erzieher ... erfolgen, wenn dies zur Gewährleistung der Sicherheit für die Schüler erforderlich und im Hinblick auf die Erfüllung der Aufgaben der Schule zweckmäßig ist. Diese Personen werden nach Abs 2 leg cit funktionell als Bundesorgane tätig (1 Ob 296/03s = SZ 2004/145 = JBl 2005, 387). Auf die Art und Weise, wie das Organ zur Besorgung der hoheitlichen Aufgabe herangezogen, dh berufen worden ist, kommt es ebensowenig an, wie darauf, ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist (1 Ob 79/14w). Auch eine vorübergehende Bestellung oder für den Einzelfall durch Beleihung und „Inpflichtnahme“ ist möglich ( Schragel aaO Rz 28, 29; vgl RIS‑Justiz RS0087679).
Wenn der Anspruch gegen das Organ selbst gerichtet wird, wiewohl dieses den Schaden in Vollziehung der Gesetze zufügte, ist der Rechtsweg gegen das Organ unzulässig (RIS‑Justiz RS0103737; RS0124590; RS0050139; Schragel aaO Rz 258); auch eine subsidiäre Geltendmachung nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0022989; vgl auch RS0050139).
Ist aber die Klage gegen den Beklagten, wenn er als Organ der beitretenden Republik in Vollziehung der Gesetze tätig gewesen sein sollte, wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen, konnte sie einen zu befürchtenden Rückgriff nicht plausibel darstellen (vgl zu diesem Erfordernis 6 Ob 140/12z), wenn sie in ihrem Beitrittschriftsatz bloß darlegte, der Beklagte habe, für den Fall seiner Verurteilung einen Regress ihr gegenüber, gestützt darauf, dass er als Vollzugsorgan des Bundes bzw deren Gehilfe tätig geworden sei, angedroht.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 iVm § 41 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Beantwortung des Rekurses der Nebenintervenientin auf die mangelnde Zulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Im Zwischenstreit über die Zulassung des Nebenintervenienten wird auch dieser kostenersatzpflichtig (RIS‑Justiz RS0035436).
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