OGH 15Os47/16z

OGH15Os47/16z15.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt G***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Genannten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 22. Jänner 2016, GZ 25 Hv 125/13a‑382, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00047.16Z.0215.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu 2./, demgemäß auch im Ausspruch über die (Freiheits‑ und Geld‑)Strafe aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über den Verfall kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt G***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (1./) und des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 2003 und Juni 2012 in nicht mehr feststellbaren Orten Österreichs

1./ ihm anvertraute Güter im Wert von mehr als 5.000 Euro, nämlich zumindest 120.000 Liter Diesel und Heizöl im Gesamtwert von zumindest 141.840 Euro, sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er als Tankwagenfahrer der – von der O***** und der Ge***** mit der Belieferung von Tankstellen und Privatpersonen mit Treibstoffen und Heizöl beauftragten – P***** GmbH in vielfachen Angriffen die ihm zur Auslieferung anvertrauten Mineralölprodukte einbehielt, und zwar

a./ von 2003 bis Mitte 2010 zumindest 9.000 Liter Diesel im Gesamtwert von 8.100 Euro,

b./ von Mitte 2010 bis Juni 2012 zumindest 111.000 Liter Mineralöl im Verhältnis 60 % Diesel und 40 % Heizöl leicht im Gesamtwert von zumindest 133.740 Euro;

2./ durch die zu 1./ angeführten Tathandlungen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten Dritte, nämlich Treibstoffgroßhändler, auf deren Rechnung die Lieferungen erfolgten, unrechtmäßig zu bereichern, die Belieferten durch Täuschung über Tatsachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag, nämlich über die Menge des gelieferten Treibstoffs und Heizöls, zu einer Handlung verleitet, die diese am Vermögen schädigte, nämlich dazu, den Großhändlern auch den Kaufpreis des ihnen tatsächlich gar nicht gelieferten, sondern von ihm widerrechtlich einbehaltenen Treibstoff‑ und Heizölteils zu bezahlen, wobei er zur Täuschung falsche Beweismittel, nämlich Belege, Lieferscheine und Rechnungen über die volle Menge, die auch die von ihm zurückbehaltenen Teilmengen umfassten, aushändigte, wodurch er einen Schaden von 141.840 Euro herbeiführte, wobei er ab Mitte 2010 in der Absicht handelte, sich durch die „fortgesetzte“ Begehung der Betrugstaten über einen Zeitraum von mehreren Jahren eine „fortgesetzte Einnahme“ von monatlich mehr als 400 Euro zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Unter Verweis auf einen in der Hauptverhandlung am 15. September 2015 gestellten Ablehnungsantrag (ON 354 S 5 f) behauptet die Besetzungsrüge (Z 1) die Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden des Schöffengerichts wegen „Befangenheit“ (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO), weil dieser eine „Vorverurteilung“ des Angeklagten vorgenommen habe, indem er in Beschlüssen vom 14. April 2015 über die Gebühren eines Sachverständigen deren Zuspruch (unter anderem) damit begründete, dass „im Hinblick auf den Umfang der Malversationen und die Vielzahl der Tathandlungen (...) kein Zweifel an den Angaben des Sachverständigen über seinen Zeitaufwand“ bestehe.

Damit nennt sie keine Gründe, die – aus Sicht eines verständig würdigenden objektiven Beurteilers – geeignet sind, naheliegende Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu wecken, liegt doch Ausgeschlossenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO nicht schon vor, wenn sich ein Richter vor der Entscheidung eine Meinung über den Fall gebildet hat, sondern erst bei der begründeten Annahme, er wäre auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt, von dieser abzugehen (RIS‑Justiz RS0096733; vgl auch RS0096914, RS0096880; Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 9 ff). Dies lässt sich aus den verkürzten Formulierungen der Gebührenbeschlüsse, die – bei verständiger Lesart – auf den Umfang der angelasteten Malversationen und die Vielzahl der angelasteten Tathandlungen Bezug nehmen, nicht ableiten.

Die Verfahrensrüge (Z 3) behauptet eine nichtigkeitsbegründende Verletzung des § 126 Abs 4 StPO, weil der Sachverständige DI H***** trotz Vorliegens von– in der Hauptverhandlung am 15. September 2015 vom Beschwerdeführer geltend gemachter (ON 354 S 7 ff) – Befangenheit nach § 47 Abs 1 Z 3 StPO nicht seines Amtes enthoben worden sei, und übersieht dabei, dass sich die Nichtigkeitssanktion des § 126 Abs 4 zweiter Satz StPO auf die in § 47 Abs 1 Z 1 und 2 StPO angeführten (und gegenständlich nicht behaupteten) Gründe beschränkt.

Die gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 22. Jänner 2016 gestellten Antrags auf Vertagung der Verhandlung „zur Erörterung“ einer – dem Verteidiger noch nicht bekannt gewesenen – ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen (ON 381 S 11) gerichtete Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich nicht gegen eine nach § 281 Abs 1 Z 4 (zweiter Fall) StPO relevante Entscheidung, weil nach dem (insofern unbeanstandet gebliebenen) Hauptverhandlungsprotokoll die Beschlussfassung ohne Beratung oder Umfrage durch den Vorsitzenden allein und nicht gemäß § 238 Abs 2 zweiter Fall StPO durch das Schöffengericht erfolgte und der Beschwerdeführer es in der Folge unterlassen hat, eine Entscheidung des Schöffengerichts zu begehren (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 303 f, 314). Bleibt anzumerken, dass durch die Ablehnung der Vertagung Verteidigungsrechte des– bei der Befragung des Sachverständigen durch eine Person mit besonderem Fachwissen (§ 249 Abs 3 StPO)unterstützten – Angeklagten ohnehin nicht beeinträchtigt wurden, lässt doch der Antrag nicht erkennen, warum die ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen einer (sogar) die Vertagung (§ 276 StPO) bedingenden Vorbereitungszeit bedurft hätten und dem Anliegen durch eine bloße Unterbrechung (§ 273 StPO) der Hauptverhandlung – wie sie vom Vorsitzenden angeboten und in der Folge gewährt wurde (ON 381 S 11, 22) – nicht Rechnung getragen werden konnte (vgl Danek, WK‑StPO § 273 Rz 10).

Der weiteren Rüge zuwider wurden auch durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 22. Jänner 2016 gestellten Beweisanträge (ON 281 S 45 ff) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Der Antrag auf Vernehmung informierter Vertreter der Unternehmen S***** und Golfplatz F***** zum Beweis, dass dort „bei den Abgaben am 29. Mai 2012 die vereinbarte Menge Diesel abgeführt wurde“ und bei diesen Unternehmen jeweils „keine Fehlmenge bestand“ (ON 381 S 45), legt nicht dar, ob er sich auf Wahrnehmungen zu von der Anklage umfassten Tatvorwürfen bezieht, weshalb die beantragten Zeugen in der Lage sein sollten, Angaben zu den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten zu machen und inwiefern aus einer allenfalls ordnungsgemäßen Belieferung der beiden Unternehmen am 29. Mai 2012 Rückschlüsse auf die anderen vom Angeklagten von 2003 bis Juni 2012 getätigten Auslieferungen gezogen werden könnten.

Ebenfalls auf eine – im Hauptverfahren unzulässige – Erkundungsbeweisführung (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 ff) zielt der Antrag ab, „sämtliche Daten der letzten zwei Jahre aus den Historienspeichern‚ die aufliegen, in diesem Zeitraum durchzurechnen (...)‚ zum Beweis dafür, dass keine manipulativen Handlungen vom Angeklagten in diesem Zeitraum begangen worden sind“ (ON 381 S 47), weil er die gebotene Darlegung unterlässt, warum entgegen den Angaben des Sachverständigen DI H*****, wonach er sämtliche vorhandenen Daten aus den Historienspeichern bei seinen Berechnungen berücksichtigt habe (vgl ON 381 S 12, 46 f), noch weitere relevante Daten vorhanden wären. Auch der zum selben Beweisthema gestellte Antrag auf Durchrechnung „anhand der vorliegenden Buchhaltung von diesen zwei Jahren“ durch einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet Buchhaltung (ON 381 S 47 f) erklärt nicht, wie dieser anhand (nicht näher konkretisierter) Buchhaltungsunterlagen Angaben zu den angelasteten Manipulationen bei der Ablieferung des Mineralöls machen könnte.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet, das Urteil stütze sich auf Aktenbestandteile, die in der Hauptverhandlung mangels Verlesung oder Vortrags (§ 252 Abs 1 bis 2a StPO) nicht vorgekommen seien, legt jedoch mit dem pauschalen Verweis, das Erstgericht habe „seine zu beiden Urteilsfakten getroffenen Feststellungen auf die Einsichtnahme in die Polizeianzeige und die Polizeierhebungsergebnisse sowie die Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden und im Akt 12 Hv 110/12y“ gestützt, nicht dar, welche konkreten Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen das Schöffengericht auf in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene Beweismittel gegründet hätte.

Soweit die Rüge die Konstatierungen bloß zu den von Juli 2010 bis Juni 2012 widerrechtlich abgezweigten Mengen an Mineralölprodukten (1./b./) zufolge behaupteter Berücksichtigung nicht verlesener Tagebucheintragungen des Zeugen C***** und der Daten des Historienspeichers als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) begründet erachtet, bezieht sie sich nicht auf zu entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117264) getroffene Feststellungen, weil bereits durch die zu 1./a./ festgestellten Taten die für den Qualifikationstatbestand des § 133 Abs 2 erster Fall StGB maßgebende Wertgrenze von 5.000 Euro überschritten wurde. Im Übrigen wäre sie auch inhaltlich nicht im Recht, hat sich doch das Schöffengericht – dem Beschwerdevorbringen zuwider – nicht „auf die Daten des Historienspeichers“ gestützt, sondern auf „die Ausführungen des Sachverständigen DI H***** im Zusammenhang mit den Daten des Historienspeichers“ (US 13), wobei der Sachverständige sein diese Daten berücksichtigendes Gutachten (vgl ON 381 S 12, 46 f) in der Hauptverhandlung am 22. Jänner 2016 mündlich erstattet und dabei auch auf sein schriftliches Gutachten (ON 322) samt ergänzender Stellungnahme (ON 380) verwiesen hat (ON 381 S 11 ff). Die von ihm einbezogenen Aufzeichnungen des Zeugen C***** fanden im Weg der Gutachtenserstattung ebenfalls Eingang in das Beweisverfahren (ON 381 S 11 iVm ON 322 S 11 iVm ON 160 S 41 f).

Indem die Beschwerde diese Feststellungen unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall – unter ausführlicher Wiedergabe einzelner Teile des Sachverständigengutachtens und mit dem Hinweis auf das Fehlen eines Geständnisses – als „rein auf Spekulationen und Vermutungen basierend“ und als „willkürlich getroffen“ bezeichnet, vernachlässigt sie, dass sich das Schöffengericht nicht nur auf das Sachverständigengutachten, sondern auch auf die Aussagen der Zeugen Sc***** und C***** gestützt hat (US 12 f). Soweit der Beschwerdeführer aus einzelnen Ausführungen des Sachverständigen und aus eigenen beweiswürdigenden Erwägungen für seinen Standpunkt sprechende Schlüsse zieht, bekämpft er – im schöffengerichtlichen Verfahrenunzulässig – die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Mit dem Vorbringen, das Schöffengericht habe die Feststellungen, wonach die Tankwagenlenker des Unternehmens P***** durch manipulierte Tankeinrichtungen widerrechtlich „in großem Stil“ Mineralölprodukte einbehielten, nicht nur auf die Angaben mehrerer im Urteil (US 9) genannter Zeugen, sondern auch auf diese Personen betreffende, in der Hauptverhandlung jedoch nicht vorgekommene Urteile gestützt (US 9), lässt die Beschwerde offen, inwiefern dem Inhalt der die Malversationen anderer Personen betreffenden Urteile auch Beweiswert in Bezug auf die den Beschwerdeführer betreffenden entscheidenden Tatsachen zugekommen sei.

Der Umstand, dass allen Tankwagenlenkern die Existenz der Manipulationseinrichtungen und das „Abzweigen“ von Mineralölprodukten im großen Stil bekannt war, betrifft keine für die Lösung der gegenständlichen Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache, sodass die unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall geäußerte Kritik an den diesbezüglichen Feststellungen (US 9 f) ins Leere geht.

Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit dem Gutachten des Sachverständigen DI H***** hinreichend auseinandergesetzt (US 11 ff) und waren dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht verpflichtet, zu jeder einzelnen – von der Beschwerde im Übrigen unvollständig und damit sinnentstellt wiedergegebenen (vgl ON 381 S 31, 37 ff iVm ON 228 S 18 ff) – Antwort des Experten auf Fragen der Verteidigung Stellung zu beziehen (RIS‑Justiz RS0106295, RS0098778, RS0106642).

Indem die Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) reklamierende Mängelrüge behauptet, die Feststellung, wonach der vom Angeklagten gelenkte Tankzug eine Manipulationseinrichtung in Form eines Kippschalters aufgewiesen hat, sei mit der Aussage des Zeugen Dr. F***** „nicht in Einklang zu bringen“, zeigt sie die unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels nicht auf (RIS‑Justiz RS0099431). Die Forderung, aus den Beweisergebnissen andere als die im Urteil gezogenen Schlüsse abzuleiten, erschöpft sich in einer – in dieser Form unzulässigen – Kritik an der Beweiswürdigung.

Da die Tatsachenrüge (Z 5a) nur auf das Vorbringen zur Mängelrüge verweist, wird sie nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht, sondern die Verschiedenheit der Anfechtungskalküle dieser Nichtigkeitsgründe verkannt (RIS‑Justiz RS0115902; vgl auch RS0118780 [T1],

RS0117446).

Die Feststellungen zur „Wollenskomponente des Vorsatzes“ vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1./ vernachlässigt, dass das Schöffengericht sogar absichtliches Handeln (§ 5 Abs 2 StGB) konstatiert hat (US 8 erster Absatz zweiter Satz) und legt nicht dar, warum das festgestellte Wissen des Angeklagten (§ 5 Abs 3 StGB) die Willenskomponente seines Vorsatzes nicht inkludiert (vgl RIS‑Justiz RS0088835 [T4], RS0088886; Reindl‑Krauskopf in WK2 StGB § 5 Rz 31).

Zu Recht kritisiert die Subsumtionsrüge (Z 10) zu 2./, dass die Feststellung, wonach die Absicht des Angeklagten darauf gerichtet war, „sich durch die von ihm veranlassten Betrugshandlungen (…) eine fortlaufende Einnahme“ zu verschaffen (US 8 f), im Hinblick auf die Konstatierung, dass er durch die Handlungen der Getäuschten nicht sich selbst, sondern die Mineralölgroßhändler bereichern wollte (US 8), ohne Sachverhaltsbezug bleibt (RIS‑Justiz RS0119090; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 8).

Ebenfalls zutreffend zeigt die Beschwerde zu 2./ auf, dass das Urteil in Bezug auf die den Belieferten nach Abgabe der Mineralölprodukte ausgedruckten Quittungen (US 4) oder „Belege, Lieferscheine und Rechnungen“ (US 5, 8) keine Feststellungen enthält, dass diesen Unterlagen ein eigener, über die Täuschungshandlungen hinausgehender Beweiswert zukam und es sich daher bei diesen um falsche Beweismittel iSd § 147 Abs 1 Z 1 fünfter Fall StGB handelte (RIS‑Justiz RS0103663 [T5 bis T7, T9]; Kirchbacher in WK2 StGB § 147 Rz 36).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde

überzeugte sich der Oberste Gerichtshof auch von nicht geltend gemachter Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) in Ansehung des Schuldspruchs zu 2./:

Voranzustellen ist, dass Täuschungshandlungen zur Sicherung oder Deckung zuvor vom selben Täter begangener Vermögensstraftaten nicht zusätzlich den Betrugstatbestand erfüllen, soweit der Vermögensschaden bereits durch die Vortat verursacht wurde. Wird jedoch durch die Täuschung ein Dritter geschädigt oder der durch die Vortat eingetretene Vermögensschaden auf einen Dritten überwälzt, ist der Täter auch wegen Betrugs strafbar (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 135, 137; Kert SbgK § 146 Rz 370 f; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 146 Rz 260 f; RIS‑Justiz RS0091258).

Im vorliegenden Fall stellte das Erstgericht lediglich fest, dass der Angeklagte als Tankwagenfahrer der P***** GmbH „damit beauftragt“ war, Mineralölprodukte, die bei Mineralölgroßhändlern geladen wurden, „an diverse Abnehmer, insbesondere an Großabnehmer wie etwa Tankstellen und Lagerhäuser, aber auch an Privatbezieher“ zuzustellen (US 4). Indem das Urteil aber keine Konstatierungen zu den jeweiligen (zivilrechtlichen) Vereinbarungen über die Vertragserfüllung (insb den Erfüllungsort) trifft (vgl § 905 ABGB idF vor BGBl I 2014/33 sowie teils vor BGBl I 2005/120 und [bis 30. Dezember 2006] Art 8 Nr 20 der 4. EVHGB, s auch § 429 ABGB idF vor BGBl I 2014/33), kann nicht beurteilt werden, bei wem der (schon) durch die Zueignung von Teilmengen der anvertrauten Mineralöle durch den Angeklagten verursachte Schaden eingetreten ist.

Denn erfolgte der Gefahrenübergang vom Mineralölgroßhändler auf den Abnehmer schon mit Übergabe der bestellten Mineralöle an den Transporteur, so trat bereits mit der Nichtablieferung eines Teils derselben und nicht erst mit dessen Bezahlung der Schaden bei den Abnehmern ein. Diesfalls kommt eine zusätzliche Verurteilung wegen Betrugs nicht in Betracht, weil der Angeklagte die Abnehmer aufgrund des bereits erfolgten Schadenseintritts nicht zu einer schadenskausalen Handlung verleitet hat, sodass eine bloße Täuschungshandlung zur Deckung der Veruntreuung vorlag. Unter dem Aspekt eines (hier: nicht absolut untauglichen) Versuchs (vgl RIS‑Justiz RS0115363, RS0102826, RS0089880, RS0094502) wäre hingegen – mit Blick auf die Identität der Geschädigten – Konsumtion des Betrugs durch die Veruntreuung anzunehmen.

Lediglich in jenen Fällen, in denen der Gefahrenübergang erst mit Ablieferung der Mineralöle beim Abnehmer erfolgte, sodass der durch die Zueignung von Teilen der Transportmenge durch den Angeklagten verursachte Schaden zunächst bei den Mineralölgroßhändlern eintrat, kommt Betrug – neben der Veruntreuung – in Betracht, sofern der Angeklagte durch Täuschung über die tatsächlich übergebenen Mengen an Treibstoffen die belieferten Kunden zu Zahlungen an die Mineralölgroßhändler in einer Höhe verleitet hat, auf die diese (mangels tatsächlicher Lieferung der vereinbarten Mengen) keinen Anspruch hatten, und soweit der Vorsatz des Angeklagten (auch) auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtet war.

Scheinkonkurrenz (vgl dazu Ratz, WK‑StPO Vor §§ 28–31 Rz 26 ff; Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 ff) würde im zuletzt genannten Fall nicht vorliegen, weil die strafbaren Handlungen nicht – wie aber bei Spezialität gefordert – im Verhältnis von Gattung und Art stünden (vgl dazu RIS‑Justiz RS0091146) und im Fall des ursprünglichen Schadenseintritts bei den Mineralölgroßhändlern und der zeitlich nachgelagerten Schadensüberwälzung auf die belieferten Kunden durch deren spätere Zahlung eines nicht der tatsächlichen Lieferung entsprechenden Preises direkt an die Mineralölgroßhändler weder ausdrückliche oder stillschweigende Subsidiarität (vgl RIS‑Justiz RS0113812) noch Konsumtion (zur Begleittat und straflosen Nachtat vgl Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 58 ff, 66; s auch RIS‑Justiz RS0124022) anzunehmen wäre.

Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordern die Kassation des Schuldspruchs zu 2./ sowie des Strafausspruchs.

Die gegen den Ausspruch über den Verfall gerichtete Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) behauptet, das Schöffengericht habe hinsichtlich der aus vor dem 1. Jänner 2011 gesetzten Taten erlangten Vermögenswerte zu Unrecht die Bestimmungen über den Verfall nach § 20 StGB idgF angewendet, weil die zum Tatzeitpunkt vorgesehene vermögensrechtliche Maßnahme der Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB idF vor BGBl I 2010/108) für den Beschwerdeführer günstiger gewesen wäre.

Die Anwendbarkeit der Bestimmungen über vermögensrechtliche Anordnungen richtet sich nach dem Zeitpunkt, zu dem die Straftat begangen wurde, auf welche sich die Maßnahme bezieht. Danach geänderte Regeln darüber sind nur dann anzuwenden, wenn sie für den Betroffenen nicht ungünstiger sind als das alte Recht (vgl RIS‑Justiz RS0119545).

Mit dem bloß abstrakten Vergleich zwischen den beiden unterschiedlich gestalteten vermögensrechtlichen Maßnahmen, insbesondere den Verweisen auf das „Nettoprinzip“ und die Ausnahmeregelung des § 20a Abs 2 Z 3 StGB aF, erklärt die Beschwerde – trotz des Gebots einer streng fallbezogenen Prüfung (vgl RIS‑Justiz RS0119545) – nicht, warum das Tatzeitrecht gerade bei der konkreten Sachlage für den Angeklagten günstiger gewesen wäre, behauptet sie doch nicht einmal, dass der für verfallen erklärte Vermögenswert über die durch die Taten eingetretene unrechtmäßige Bereicherung hinausgegangen (vgl US 7, 13, 17) oder dass ein Privilegierungsgrund iSd § 20a Abs 2 Z 3 StGB aF (vgl demgegenüber US 3 f) vorgelegen sei.

Dem weiteren Vorbringen zuwider hat das Schöffengericht, das (der Sache nach nur) gemäß § 20 Abs 3 StGB einen für verfallen erklärten Betrag bestimmt (US 3, US 17) und insofern unmissverständlich einen Wertersatzverfall angeordnet hat, durch die im Urteilsspruch erfolgte (überflüssige) Anführung auch der Abs 1 und 2 des § 20 StGB (§ 260 Abs 1 Z 4 StPO) die Grenzen der ihm zustehenden Strafbefugnis (Z 11 erster Fall) nicht überschritten (vgl Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 39, 44 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher im nicht von der Aufhebung betroffenen Umfang zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner gegen den Ausspruch über die (Freiheits‑ und Geld‑)Strafe gerichteten Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über den Verfall kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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