OGH 15Os164/01; 14Os38/02 (RS0116021)

OGH15Os164/01; 14Os38/0219.6.2024

Rechtssatz

Nach § 90a Abs 2 Z 2 in Verbindung mit § 90b StPO sind diversionelle Maßnahmen unter anderem nur dann zulässig, wenn die Schuld des Verdächtigen (Angeklagten) nicht als schwer anzusehen wäre. Für den Begriff "schwere Schuld" ist jener Schuldbegriff maßgebend, der in § 32 Abs 1 StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe vorausgesetzt wird, wobei die Prüfung dieser Frage stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechtsrelevanten und schuldrelevanten Tatumstände verlangt. Handlungsunwert und Gesinnungsunwert müssen insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Ob schwere Schuld vorliegt, ist nach Strafbemessungsgrundsätzen (§ 32 StGB) zu beurteilen, wobei hiefür keineswegs ein Überwiegen der Erschwerungsumstände vorausgesetzt wird (13 Os 111/00 mit weiteren Judikaturhinweisen und Literaturhinweisen).

Normen

StPO §90a Abs2 Z2
StPO §90b
StPO §198 Abs2 Z2 B
StPO §198 Abs2 Z3 B
StPO §281 Abs1 Z10a

15 Os 164/01OGH10.01.2002
14 Os 38/02OGH07.05.2002
15 Os 110/02OGH28.11.2002

nur: Für den Begriff "schwere Schuld" ist jener Schuldbegriff maßgebend, der in § 32 Abs 1 StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe vorausgesetzt wird, wobei die Prüfung dieser Frage stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechtsrelevanten und schuldrelevanten Tatumstände verlangt. Handlungsunwert und Gesinnungsunwert müssen insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Ob schwere Schuld vorliegt, ist nach Strafbemessungsgrundsätzen (§ 32 StGB) zu beurteilen. (T1)

11 Os 81/02OGH01.10.2002

nur T1

13 Os 7/03OGH29.01.2003

Vgl auch

12 Os 18/03OGH27.03.2003
13 Os 16/04OGH19.05.2004

Auch; Beisatz: Bei der Frage nach schwerer Schuld fällt neben dem Gesinnungsunwert und den Strafbemessungsgründen der §§ 32 ff StGB auch das vom Täter verwirklichte Handlungs- und Erfolgsunrecht ins Gewicht. (T2)

12 Os 45/04OGH05.08.2004

Auch; Beisatz: Bei der Prüfung der Diversionsvoraussetzung nach § 90a Abs 2 Z 2 StPO im Sinn einer umfassenden Strafzumessungsschuld ist das Handlungs- und Erfolgsunrecht sowie der Gesinnungsunwert jeweils tat- und täterbezogen einer Bewertung zu unterziehen. (T3)

11 Os 26/05sOGH31.01.2006

Auch; nur: Handlungsunwert und Gesinnungsunwert müssen insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. (T4)

14 Os 84/06vOGH14.11.2006

Auch; Beis wie T2; Beisatz: Hier: Angesichts des - nach den Urteilsannahmen - grundlosen brutalen Angriffs gegen ein dem Angeklagten völlig unbekanntes Opfer auf offener Straße schlagen diese Kriterien insgesamt zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus, sodass sich die vom Schuldspruch (§ 83 Abs 1 StGB) umfasste Tat nicht für eine diversionelle Erledigung eignet. (T5)

13 Os 35/07gOGH02.05.2007

Auch; Beis wie T2; Beisatz: Hier: falsche Beweisaussage eines Polizeibeamten vor einer Verwaltungsbehörde - keine diversionelle Erledigung. (T6)

14 Os 76/07vOGH28.08.2007

Auch; Beis wie T2; Beisatz: Unter dem Aspekt spezialpräventiver Notwendigkeit einer Bestrafung ist auch eine gänzlich leugnende Verantwortung des Angeklagten durchaus beachtlich. (T7)

15 Os 128/07yOGH22.11.2007

Beisatz: Bei der Gesamtwertung kommt auch der vom Gesetzgeber in der Strafdrohung zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehaltes eine Indizwirkung für die Schuldabwägung zu (WK-StPO § 90a Rz 13f, 16, 21f und 27ff). (T8)

14 Os 32/08zOGH15.04.2008

Auch; Beisatz: Bei der Bewertung des Grades der Schuld als „schwer" ist von jenem Schuldbegriff auszugehen, der nach §§ 32 ff StGB die Grundlage für die Strafbemessung bildet, wobei stets nach Lage des konkreten Falls eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände vorzunehmen ist. Demnach müssen sowohl das Handlungs-, Erfolgs- als auch das Gesinnungsunrecht insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtwertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. (T9)<br/>Beis wie T8; Beisatz: Nunmehr „schwere Schuld" im Sinn des § 198 Abs 2 Z 2 StPO. (T10)

15 Os 64/08pOGH21.08.2008

Beisatz: Hier: Angesichts der vollkommen grundlosen Aggressionshandlung, die sich einer vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung annähert, der dabei vorhersehbaren Nähe eines Schadenseintritts, des nicht bloß geringfügigen verschuldeten Erfolgsunrechts und vor allem der sich in den gesamten Umständen der Tat konkretisierenden, gravierenden täterspezifischen Schuld erreichen Handlungs- und Gesinnungsunwert insgesamt eine Unwerthöhe, die als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist, und die auch nicht durch das Nachtatverhalten des Verurteilten gemindert werden kann. Die Schuld des Täters ist im konkreten Fall als schwer zu qualifizieren, sodass sich die vom Schuldspruch umfasste Tat - auch im Hinblick auf den nicht unerheblichen sozialen Störwert - nicht für eine diversionelle Erledigung eignet. (T11)

15 Os 162/08zOGH13.11.2008

Auch; Beis wie T9; Beisatz: Dabei kommt auch der vom Gesetzgeber in der Strafdrohung zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalts eine Indizwirkung für die Schuldabwägung zu. (T12)

12 Os 27/09aOGH28.05.2009

Vgl; Beisatz: Das Unterbleiben einer diversionellen Erledigung durch die Staatsanwaltschaft (§ 7 JGG) ist einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren nicht zugänglich. (T13)<br/>Beisatz: Im Übrigen liegen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Kriterien, insbesondere des vom Gesetzgeber nicht nur durch die Strafdrohung, sondern auch durch die Bezeichnung des Verbrechens nach § 206 Abs 1 StGB als schweren sexuellen Missbrauch als hoch eingestuften Tatunrechts und der vielfachen Tatwiederholung im Tatzeitraum 14 bis 15-jährigen Angeklagten zum Nachteil der eigenen, erst 8 bzw 9-jährigen Schwester, die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO nicht vor. (T14)

13 Os 87/11kOGH13.10.2011

Auch; Beisatz: Bei der Frage nach schwerer Schuld (neben dem Gesinnungsunwert, den Strafzumessungsgründen und dem Erfolgsunrecht) fällt auch das vom Täter verwirklichte Handlungsunrecht ins Gewicht. (T15)

12 Os 151/11iOGH15.11.2011

Auch; Beis wie T10; Beis wie T12

11 Os 64/12iOGH28.06.2012

Auch; nur: Für den Begriff "schwere Schuld" ist jener Schuldbegriff maßgebend, der in § 32 Abs 1 StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe vorausgesetzt wird, wobei die Prüfung dieser Frage stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechtsrelevanten und schuldrelevanten Tatumstände verlangt. (T16)

15 Os 61/12bOGH27.06.2012

Auch; Beisatz: Bei der Bewertung des Grades der Schuld als „schwer“ ist von jenem Schuldbegriff auszugehen, der nach §§ 32 ff StGB die Grundlage für die Strafbemessung bildet, wobei stets nach Lage des konkreten Falls eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände vorzunehmen ist. Demnach müssen sowohl das Handlungs-, Erfolgs- als auch das Gesinnungsunrecht insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtwertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Dabei kommt auch der vom Gesetzgeber in der Strafdrohung zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalts eine Indizwirkung für die Schuldabwägung zu. (T17)

12 Os 100/12sOGH07.03.2013

Beis wie T17

17 Os 15/13dOGH30.09.2013

Auch; Beis wie T17; Beisatz: Hier: Ungerechtfertigte Datenabfrage. (T18)

15 Os 154/13fOGH19.02.2014

Auch; Beis wie T9

17 Os 34/14zOGH13.10.2014

Auch; Beisatz: Die Anwendung der Diversion ist bei Missbrauch der Amtsgewalt auf leichte Fälle beschränkt, wie sich schon aus dem Ausnahmecharakter des § 198 Abs 3 (gegenüber Abs 2 Z 1) StPO ergibt. (T19)<br/>Beisatz: Die Voraussetzung bloß geringfügiger oder sonst unbedeutender Schädigung an Rechten stellt nach ihrem Wortlaut und den eindeutigen Gesetzesmaterialien nicht bloß auf Vermögensrechte ab, weshalb auch jeder „Schaden an immateriellen Rechten und Persönlichkeitsrechten sowie an öffentlichen Rechten“ bei Beurteilung dieses Ausschlusskriteriums ins Kalkül zu ziehen ist. (T20)<br/>Beisatz: Das Tatbild des § 302 Abs 1 StGB verlangt keinen tatsächlichen Schadenseintritt. Auch deshalb ist die von § 198 Abs 3 StPO, der überdies an die „Tat“ und nicht an die strafbare Handlung anknüpft, angesprochene (wirkliche) Herbeiführung einer Schädigung an Rechten dem Bezugspunkt des tatbestandsmäßigen Schädigungsvorsatzes nicht gleichzusetzen. (T21)<br/>Beis wie T8; Beis wie T12; Beis wie T17

12 Os 113/15gOGH22.10.2015

Auch; Beis wie T8; Beisatz: Bei Jugendlichen ist von dem durch § 5 Z 4 JGG modifizierten Strafrahmen auszugehen. (T22)

15 Os 110/16iOGH14.12.2016

Auch; Beis wie T17

14 Os 12/17xOGH04.04.2017

Vgl; Beis ähnlich wie T17; Beisatz: Bei einer (hier gemäß § 87 Abs 1 StGB iVm § 19 Abs 1 JGG) maßgeblichen Strafdrohung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe könnten nur besonders mildernde Umstände der Annahme nicht schwerer Schuld rechtfertigen. (T23)

13 Os 18/17xOGH17.05.2017

Vgl; Beis ähnlich wie T5

17 Os 5/17iOGH12.06.2017

Vgl auch; Beis ähnlich wie T17

17 Os 28/16wOGH12.06.2017

Auch; Beis ähnlich wie T17; Beisatz: Hier: Zu § 198 Abs 2 Z 1 StPO idFd StRÄG 2015 betreffend Missbrauch der Amtsgewalt. (T24)

14 Os 52/17dOGH05.09.2017

Auch

17 Os 16/17gOGH25.09.2017

Auch; Beis wie T17

11 Os 30/18yOGH10.04.2018

Vgl

15 Os 118/18vOGH26.09.2018

Vgl; Beis wie T23

12 Os 111/18tOGH24.01.2019

Auch; Beis wie T8; Beis wie T22

14 Os 110/19mOGH07.10.2019

Vgl; Beis wie T8; Beis wie T12; Beis wie T17; Beis wie T24

14 Os 87/19dOGH07.10.2019

Vgl; Beis wie T8; Beis wie T12; Beis wie T17

14 Os 141/19wOGH14.04.2020

Vgl; Beis wie T17; Beis wie T24

14 Os 89/20zOGH29.09.2020

Vgl; Beis wie T19

12 Os 71/20pOGH15.10.2020

Vgl; Beis wie T8; Beis wie T12; Beis wie T17

14 Os 11/21fOGH23.03.2021

Vgl; Beis wie T8

14 Os 150/21xOGH22.02.2022

Vgl; Beis wie T17; Beis wie T24

12 Os 144/21zOGH31.03.2022

Vgl; Beis wie T8; Beis wie T12; Beis wie T17

14 Os 63/23fOGH01.08.2023

vgl; Beisatz wie T17; Beisatz wie T24

14 Os 18/24iOGH19.06.2024

vgl; Beisatz wie T17; Beisatz wie T19; Beisatz wie T24

Dokumentnummer

JJR_20020110_OGH0002_0150OS00164_0100000_002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)