European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129510
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden * R* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I) sowie * S* und * C* (jeweils zu II) des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 (S* auch nach Abs 1 Z 1 erster und fünfter Fall) StGB schuldig erkannt.
Danach haben
I/ R* als zur wiederkehrenden Begutachtung nach § 57a KFG Ermächtigter, mithin als Beamter im strafrechtlichen Sinn, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Ausschluss nicht verkehrs-, betriebssicherer und umweltverträglicher Fahrzeuge von der Teilnahme am Straßenverkehr (vgl US 14) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des (richtig [Art 10 Abs 1 Z 9 B‑VG]) Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die wiederkehrende Begutachtung von Fahrzeugen, vorzunehmen und Prüfgutachten auszustellen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er in zwei Fällen, nämlich am 12. März 2018 (Punkt 1) und am 1. März 2019 (Punkt 2) für im Urteil näher bezeichnete Pkw positive Gutachten nach § 57a Abs 4 KFG ausstellte, obwohl er (zufolge Erkennens schwerer Mängel der begutachteten Fahrzeuge [US 6 und 8]) wusste, dass die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen;
II/ S* und C* am 14. März 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe der Unfallfreiheit und das Verschweigen schwerer Mängel des von ihnen verkauften Fahrzeugs, S* überdies unter Verwendung einer „verfälschten“ (richtig [RIS-Justiz RS0094445; Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 223 Rz 194 f] falschen) Urkunde, nämlich eines nachträglich abredewidrig ausgefüllten Blanko‑Kaufvertrags (US 7), und eines „verfälschten“ (gemeint: anderen solchen) Beweismittels, nämlich des zu I/1 bezeichneten (inhaltlich unrichtigen) Prüfgutachtens (US 7), * P* zu Handlungen, nämlich dem Abschluss eines Kaufvertrags betreffend den zu I/1 bezeichneten Pkw und der Übergabe des Kaufpreises von 16.600 Euro, verleitet, wodurch dieser im 5.000 Euro übersteigenden Ausmaß am Vermögen geschädigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die von sämtlichen Angeklagten, nämlich von S* aus Z 1, 5 und 5a, von R* aus Z 3, 5, 9 (lit) a und 10a sowie von C* aus Z 5 und 9 (lit) a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:
Die Behauptung der Besetzungsrüge (Z 1), der Ersatzschöffe (§ 221 Abs 4 StPO) sei bei der Urteilsberatung des Schöffengerichts (§ 257 StPO) anwesend gewesen, hat auf sich zu beruhen, weil ein solcher Umstand keine Urteilsnichtigkeit bewirkt (RIS‑Justiz RS0098381; Danek/Mann, WK‑StPO § 221 Rz 33).
Das Erstgericht stützt die Feststellung, der Beschwerdeführer habe im Tatzeitpunkt vom Totalschaden, dem schweren Mangel an der Vorderachse und der fehlenden Verkehrs- und Betriebssicherheit des von ihm verkauften Pkw gewusst (US 5), auf den Umstand, dass er zuvor „Servicearbeiten an diesem Fahrzeug durchgeführt“ habe, sowie auf die Aussage des Zeugen M* Sa*, der Beschwerdeführer habe das Fahrzeug „von A bis Z gekannt“ (US 5 und 9). Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) diese im Einklang mit den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen stehenden Erwägungen (RIS‑Justiz RS0118317) als „völlig unzureichend“ kritisiert, argumentiert sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Da die Annahme der Durchführung von Servicearbeiten erkennbar keine notwendige Bedingung für die Feststellung zur subjektiven Tatseite, sondern bloß einen von mehreren als erheblich beurteilten Umständen darstellt, bildet sie keinen Gegenstand der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0116737).
Die Konstatierung abredewidrigen Ausfüllens des von H* Sa* zuvor unterfertigten Blanko-Kaufvertrags (US 6) stützt sich – von der Rüge (Z 5 vierter Fall) übergangen (RIS-Justiz RS0119370) – unbedenklich auf die aktenkundigen, unterschiedlich ausgefüllten Exemplare dieses Kaufvertrags (US 5 iVm ON 2 S 41 und US 6 iVm ON 2 S 11) und erneut auf die Aussage des M* Sa* vor der Kriminalpolizei (US 9 iVm ON 8 S 51).
Die unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) geäußerte Kritik, das Erstgericht habe sich nicht mit Ausführungen des Sachverständigen auseinandergesetzt, der im Tatzeitpunkt beim verkauften Pkw bestehende schwere Mangel wäre nur „bei einer qualifizierten Probefahrt oder bei entsprechender Bewegung der Reifen gemeinsam mit einem Prüfhelfer auf der Hebebühne“ erkennbar gewesen, geht schon deshalb ins Leere, weil das Sachverständigengutachten im Urteil sehr wohl erörtert wurde (US 12). Im Übrigen handelt es sich dabei in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht um ein (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) erhebliches Verfahrensergebnis, liegt diesem doch (kausale) Täuschung auch über Unfallfreiheit und Wert des Fahrzeugs sowie die Verwendung einer falschen Urkunde zur Last (US 6 und 11).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt, indem sie aus vom Erstgericht ohnehin erörterten Beweisergebnissen (die Verantwortung des Beschwerdeführers [US 10 f] und die Aussage des Zeugen M* Sa* [US 9 f]) für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlussfolgerungen zieht, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (vgl RIS‑Justiz RS0099674).
Das weitere Vorbringen zu diesem Nichtigkeitsgrund leitet unzulässig Bedenken ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial bloß aus Erwägungen der Tatrichter ab (RIS-Justiz RS0119424).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*:
Das Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 3) im Zusammenhang mit dem Gutachten des Sachverständigen * N* lässt keine Verletzung einer vom in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund genannten Verfahrensvorschrift erkennen. Nichtigkeit in diesem Sinn könnte nur die Befangenheit des Sachverständigen aus bestimmten Gründen bewirken, nicht jedoch (hier) behauptete mangelnde Sachkunde (§ 126 Abs 4 zweiter Satz iVm § 47 Abs 1 Z 1 und 2 StPO; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 199; vgl 14 Os 129/19f).
Der Sachverständige * W* erstattete sein Gutachten ohnehin (einverständlich) per „Videokonferenz“ in der Hauptverhandlung (ON 38 S 2); zudem wurde sein (schriftliches) Gutachten (ON 12 in ON 18) – nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung, an dessen Richtigkeit keine Zweifel bestehen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 312) – einverständlich verlesen (ON 38 S 49). Der Einwand, der Beschwerdeführer habe sich „gegen die Verlesung des Gutachtens“ dieses Sachverständigen ausgesprochen, ist daher unverständlich.
Die Kritik (Z 3), das Erkenntnis enthalte „keinen Ausspruch“ über die „Anwendung des § 44 Abs 2 StGB“, übersieht, dass die Rechtsfolge des Amtsverlusts (§ 27 Abs 1 StGB) nur Beamte im dienstrechtlichen Sinn, nicht (wie hier) einen Beliehenen treffen kann (Ratz in WK2 StGB § 27 Rz 2; vgl im Übrigen Lendl, WK-StPO § 260 Rz 36).
Der Mängelrüge zuwider lässt das Urteil (nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof) zu I/1 und 2 unzweifelhaft erkennen, dass der Beschwerdeführer die schweren Mängel an den von ihm begutachteten Fahrzeugen tatsächlich erkannte, dies gleichwohl nicht in den Prüfgutachten festhielt (US 6, 8 und 14) und die Tatrichter dies – übrigens im Einklang mit den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungswerten (RIS‑Justiz RS0118317) – auf die beiden Sachverständigengutachten stützten, denen zufolge diese Mängel im jeweiligen Tatzeitpunkt „jedenfalls erkennbar“ waren (US 12). Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt daher nicht vor (RIS‑Justiz RS0117995).
Die weitere Mängelrüge verfehlt mit der Behauptung, dem Beschwerdeführer werde zu I/1 vorgeworfen, bei der Begutachtung keine „qualifizierende Probefahrt gemacht zu haben“, die Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370), liegt ihm doch nicht mangelhafte Durchführung der Begutachtung, sondern (wie oben bereits dargelegt) wissentliche Nichtaufnahme von ihm erkannter schwerer Mängel in das Prüfgutachten zur Last. Die ausführliche Kritik am Gutachten des Sachverständigen * N* lässt keinen zulässigen Bezugspunkt einer Mängelrüge (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 393) erkennen.
Die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere zur Wissentlichkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf den Befugnismissbrauch, aus den Ausführungen der Sachverständigen zur (leichten) Erkennbarkeit der schweren Mängel (US 12 f) begegnet unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken.
Warum die Feststellung, der Angeklagte C* habe keine „Korrektur bzw Reparatur der Lenkung“ in Auftrag gegeben, im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu jener stehe, der Beschwerdeführer habe den im Zusammenhang stehenden schweren Mangel bewusst nicht in sein Prüfgutachten aufgenommen (US 6), bleibt unklar.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt mit ihrer Kritik unzureichender Feststellungen zur subjektiven Tatseite die Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS‑Justiz RS0099810). Weshalb die – der Rüge zuwider keineswegs bloß „unter Verwendung der verba legalia“ getroffenen – Feststellungen für einen Schuldspruch nicht ausreichten, wird nicht im Einzelnen dargelegt (RIS‑Justiz RS0099620 [T7]). Das weitere zu diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen erschöpft sich im unzulässigen Versuch, der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers zum Durchbruch zu verhelfen.
Die Diversionsrüge (Z 10a) geht von der urteilsfremden Prämisse aus, der Beschwerdeführer habe die schweren Mängel an den von ihm begutachteten Fahrzeugen nicht erkannt (vgl hingegen US 6, 8 und 14) und verfehlt damit die gesetzmäßige Darstellung (RIS‑Justiz RS0124801). Lediglich der Vollständigkeit halber wird daher angemerkt, dass diversionelles Vorgehen auch an fehlendem Unrechtsbewusstsein (vgl ON 35 S 3 und ON 38 S 50; RIS‑Justiz RS0116299) sowie daran scheiterte, dass ein bloß leichter Fall von Missbrauch der Amtsgewalt hier nicht vorliegt (RIS‑Justiz RS0116021 [insbesondere T19]).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C*:
Eine Feststellung dahingehend, dass sich „der Rechtszug“ (also die mangelhafte Spureinstellung) beim vom Beschwerdeführer angebotenen Pkw nicht habe beheben lassen, traf das Erstgericht nicht, weshalb der Einwand der Mängelrüge insoweit fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) ins Leere geht.
Die Kritik, die Tatrichter hätten das konstatierte Wissen des Angeklagten S* um einen Totalschaden des Pkw ohne Begründung „nur aufgrund einer Vermutung auf“ den Beschwerdeführer übertragen, spricht keine entscheidende Tatsache an, die allein den zulässigen Bezugspunkt einer Mängelrüge bildet (RIS‑Justiz RS0117499). Nach dem Urteilssachverhalt täuschte der Beschwerdeführer den Käufer nämlich (kausal) auch über den tatsächlichen Wert des Pkw sowie durch die Vorgabe, „dass der Rechtszug behoben wird“ (US 6 f und 10 f). Davon abgesehen setzt der Tatbestand Wissentlichkeit nicht voraus; auch hinsichtlich der Täuschung genügt bedingter Vorsatz.
Der Schluss von einem gezeigten Verhalten – nämlich dem Nichtveranlassen der zuvor zugesagten Reparatur (US 6) – auf entsprechenden Täuschungsvorsatz im Tatzeitpunkt (US 11 f) ist nach den Kriterien der Z 5 vertretbar (RIS-Justiz RS0116882). Soweit die Mängelrüge behauptet, es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die zugesagte Reparatur „auch veranlassen wollte“, übt sie sich bloß in Beweiswürdigungskritik außerhalb des gesetzlich eingeräumten Anfechtungsrahmens.
Der Verweis der Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf das Vorbringen der Mängelrüge vernachlässigt den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe und das daraus resultierende Erfordernis gesonderter Ausführung (RIS‑Justiz RS0115902).
Die Kritik, es läge „in Wahrheit gar keine echte Feststellung zur inneren Tatseite vor“, verfehlt die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (US 7; RIS‑Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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