Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurden Sandor M***** (zu I.) des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2, 130 Satz zwei erster Fall StGB und Tibor G***** (zu II.) des als Beitragstäter gemäß § 12 dritter Fall StGB begangenen Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt.
Danach haben
I. Sandor M***** fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz jeweils "aus Kirchenopferstöcken" (korrekt laut US 6 f: aus Operstöcken in nachgenannten Kirchen), sohin in der Religionsausübung dienenden Räumen weggenommen, wobei er die schweren Diebstähle in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar
1. am 1. August 2001 in der Pfarrkirche Ybbs aus drei Operstöcken insgesamt ca 2.000 S,
2. am 2. August 2001 in der Pfarrkirche Hart i. Z. Ca 1.000 S und
3. am 2. August 2001 in der Pfarrkirchen Fügen aus drei Opferstöcken insgesamt ca 170 S;
II. Tibor G***** zu den unter PunktI. angeführten Taten des Sandor M***** dadurch beigetragen, dass er diesen mit seinem PKW zu den jeweiligen Tatorten hin- und wieder wegchauffierte.
Die dagegen vom Angeklagten M***** aus Z 11 und vom Angeklagten G***** aus Z 5, 10 und 10a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht im Recht.
Zur Beschwerde des Angeklagten M*****:
Rechtliche Beurteilung
Zu Unrecht erblickt dieser Angeklagte in der Tatsache, dass ihm das Erstgericht die "mehrfache Qualifikation des Diebstahls" als erschwerend angelastet hat (US 10), unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20. März 2001, AZ 11 Os 4, 7/01 (veröffentlicht in EvBl 2001/151), einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (Z 11 zweiter Fall iVm § 32 Abs 2 erster Satz StGB) mit der Behauptung, die angewendete (höhere) gesetzliche Strafdrohung des § 130 zweiter Strafsatz StGB werde durch die gewerbsmäßige Begehung von ausschließlich nach § 128 Abs 1 Z 2 StGB qualifizierten (Opferstock-)Diebstählen bestimmt.
In Weiterentwicklung der zu EvBl 2001/151 eingeleiteten Judikatur vertritt der Oberste Gerichtshof die Ansicht, dass die Annahme der "mehrfachen Qualifikation des Diebstahls" als erschwerend im konkreten Fall keinen Nichtigkeit begründenden Gesetzesverstoß darstellt. Ein solcher könnte zwar dann vorliegen, wenn nur ein mit gewerbsmäßiger Absicht versuchter oder vollendeter schwerer Diebstahl (§§ 127, 128 StGB) Urteilsgegenstand wäre. In dem hier zu beurteilenden Fall verübte der Angeklagte aber mehrere (drei) selbständige, als (gewerbsmäßig schwerer) Diebstahl abgeurteilte Taten, sodass der Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB schon durch die Wiederholung der Tat ("mehrere strafbare Handlungen derselben Art") erfüllt ist (Mayerhofer StGB5 § 33 E 5a). In welcher der drei gleichwertigen Formen dieser Strafzumessungsgrund aber in concreto verwirklicht wurde, ist bedeutungslos (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 33 RN 3), wobei die bloß unrichtige Bezeichnung des - somit hier im Ergebnis richtig angenommenen - Erschwerungsgrundes des § 33 Z 1 StGB nicht schadet. Unter dem Gesichtspunkt der Strafzumessung ist die mehrfache Qualifikation der strafbaren Handlung der Begehung mehrerer strafbarer Handlungen gleich zu halten (Kunst in WK1 § 33 Rz 5a).
Zur Beschwerde des Angeklagten G*****:
Zunächst versagt die Mängelrüge (Z 5).
Soweit sie zwei Feststellungspassagen (US 6: M***** vereinbarte mit G*****, dass er ihn mit seinem PKW gegen Ersatz der Auslagen und Beteiligung an der Diebsbeute zu und von den einzelnen Tatorten chauffiert, sowie: G***** hat gewusst, dass M***** die Kirchen ausschließlich zur Begehung von Diebstählen aufsucht) als "aktenwidrig" kritisert, weil sie (nach Meinung der Beschwerde) mit allen Aussagen der beiden Angeklagten in Widerspruch stehen, verkennt sie das Wesen dieses formellen Nichtigkeitsgrundes. Ein Urteil ist nur dann aktenwidrig, wenn es - auf den konkreten Fall bezogen - den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (EvBl 1972/17), nicht aber, wenn - wie vorliegend - bloß behauptet wird, zwischen den tatrichterlichen Konstatierungen und den diesen zugrundegelegten Beweisen (vgl US 8 f) bestehe ein Widerspruch. Die Richtigkeit der auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüsse des Schöffengerichtes ist nämlich auch unter dem Gesichtspunkt (vermeintlicher) Aktenwidrigkeit nicht anfechtbar (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 185, 190 f uam).
Auch der weitere Beschwerdeeinwand, der die tatrichterliche Begründung (abermals US 8 f) - allerdings auf ein nur unvollständig wiedergegebenes Zitat (es fehlen die entscheidenden Worte: "ohne Begründung") aus Foregger/Fabrizy StPO8 § 281 Rz 46 gestützt - als "unzureichend" bekämpft, geht fehl. Die Erkenntnisrichter haben nämlich in einer kritischen Gesamtschau aller erhobenen Beweise einschließlich des gewonnenen persönlichen Eindrucks zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) sowie in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung dargelegt, warum sie den belastenden Angaben des Sandor M***** vor der Gendarmerie (S 69 f) glaubten, hingegen der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers und insoweit auch jener seines Komplizen den Glauben versagten.
Schließlich ist die - im vorliegenden Fall gar nicht entscheidungswesentliche (vgl hiezu Foregger/Fabrizy aaO Rz 41) - Höhe des gestohlenen Bargeldes mit insgesamt "circa" 3.370 S - der Beschwerde zuwider - deutlich festgestellt. Eine exaktere Angabe des Schillingbetrages - wie sie dem Nichtigkeitswerber vorzuschweben scheint - war bei der gegebenen Beweislage gar nicht möglich.
Somit vermag der Beschwerdeführer keinen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen, sondern trachtet in Wahrheit lediglich nach Art einer unzulässigen Schuldberufung seiner als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.
Zu Unrecht reklamiert die Subsumtionsrüge (Z 10) fehlende Feststellungen dahin, "dass der Tatbeitrag des Tibor G***** in einem der Religionsausübung dienenden Raum gesetzt worden wäre", und "wo die Kirchenopferstöcke plaziert waren".
Zufolge der rechtlichen Gleichwertigkeit (Gleichrangigkeit) aller in § 12 StGB angeführten drei Täterschaftsformen begeht die "strafbare Handlung" (hier: Diebstähle aus in Kirchen aufgestellten Opferstöcken durch den unmittelbaren Täter M*****) auch, wer sonst zu deren Ausführung eines anderen beiträgt, mithin, ohne unmittelbarer Täter oder Bestimmungstäter zu sein, dessen Tatbildverwirklichung ermöglicht, erleichtert, absichert oder sonst wie fördert. Dabei haftet im Sinne der autonomen Verantwortlichkeit aller Beteiligten jeder von ihnen - unabhängig von der Haftung des anderen - für eigenes Unrecht und eigene Schuld (§ 13 iVm § 14 Abs 2 StGB; Leukauf/Steininger aaO § 12 RN 4 f, 44; § 13 RN 1 und § 14 RN 17 sowie Fabrizy in WK2 § 12 Rz 10 f, 16, 39 in § 14 Rz 20 und 22).
Allen diesen gesetzlichen Kriterien trugen die Tatrichter Rechnung, indem sie mängelfrei und unmissverständlich konstatierten, der unmittelbare Täter M***** habe gewerbsmäßig (§ 70 StGB) Opferstockdiebstähle in den drei genannten Pfarrkirchen verübt und G***** habe - ohne Gewerbsabsicht - zu dessen Straftaten durch Transportdienste vorsätzlich beigetragen. Einer darüber hinausgehenden Feststellung, dass dieser Tatbeitrag in einem der Religionsausübung dienenden Raum gesetzt wurde, bedurfte es daher ebensowenig wie einer Konstatierung über den genauen Standort der Kirchenopferstöcke. Genug daran, dass die Diebstähle festgestelltermaßen in Kirchen, somit "e loco sacro", wozu ohne Zweifel auch der Kirchenvorraum gehört (vgl näher dazu Leukauf/Steininger aaO § 128 RN 14 f), begangen wurden.
Das auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10a StPO gestützte Vorbringen, im Hinblick auf die Unbescholtenheit des über 50jährigen Angeklagten G***** und die gänzliche Schadensgutmachung wäre bei ihm mit Diversion vorzugehen gewesen, scheitert schon an der essentiellen Voraussetzung des § 90a Abs 2 Z 2 iVm § 90b StPO. Danach sind diversionelle Maßnahmen ua nur dann zulässig, wenn die Schuld des Verdächtigen (Angeklagten) nicht als schwer anzusehen wäre.
Für den Begriff "schwere Schuld" ist jener Schuldbegriff maßgebend, der in § 32 Abs 1 StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe vorausgesetzt wird, wobei die Prüfung dieser Frage stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände verlangt. Handlungs- und Gesinnungsunwert müssen insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Ob schwere Schuld vorliegt, ist nach Strafbemessungsgrundsätzen (§ 32 StGB) zu beurteilen, wobei hiefür keineswegs ein Überwiegen der Erschwerungsumstände vorausgesetzt wird (13 Os 111/00 mit weiteren Judikatur- und Literaturhinweisen).
In dem hier aktuellen Fall fehlt es jedoch nicht nur am Erfordernis einer nicht als schwer anzusehenden Schuld, sondern sprechen auch Rücksichten der General- und Spezialprävention dagegen (vgl US 6 und 11).
Aus dieser Sicht treten die von der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände erheblich hinter die Tatsache zurück, dass G***** trotz gesicherter sozialer Lage (er und seine Gattin beziehen ein regelmäßiges Monatseinkommen, gemeinsame Sorgepflicht für ein Kind) verabredungsgemäß allein zu dem Zweck von Ungarn in den Westen Österreichs gefahren ist, um seinem Komplizen (nach dem Muster seines wegen gleicher Straftaten abgeurteilten Vaters) die gewerbsmäßige Verübung von Opferstöcken in Kirchen durch Transportleistungen zu ermöglichen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen einer vom Verteidiger des Angeklagten G***** dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung- zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte Sandor M***** nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten und Tibor G***** nach § 128 Abs 1 StGB zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, von der es gemäß § 43a Abs 3 StGB einen Strafteil von 6 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
Bei der Strafbemessung wertete es beim Angeklagten M***** als erschwerend die einschlägige Vorstrafenbelastung, seine führende Beteiligung an den Taten sowie "die mehrfache Qualifikation des von ihm zu verantwortenden Diebstahles", als mildernd hingegen sein Geständnis, soweit es die eigene Tatbeteiligung betrifft. Beim Angeklagten G***** war die Wiederholung der Tatbeiträge erschwerend, demgegenüber seine Unbescholtenheit und die untergeordnete Beteiligung mildernd.
Mit den dagegen erhobenen Berufungen beantragt Sandor M***** eine Strafreduktion (allenfalls unter Anwendung des § 41 StGB), jedenfalls aber die Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe gemäß § 43a StGB. Tibor G***** strebt gleichfalls die Herabsetzung der ausgesprochenen Freiheitsstrafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht an.
Beide Berufungen sind unbegründet.
Die Berufungswerber reklamieren zwar (im Ergebnis) zu Recht die (infolge Sicherstellung von 5.632,50 S mögliche) Schadensgutmachung als zusätzlich mildernd. Dessen ungeachtet entsprechen aber die vom Erstgericht geschöpften Sanktionen sowohl der differenzierten personalen Täterschuld als auch dem Gesinnungsunwert sowie dem Unrechtsgehalt der Taten.
Soweit sich Sandor M***** auf die vom Obersten Gerichtshof in einem anderen Urteil (EvBl 2001/151) verhängte Freiheitsstrafe beruft, ist dieser Vergleich unzulässig. Die "äußerst geringe Schadenssumme von 3.170 S" kann nicht zusätzlich mildernd sein. Bei der gegebenen Sachlage und der Täterpersönlichkeit scheitert die Gewährung der teilbedingten Strafnachsicht gemäß § 43a Abs 3 StPO aus spezial- und generalpräventiven Rücksichten. Daran vermag auch das bloße Versprechen nichts zu ändern, er werde sich als Vater eines weiteren, erst jüngst außerehelich geborenen Kindes künftighin um rechtschaffene Arbeit bemühen und um seine Familie kümmern.
Angesichts der zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10a StPO dargelegten Tatsachen ist auch bei Tibor G***** weder eine Strafmilderung noch die Gewährung der gänzlich bedingten Strafnachsicht gerechtfertigt.
Somit war auch den Berufungen ein Erfolg zu versagen.
Die Abwesenheit des Verteidigers des Angeklagten G***** hinderte die Durchführung des Gerichtstages nicht, weil auch durch das StRÄG 1993 an § 41 Abs 1 Z 4 StPO inhaltlich keine Änderung eingetreten ist (vgl RV 924 BlgNR 18. GP 18).
Die Zustellung der Ladung zum Gerichtstag an den Verteidiger Mag. Szabo und an den Angeklagten G***** ist nachgewiesen (RSb bei ON 5).
Die Bestimmungen über die notwendige Verteidigung vor dem Obersten Gerichtshof sind dahin zu verstehen, dass der Angeklagte im Zeitpunkt des Gerichtstages zwar einen Verteidiger haben, nicht aber auch, dass dieser tatsächlich erscheinen muss (Mayerhofer aaO §§ 286 E 4; 287 E 3; zuletzt EvBl 1999/215 = JBl 2000, 742 und 15 Os 117/01).
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